Von Eva Quistorp:
Als eine, die schon 1992 als Europaabgeordnete der Grünen für den UNO- und dann NATO-Einsatz in Bosnien war, die 2001 für den Kampf gegen den Terror, aber gegen die Beteiligung am Afghanistaneinsatz unter Bush junior war, entschieden gegen den Irakkrieg global organisierte und die demokratische Opposition in Syrien schon seit 2006 unterstützte, habe ich die Rolle von Claudia Roth als Menschenrechtlerin und Außenpolitikerin wie die des Bürgerrechtlers Joachim Gauck viele Jahre aus nächster Nähe erlebt und habe ein gutes Gedächtnis.
In historischen Momenten wie dem des Ringens um die deutsche und europäische Wiedervereinigung, um den Militäreinsatz in Bosnien, um den Afghanistaneinsatz mit Bush, um den Türkeibeitritt und Erdogans Religionspolitik, wie um Waffen für die Kurden auch in Syrien, um Multikulti und Islamismustoleranz habe ich mich immer anders exponiert als Frau Roth, auch wenn uns einige Themen verbinden. Ich hatte die Rolle einer frühen Vorkämpferin und Vordenkerin einer Reformpolitik der Grünen und war als ihre Gründerin immer auch ihre Kritikerin, sie ist mit dem linken Flügel der Partei, mit Jürgen Reents zuerst in den Job bei den Grünen gekommen und dann als bunte Galionsfigur des linken Flügels, der sich aber von Fischer dann mit Regierungsämtern einbinden ließ, aufgestiegen und zum medialen Star geworden wie Gregor Gysi.
Auch Joachim Gauck habe ich als einen, der in der alten Kirche meiner väterlichen Vorfahren in Rostock für Frieden und Freiheit gepredigt hat, seitdem er in Berlin war, bei vielen Entscheidungen beobachten und mit ihm reden können. Ich bin mit meinem Freund Jürgen Fuchs und ihm schon an einem der ersten Tage in der Gauck-behörde gewesen und habe dort in der Templin-Akte Interessantes zum letzten Besuch von Claudia Roth in der DDR lesen können, ich hatte ja im Unterschied zu ihr und auch zu meiner Freundin Petra Kelly dasselbe scharfe Einreiseverbot wie Jürgen Fuchs bis zum 3. 12. 89. Gaucks Beherrschung der guten alten deutschen bildungsbürgerlichen Sprache beeindruckt mich als Protestantin wie als Germanistin, auch wenn ich als 68er Westberlinerin, Sponti und Feministin sein väterliches Pathos nicht immer teile. Ich war erleichtert, als er gegen den Willen von Frau Merkel auch mit der Stimme von Frau Roth zum Bundespräsidenten gewählt wurde und freute mich auch für viele Bürgerrechtler mit.
Klar, dass die beiden recht verschiedene Biographien haben und unterschiedliche Charaktere sind und unterschiedliche Rollen im politischen und medialen Spiel haben.
In der jetzigen Situation erwarte ich keinen Burgfrieden oder großkoalitionären oder schwarzgelbrotgrünen Konsens wie in der Euro- Politik zugunsten der Kanzlerin, die von Hofberichterstattung und Merkel-kreml-astrologie umschwärmt wird wegen ihrer Mitleidsgeste. Zu viel kitschiger Konsens stört mich eher, da er eine vernünftige offene Diskussion behindert nicht nur über die Chancen, die die Million Flüchtlinge bringen sondern auch über die Probleme – über die möglichst praxis- und alltagsnah mit denen, die beruflich und ehrenamtlich damit beschäftigt sind und weniger mit Experten und Beratern geredet werden sollte. Ja, eine Rede der Kanzlerin an die Nation, die nicht einfache Sprüche wiederholt, steht an, die ihrem Volk erklärt, wie es das schaffen soll, falls sie zum unteren Drittel Europas gehören und ob vor allem das obere Drittel so weiter agieren kann, wie bisher.
Wenn wir uns da kein öffentliches Nachdenken erlauben, auch nicht über zu einfache Sprüche von Frau Merkel, die nun von Frau Roth unterstützt wird , während Gauck das nüchterne Nachdenken beginnt, werden wir die anstehenden Probleme nicht lösen und auch nicht effektiv und klug Pegida oder die AfD schwächen, statt sie noch zu stärken.
Die Zustimmung von Frau Roth zu Frau Merkel ist klar, denn sie vertritt ja mit ihrem Rechtsbruch gegenüber Dublin am 5. September wie mit dem Atomausstieg nun alte grüne Positionen plötzlich von oben herab und wird damit schon wie Luther geheiligt. Es wird der vollkommen neuen und extrem schwierigen Situation nicht gerecht, in der wir uns befinden, wenn Frau Roth gleich wieder innen- und wählerpolitisch gegen Herrn Seehofer als angeblich Orbanpolitiker wettern kann in der „Welt“ und nun sogar Bundespräsident Gauck angreift. Dann muss ich als Grüne Frau Roth kritisieren und nicht Herrn Gauck und auch nicht Herrn Beckstein oder Herrn Oppermann.
Ausgerechnet Gauck wird nun von Roth unter Verdacht gestellt, den Rechten angeblich zuzuspielen: Gauck, der ja auch schon von Pegida bekämpft wird auf Transparenten und auch von der dubiosen „Querfront für den Frieden“ schon mit Schuhen beschmissen wurde. Frau Roth hätte besser daran getan, ihn schon im letzten Dezember gegen die merkwürdige „Friedensfront“ von Rechten und Linken zu verteidigen. Wie kann eine Bundestagsvizepräsidentin, die nicht nur wie alle von Herausforderung redet, sondern sie begriffen hat, das Wort von den „Grenzen unserer Fähigkeiten“ oder dem „Bestehen auf der Einhaltung und Vermittlung des Grundrechtekatalogs“ in Frage stellen? Gut, es ist dieselbe Frau Roth, die im Kopftuchstreit intellektuell damit brillierte, das sei ja eh nur ein Stück Stoff, und die Julia Klöckner zusammen mit Frau Göring-Eckhart beschimpfte, weil sie einem Iman die Hand geben wollte und dessen islamistischen Affront zu kritisieren wagte, die vor einigen Jahren zusammen mit Ströbele noch von Germanisierung schwafelte, als ein kluger Flüchtlinge aus Pakistan vorschlug, dass doch die 30 verschiedenen Gruppen auf dem Schulhof am besten deutsch sprechen sollten, damit sie sich auch verstehen und zusammen arbeiten können und sich integrieren.
In dem historischen Moment, wo die Rede von Gauck uns an den erfreulichen Vereinigungsprozess Europas und Deutschlands erinnert, ohne die Mühen und die Verlierer dabei zu vergessen, sollte Frau Roth auch begreifen, dass Europa und der Nahe Osten und der Uno- Sicherheitsrat angesichts der Kriege, des IS- und Al Qaida- und Taliban- Terrors – was nur ein Teil der Gewalt in der Welt ist – aus den Fugen ist, dass ein Minimum an Einheit vollkommen verloren zu gehen scheint. In solch einer Lage, deren Entwicklung man seit einigen Jahren hätte vorhersehen können, sollten die Debatten in Deutschland nicht vorwiegend innen- und wahlpolitisch orientiert sein und von Parteiengezänk dominiert oder dem Streit um Medien und Talkshow -auftritte.
Ein kleiner Rückblick auf die Weitsicht von Frau Roth vor 25 und vor 20 Jahren und in der Multikulti- wie der Türkeidebatte, die mich nicht daran glauben lässt, dass Grüne wie Frau Roth die besten Konzepte zur Integration oder zum europäischen Zusammenhalt und zur Beendigung des Krieges in Syrien haben:
Claudia Roth saß seit 1989 neben mir im Europaparlament und redete aufgeregt, wenn sie gerade aus Kurdistan kam, ging dann aber hinterher ins Luxusrestaurant, während draußen Kurden im Hungerstreik waren. Bevor sie wie in den letzten Jahren viel zu Besuch auf Regierungsebene der Türkei war, war sie eine engagierte Kämpferin für die Bürgerrechte der Kurden. Als es um die Abstimmung über den Beitritt der ehemaligen DDR zur EU ging, stimmte sie als Teil des linken Flügels der Grünen dagegen, so wie alle Spitzengrünen von heute damals die Debatte über das Wetter oder die Kapitalismuskritik oder den Atomausstieg oder den Austritt aus der Nato wichtiger fanden, als die deutsche Einheit, die ja von Antje Vollmer und Grass und selbst von einigen Bürgerrechtlern der DDR als nationalistisches Projekt diffamiert wurde.
Ralf Fücks beschimpfte mich in der taz sogar als „Kyffhäuserin“, weil ich als einzige deutsche grüne Abgeordnete im Europaparlament für den Beitritt der ehemaligen DDR zur EU stimmte, da ich mit Vaclav Havel schon seit der Charta 77 wusste, dass es die europäische Einheit nicht ohne die deutsche geben könnte und dazu mit Peter Brandt schon 1983 zusammen gewirkt habe.
Dass ich besser vorbereitet war auf den historischen Bruch, die vollkommen neue Situation, als viele im Bundesvorstand der Grünen auf die Demos in der DDR und dann den Mauerfall und den Zerfall der UdSSR soll wohl in der Geschichtsschreibung der Grünen, die ja von den heutigen Spitzenvertretern bestimmt wird, vergessen werden, Jedenfalls machte die Böll-Stiftung neulich einen Film zu den grünen Debatten der Zeit, wo ausgerechnet nur die vorkamen und sich inszenierten, die damals entschieden gegen oder zumindest skeptisch gegenüber der deutschen Einheit eingestellt waren und Debatten über das Wetter wichtiger fanden oder den Nato-Austritt, wie auch Frau Roth.
Die Weitsichtigen und Vernünftigen von damals, wozu neben mir Roland Vogt und Eckhart Stratmann gehörten bei den Grünen, werden einfach historisch und medial ausgeblendet. Nichts in den Akten und Filmen zu meinem Russlandbesuch im Juni 1987, wo ich Gorbatschow und seine Frau Raissa persönlich im Kreml traf wie Schewardnaze, Gromyko und Falin und dort eine Rede für den Abzug aller Atomwaffen und aller fremden Truppen hielt, die vom Staatsfernsehen damals live übertragen wurde. Nichts zu der Pressekonferenz in Bonn, wo eine Minderheit mit mir die deutsche Einheit forderte, während Frau Roth mit Jürgen Reents meinen Artikel für einen Marshallplan für Osteuropa strich, behauptete, ich sei nicht bei allen Sitzungen da, um meinem Ruf zu schädigen und statt dessen Jürgen Reents einen Artikel gegen die Weltbank in Polen ins grüne Blatt drucken ließ. Nichts bei der Böll-Stiftung heute, 25 Jahre danach, dazu, dass ich gegen die Fraktionsvorsitzende Roth im Europaparlament dann im September 1990 als einzige Grüne für den Beitritt der ehemaligen DDR zur EU stimmte und dazu eine persönliche Erklärung abgab, die von allen andern Fraktionen mit Respekt wahrgenommen wurde, nur nicht von den Grünen bis heute. Frau Roth machte weiter Parteikarriere bis zur Bundestagsvizepräsidentin, die nun mit Gauck und Merkel 25 Jahre deutsche Einheit feiert und in Berlin residiert, obwohl sie mit der Mehrheit der Linken in den Grünen dagegen stimmte, dass Berlin Bundeshauptstadt wird. Sollten nicht auch von grünen Spitzenpolitkern mal große Fehleinschätzungen eingestanden und ihren parteiinternen Kritikerinnen Recht gegeben werden, statt bei den nächsten existenziellen historischen Frage wie jetzt wieder den Mund voll zu nehmen und ausgerechnet Gauck zu kritisieren?
Viel von damals erinnert mich an die Realitätsumbrüche und Entscheidungen zur Ukraine und Syrien und Libyen heute, denn ein einfacher Pazifismus kann die Kriege nicht beenden so wenig wie falsche und schlechte Militärinterventionen und wie ein Uno-Sicherheitsrat, in dem China und Russland ständig blockieren wie seit den 90er Jahren. Doch Claudia Roth glaubte damals mit heftigen Argumenten an die Srebrenica-Sicherheitszone als friedliche Lösung, Hauptsache ohne Militäreinsatz etc. Ich sah das Unheil kommen und warnte und wurde dann in den Grünen und deutschen Medien inklusive „Spiegel“ als Kriegstreiberin verhetzt, verlor deshalb dann 1993 mein Mandat für das Europaparlament, was kein Kollege aus den anderen Parteien verstanden hat. Claudia Roth konnte weitermachen, da sie zum starken linken Flügel gehörte und da Herr Fischer für sein Kabinett anfing, nach Linken zu schauen, mit denen er die Linke einbinden könnte.
Zur Debatte 2014, als das Desaster, die unzähligen Tragödien von heute in der arabischen Welt schon abzusehen waren, wenn man sehen wollte, um die Bewaffnung der Peschmerga und die Rolle der Kurden im Kampf gegen den IS-Terror und Assad hat Frau Roth, wie Frau Göring-Eckhart, die Grünen, die Linkspartei und die Kirchen ja wenig an Lösungen beigetragen, als es um die Zerstörung von Kobane und die grauenhafte Versklavung von tausenden von Frauen der Jesiden u.a. ging, um die Vertreibung von hunderttausend Christen im Irak. Nämlich vor allem die Frage, ob man die Perschmerga bewaffnen dürfe, moralisch und operational in Frage gestellt.
Da war Frau Roth, nachdem sie heftig für den Afghanistaneinsatz in Rostock gestritten hatte, plötzlich (es geht schließlich um die noch offene Tür für rot-grüne oder rot-rot-grüne Regierungsbündnisse und um die Hausmacht in der Partei, wo die eigenen Leute bei der Stange gehalten werden müssen) wieder ganz Pazifistin und fragte mit Gysi, wo denn nun die einzelnen Waffen, die man liefern würde, bleiben würden. Das war einige Jahre, nachdem Frau Roth eine ihrer üblichen emotionalen Reden gegen Kauder hielt, der angesprochen hatte, dass Deutschland und Europa eine Verantwortung für die verfolgten Christen im Nahen Osten hätten und doch ein Kontingent von irakischen Christen aufnehmen könnten. Prompt wetterte Frau Roth unhinterfragt von den Medien von Diskriminierung von Muslimen, so wie sie selbst heute noch von dem angeblichen Christenclub Europa, was wir natürlich niemals sein dürfen, redet.
In der Beendigung des Stellvertreterkrieges in Syrien, im Irak ,in Libyen und im Jemen haben sich kaum Politiker in Deutschland hervorgetan, in der Hilfe für die Flüchtlingslager in der Türkei, in Jordanien und im Libanon auch wenig. Doch nun soll das Problem durch das deutsche Asylrecht gelöst werden, was nie für solche Fälle von den Müttern des Grundgesetzes gedacht war? Ich glaube kaum, dass die Spitzen-Grünen im Bundestag die Lage in der Türkei, in Syrien, mit den Flüchtlingsströmen und vor allem mit der Integration am besten von allen Parteien einschätzen können und angeblich besser als Gauck und Beckstein und Oppermann, die ja mehr als 10 Prozent der Bevölkerung vertreten müssen. Frau Roth mag mit dem Integrationsfonds gute Ideen der Grünen vertreten und Rebecca Harms mit den Flexibilisierung des Stabilitätspaktes für einen europäischen Flüchtlingsfonds, doch solange die USA und England und Saudi Arabien und die reichen Petrodollarstaaten da nicht massig einzahlen, die an den Kriegen im Nahen Osten, eine hohe Schuld tragen wie auch die Türkei mit ihrer Unterstützung für den IS-Terror und dem Krieg gegen die Kurden, wird Frau Roths Alarmismus und Schimpfen nicht viel helfen. Zur konkreten Integrationsdebatte zwischen Schiiten, Sunniten, Christen, Jesiden, Muslimen, Atheisten, vielen Ungebildeten unter den jungen Männern in den Flüchtlingsheimen hat sie auf jeden Fall weniger zu sagen als Joachim Gauck, der uns alle dazu aufgefordert hat, das Grundgesetzes im Alltag des Zusammenlebens als eines für Frauen- und Minderheitenrechte, die auch die Muslime, die Moscheevereine, der islamische Religionsunterricht und Erdogan und die Saudis vor allem zu lernen haben, neben vielen anderen auch, zu verteidigen.
Ich nehme Frau Roth nicht als Politikerin wahr. Eher als Karikatur, würde mich nicht wundern, wenn Hape Kerkeling hinter der Maske steckt. Alle Blockpolitiker sind für mich peinliche Märchenerzähler, und wenn einer jetzt fragt, die können doch nicht alle verrückt geworden sein, dann soll er mal deutsche Geschichte ergoogeln. In der Volkskammer und in der Krolloper waren auch ALLE durchgeknallt, das hat Tradition in Deutschland.
@ Finkeldey
Gut beschrieben: “Marlboro, Golfgti, Videorekorder!”
Ich war zwar nie und nimmer für den real existierenden Sozialismus, ganz im Gegenteil, das alles war mir zuwider. DDR war igitt. Aber für eine Sekunde dachte ich damals wirklich, die Ostdeutschen hätten nun einen Freiraum, den sie für den schnellen Erhalt von Marlboro, Golfgti, Videorekorder einfach weggeben, einfach nur, weil sie ungeduldig sind.
Damit war ich nicht alleine. Deswegen das fremdeln mit der Einheit, damals. Nicht weil die DDR besser oder erhaltenswert gewesen wäre, sondern weil wir glaubten, die da drüben würden eine Chance wegwerfen. Wir waren auch gerade, noch nicht mal, 20 und hatten schon Raucherhusten und Sehschwächen vor lauter Fernsehglotzen. Das ist keine Entschuldigung, aber es erklärt warum viele damals seltsam reagiert haben.
Sorry – link scheint nicht hinzuhauen, ich meinte den Essay von Stefan Berg im Spiegel 47/2014 mit dem Titel „Die Macht der Vergangenheit“.
Ich denke es ist eines der großen Übel von öffentlichen Debatten, dass nur die wenigsten ein wirkliches, vor allem aber tiefes, Verstehen der Zusammenhänge aufweisen. Allerdings wird von jedem und jeder erwartete, dass er eine Meinung hat. So ist es unumgänglich, dass die meisten mehr die Emotionen als den Verstand ansprechen – allein schon deshalb, weil man damit politisch besser punkten kann.
Danke schön für diese Worte, die ich zu großen Teilen – aber nicht in Gänze – unterstütze. Zunächst die Zustimmung: In der Tat kommen diejenigen LINKEN, die vom Westen her VOR 1989 sich gegen das sozialistische Regime engagierten (ohne Anführungszeichen bitte!), in der gesellschaftlichen Erinnerung nicht vor. Das gilt auch für meine Generation, den damals gerade 20-Jährigen. Uns gibt es gar nicht, geht man nach der medialen Inszenierung der Einheit. Das lag und liegt auch an der doppelten Opposition: Wir waren gegen Honecker, aber damit eben auch gegen 1968, gegen unsere Lehrer, die ihrerseits die DDR nicht allzulaut kritisieren wollten. „Tritt doch gleich in die CSU ein!“ – den Satz habe ich mir gemerkt. „Marlboro, Golfgti, Videorekorder!“ so denunziatorisch dachten viele Westlinke über den Osten. Auf dieser Linie etwa fuhr eben auch Frau Roth in die 90er Jahre.
Müsste man ihnen heute mal vorhalten, wenn sie sich über den Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu Recht aufregen. Ihr habt doch unter anderen Vorzeichen genauso gedacht.
Zur Person Gauck aber habe ich doch eine eher gespaltene Meinung, da sind wir im Dissenz. Ich verweise mal hierauf: http://www.spiegel.de/extra/a-267802.html also wenn davon nur die Hälfte stimmt, so hat auch Herr Gauck ein Problem mit der Zeit vor 1989. Er gilt ja als DIE konservative Projektionsfigur für bürgerrechtliche Fundamentalopposition und zwar im Westen!!! Nun hält offenbar die Wirklichkeit nicht stand. Kein Mißverständnis bitte: Nicht dass er kein Fundamentaloppositioneller war, ist ihm vorzuwerfen. Aber das ständige Bedienen einer bürgerlichen Projektion, die sich in der Wirklichkeit dann nicht wiederfindet, finde ich schon problematisch. Fundamentaloppositioneller, gar Hans Scholl der DDR war er eben nicht! Möglicherweise ist er da in dem Auseinanderdriften von Wunsch/Projektionsbiographie und Wirklichkeit Frau Roth näher, als manche meinen.