Erlebt Deutschland einen neuen nationalen Notstand? Angesichts der erwarteten 800.000 neuen Flüchtlinge allein in diesem Jahr wird der Ton in Politik und Bevölkerung rauer. Eine „radikale Wende“ fordert der Erfurter Oberbürgermeister und thüringische SPD-Vorsitzende und will unter anderem die Beschulung von Flüchtlingskindern aussetzen. Sein Parteigenosse, der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, ruft den „Katastrophenfall“ aus und der Bundesvorsitzende der SPD bezeichnet feindliche Demonstranten vor Aufnahmelagern als „Pack“, das hinter Gittern gehöre. Deutschland im Spätsommer 2015, ein Land im politischen Ausnahmezustand.
Die vierte Welle
Dabei war die neue Einwanderungswelle für die Politik absehbar. Noch im Frühjahr freute sich die Bundeskanzlerin darüber, dass Deutschland nach den USA heute das beliebteste Einwanderungsland der Welt ist. Weltweit sind aktuell mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Wenn 800.000 von ihnen in diesem Jahr ihren Weg zu uns finden, ist das gut ein Prozent. Zuviel für ein alterndes und schrumpfendes Wohlstandsland? Um den Rückgang der Bevölkerung auszugleichen, brauche Deutschland jährlich 500.000 Einwanderer. Die Politik hat es lange versäumt aus dieser Notwendigkeit eine Strategie zu entwickeln. Nun ist der Notfall da. Die Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen wird unser Land mehr herausfordern als die Krise in Griechenland, so die Bundeskanzlerin. Der Durchschnittsdeutsche hat von dieser Krise nur aus den Medien erfahren; die Flüchtlinge sieht er dagegen fast täglich. Die Aufgabe, vor der Politik und Gesellschaft jetzt stehen ist gewaltig und historisch. Nach 1945 waren es Vertriebene, 1960 waren es Gastarbeiter, die zu Millionen nach Deutschland kamen. 1989 kamen 16 Millionen Ost-Deutsche als „Mitbürger“ hinzu. Nicht immer waren sie willkommen, ihre Integration war oft nicht einfach und dennoch prägen sie heute unser Land und gehören dazu, zahlen Steuern und schwenken die Deutschlandfahne auf den Fanmeilen der Republik.
Das Hissen der Deutschlandfahne darf nicht zum Widerstandszeichen werden
Mehr als 25 Jahre nach der deutschen Einheit und 22 Jahre nach dem Asylkompromiss ist Deutschland ein menschliches und weltoffenes Land. Darauf können wir zu Recht stolz sein. Dafür müssen wir aber stärker eintreten, auch mit Symbolen. Das Hissen der Deutschlandfahne darf nicht zu einem Widerstandszeichen von Pegida und rechtem „Pack“ werden. Die Angst vor Flüchtlingen und Muslimen nutzen neue wie alte Rechte nur, weil wir ihnen das Feld überlassen. Das angekündigte Demonstrationsverbot im sächsischen Heidenau bestärkt den Eindruck, dass Polizei und Politik vor den Angstmachern kapitulieren. Dabei entscheidet die Integrationsfrage über die Zukunft unseres Landes. Wir brauchen eine starke nationale Identität, wenn wir diese Frage beantworten wollen. „Integration heißt, dass man sich irgendwann nicht mehr als Araber, Bosnier oder Türke betrachtet, sondern als Deutscher mit all seinen Licht- und Schattenseiten“, so der Berliner Fraktionschef der SPD Raed Saleh. Das „irgendwann“ gilt es zu beschleunigen. Dafür braucht es neben mehr Geld, anderen Gesetzen und Verfahren vor allem den gemeinsamen Willen, mehr über das „Wie“ als über das „Ob“ an Einwanderung und Integration zu streiten. Deutschland ist heute, anders als 1945, 1960 und 1989, ein starkes, selbstbewusstes und solidarisches Land. Die große Mehrheit der Bürger hat längst begriffen, dass wir nicht auf einer Insel der Glückseligen leben, sondern dass die Globalisierung lokal geworden ist. Ein neuer Patriotismus zeichnet sich ab. Deutschland erfindet seine Identität und sich neu. Willkommen in Deutschland, Ihr Gestrandeten und Geächteten dieser Welt!
Warum wollen viele Länder wie auch Polen und sogar Frankreich ihren Anteil an Migranten nicht aufnehmen wie Gabriel gerade bemerkte.
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28. August 2015 um 21:37
Deutschland braucht keinen “neuen Patriotismus”, Deutschland braucht die Rückkehr zum Recht.
Deutschland braucht keinen „neuen Patriotismus“, Deutschland braucht die Rückkehr zum Recht.
Die Fahnen sind ein gutes Thema. Die Leute, die uns in den Medien als bürgerliche Mitte verkauft werden, meiden die Staatsflagge, wie der Teufel das Weihwasser. Stattdessen wehen dort rote, grüne und türkische Flaggen. Die Staatsflagge sieht man nur bei den angeblich bösen Rechten. Für mich ist eindeutig sichtbar, wer Deutschland hasst, und wer Patriot ist, aber hier in diesem Blog wird ja das Offensichtliche stetig bestritten.
„Integration heißt, dass man sich irgendwann nicht mehr als Araber, Bosnier oder Türke betrachtet, sondern als Deutscher mit all seinen Licht- und Schattenseiten“, so der Berliner Fraktionschef der SPD Raed Saleh.
Dem möchte ich entschieden widersprechen. Ich bin seit über dreißig Jahren Deutscher und war schon lange, bevor man mir widerwillig die Staatsbürgerschaft zugestand, hier gut integriert. Aber das heißt nicht, dass ich mich nicht mehr als Engländer betrachte. Und ich bin mir sicher, dass auch Raed Saleh als Deutscher dennoch auch Palästinenser bleibt. Jedenfalls hoffe ich das.
Lieber Herr Dettling,
haben Sie das auch bedacht, was Henryk M. Broder bedacht hat?
http://www.welt.de/debatte/hen.....stand.html
Konstantin Wecker hat einen Traum
https://www.youtube.com/watch?v=CfJawNZm-rQ
Seid umschlungen, Millionen.
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Deutschland erfindet seine Identität und sich neu.
Alles ist machbar, Frau Nachbar.
Brüder! überm Sternenzelt
muß ein lieber Vater wohnen:
Ihr stürzt nieder Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such’ ihn über’m Sternenzelt!
Über Sternen muß er wohnen.
http://www.sezession.de/51082/.....den.html/3