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Ein paar Gedanken zur Iran-Entscheidung von Trump

1. Die Aufkündigung des Nuklearabkommens durch die USA ist ein Fehler. Dieser Schritt führt nicht zur Lösung der Probleme, die seinerzeit nicht Gegenstand des Nuklearabkommens waren: aggressives und expansives Verhalten Irans in der Region, feindselige Politik gegenüber Israel, schlechte Menschenrechtslage im Iran. Die Entscheidung von Trump fügt diesen ungelösten Problemen zwei hochbrisante Probleme wieder hinzu, die durch das Nuklearabkommen zwar nicht dauerhaft gelöst, aber eingehegt waren: die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens im Nahen Osten und einer militärischen Konfrontation mit Iran.

2. Die Vereinbarungen des Nuklearabkommens werden von den Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) regelmäßig und intensiv überprüft. Die Organisation sagt, dass sich Iran bisher an das Abkommen hält. Wenn Iran als Antwort auf die amerikanische Entscheidung den Atomwaffensperrvertrag aufkündigt (Kündigungsfrist 3 Monate), die Urananreicherung in großem Stil wieder aufnimmt und der IAEO keine Kontrollen mehr gestattet, besteht die Gefahr, dass auch Saudi-Arabien über Nuklearwaffen nachdenkt, um in dem Konflikt mit Iran nicht ins Hintertreffen zu geraten. (Wettrüsten)

3. Sanktionen, die Trump jetzt wieder verhängen will, wirken allenfalls mittelfristig. Russland und China, die ebenfalls wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland Partner des Nuklearabkommens sind, werden sich definitiv nicht an den amerikanischen Sanktionen beteiligen, da sie, wie die Europäer, an dem Abkommen festhalten wollen.

4. Für die Europäer stellt sich die Frage, ob sie dem Schritt Trumps folgen oder nicht. Wenn es gelingen könnte, Iran trotz der amerikanischen Aufkündigung des Abkommens in den Verpflichtungen des Abkommens zu halten, sollten die Europäer an dem Abkommen festhalten. Sie müssten für diesen Fall allerdings mit erheblichen Spannungen mit der Trump-Regierung rechnen. Trump würde versuchen, über die Erlaubnis zum Marktzutritt in die USA auch europäische Firmen dazu zu zwingen, den amerikanischen Sanktionen beizutreten.

5. Diese Option, sich dem Schritt von Trump nicht anzuschließen, gibt es allerdings nur, wenn Großbritannien, Frankreich und Deutschland mit Rückendeckung der EU diesen Weg gemeinsam gehen. Und sie ist nur gangbar, wenn Iran deshalb im Abkommen bliebe.

6. Gegen diese Option könnte sprechen, dass damit jeder Einfluss der Europäer auf die Trump-Regierung in dieser Frage zunächst verloren geht. Allerdings hat Trumps Alleingang bei der Aufkündigung gezeigt, dass er sich in dieser Frage nicht mit Verbündeten abstimmt.

7. Wenn Iran das Abkommen verläßt, wächst die Kriegsgefahr im Nahen Osten dramatisch. Durch fehlende Kontrollen wächst die Unklarheit darüber, wie nahe Iran einer Atomwaffe kommt.

8. Israel und die USA haben immer gesagt, dass sie eine nukleare Bewaffnung Irans nicht hinnehmen würden. Wenn der Verhandlungsweg beendet wird, bleibt irgendwann nur militärische Gewalt, um dieses Ziel zu erreichen.

9. Auf eine Zerstörung seiner Nuklearanlagen würde Iran wahrscheinlich wegen seiner militärischen Unterlegenheit asymmetrisch reagieren. Im Irak, im Libanon, in Syrien und Afghanistan verfügt Iran über entsprechende Möglichkeiten. Insbesondere Israel wäre gefährdet.

10. Was tun?  1. Gemeinsame Position von Großbritannien, Frankreich und Deutschland entwickeln mit dem Ziel, Iran im Abkommen zu halten. 2. Gemeinsame Vorschläge erarbeiten, wie mit Iran über die anderen strittigen Fragen (s. Ziff. 1) verhandelt werden soll: Ziele, Verhandlungsrahmen, mögliche Druckmittel 3. Angebot an Trump, auf dieser Basis mit Iran zu verhandeln. Voraussetzung: kein Zwang, die amerikanischen Sanktionen in Folge der Aufkündigung des Nuklearabkommens mitzumachen.

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Über Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz (68) gehörte von 1994 bis 2013 dem Deutschen Bundestag an und war 2000 Generalsekretär der CDU. Von 2005 bis 2013 war der Politiker aus Münster Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) und Dean des Global Diplomacy Lab. Der Jurist ist verheiratet und hat mit seiner Frau vier erwachsene Kinder.

2 Gedanken zu “Ein paar Gedanken zur Iran-Entscheidung von Trump;”

  1. avatar

    Es passiert selten, aber ich kann Ihnen in allen Punkten zustimmen.
    Fraglich ist allerdings, ob es gelingen kann, ohne die USA überhaupt Handelsbeziehungen zum Iran aufzubauen.
    Schließlich verhängen die USA nicht nur Sanktionen gegen Iran, sondern gegen jede Firma, die Handel mit dem Iran treibt.
    Kann die EU europäische Firmen vor den USA schützen ?
    Wäre die EU bereit, wegen des Iran einen Handelskrieg mit Revanche-Strafaktionen gegen US-Firmen anzuzetteln ?

    Ich fürchte, Trump und seine Berater werden ihr Ziel erreichen:
    Trotz der bisher besonnenen Reaktion des Iran wird sich das Land bei ausbleibenden Handelsbeziehungen mit den anderen Signatarmächten radikalisieren.

  2. avatar

    Nicht schon wieder der Polenz!

    ***

    Intellektuelle Highlights der Argumente der Medienkommentare zum Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen (alle von ARD/ZDF/n-tv), die der Hintergrundsound zu den „Gedanken“ von Herrn Polenz sind:

    1. Es wurde so lange verhandelt.

    2. Jeder Vertrag ist besser als keiner. (Besonders nett: Das sagen auch die Außenminister der drei Länder, die am Münchner Abkommen beteiligt waren.)

    3. Der Iran wird jetzt zur nuklearen Aufrüstung „gezwungen“.

    4. Iran verstärkt schon seine Präsenz in Syrien.

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