Als Songwriter werden Mick Jagger und Keith Richards oft unterschätzt. Das ist ein Fehler. Ihre Songs sind vielleicht nicht immer so sorgfältig gebaut wie die von John Lennon und Paul McCartney. Jagger und Richards lassen zum Beispiel oft die „middle eight“ weg, den manche „bridge“ nennen, und den die Beatles meisterhaft einsetzten, man denke an Lennons „Life is very short …“-Einschub bei „We Can Work It Out“. Jagger und Richards begnügen sich meistens mit Strophe und Refrain. In diesem Lied verzichten sie sogar auf einen Refrain.
Ich habe dieses Lied aber immer geliebt, eigentlich nur wegen einer Strophe, wegen zweier Bilder:
Our love was like the water / That flashes on a stone. / Our love is like our music: / It’s here and then it’s gone.
Perfekt. Es gibt eigentlich nichts bei Lennon & McCartney, was so einfach und wahr ist. Sie sind ja im Sinne der Unterscheidung Friedrich Schillers sentimentalische Songschreiber; Jagger & Richards im bersten Sinne naive.
Johann Wolfgang von Goethe, auf den Schiller neidvoll den Begriff des Naiven münzte, benutzte auch das Bild des Wassers im Zusammenhang mit der Liebe. Aber anders:
Es rauschen die Wasser, / die Wolken vergehn; / doch bleiben die Sterne, / sie wandeln und stehn. / So auch mit der Liebe / der Treuen geschieht: / Sie wegt sich, sie regt sich / und ändert sich nicht.
OK, das ist ein ähnlicher Gedanke wie „Marmor, Stein und Eisen bricht / Aber unsere Liebe nicht / Alles, alles geht vorbei / Doch wir sind uns treu.“ Schön wär’s. Jagger und Richards sind zugleich trauriger und realistischer, was dasselbe ist, und romantischer, was vielleicht auch dasselbe ist. Die Liebe ist wie das Wasser, wie die Musik: hier und dann weg. Oder wie Erich Kästner ganz sachlich schrieb:
Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Als ich daran ging, diesen Text zu schreiben, fiel mir auf, dass ich den Song immer falsch gehört, produktiv missverstanden hatte im Sinne Axel Hackes und seiner „Handbücher zum Verhören“. Tatsächlich heißt es nicht „flashes on a stone“, sondern „splashes“. Es plätschert, statt zu blitzen. Schade. Aber trotzdem ein wunderbares Bild.
Ach so, ja: „You throw your pearls at swine“ ist doch sehr schön.
Und die Slide-Guitar von Brian Jones auch.
Take me to the station
And put me on a train
I’ve got no expectations
To pass through here again
Once I was a rich man and
Now I am so poor
But never in my sweet short life
Have I felt like this before
You heart is like a diamond
You throw your pearls at swine
And as I watch you leaving me
You pack my peace of mind
Our love was like the water
That splashes on a stone
Our love is like our music
It’s here, and then it’s gone
So take me to the airport
And put me on a plane
I’ve got no expectations
To pass through here again
… die Beatles sind für mich bestenfalls gefällige ‚Schlagermusiker‘. Deren Musik ging mir nie unter die Haut. Das soll keine Abwertung der Beatles sein.
… aaaber die Stones, au-haua-ha, kaum ein Song der nicht unter die Haut geht. Selbst gecoverte ‚Schnulzen‘, That’s How Strong My Love Is, z.B.. Die ‚Auserwählte‘ auf der Tanzfläche in den Armen. Tanzschritte – damals – zwei vor, einen zurück. Nur nicht anmerken lassen, das ich gar nicht tanzen konnte/kann, elektrisiert beim Tanz noch heute,
( … ähm, heute führt sie und ich kann mir einbilden ein guter Tänzer zu sein.)
Und o.t., ein paar ‚Bob Dylans‘ sind verschwunden. Zu gut? Für ‚größeres‘ gesichert? Oder Zensur?
Lieber Hans, ich kenne keinen echten Rock’n’Roller, ich meine also Musiker, der nicht Hochachtung vor den Beatles als Songwriter und Performer empfindet. Die Entgegensetzung Beatles-Stones, eine Marketing-Masche von Stones-Manager Andrew Loog Oldham, auf die Millionen hereinfielen, sollte man im 21. Jahrhundert hinter sich lassen können. Wenn Sie „That’s How Strong My Love Is“ von den Stones mögen (und ich finde ihre Version auf ihre Art so gut wie das Original von Otis Redding, was ja einiges heißen soll), dann hören Sie sich doch „Baby It’s You“ von den Beatles an. Es ist sogar besser als das Original von The Shirelles, finde ich. Ich würde dabei übrigens gar keine Schritte machen, aber daran erkennt man die gelernten Ossis. Schritte mussten sein. Einfach stehen und sich zur Musik leise wiegen, das ging nicht.
Ja, die Dylan-Stücke habe ich „für Größeres gesichert“. Ich habe einen Vertrag für ein Buch mit 50 Dylan-Exegesen.
… nun, werter APo., ich bin nicht auf eine ‚Marketing-Masche‘ hereingefallen. Wer sich als ‚echter Rock’n’Roller‘ sieht, ist mir schnuppe. Und ja, ‚Ossis‘ sind halt revolutionär. Daher! 😉
… ihr Buch könnte mir jetzt schon gefallen. Ich bestelle es hiermit.