Wie ich von Henryk M. Broder und Alan Posener zu einer Verteidigerin der Täter von Köln gemacht wurde
Von Amelie Fried
Amelie Fried braucht eigentlich keine Vorstellung, aber wer sie nicht kennt, findet sie hier.http://www.ameliefried.de/
Ich habe neulich Frau Fried öffentlich kritisiert. So finde ich es nur fair, ihr die Möglichkeit einzuräumen, mich zu kritisieren, und habe ihr das angeboten. Ich bin nach wie vor nicht mit ihrer Kritik einverstanden, schon gar nicht mit der Kritik an Henryk Broder und der WELT, aber ich verzichte darauf, den Streit fortzuführen. Mit dieser Dokumentation der verschiedenen Positionen soll es von mir aus sein Bewenden haben. Alan Posener
Anfang Dezember letzten Jahres schrieb ich einen Kolumnentext für die Weihnachtsausgabe von CICERO, die Mitte Dezember erschien. Anlässlich des Festes der Liebe besann ich mich auf die von vielen derzeit so heftig verteidigten Werte unserer christlich-abendländischen Kultur, und nahm den Diebstahl einer Gitarre durch einen Flüchtling zum Anlass, über Geben und Nehmen zu reflektieren, und über das asymmetrische Verhältnis zwischen Menschen, die alles verloren haben, und Menschen, die in der Lage sind, zu geben. Ich fragte mich, ob wir das Recht hätten, Dankbarkeit einzufordern, und gab meiner Hoffnung Ausdruck, dass gut integrierte Flüchtlinge eines Tages mehr zurückgeben werden, als wir in sie investiert haben. Mit keinem Wort verteidigte ich den Diebstahl, ich sagte nur, ich sei dankbar für die Lektion, die mich dieses Erlebnis gelehrt hat.
Im Januar finden sich Zitate aus diesem Text unter der Überschrift „War Köln ein Pogrom? – An den Übergriffen zu Silvester und der Debatte im Anschluss zeigt sich, was Frauen- und Judenhasser verbindet“ in einem Artikel von Henryk M. Broder in der WELT.
Darin stellt er mich in eine Reihe mit Journalistinnen, die nach Silvester angeblich die Täter von Köln verteidigt hätten. Diesen Kolleginnen wünscht er, vom IS nach Rakka eingeladen zu werden, um zu erfahren, was Rape-Culture bedeutet. Wie sagte Broders Kollege Alan Posener auf „Starke Meinungen“: „… guter Geschmack war seine Sache noch nie.“
https://starke-meinungen.de/blog/2016/01/14/der-fall-broder/
Nur, was hat meine Weihnachtskolumne mit den nach Silvester geäußerten Meinungen der Kolleginnen des „Tagesspiegel“ zu tun? Noch einmal: Mein Text handelt vom Diebstahl einer Gitarre und ist lange vor Silvester erschienen, hat also weder zeitlich noch inhaltlich den geringsten Zusammenhang mit den Vorgängen von Köln. Das juckt Herrn Broder aber nicht, ungeniert erweckt er den Eindruck, mein Text sei im Zusammenhang mit Köln entstanden. Fazit seiner Ausführungen über mich: „Denn Frau Fried hat, wie viele ihrer Mitstreiterinnen, bis heute nicht begriffen, was in der Nacht vom 31. Dezember auf 1. Januar in Köln und an anderen Orten passiert ist.“
Als ich mich bei der WELT beschwere, wird mir von der Chefredaktion ein Gastkommentar zugestanden, in dem ich meine Sicht der Dinge – auf sehr begrenztem Raum – darstellen darf.
Nun mache ich einen Fehler: Ich wage tatsächlich, über die möglichen Motive der Täter – wohlgemerkt: der Gitarrendiebe, nicht der Sexualstraftäter von Köln – nachzudenken! Wörtlich schreibe ich: „Jugendliche, die aus einem Kriegsgebiet fliehen, sind auf schieres Überleben programmiert. Dazu gehört womöglich auch, zu stehlen. Damit sage ich nicht, dass Stehlen richtig sei. Und schon gar nicht sage ich, dass Flüchtlinge ein größeres Recht hätten, zu stehlen (oder andere Straftaten zu begehen) als andere.“
Nun wird erneut zum Halali geblasen – so viel dämliches Gutmenschentum darf in der WELT nicht ungesühnt bleiben. Alan Posener verfasst eine weitere Polemik, in der er mich in eine Reihe mit der Terroristin Ulrike Meinhof stellt. Die hatte – nachdem obdachlose Übernachtungsgäste in ihrer WG Geld und eine Stereoanlage hatten mitgehen lassen, mal gesagt: „Tendenziell ist alles, was ein Prolet macht, richtig. Und alles, was ein kleinbürgerlicher Intellektueller macht, falsch.“ Meine Überlegungen spiegelten laut Posener denselben Geist in Bezug auf Flüchtlinge und uns Bürger des Westens wider.
Erstens ist der Satz von Ulrike Meinhof großer Unfug. Zweitens ist die Analogie, die Posener herstellt, großer Unfug.
Ich sage ausdrücklich, dass ich den Diebstahl nicht gutheiße und nicht der Meinung bin, Flüchtlinge hätten ein größeres Recht zu stehlen (oder andere Straftaten zu begehen) als andere. Was muss man denn noch tun, um zu verhindern, das einem das Wort im Mund herumgedreht wird? Darf man als Autor bei der WELT mit Verzerrungen und Verfälschungen leichtfertig den Ruf einer anderen Autorin beschädigen, nur weil einem deren Weltsicht nicht passt?
Nach meiner Beschwerde über Broder änderte WELT online flugs die Unterzeile seines Artikels. Jetzt sieht es so aus, als hätte Broder ihn allgemeiner gemeint und nicht nur auf die Vorgänge in Köln bezogen. So finde ich mich also nun in einem Artikel unter der perfiden Zeile: „Noch etwas wird klar: manche Frauen haben mehr Mitgefühl mit den Tätern als mit den Opfern“ als angebliche Verteidigerin von Frauenschändern und Vergewaltigern wieder.
Ich war Schülerin der Odenwaldschule. Ich war zum Glück nicht selbst von sexuellen Übergriffen betroffen. Aber ich kenne viele ehemalige Mitschüler, die es waren. Und ich habe erfahren, was diese Form der Gewalt mit ihnen gemacht hat, wie manche Leben dadurch zerstört wurden. Wer ernsthaft glaubt oder andere glauben machen will, ich würde Vergewaltiger verteidigen, der muss böswillig oder zumindest von allen guten Geistern verlassen sein.
So werde ich nun also dank dieses fragwürdigen journalistischen Umgangs mit der Wahrheit mit einem Shitstorm bestraft für Meinungen, die ich nicht habe, und Äußerungen, die ich nicht getan habe. Für die dadurch entstandene Beschädigung meines guten Rufes hat sich bislang übrigens niemand bei mir entschuldigt.
Zu A. Berger
Ich weiss nicht, was Frau Fried wg. diesem Herrn P. unternommen hat. Soweit ich weiss, hat sie auch einige Bücher bei Goldmann/Random House im Programm und da ist es aus meiner Sicht legitim zu schauen, mit wem man da so alles unter einem Dach steht. Sarazzin war da schon eine große Zumutung und bei dem Herrn P. wird mir auch schlecht, wenn ich lese, was für einen chauvinistischen Unsinn der schreibt. Das Argument, einem Kollegen nicht zu schaden, finde ich nicht überzeugend. Wie weit geht denn Ihre Solidarität? Würden Sie auch mit einem Hitler in einem Verlag bleiben? Herr P. ist jetzt bei Kopp und da gehört er auch hin. Da kann er mit Frau Herrmann über die Verschwulung Deutschlands diskutieren und mit jeder seiner deutschen Fasern über die guten Autobahnen schwärmen. Was Frau Fried an den Tag gelegt hat, war Haltung.
Hier wird ja gelöscht, wie bei der Stasi. Linke DschurnalistenInnenX können die Wahrheit nicht vertragen, deshalb auch die hilflosen Gegenartikel von Frau Fried.
Hier zeigt Herr Broder, dass er zum Thema sehr fundiert und differenziert argumentieren kann:
http://www.welt.de/debatte/hen.....ismus.html
Ganz unsexistisch zitiert er einen katholischen Geistlichen, der Claudia Roth einen „Zölibatsverstärker“ genannt haben soll (Richtig Herr Posener, das hat natürlich nicht Ihr Freund Broder gesagt, er hat es ja nur zitiert, von dem sexistischen Katholiken. Ich bin wahrscheinlich ein – wie kann es ander sein? katholischer – Sexist, wenn ich glaube, dass Broder sich mit dem Pfaffen gemein machen würde.)
Frau Hecht-Galinski hat Broder natürlich auch nicht sexistisch herabgewürdigt, als er sie eine „hysterische, geltungsbedürftige Hausfrau“ nannte. Denn wir ahnen schon, dass Sie und wahrscheinlich auch Herr Broder Hausfrauen keineswegs als minderwertige Mitmenschen betrachten, nein, Sie und Ihr Freund Broder respektieren diese häuslichen Geschöpfe von tiefsten Herzen und er meinte es daher nur gut, denn „hysterisch und geltungsbedürftig“ ist er ja selbst und so kann man all das natürlich nur als Kompliment verstehen.
Ich hatte mir im Rahmen einer anderen Diskussion hier einmal die Mühe gemacht, in den frühen „Werken“ Broders aus den 70ern und 80ern nachzulesen. Der deutsche Michel sah bei Licht ins Herze ihm und… schweigt.
Im übrigen halte ich Denunziation für keine attraktive Charaktereigenschaft.
Nun, liebe Frau Fried, ich zögere, mich bei sowas einzumischen. Sie lernen also etwas daraus, beklaut zu werden, was mich zunächst nichts angeht. Aber Sie haben es publiziert und ich habe davon kein Wort verstanden. Wenn ich beklaut werde, empfinde ich zunächst mal Ärger. Worüber? Nein, nicht der ‚Verlust‘, den empfinde ich auch, wenn ich meine Gitarre verschenke. Das Schenken ist aber meine Entscheidung und die Freude, jmdm. ein Geschenk zu machen, wird das dann überrwiegen. Diebstahl ignoriert aber meine/Ihre Entscheidung, sie schädigt mich/Sie ohne meine/Ihre Einwilligung, sie setzt sich über mich/Sie hinweg, sie zeigt keinen Respekt vor meiner/Ihrer Person, sie demütigt. (Wo auch die Parallele zu den Vorfällen in Köln ist.)
Was also aus dem Diebstahl zu lernen wäre, ist, daß andere die Macht haben, Sie zu demütigen, was Sie unterschlagen. (Daß andere weniger haben, als ich, weiß ich auch ohne bestohlen zu werden.)
Sie, Frau Fried drehen Ursache und Wirkung um, wo ich das Problem mit Ihrer Interpretation sehe. Es gibt nun mal Dinge, die ergeben keinen ‚Sinn‘, aus denen kann man nichts „lernen“. Außer vielleicht, daß – irgendwann – Gras über sie wächst. Wann, das liegt nicht in unserer Hand. Irgendwann, je nach Schwere der Demütigung. Ja, es geht hier ’nur‘ um eine Gitarre, aber vieles von dem, was die Leute derweil so umtreibt (Flüchtlingshilfe, KHbf) – hat prinzipiell damit zu tun. Wer das plattredet – incl. einer Kanzlerin, die Losungen ausgibt („Wir schaffen das“) – stärkt die, die dann bei Volk & Vaterland Schutz suchen. Wie war das noch? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. (Von ‚Übernächstem‘ ist sowieso nicht die Rede..). Ich selber habs ja lieber profaner: Hüte dich vor Leuten, die sich selbst nicht ernstnehmen.
zu a.berger:
Wer verleumdet, und das war eine Verleumdung, riskiert nun mal als Journalist oder Gast-Schreiber, dass er raus fliegt oder nicht mehr gefragt wird. Ich habe ja nichts gegen grobe Scherze, aber dieser miese Stil ging weit darüber hinaus, was noch tolerabel ist. Warum dann nicht beim Arbeitgeber intervenieren? Narrenfreiheit nur für „Narren“!
A. Pirrinci hat berichtet, daß Amelie Fried sich bei Pirrincis Verleger, der Random House-Gruppe, erfolgreich für die Kündigung seines Autorenvertrages eingesetzt habe. Entschuldigung, aber was ist das für eine Autorin, die einem Berufskollegen nach dessen Existenzgrundlage trachtet? Und diese Vernichtungsabsicht auch noch in die Tat umsetzt? Darüber mag sich jeder ein eigenes Urteil bilden. Mir jedenfalls genügt schon diese Episode, um zu wissen, was ich von Frau Fried zu halten habe.
gruselig, der Gesinnungs-Kitsch, der zurzeit wieder als „normal“ gilt. Ich zweifele auch an vielen Geschichten, die um die Kölner Domplatte kreisen, das hat doch nichts mit „Mitgefühl“ zu tun, sondern das geht vom Kopf aus und hat etwas zu tun mit einem realistischen Sinn und jahrelanger Erfahrung mit Kampagnen zu „Verbrechensfurcht“, „Gewalt gegen Frauen“, „sexuelle Gewalt“ und „Ausländerkriminalität“. In diesen Kampagnen gibt es immer wieder Allianzen, die nicht wirklich weiter führen, sondern mobilisieren. Die Polizei in Köln (und anderswo) hat endlich aus Silvester gelernt und Rückzugsräume geplant, in denen Frauen und andere Menschen, die sich zurück ziehen wollen, geschützt sind. So etwas hätte längst zum Standard werden müssen. Insbesondere auch in Flüchtlingsunterkünften! Aber deshalb muss Frau jetzt nicht jede „Schutzlücken-Kampagne“ und alle „die Frauen sind Opfer“-Kampagnen mitmachen. Skepsis ist immer besser als zu schnelle Empörung! Ambivalenzen zwingen zum Denken!
Frau Fried hat recht, wenn Sie sagt, dass Broder so tut, als sei Ihre Kolumne nach der Silvesternacht geschrieben worden.
Broder schreibt wörtlich:
“ Denn sie hat, wie viele ihrer Mitstreiterinnen, bis heute nicht begriffen, was in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar in Köln und an anderen Orten passiert ist.“
Damit suggeriert er, dass der Text aus 2016 stammt. Alle freundschaftlich gemeinten Argumente von Herrn Posener, dem sei nicht so, sind Mumpitz und eigentlich nicht seiner würdig.
Posener:
„Broder hat aber weder behauptet noch insinuiert, Sie hätten die Begebenheit mit Ihrer Gitarre nach der Silvesternacht oder in der Absicht geschrieben, die massenhafte sexuelle Belästigung von Frauen zu entschuldigen. Ihm das zu unterstellen, ist unredlich.“
Wer lesen kann, bilde sich eine eigene Meinung.
Irgendwie kommen mir Posener und Broder wie Halbstarke vor, die mit 16 ohne Führerschein Auto fahren und wenn die Polizei kommt schnell aus dem Auto springen und unisono schreien: „Ich bin nicht gefahren! Ich bin nicht gefahren!“ Für wie blöd halten die Herren uns im Allgemeinen und Frauen, wie Frau Fried im Besonderen eigentlich, wenn sie glauben, dass man sie bei solchen „Argumenten“ noch ernst nehmen soll?
Und wenn ich bei Broder Sätze wie diesen lesen muß:
„Ist es der Ausdruck unterdrückter Mütterlichkeit? Oder ein Akt vorsorglicher Unterwerfung? Also das Verhalten von Sklaven, pardon: Sklavinnen, eine frauenspezifische Variante des Stockholm-Syndroms?“
seine Rape-Tour-Reiseempfehlungen hinznehme, frage ich mich, wer möglicherweise keinen Respekt vor Frauen hat. Ist Herr Broder möglicherweise ein Teil des Problems, das er beschreibt?