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Identitätspolitik und Nationalismus

 

Der Chefideologe der Rest-AfD, Alexander Gauland, ist nicht der Meinung, dass die Fremdenfeindlichkeit im Osten Deutschlands ein Problem ist, wie es – unter anderen – hier auf „Starke Meinungen“ Rainer Werner und in der „Welt“ Thomas Schmid behauptet haben. Anders als viele Westdeutsche, so Gauland in der „Jungen Freiheit“, wollten sich die Bürger der ehemaligen DDR ihre Unabhängigkeit erhalten und ihren Stolz auf die eigene Nation.

Originell ist Gaulands Position nicht. Die Politik der SED fast bis zum Mauerbau beruhte auf der Position, dass die „herrschenden Kreise Westdeutschlands“ das Land und die nationalen Interessen an die imperialistische USA verkauft hätten. National denken, so die Logik, hieß darum sozialistisch denken, und umgekehrt. Es ist kein Zufall, dass Gaulands Position gar nicht so klammheimlich von einem Mann wie Manfred Stolpe gutgeheißen wird, der sich in der DDR einer – sagen wir es vorsichtig – gewissen Nähe zum Regime erfreuen durfte. Gauland wiederum hat Stolpes Politik als Ministerpräsident Brandenburgs, eine Zeit des wirtschaftlichen Stillstands, der uneinlösbaren sozialen Versprechen und des Gewährenlassens der allenthalben mächtigen SED-Seilschaften, in die große Tradition Preußens gestellt und gelobt.

Absurd. Gauland mag den deregulierten Kapitalismus mit gutem Grund verachten, ja hassen, auch weil er kulturelle Differenzen und Eigenheiten einebnet und, wie Karl Marx etwas voreilig im „Manifest“ jubelte, eine „Weltkultur“ herstellt. Aber man muss schon willentlich blind sein, um nicht zu sehen, dass die SED-Diktatur mit dem kulturellen Erbe, auf dem doch ganz wesentlich der „Stolz auf die eigene Nation“ gründen müsste, wenn sie nicht einfach Chauvinismus sein soll, mit einer Brutalität umgegangen ist, die alles in den Schatten stellt, was selbst der entfesselte Kapitalismus anstellt.

Man muss nur an die Zerstörung der Städte und die Ausrottung der Religion denken. Gewiss, auch im Westen wurde in der Nachkriegszeit von dem, was die Bomben übrig ließen, viel im Namen der Moderne abgeräumt. Aber mit dem SED-Zerstörungswerk konnten die Westler nicht mithalten. Gewiss, auch im Westen sank und sinkt noch die Zahl derer, die regelmäßig zur Kirche gehen, in der Gemeinde mitarbeiten und dergleichen, und ich als Atheist werde das nicht beklagen. Im Osten aber war die Entchristlichung brutaler, gründlicher und – ich finde dafür kein anderes Wort – gemeiner. Zurück blieb eine geistige Öde, die der Öde der verrotteten Städte und der an ihrer Stelle errichteten Plattenbausiedlungen durchaus entsprach.

Von der Demokratie habe ich ja noch gar nicht gesprochen. Aber wenn der „Stolz auf die eigene Nation“ eine Grundlage haben sollte, dann wäre sie doch neben dem kulturellen Erbe in den demokratischen Traditionen und Institutionen zu erblicken, die mit der Geschichte der Nation verbunden sind: von den Freien Reichsstädten über die preußischen Reformer, das Frankfurter Parlament 1848, die deutsche Revolution 1918 und die Weimarer Republik, der Widerstand gegen Hitler und das Grundgesetz von 1949, der Aufstand des 17. Juni 1953, der Widerstand innerhalb der DDR – Stichwort Wolf Biermann – und die Demonstrationen von 1989.

Die DDR-Geschichtsschreibung hat diese Tradition – mit wenigen Ausnahmen – geradezu verteufelt. Und man kann nicht ernsthaft behaupten, dass die Masse der früheren DDR-Bürger sie seit der Vereinigung mit der Bundesrepublik in irgendeiner Weise verinnerlicht hätten. Vielmehr gilt, dass sich in der „kommoden Diktatur“, wie sie Günter Grass genannt hat, die allermeisten Bürger kommod einrichteten; dass viele mitmachten, aus Opportunismus oder Angst, Überzeugung oder Karrierismus. Gegen die Entchristlichung des Landes leisteten nur die Katholiken des Eichfelds passiven, aber wirksamen Widerstand. Gegen die Zerstörung der Städte regte sich erst kurz vor dem Zusammenbruch eine Bewegung besorgter Bürger. Die Lehrerschaft, die bis 1989 zur zuverlässigsten Stütze des Regimes zählte, wurde nach der Vereinigung en bloc übernommen, wie die Polizei; und anders als Polen und Balten, Tschechen und Slowaken, Ungarn, Bulgaren und Rumänen, von den Balkanstaaten ganz zu schweigen, mussten die DDR-Bürger ihr Land nicht in mühevollen Kämpfen reformieren, um es für die EU fit zu machen: die Mitgliedschaft bekamen sie zusammen mit einer Dauersubventionierung, die alles in den Schatten stellt, was für Griechenland etwa aufgewendet wird, mit dem Anschluss an die Bundesrepublik frei Haus geliefert. Wohltaten, auf die nicht wenige Ostdeutsche mit einem Dauermurren reagieren, als hätte man ihnen etwas weggenommen.

Und vielleicht hat man ihnen etwas weggenommen, nämlich eben jenen Stolz, auf den Gauland rekurriert, und der das Ergebnis von Leistung ist. Worauf sollen die Ostdeutschen stolz sein? Worauf soll sich der Nationalstolz gründen? Nach dem Wegfall des kulturellen Erbes, zu dem, ob man das mag oder nicht, ganz wesentlich die Religion gehört, nach einem Vierteljahrhundert als Kostgänger des reichen Westens: Worauf gründet sich denn jener Stolz, der sich in Abwehr des Fremden äußert? Eben nur darin: in seiner billigsten Form, im ethnisch grundierten Hass gegen das Andere, das Neue, das Unbekannte; in Verkennung der Tatsache, dass Deutschlands beste Traditionen zu tun haben mit der Offenheit für Fremdes, für das Neue, für Veränderungen, auf der Basis eines kulturellen, nicht rassischen oder auch nur eng-nationalen Selbstbewusstseins.

Gauland weiß das alles. Er ist ja nicht dumm. Aber er hat sich entschlossen, das Ressentiment des Mobs zu seinem Verbündeten, ja Rammbock gegen den verhassten westlichen Kapitalismus zu machen. Womit er immerhin einer deutschen Tradition treu bleibt, wenn auch keiner ruhmreichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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86 Gedanken zu “Identitätspolitik und Nationalismus;”

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    @LF

    … die ‚Achse der Guten‘ ist gut. Es gibt aber genügend andere Quellen.

    ‚Derzeit sind, …, 57 Staaten Mitglied der Islamischen Konferenz. Kein einziger ist eine islamismusfreie Zone. Es gibt eben leider keinen Islam ohne Islamismus.‘ Lamya Kaddor und wie gestern Abend Khola-Maryam Hübsch auf Phönix, sind so viel Islam, wie mein Hamster der Tiger von Eschnapur ist.

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    @ ‚derblondehans‘: Okay, den Punkt gestehe ich Ihnen noch zu: Ich bin zugegebenermaßen negativ überrascht von dem Islamverständnis, das auf dieser Seite zum Tragen kommt (http://islam.de/1640). Es ist enttäuschend, dass Mazyek – als Vorsitzender des Zentralrats – die reaktionären Sachen mit trägt, die da zum Teil zu lesen sind. Das steht auch wirklich im Kontrast zu den liberalen Auffassungen, die Mazyek in Talkshows und Interviews nach außen trägt.
    Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass es hierzulande viele liberale Muslim*innen gibt. Der Zentralrat ist ja schon häufiger in die Kritik geraten und vielleicht haben Sie Recht, dass es sich dabei um eine problematische Vereinigung handelt.
    Bei dem „Liberal-Islamischen Bund“ werden Sie sicherlich fündiger, was liberale Muslim*innen angeht: http://www.lib-ev.de/index.php?c=32
    Die Vorsitzende dieses Vereins, Lamya Kaddor, dürfte Ihnen aus einigen Talkshows bekannt sein. Ich vermute, Sie werden jetzt erst mal die ‚Achse des Guten‘ nach ihr durchforsten. An dem Ergebnis bin ich aber nicht allzu interessiert. Trotzdem viel Spaß dabei!

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    LF, 30. September 2015 um 15:20
    Vorab, wenn ’s APo zu viel wird, stellt er mich für eine Weile in die Ecke. Er dürfte da mehr auf Ihrer Welle schwimmen.

    … werter L.F., der FDP-Politiker und ehem. Bundestagsabgeordnete S. T. schreibt Quark, selbst die Wikdef, bestimmt nicht ‚rassistisch‘ und/oder rechtextrem verrufen, schreibt zur vormoderne Salafiyya: ‚Bereits in den frühen Jahrhunderten des Islams gab es Gelehrte, die der zeitgenössischen Theologie samt der gewachsenen Tradition kritisch gegenüberstanden und sich an den Fundamenten des Glaubens, an Koran und Sunna, orientieren wollten.

    … und Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime, da steht tatsächlich Muslime und nicht liberale Muslime, himself: Eine Wahrheit für euch und eine für uns

    … eines mag ich dem Mazyek abnehmen, er, Mazyek, hat nix mit Islam zu tun. Oder?

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    @ ‚derblondehans‘ (Zitat: ‚ich habe nix pauschal, sondern auf das Wort genau den Mohammedanismus beschrieben, wie er sich selber theologisch darstellt‘): Ihre Fehlwahrnehmung fängt schon damit an, dass sich Muslim*innen natürlich nicht als ‚Mohammedaner‘ definieren, aber das hatten wir ja schon… Bezüglich der Vermischung von Islam und Islamismus möchte ich mal einen der vielen liberalen Muslime hierzulande zitieren (den FDP-Politiker und ehem. Bundestagsabgeordneten Serkan Tören):
    „Die Grenze zwischen Islam und Islamismus zu sehen, mag Ihnen als feinfühlige Unterscheidung erscheinen. Als Moslem kann ich Ihnen aber versichern, dass diese Unterscheidung für viele Muslime – in Deutschland wie weltweit – von entscheidender Bedeutung ist. Islamistischer Terrorismus speist sich maßgeblich aus der islamischen Denk- und Glaubenstradition, das ist richtig. In den Augen der allermeisten Muslime verdrehen Islamisten allerdings die muslimische Tradition bis zur Unkenntlichkeit. Ein Beispiel hierfür sind die Salafisten: Diese gebärden sich so, als stünden sie für den wahren Islam. Tatsächlich ist die salafistische Strömung jedoch kaum zweihundert Jahre alt. Der Salafismus ist ein Produkt der Moderne und geht nicht weiter zurück als bis ins 19. Jahrhundert. Die Salafisten verwerfen 1400 Jahre islamischer Geschichte […]. Sowohl liberale als auch konservative Muslime lehnen den Islamismus daher strikt ab. Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ermöglicht uns also, zu unterscheiden zwischen Muslimen, die unsere freiheitliche Ordnung unterstützen, und jenen, die unsere freiheitliche Ordnung gefährden“ (http://www.abgeordnetenwatch.d.....50950.html).
    Falls Sie sich mit einer weiteren und besonders prominenten Figur des liberalen Islam in Deutschland auseinandersetzen wollen, kann ich Ihnen den Zentralratsvorsitzenden Aiman Mazyek ans Herz legen (https://de.wikipedia.org/wiki/Aiman_Mazyek).
    Von meiner Seite war’s das dann erst mal wieder in dieser Frage, da unsere Konversation (wie so oft) nur noch wenig Erkenntniswert hat und Herrn Posener unnötige Arbeit bereitet.

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    @LF

    … ich habe nix pauschal, sondern auf das Wort genau den Mohammedanismus beschrieben, wie er sich selber theologisch darstellt. Sie schreiben: ‚aus meiner Sicht sind wir gerade auf die liberalen Muslim*innen hierzulande angewiesen, … ‚ von ‚wir‘ kann ohnehin keine Rede sein. Ihre Sicht, ist Ihre Sache. Nur mit Realismus hat das, was Sie schreiben, nix zu tun.

    Bleibt Ihre Behauptung vom ‚liberalen‘ Islam. Was um aller Welt soll das sein? Wo gibt es den ‚liberalen‘ Islam? Sind Sie ein Prophet? Ich lerne gern. Nur zu.

    Nach was (be)urteilen Sie, wenn nicht nach Wort, Schrift und Tat? Nach Ihrer Logik gäbe es wohl auch liberale National-Sozialisten?

    … warum eine andere Sicht auf eine Ideologie, zumal Sie begründet ist, als die Ihrige, ‚Rassismus‘ zu sein hat, kann ich nicht nachvollziehen. Nicht wirklich. Bleibt die Frage, wann Sie den Gulag fordern.

  6. avatar

    @ ‚derblondehans‘ (Zitat: „Wer hat in diesem Blog rassistische Vorurteile?“): Ich fürchte, diese Frage haben Sie mit dem direkt darauffolgenden Link zu Ihren älteren Posts selbst beantwortet. Ihre pauschale Charakterzeichnung von ‚den Mohammedanern‘ geht zumindest mal wieder stramm in diese Richtung. Aus meiner Sicht sind wir gerade auf die liberalen Muslim*innen hierzulande angewiesen, wenn es darum geht, den in der Tat grassierenden Islamismus zu bekämpfen: http://www.welt.de/politik/deu.....barer.html

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    LF: ‚Ich bestreite nicht, dass es in den zitierten Ländern ebenfalls Rassismus gibt, glaube aber dass selbiger dort oftmals andere Ursachen hat. Das ethnische Nationalitätsverständnis Deutschlands ist vermutlich auch nicht die zentrale, geschweige denn einzige Ursache der hierzulande grassierenden rassistischen Vorurteilen. Ohne Zweifel haben letztere auch mit dem sozioökonomischen Status der Menschen (sprich: ‘Abstiegsängsten’ etc.) zu tun.‘

    … ‚Rassismus‘, besser die ‚gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘, ist allein ideologisch begründet.

    Nur die Ideologie kann Täter sein, niemals die ‚Ethnie‘. Wer anderes behauptet, ist nicht aus der Wahrheit und will böses. Das hat auch nix mit Abstiegsängsten zu tun, das ist schlichtweg Unfug. Wer hat hier im Blog ‚rassistische Vorurteile‘?

    Ich kann Ihnen aber an einem Beispiel nachweisen, wie sich in Deutschland ideologisch begründet, ‚gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘ wirklich darstellt.

    Würden Sie dazu ‚was schreiben wollen?

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    @ ‚derblondehans‘: Ich bestreite nicht, dass es in den zitierten Ländern ebenfalls Rassismus gibt, glaube aber dass selbiger dort oftmals andere Ursachen hat. Das ethnische Nationalitätsverständnis Deutschlands ist vermutlich auch nicht die zentrale, geschweige denn einzige Ursache der hierzulande grassierenden rassistischen Vorurteilen. Ohne Zweifel haben letztere auch mit dem sozioökonomischen Status der Menschen (sprich: ‚Abstiegsängsten‘ etc.) zu tun. Trotzdem glaube ich, dass es der deutschen ‚Nation‘ gut täte, den Glaube an eine gemeinsame Abstammung abzulegen.
    Ich werde in meiner bald anstehenden Masterarbeit vermutlich die Veröffentlichungen von Sarrazin und dem französischen Autor Finkielkraut nach dem dort zu Tage kommenden Nationenverständnis sowie nach Vorurteilen gegenüber Migrant*innen untersuchen. Danach kann ich hoffentlich besser beurteilen, ob – und wenn ja, inwiefern – die von mir beklagten Punkte tatsächlich eine Rolle in der Migrationsdebatte spielen.
    Zu ihren anderen Fragen: Nein, das Gendersternchen wird die Welt nicht verändern und nein ich schreibe unter keinem anderen Namen, kann Ihnen meinen Klarnamen aber gerne verraten: Er lautet Lukas Fischer.

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    @LF27, September 2015 um 16:23

    … ich bestreite nicht, dass es die angeführten Beispiele gibt. Dass die von Ihnen beschriebenen Hässlichkeiten auch in den USA, Kanada, Frankreich … Türkei … bla, bla, trotz, wie auch immer ‚zusammengewürfelte Ethnien‘, mindestens ähnlich, meistens gar noch hässlicher vorhanden sind, kann an vielen Beispielen belegt werden. Noch in den ’60ern war ‚Rassen’diskriminierung in den USA Staatspolitik. Die gegenwärtigen Straßenschlachten in den USA, Frankreich, der Türkei … hallo?

    … ich kenne, gerade in Deutschland, genügend Beispiele für ‚gelungene‘ Integration. Das sollte das Ziel sein, alles andere ist Ideologie.

    Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, wie Sie sich eine bessere Gesellschaft vorstellen, sie ‚gelingen‘ könnte. Das ‚*‘ wird die Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen nicht lösen. Oder?

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    @ ‚derblondehans‘ (Zitat: „Wo ist das Problem?“): Das Problem ist, dass sich Migrant*innen (damit meine ich Immigrant*innen, nicht Emmigrant*innen) hierzulande integrieren können wie sie wollen, letztendlich überwiegend aber doch nicht als ‚Deutsche‘ wahrgenommen werden – ganz unabhängig davon, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder nicht. Das liegt wie gesagt vor allem daran, dass sich die deutsche Nation – im Gegensatz zu den USA, zu Kanada, zu Frankreich etc. – vornehmlich als ‚Ethnie‘ oder auch ‚Abstammungsgemeinschaft‘ begreift, wie es in der Wissenschaft heißt. In eine solche Gemeinschaft kann jemand, der nicht die imaginären ‚urdeutschen‘ Vorfahren hat, sondern z. B. aus der Türkei kommt, rein gedanklich nicht integriert werden. Selbst wenn ein von ausländischen Eltern zur Welt gebrachtes Kind von Anfang an in Deutschland, bei deutschen Eltern, aufwächst und nichts mit irgendeinem anderen Land zu tun hat, wird es hier überwiegend nicht als ‚deutsch‘ wahrgenommen. Ein gutes Beispiel dafür ist Filip Rößler: http://www.publikative.org/201.....hat-recht/
    Als ich für die JuLis zu Rößlers Zeiten Wahlkampf gemacht habe, musste ich mir auf der Straße andauernd (von ‚ganz normalen Bürger*innen‘) Sprüche anhören, wie: „Holen Sie doch Ihren vietnamesischen Grinseaffen und sperren Sie ihn im Zoo ein“.

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    LF: ‚Eine sich so konstituierende ‘Volksgemeinschaft’ ist natürlich alles Andere als inklusiv gegenüber Migrant*innen. Schließlich kann man dann – wie es so schön (oder auch hässlich) heißt -‘Deutsche*r nur sein aber nicht werden’.‘

    …das Deutschland, genauer das herrschende politische System in Deutschland, das Sie beschreiben, gab es zwischen ’33 und ’45. Weder ich, noch die von mir verlinkten ausformulierten ‚Papiere‘, möchten dahin zurück. Daher verstehe ich Ihren Hinweis nicht.

    Auch kann ich an Ihrer Behauptung, das eine Nation, eine sich konstituierende ‘Volksgemeinschaft’, wie Sie schreiben, ‚alles Andere als inklusiv gegenüber Migrant*innen‘ sein soll, nicht nachvollziehen. Ein Migrant wandert aus, nicht ein. Also wäre der Migrant ohnehin deutscher Staatsbürger, inklusiv, mit Ihren Worten.

    Wenn, könnte es nur ein ‚inklusiv‘ gegenüber Immigranten geben. Wer immigriert, integriert sich, wird neuer Staatbürger oder, will, muss, warum auch immer, wieder zurück. Wo ist das Problem?

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    @ ‚derblondehans‘: Sie haben Recht, dass viele US-Amerikaner*innen sehr an ihrer Abstammung interessiert sind. Aber letztendlich sind nach dem amerikanischen Nationenverständnis dann doch alle ‚Americans‘, die die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen (in der Wissenschaft ‚civic‘ statt ‚ethnic nationalism‘ genannt). Das hängt natürlich allein schon mit der Historie der USA als ‚Einwanderungsland‘ zusammen: Schließlich liegt es auf der Hand, dass sich die Mehrheit der US-Amerikaner*innen nicht auf einen gemeinsamen Stammbaum berufen kann. Derweil scheinen viele Deutsche, die die deutsche ‚Nation‘ als Abstammungsgemeinschaft verstehen (wollen), nach wie vor zu glauben, dass das so verstandene deutsche ‚Volk‘ von irgendwelchen Ur-German*innen abstamme. Eine sich so konstituierende ‚Volksgemeinschaft‘ ist natürlich alles Andere als inklusiv gegenüber Migrant*innen. Schließlich kann man dann – wie es so schön (oder auch hässlich) heißt -‚Deutsche*r nur sein aber nicht werden‘.

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    LF: @ ‘derblondehans‘: Was an einer ‘Nation’, die sich (u. a.) als “Abstammungsgemeinschaft” versteht, so inklusiv sein soll, erschließt sich mir leider nicht.

    … ooops? … jetzt verwirren Sie mich aber. Natürlich kann wer will die ‚Nation‘ als Konstrukt gesehen.

    Aber wozu? Selbst wenn das so wäre, dass nur der Staat mit seinen Staatsbürgern für Sie gilt, bleibt, dass Menschen eine Abstammungshistorie haben. Selbst die USA verstehen sich als Nation. Das hat auch was mit Völkerrecht und Souveränität zu tun.

    Der Mecklenburger der im 18. Jahrhundert nach Wyoming ausgewandert ist, hat eine deutsche Abstammung, seine Kinder haben, irgendwann, ein amerikanische. Und selbst 2015 rennen diese Amerikaner, nun angelandet auf einem Kreuzliner, mit feuchtblanken Augen, vor Rührung, durch unser Kaff, wenn sie als Touristen ihre ‚Abstammungshistorie‘ besuchen.

    … aber das hatte wir hier schon.

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    @ ‚derblondehans‘: Was an einer ‚Nation‘, die sich (u. a.) als „Abstammungsgemeinschaft“ versteht, so inklusiv sein soll, erschließt sich mir leider nicht.

    @ ‚Gesunder Menschenverstand‘: Ich habe noch nicht ganz verstanden, was Sie mit mir in Israel machen wollen, aber ich würde Ihnen sowieso ans Herz legen, die Reise ohne mich anzutreten. Ich bin einfach nicht so der Typ für solche Missoniar*innen-Jobs.
    Wenn mir im Alltag nationale Identitäten begegnen, die ich als fragwürdig empfinde, adressiere ich das in Gesprächen aber durchaus. Bei mehrere Menschen (mit eigentlich ausschließlich deutscher Staatsbürgerschaft) ist dabei letzten Endes herausgekommen, dass sie sich nur deshalb als ‚Türkin‘, ‚Halb-Vietnamesin etc. bezeichnen, weil ihnen die meisten Menschen in der deutschen Gesellschaft zu verstehen geben, dass sie keine ‚Deutschen‘ seien. Nach der zigtausensten Frage, „wo man denn ‚WIRKLICH‘ herkommt“, würde ich vermutlich auch irgendwann anfangen, mich einem anderen ‚Volk‘ zuzuordnen. Verständlich ist das, gut aber nicht, denn letztendlich befördert das wieder die hierzulande vorherrschenden,’ethnischen‘ Auffassungen von nationaler Identität. Mehrere Studien haben gezeigt, dass solche Auffassungen (im Gegensatz zu Identitäten die sich an Staatsbürgerschaft orientieren) vermehrt anti-migrantische Vorurteile hervorrufen. Nachdem Sie so gerne lesen, werden Sie sich vermutlich am Liebsten selbst davon überzeugen:

    Esses, Victoria M., John F. Dovido, Antoinette H. Semenya und Lynne M. Jackson. 2005. Attitudes toward Immigrants and Immigration: The Role of National and International Identity. In: Dominic Abrams; Michael A. Hogg; José M. Marques (Hg.): The Social Psychology of Inclusion and Exclusion. New York/Hove: Psychology Press. S. 317-337.

    Pehrson, Samuel, Rupert Brown und Hanna Zagefka. 2009. When does national identification lead to the rejection of immigrants? Cross‐sectional and longitudinal evidence for the role of essentialist in‐group definitions. British Journal of Social Psychology 48(1): 61-76.

    Pehrson, Samuel, Vivian L. Vignoles und Rupert Brown. 2009. National identification and anti-immigrant prejudice: Individual and contextual effects of national definitions. Social Psychology Quarterly 7(2): 24-38.

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    @ LF

    „Ob selbige das anders sehen, ist mir relativ egal.“

    Ich lade Sie herzlich ein, mein Begleiter und Hadschi Halef Omar auf meiner Weltreise zu sein. Ich brauche jemand mit Ihrer robusten Einstellung. Meine nächste Haltestelle wird Israel sein und da freue ich mich darauf, wie sie den eingebildeten Jude*innen beibringen, dass sie lediglich eine essentialistische Konstruktion sind, in Israel jedoch völlig ausreichend, um von einem völkischen, jüdischen Charakter des Staates sprechen zu können. Dann fliegen wir zusammen schnurstracks zu den Inuit, denen Sie mit robuster Höflichkeit beibringen, dass sie endlich auf den state of the art kommen sollten, „‘Völker’ auf Staatsvölker und ‘Nationalität’ auf Staatszugehörigkeit zu reduzieren und den ganzen ‘völkischen’ Kram, der in Konzepten der ‘Nationen’ und ‘Ethnien’ meistens noch mitschwingt, auszublenden.“ Damit würden wir den Inuits bedeutend näherkommen als wenn wir in die Falle laufen, deren Selbstverständnis zu berücksichtigen und zu respektieren; das gleiche machen wir dann auf unseren weiteren Stationen mit den Chinesen und Indern in Südostasien und den indianischen Nationen in USA. Ich hoffe, wir tragen damit einiges zur „Völkerverständigung“ bei; Entschuldigung mir fällt kein besseres Wort ein, welches schlagen Sie vor? Und Alan Posener können wir dann vorschlagen, dass er den völkischen Kram, mit dem er zuweilen prunkt, schottisch-jüdisch, besser ausblende und sich mit dem deutschen Staatsbürger begnüge. Ach so, den Türken in Deutschland, die zu Erdogan rennen, müssen wir das auch noch beibringen. – Wollen Sie mitkommen?

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    … ooops? Korrektur

    @LF

    ‚Die Einheit der Nation beruht auf dem Bewußtsein des Staatsvolkes als Sprach-, Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist nicht statisch;sie kann Einwanderer aufnehmen und zu beider Vorteil integrieren, wenn Einwanderung nicht schrankenlos und ungesteuert stattfindet, sondern Neuankömmlinge sorgfältig nach ihrer Bereitschaft und ihrem Willen ausgewählt werden, sich ohne Vorbehalt mit Staat und Nation zu identifizieren … ‚

    … denn DAHER! hätt‘ ich auf den Größten Einwanderer aller Zeiten, anno ’32, gern verzichtet.

    ‚Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
    Ob sich das Herz zum Herzen findet!
    Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.‘ (Schiller)

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    G.M. ‚Ist diese helldeutsche Politik nicht die Politik von Geisterfahrern? Wissen die, was sie tun oder nicht?‘

    … wer Deutschland in Hell- und Dunkeldeutschland einteilt, ist, so würde man ‚früher‘ sagen, Rassist.

    Nun bleibt die ‚gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit‘. Dass der Lutheraner Gauck sich als Vertreter eines HELL – Deutschland sieht, nehme ich ihm ab.

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    @Gesunder Menschenverstand
    Ach, wissen Sie, je erratischer, wenn Sie so wollen, antimachiavellistischer, Merkel agiert, bzw. reagiert, desto sympathischer wird sie mir. Von gestaltender Politik der Eliten habe ich ziemlich die Nase voll. Ich wurschtele mich lieber durch, als durchgewurschtelt zu werden.

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    @ ‚Gesunder Menschenverstand‘: Natürlich bilden Japaner*innen – als Staatsbürger*innen Japans – ein Volk… Was die ‚Kurd*innen‘ und ‚Bayer*innen‘ angeht, bin ich da anderer Ansicht. Ob selbige das anders sehen, ist mir relativ egal. Bloß weil irgendwer von sich behauptet ‚Arier*in‘ zu sein, muss ich diese Identität ja auch nicht anerkennen. Was die kontroverse Frage der ‚jüdischen Identität‘ angeht, können Sie sich denken, dass ich nicht mit denjenigen sympathisiere, die Jüdinnen und Juden als ein ‚Volk‘ begreifen. Das bedeutet aber nicht, dass ich den jüdischen Charakter Israels in Frage stelle.
    Ihr Link zu ‚genderini‘ bringt mich zugegebener Maßen zum Schlucken. Der Text veranschaulicht leider, dass derzeitige Versuche einer vollkommen gendergerechten Sprache in einem kryptischen Buchstabenwust enden, den nur Eingeweihte zu entziffern wissen. Trotzdem: Ein Gendersternchen hier und da hat noch niemandem geschadet. Darauf zu verzichten bedeutet allerdings auch nicht das Ende der Welt.

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    @ ‚derblondehans‘ (Zitat: „ich stimme Ihnen zu, man sollte aber erkennen, dass ‘Ethnie’ nur ein anderes Wort für ‘Rasse’ darstellt, und irgendwann, für manche schon immer, ähnlich negativ konnotiert ist“): Ich hätte nie gedacht, dass ich mit Ihnen je auch nur in einem Punkt einig wäre. An dieser Stelle muss ich Ihnen allerdings voll und ganz zustimmen. Dass Konzept der ‚Ethnie‘ ist für mich ähnlich problematisch wie das der ‚Rassen‘. Darum bin ich auch so darum bemüht, ‚Völker‘ auf Staatsvölker und ‚Nationalität‘ auf Staatszugehörigkeit zu reduzieren und den ganzen ‚völkischen‘ Kram, der in Konzepten der ‚Nationen‘ und ‚Ethnien‘ meistens noch mitschwingt, auszublenden.

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    @“Gesunder Menschenverstand“

    Na, Sie sind mir ja einer! In Ihrer Polemik gegen Posener wimmelt es nur so von antijüdischen Stereotypen (Kapitalismus – Apotheose, Hass auf das(deutsche) Volk, begründet in „abgewehrten und unbewußt gebliebenen Herkunftskonflikten“). Nur um dann, wenn dies jemand als – zugegeben: gefährlichen – Unsinn bezeichnet, achselzuckend auf Pawlow zu verweisen. Dies ist eine altbewährte Masche, das wissen Sie. Erprobt von Nolte über Walser bis Rudolf Augstein. Belassen Sie es bei Behauptungen und Andeutungen oder tun Sie mal “ Butter bei die Fische“? Woraus schließen Sie, dass Posener das Volk hasst? Warum behaupten Sie, Posener sei ein vorbehaltlose Adorant des Kapitalismus? Worin bestehen, Ihrer Vermutung nach, seine „unbewältigten Herkunftskonflikte“? Wie sieht Ihrer Meinung nach eine vernünftige Flüchtlingspolitik aus? Ich habe mich hier, in einer Auseinandersetzung mit KJN als Verteidiger einer Utopie des Kapitalismus mit menschlichem Antlitz geoutet, woraufhin Sie mich als Linken (!!!!), der ängstlich im Walde pfeift, bezeichneten. Was ist Ihre Alternative? Wovor sollte ich Angst haben? Haben Sie jenseits von Kritik, Unterstellungen und Fragen nach Motiven auch was Substantielles?

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