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Advocatus Dei?

Zugegeben, ich bin Atheist. Anglikanischer Atheist jüdischer Herkunft, sollte ich hinzufügen, denn es gibt so viele Sorten Atheisten, wie es verschiedene Arten gibt, Christ, Jude oder Moslem zu sein, was allzu oft vergessen wird. Hier möchte ich – sozusagen als Advocatus Dei – zwei Einwände gegen den Atheismus vorbringen. Und zwar auch deshalb, weil mir eine bestimmte Sorte Atheismus gehörig auf den Wecker geht: Der Atheismus aus Ignoranz. Der Atheismus, der nicht begreifen kann oder will, dass der Glaube an Gott – oder an Götter – nicht bloß Ausdruck unaufgeklärter Dummheit ist.


Der erste Einwand ist der Einwand aus dem Totalitarismus.
Hat nicht das 20. Jahrhundert gezeigt, dass explizit atheistische Regimes wie Nationalsozialismus und Kommunismus viel schlimmere Verbrechen begehen, als wir es selbst von den Inquisitoren, Kreuzzüglern und Dschihadisten kennen? Besteht zwischen ihrem Atheismus und ihren Verbrechen eine Verbindung? Ist der Mensch, der keine höhere Autorität kennt als den Menschen, nicht zu jeder Untat bereit, während der religiöse Mensch selbst bei seinem schlimmsten Wüten immerhin begreift, dass er sich dafür vor einer höheren moralischen Autorität zu verantworten haben wird? Ist die Religion nicht also zur moralischen Mäßigung des Menschen nötig?
Der zweite Einwand ist der aus der Schönheit.
Wie viele wunderbare Werke hat der Glaube hervorgebracht! Literarische Meisterwerke wie die Ilias und die Odyssee, die Geschichten um König David, Hiob, Jesus aus Nazareth, Mohammed; gotische Altarbilder und hinduistische Götterstatuen; Bauwerke wie Notre Dame in Paris, die Blaue Moschee in Istanbul, die Tempelanlage von Angkor Wat; Musik wie Bachs Weihnachtsoratorium, die Gospelmusik von Elvis Presley, die Gesänge der Muezzin, die Reggae-Musik des Rasta-Kults – die Liste ist schier endlos. Denkt man den Beitrag der Religionen zur Verschönerung des Lebens weg, müsste man sich unser Dasein nicht so vorstellen wie in einer riesigen Plattenbausiedlung, bei der aus jeder Wohnung das Geräusch von Dudelradio und Killerspielen drängt? Wer will in einer solchen hässlichen neuen Welt leben?
Beide Argumente berühren freilich nicht die wissenschaftliche Frage, ob es Götter oder Göttinnen gibt; also nicht die Wahrheitsfrage. Es könnte ja sein, selbst wenn man anerkannt, dass die Religionen unser Leben vor der Hässlichkeit und dem Totalitarismus retten, dass sie lediglich eine kulturell nützliche, vielleicht sogar notwendige Fiktion sind.
Aber sind sie das?
Nehmen wir den Einwand aus dem Totalitarismus – ein Einwand, der interessanterweise seit 9/11 häufiger zu hören ist als früher, als wollten die Religionen lautstark die Erkenntnis übertönen, dass die monotheistische Religion selbst das Urbild des Totalitarismus ist.
Die erste Antwort auf diesen Einwand ist, dass in der Tat nicht nur die Religion gefährlich ist, sondern auch der Religionsersatz. Kommunismus und Nationalsozialismus sind nämlich atheistisch zwar, aber nicht areligiös. Im Gegenteil. Niemand kann leugnen, dass der Kommunismus des aus einer Rabbinerfamilie stammenden Christen Karl Marx seine ganze Struktur dem Christentum verdankt – paradiesische Zustände im Urkommunismus, der Fall des Menschen durch die Erfindung des Privateigentums, die Ankunft des Messias mit einer Heiligen Schrift, der Endkampf zwischen Gut und Böse in der Weltrevolution und die Wiedergewinnung des Paradieses im Kommunismus. Auch der Nationalsozialismus ist in seinem Kern eine Religion, und zwar eine gnostische, bei der die arischen Lichtmenschen gegen die Kräfte der Finsternis, angeführt durch die ganz und gar materialistischen Juden, um die Rettung der Erde ringen.
Mit anderen Religionen teilen diese Ersatzreligionen den Zug der Nichtwiderlegbarkeit. Wenn es kein Leben nach dem Tod gibt, werden wir es erst nach dem Tod erfahren – oder vielmehr: eben nicht erfahren. Wenn die Massen nicht für den Kommunismus kämpfen, dann leiden sie eben unter falschem Bewusstsein. Wenn die Arier unterliegen, dann beweist das ja nur, wie gefährlich das Weltjudentum ist. So sehr sich der marxistische Sozialdarwinismus und der moderne Antisemitismus einen wissenschaftlichen Anstrich geben: ihnen fehlt das entscheidende Kriterium der Wissenschaftlichkeit – die Überprüfbarkeit im Experiment, die Widerlegbarkeit durch die Praxis.
Gegen wissenschaftliche – also praktische – Einwände haben sich die Ersatzreligionen haben sie sich – von den Religionen lernend – immunisiert. Als Hiob von Gott mit allerlei Plagen heimgesucht wird, meinen die Freunde, er müsse etwas getan haben, um diese Strafen zu verdienen. Aber Hiob besteht darauf, dass es keine Kausalität zwischen seinem Verhalten und seinem Leiden gibt. Das Leid der Unschuldigen ist also kein Einwand gegen die Existenz Gottes, dessen Ratschluss „unerforschlich“ ist. Als Jesus in der Wüste weilt, schlägt ihm Satan ein wissenschaftliches Experiment vor: er soll sich von einem hohen Turm werfen. Wenn er Gottes Sohn ist, werden ihn die Engel schon auffangen. Jesus antwortet: Du sollst Gott nicht versuchen. Sprich: allein schon der Gedanke daran, die Aussagen der Religion einer Überprüfung zu unterziehen, ist Sünde. Bei den Nazis hieß der entsprechende immunisierende Gedanke: Unsere Ehre heißt Treue. Gehorsam also statt Denken. Ähnlich geht es bei den Kommunisten zu, etwa in Bertolt Brechts „Lob der Partei“: Der Einzelne hat zwei Augen, / Die Partei hat tausend Augen. / Die Partei sieht sieben Staaten, / Der Einzelne sieht eine Stadt. / Der Einzelne hat seine Stunde, / Aber die Partei hat viele Stunden. Der Einzelne kann vernichtet werden, / Aber die Partei kann nicht vernichtet werden. / Denn sie ist der Vortrupp der Massen / Und führt ihren Kampf / Mit den Methoden der Klassiker, welche geschöpft sind / Aus der Kenntnis der Wirklichkeit. Amen, möchte man sagen, und wenn man das Wort „Partei“ durch „Kirche“, „Klassiker“ durch „Kirchenväter“ und „Wirklichkeit“ durch „Wahrheit“ ersetzt, hätte Papst Benedikt XVI. vermutlich wenig an dem Gedicht auszusetzen haben.
Apropos Joseph Ratzinger: Er hat sein Pontifikat unter das Zeichen des Kampfs gegen die „Diktatur des Relativismus“ gestellt. Also für die Herrschaft der Wahrheit. Aber nur der Relativismus – die Bereitschaft, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass man selbst mit dem, was man am tiefsten glaubt, Unrecht haben kann – bewahrt uns vor den Gefahren, die im angeblichen Wissen um die Wahrheit liegen. Dies ist nämlich das schlimmste Erbe der monotheistischen Religion: die Offenbarung der Wahrheit. Übrigens immer so, dass andere Menschen an der Offenbarung nicht teilnehmen können: Auf dem Berg Sinai, in der Wüste Judäas, in der Höhle bei Mekka. Selbst auf dem Weg nach Damaskus sah nur Paulus das Licht, hörte nur Paulus die Stimme. Seine Begleiter sahen einen Mann, der einen epileptischen Anfall hatte.
Und dies ist die zweite Antwort gegen den Einwand aus dem Totalitarismus: Gegen die letzten Wahrheiten der Diktatoren brauchen wir nicht die letzten Wahrheiten der Päpste. Wir brauchen den Dialog über vorübergehende Regelungen. Wir brauchen die Anerkennung, dass die Gegenseite Recht haben könnte. Das ist die Essenz der Demokratie.
Man komme mir nicht mit dem Einwand, dann sei alles möglich, das sei eine Philosophie des „Anything Goes“. Man komme mir nicht mit jener dummen Parole, mit der die Kirchen vor zwei Jahren versuchten, die Freiwilligkeit des Religionsunterrichts in Berlin aufzuheben: „Werte brauchen Gott“. Quatsch. Und das ist die dritte Antwort auf den Einwand aus dem Totalitarismus: Fast all die Werte, die uns heute wichtig sind – individuelle Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Gleichberechtigung der Rassen (und auch der Religionen), Anerkennung des Werts der Sexualität einschließlich aller möglichen so genannten Perversionen – : Das alles ist gegen die Religionen erkämpft worden und wird noch gegen die Religionen erkämpft. Die öffentliche Moral, die von den Religionen gepredigt wurde und wird, entspricht eher den Moralvorstellungen der Diktatoren als der heutigen Demokratie. Und was die private Moral angeht: Eheliche Treue? Man betrachte den christlichen Politiker Seehofer. Aufrichtigkeit? Guttenberg. Schutz der Kinder? Man nehme katholische Priesterseminare, Sakristeien, Kinderheime, Internate. Von Madrassen und Kinderehen in der islamischen Welt ganz zu schweigen.
Ansonsten, und dies ist die vierte Antwort: Dass man Leute nicht totschlagen, berauben, belügen und betrügen soll, das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Die goldene Regel, der zufolge man lieber anderen nicht antun soll, was man selbst nicht von anderen erleiden möchte, leuchtet jedem ein, der sich darüber klar wird, dass er einmal der Schwache, der Unterlegene sein könnte. Um diese Alltagsweisheit aufzuheben, braucht es eine religiöse Einstellung, die einem für den Massenmord 72 Jungfrauen oder die Seligkeit des Kommunismus verspricht.
Auf den zweiten Einwand gegen den Atheismus, den aus der Schönheit, möchte ich antworten: dass die Kunst in der Vergangenheit an den Kultus gebunden war, ist unstreitig. Dass sie es nicht sein muss, haben die letzten 400 Jahre bewiesen. Im Amsterdamer Rijksmuseum bewunderte ich neulich die Malerei des holländischen Goldenen Zeitalters. Als mit der Lossagung von Spanien und dem Katholizismus die Kirche als Patronin wegfiel, widmeten sich die Maler bürgerlichen Sujets – dem Porträt, dem Stillleben, Stadtansichten, Landschaften usw. Und was sind das für herrliche Bilder! Die fast völlig areligiöse Kunst, Musik und Literatur des 20. Jahrhunderts braucht den Vergleich mit keinem anderen Jahrhundert zu scheuen. In der Musik hat das säkulare Europa die Oper und die Symphonie, das säkulare Amerika den Jazz, den Blues und den Rock’n’Roll hervorgebracht. Die viel geschmähte moderne Architektur hat Häuser und Räume geschaffen, vom Chrysler Building in New York über die Weißenhof-Siedlung in Stuttgart bis Zaha Hadids Museum für zeitgenössische Kunst in Rom, die einem den Atem so gut rauben wie irgendeine gotische Kathedrale.
Übrigens vergesse ich bei der Kathedrale nicht, dass dieses Bauwerk auch der Einschüchterung und der Demonstration von Macht diente: Shock and awe. Aber ihre Wirkung ist Menschenwerk, das Produkt menschlicher Berechnung und menschlicher Inspiration. Das Chrysler Building beweist nicht die Notwendigkeit von Chrysler, ja wird den Untergang der Autofirma überleben. Es beweist nur, dass Menschen fähig sind, auch für die banalsten Zwecke – in diesem Fall ein Bürogebäude – die erhabensten Formen zu finden. Übrigens gibt es auch hässliche Kirchen, Synagogen und Moscheen. Deren Hässlichkeit sagt ja auch nichts aus über die Wahrheit der in ihnen praktizierten Religion.
Wir können die Schönheit der religiösen Kunst bewundern – müssen das aber nicht: so mancher Barockaltar ist einfach hässlich. Wir können die Gefühle respektieren, die Gläubige für ihre Götter hegen – müssen das aber nicht: wir können es auch reichlich albern oder zutiefst vermessen finden, dass der Schöpfer des Universums sich ärgert, wenn ich Schweinefleisch esse oder mit einem gleichgeschlechtlichen Partner Sex habe. Wir können anerkennen, dass im Kampf gegen die moderne Barbarei zwar nicht viele, aber doch eine Reihe religiös motivierter Menschen sich bewährt haben, während viele Barbaren sich als Atheisten verstanden – sollten darüber aber nicht vergessen, dass die meisten religiösen Menschen sich, als es darauf ankam, nicht tapferer oder moralischer verhalten haben als nichtreligiöse.
Aber wir müssen entschieden den Anspruch jeder Religion – und erst recht jeder Ersatzreligion – zurückweisen, im Namen der Wahrheit zu sagen, was richtig und was falsch ist, was schön und nicht schön ist. Wir sind alt genug, das selber zu wissen und aus unseren Fehlern selbst zu lernen. Jeder von uns wäre ein besserer Mensch, wenn er sich vornehmen würde, so zu leben, als ob es auf ihn selbst ankäme, also ohne die Krücke, die einem die Religion bietet.

 

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111 Gedanken zu “Advocatus Dei?;”

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    @Alan Posener
    Was soll ich denn denken, z.B. nach dem Artikel?
    http://www.welt.de/print/welt_.....dient.html
    Einerseits teilen Sie aus, indem Sie ganze Berufsgruppen kurzerhand für überflüssig erklären, reagieren aber auf meinen Einwurf durchaus empfindlich. Ich habe jetzt nicht mein Herz insbesondere für die Kartoffelbauern entdeckt, aber aus Ihrer Rhetorik spricht schon bisweilen eine gewisse Geringschätzung, oder sollte ich vielleicht sagen ‚Überheblichkeit‘, genau, was Sie mir schon mal vorwarfen. Vielleicht bin ich ja zu empfindlich, aber genau auf das wollte ich mit meinem Einwurf hinaus.
    Warum sollte ich Sie „beleidigen“ wollen, dafür schätze ich Sie über Ihre Essays und das was Sie sonst hier preisgeben viel zu sehr und das wissen Sie auch. Was Sie sicher auch wissen, ist ‚daß Arbeit mit Menschen‘, um nochmal auf oben zitierten Artikel einzugehen, immer über Themen, praktische Arbeit und Erfolgserlebnisse funktioniert, daher irritierte der o.a. Artikel um so mehr. Aber gut, kann ja sogar sein, daß Sie mit der Kernaussage behalten.
    Was ich Ihnen – nun habe ich es ja deutlich genug gesagt bekommen – offensichtlich absurderweise unterstellt habe, ist die Bewertung in der guten alten scholastischen Denkweise, daß oben in der moralischen Rangordnung Lehrer und natürlich Geistliche stehen und daß der Handwerker und Bauer (Wissenschaftler, Ingenieur, Banker) viel weniger gilt, weil sie eben, so diese Vorstellung, ’nichts mit Menschen machen‘. Das meinte ich wirklich mit ‚Dingen, die gelingen‘ statt Menschen, denen man etwas angedeihen lässt.
    Gut, es liegt natürlich in meiner Verantwortung, wenn Sie sich beleidigt fühlen – die Vorstellung, daß ich mir erlauben würde, Ihnen zu unterstellen, Sie würden nichts ‚auf die Reihe kriegen‘ ist allerdings – wie drückten Sie sich aus? – drollig. LG

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      OK, sorry, Klaus J. Nick, unser gegenseitiges Missverständnis ist eines von vielen Beispielen dafür, dass Menschen in Texte Dinge hineinlesen, die nicht da sind. Ich in Ihre Kritik, Sie aber in meinen Artikel über Berufe mit Zukunft. Ich habe dort erstens nicht meine Meinung referiert, sondern die Ergebnisse ernstzunehmender Studien über Berufe, die von Robotern, Computern usw. ersetzt werden dürften. Ich behaupte zweitens nicht, dass Lehrer in irgendeiner Weise anderen Leuten überlegen wären. Aber George Bernard Shaws beleidigendes Diktum, „He who can, does, he who can’t, teaches“, war damals schon falsch und ist es heute erst recht. Dass Lehren ohne Gegenstand nicht geht, weiß ich auch, und einer meiner Lieblingsschulfilme ist „Der Pauker“ mit Heinz Rühmann, wo er eine völlig verlotterte Abiturientenklasse dadurch in den Griff bekommt, dass sie gemeinsam an einem alten Auto basteln und es wieder flott bekommen.

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    …ansosnten hat sich hier ja nicht viel geändert: Parisien hat Angst vor dem Schwarzen Mann, Herr Kaufmann hat sich auch wieder eingefunden, KJN erntet lieber Kartoffeln, statt einer Ersatzreligion nachzuhängen; nur EJ fehlt, und das deutlich.

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    Hallo allerseits, ich wollte nochmal kurz auf den Artikel zurückkommen.

    Zur Schönheit ist mir – aus gegebenem Anlass meiner Reise – aufgefallen, dass hier nur von der Kunstschönheit, nicht aber von der Naturschönheit die Rede ist. Dabei bildet z.B. bei Bach gerade die Naturschönheit das Vorbild für die Kunstschönheit. Bach hat seine Musik als eine Art Naturwissenschaft aufgefasst, und seine Tätigkeit als Forschung. Und er hat auch recht damit. Für ihn ist die Natur und die dort eingebettete Musik ein systematisches Wunderwerk, das Anlass zu glauben gibt. Jedoch kein Gottesbeweis: Bachs Musik steckt (das wurde von vielen bemerk) voller Zweifel und Zagen (neben der Hoffnung und dem Glauben); gerade das macht sie so reizvoll. (Und protestantisch, möchte ich hinzufügen.)

    Als Zweites möchte ich was zum Relativismus der Wissenschaften sagen. Manchmal wird ein dogmatisches Bild der Religion gezeichnet, als granitener Wahrheitsverkünderin, der die Wissenschaft skeptisch, fragend, zweifelnd – voller Ungewissheit sozusagen auf Zehenspitzen entgegentritt. Dieses Bild ist falsch, es stimmte vielleicht anfangs, aber mittlerweile nicht mehr. Der Wahrheitsanspruch der Wissenschaft ist mindestens genauso graniten, fest und groß wie der der Religion. Als Newton den herabfallenden Apfel sah, hat er vielleicht am Anfang noch eine zweifelnde Hypothese aufgestellt, die sich an der Wirklichkeit bewähren musste. Nach einem ganzen Spätsommer voller fallender Äpfel wurde diese Hypopthese irgendwann zu einer wohlbegründeten These, und nach einer gazen Menschheitserfahrung voller fallender Äpfel käme niemand je auf die Idee, sich vor einen Apfelbaum zu legen um sicherzugehen, dass der nächste Apfel wirklich herabfällt, statt herauf.

    Die Wissenschaft steckt voller Gewissheit, sie ist ein Ort der Gewissheit. Nicht nur, nicht in ihren Randbereichen, aber in ihrem Zentrum. Klar, wie Herr Posener schon sagte: diese Gewissheiten resultieren an ihrer fortwährenden Überprüfung durch das Experiment, d.h. sie wurzeln in der Welt. Die Religionen wurzeln dagegen woanders, nämlich in Büchern. Ohne ein dazugehöriges Buch würde es die meisten Religionen nicht geben. Ihre Sätze werden durch die Bücher auf wahr oder falsch hin überprüft. DAS scheint mir der entscheidende Unterschied zu sein zwischen Religion und Wissenschaft, nicht aber der zwischen relativem und absolutem – gewissen – Wahrheitsanspruch.

    Ich glaube sogar, dass die Fundamentalisten sich selber viel ungewisser sind als es scheint. Deshalb rasten sie auch so schnell und regelmäßig aus. Ihr Auftreten ist von finsterer Entschlossenheit, aber in Wirklichkeit sind sie unsicher: in ihrem Glauben und in der Welt. Von einer Messerstecherei unter Wissenschaftlern hat man noch nicht gehört. Ein Wissenschaftler denkt doch, wenn ihm nicht geglaubt wird, z.B. „Und sie bewegt sich doch!“ Was soviel heißt wie: „Leckt mich doch am Arsch!“ Es ist ihm weitgehend egal. Er ist sich seiner Sache sicher.

    Seine Gewissheiten, die es an Unverrückbarkeit mit allem Göttlichen locker aufnehmen können, sind zum Beispiel: „Alle Junggesellen sind unverheiratet; da kann auch der allmächtige Gott nichts dran ändern“, „2+2=4“, „Äpfel fallen zur Erde und nicht nach oben“, „Es gibt keine Einhörner, aber Pferde und Nashörner“, „Die Gravitation ist nicht abschirmbar“, „Zeitreisen in die Vergangenheit sind unmöglich“, „Es gibt nichts, was schneller ist als die Lichtgeschwindigkeit“ u.v.m. Wenn diese Gewissheiten jemand in Abrede stellt, kratzt ihn das nicht. Wenn mal die eine oder andere Gewissheit modifiziert wird (nicht falsifiziert! Das geschieht eigentlich nicht mehr, das war eine wissenschaftliche Kinderkrankheit!), staunt er kurz, modifiziert sein System und das wars. Das nenne ich Souveränität im Angesicht des Göttlichen.

    Ansonsten, @KJN, verstehe ich durchaus und halte es nicht für einen Fehler, wie u. warum Gott als Antwort bzw. Lückenbüßer in die prinzipiell offenen Fragen („Was war vor dem Urknall?“ „Warum gibt es etwas und nicht vielmehr nichts?“) gesetzt wird. Nichts ist natürlicher.

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    @ Alan Posener

    Sie scheinen mir schwer in der Defensivecke verankert, wenn Sie Sachen schreiben wie „Monstranz“. Da Sie mich nicht kennen, wissen Sie auch nicht, dass das nicht der Fall ist, dass ich mich aber irgendwann entschlossen habe, hin und wieder etwas Sinnvolles über das Christentum zu schreiben aus Dankbarkeit gegenüber Gott, der mir verzeiht, dass ich ihn sechs Tage von sieben ignoriere und mir trotzdem in schweren Zeiten hilft.
    In Venedig steht an einer Ecke ein Roma, der immer dieselbe Melodie spielt und dem ich immer beim Vorbeigehen zuhöre und der ein/zwei Euro bekommt. Aber ich habe etwas dagegen, dass Roma einfach irgendwo campen und dort später ihren Müll hinterlassen, während ich von der Regierung gezwungen werde, meinen Müll zu trennen und die Hundekacke aufzusammeln. Ja, ich habe sehr viel dagegen, dass man Menschen aus anderen Ländern augenzwinkernd alles machen lässt, weil man sie effektiv wie Kleinkinder betrachtet, und dass man sie öffentliche Räume zerstören lässt und nur laut schreit, wenn Rechte das machen. Wenn Rechte das machen, schreibt ein Autor der Welt: „Der Mob gehört abgeräumt“, wenn Linke das machen oder Zugewanderte, wurde das früher schamhaft verschwiegen und heute zögerlich angesprochen. Ja, ich habe etwas gegen zweierlei Maß. Wenn Schwarze in Baltimore die Stadt zerlegen, wird auf ihre schweren Bedingungen verwiesen, wenn Rechte, Vergessene in der EX-DDR das machen, setzt das aus.
    Darüber hinaus wissen Sie wie wir alle, dass Morde von Weißen thematisiert werden, während Morde an Weißen früher unter den Teppich gekehrt wurden. Sie wissen, wenn in Dresden ein Eritreer auf einen anderen geht, peinliches Schweigen sich ausbreitet, wenn rechte Gewalt ausbricht, ein erleichtertes Jubilieren im Blätterwald ausbricht, weil das der richtige Gegner ist.
    Wenn ich Menschen hassen würde, würde ich mich hier gar nicht dazu äußern, denn man kann das alles noch ignorieren, wenn man nicht in Marxloh lebt. Dass ich mich dazu äußere, liegt eher daran, dass mir Menschen und ihre Umstände nicht gleichgültig sind. Auch nicht ihre Gehälter, die man durch Zuwanderung unterlaufen will, weshalb der Mittelstand so begeistert ist – endlich ein Schwarzer, der für zwei Euro kehrt/spült.
    Aber so etwas können Sie nicht interpretieren, vermutlich aus Ichbezogenheit und Gekränkheit, dass Ihr Wunschdenken politisch zum fail führt.
    Der letzte Muslim, mit dem ich mich unterhielt, äußerte sich eindeutig zu IS, viel eindeutiger als Sie das jemals getan haben. Daher halte ich Autoren wie Sie für eine größere Gefahr für dieses Land als jeden einzelnen Muslim, der integriert lebt. Sie würden, das unterstelle ich, einem Zerfall, wo wir autochthonen Deutschen einen über die Mütze kriegen, genüsslich zusehen.
    Sie sind ein trauriger Fall von eingefrästem Deutschenhass, wo es den klassischen deutschen Bürger betrifft, leben von Unterstellung und werden vermutlich vom Verfassungsschutz beobachtet, jedenfalls würde das Sinn machen. Ihr „Freund“ Broder dagegen hasst niemanden. Wie Sie Don Quijote sind, ist er Sancho Pansa. Der gegen die Windmühlenflügel und der Stabilisator. Ihre Leser benutzen Sie beide als Lusinantes, und im Lauf der Zeit wird man gebrechlich dabei, und eines Tages laufen Ihnen die Rösser davon. Ich zum Beispiel jetzt erneut, weil Sie nicht mit Andersdenkenden diskutieren können.
    Sie kennen andere Länder kaum, weil alles, was Sie beobachten oder empfinden könnten, von Ihrer Ideologie überlagert ist. Es geht immer um das Politische und ob das Gesehene in Ihr Konzept passt, während Ihr „Freund“ Broder Menschen beschreibt, und das lese ich gern, was bedeutet, dass ich Menschen mag. Aber nicht Müll. Und auch nicht Roma, die auf dem Parkplatz am Chiemsee campieren und an den Autos entlang schleichen. Der Rasthof wird das merken bei seinen Bilanzen. In Marxloh dürfte es kaum noch offizielle Bilanzen geben.
    Im Übrigen fragt man sich gelegentlich, ob das wirklich Roma sind oder nur verarmte Rumänen, die sich als Roma bezeichnen, weil das praktisch ist.

    Hasta luego!

    1. avatar

      Parisien: „Daher halte ich Autoren wie Sie für eine größere Gefahr für dieses Land als jeden einzelnen Muslim, der integriert lebt. Sie würden, das unterstelle ich, einem Zerfall, wo wir autochthonen Deutschen einen über die Mütze kriegen, genüsslich zusehen. Sie sind ein trauriger Fall von eingefrästem Deutschenhass, wo es den klassischen deutschen Bürger betrifft, leben von Unterstellung und werden vermutlich vom Verfassungsschutz beobachtet, jedenfalls würde das Sinn machen.“ Ja, und ich leide außerdem unter einem unheilbaren Hang zum Liberalismus, weshalb ich Sie solche Beleidigungen, die aus einer sehr bestimmten Ecke kommen, weiterhin hier veröffentlichen lasse.

  5. avatar

    lucas:„Bevor Pflege nicht auf höchstem Niveau passiert und Menschen nicht mehr in schlechten Verhältnissen leben, kann es auch keine Sterbehilfe geben.“
    Da sage ich doch – aggressiv fordernd – unbedingt und ja und bitte genau so bzw. was sonst!

    @Gesunder Menschenverstand
    „..aber die Zukunft wird nicht strahlend bunt, sondern grausam grau sein, “entvölkert” bzw. die Ethnien ghettoisiert“
    ..weswegen wir ja an einem Kapitalismus für alle arbeiten sollten, statt ständig ‚ethnische‘ oder religiöse Ersatzbefriedigung zu postulieren. (Ach ja, das geht ja nicht: Einfacher die Menschen zu ändern, statt, die Verhältnisse..)

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    @Stefan Trute
    „Wenn Sie Einsteins Skepsis gegenüber Heisenbergs Unschärferelation als gesunden Menschenverstand loben: Nun, wenn ich mich nicht täusche, hat Heisenberg Recht.“
    Es geht um die Haltung, nicht immer ums (nachträglich) Rechthaben, oder? Haltung ist in etwa das Gegenteil von ‚eine Meinung vertreten, weil das eine Karriere versprechen könnte‘.

    @Parisien
    „Daher besteht der Verdacht, dass sie [Sie meinen die Migranten?] ‘rüberwollen, um England zu destabilisieren.“
    Ihre Paranoia möchte ich haben. Ich habe mein Leben lang mit den ‚eigenen‘ Eliten im (Konkurrenz)kampf gestanden. Und: „Israel und die Juden stehen quasi unter Naturschutz, mit den weißen Christen sollte man das auch langsam andenken.“
    Sie fordern ‚Gleichberechtigung‘? Die jüdischen Damen und Herren sind für Sie immer noch was Besonderes, nicht wahr? In der einen oder anderen Form. Geben Sie es doch wenigstens zu.
    Aber hier stimme ich Ihnen zu: „Frau Merkel will uns hier alle zur Krankenschwester machen.“ Auch ein Herrschafts- bzw. Entmündigungsmodell. Die stets-und-ständig-Empathie.

    @Alan Posener
    „Kartoffelernte“
    Ich glaube ich habe den (oder einen) fundamentalen Unterschied zwischen Ihrem und meinem Erfahrungsschatz ausgemacht: Sie haben davon noch weniger Ahnung, als ich. Sie wissen überhaupt nicht, wie schön das ist, wenn Dinge gelingen.

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      Lieber Klaus J. Nick, nun werden Sie doch noch persönlich, das finde ich schade. „Sie wissen überhaupt nicht, wie schön das ist, wenn Dinge gelingen.“ Woher nehmen Sie das? Weil ich die Kartoffelernte nicht liebe? anders als Sie (vermute ich), habe ich als Schüler der Schulfarm Insel Scharfenberg jedes Jahr an der Kartoffelernt teilgenommen, und das waren ganze Felder, nicht bloß ein paar Pflanzen im Garten. Als Autor mehrerer Bücher und unzähliger Artikel, als Sänger, der mit einer Band mehrere Singles und ein Album veröffentlicht hat, als erfolgreicher Lehrer, als jemand, der stolz auf seinen Garten ist, den Innenausbau seines Hauses selbst entworfen hat und seine eigenen Malerarbeiten macht, finde ich Ihre Unterstellung nicht nur beleidigend, sondern auch in ihrer völligen Danebenheit drollig.

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    Im übrigens, Alan Posener, schweigt die Kanzlerin zu den Vorgängen. Vielleicht sieht sie ja doch alle Seiten. Oder sie sieht ihre Felle bei den Konservativen schwimmen. Die Konservativen können ohne weiteres kleine Parteien wählen und die FDP. Oder no show machen. Ob die CSU immer noch bundesweit gehen könnte, weiß ich nicht. Sie würde aber vermutlich mehr Stimmen bekommen als die CDU. Auf jeden Fall ist die Diktion, die Sie hier mit Frau Bednarz zusammen vertreten, nicht haltbar, denn woher kommt nun der Hass in Heidenau? Ich würde ja sagen, er kommt von den Medien. Die Leute reden mit anderen Leuten und bekommen über die Medien seltsame 1200 Teilnehmer-Umfragen als repräsentativ serviert, die übrigens keiner bestellt hat und die auch keiner glaubt. Der Hass ist eine Reaktion. Hass ist fast immer eine Reaktion. Wenn Schwarze in den USA einschlagen auf alles, was Polizei heißt, ist das eine Reaktion auf einen einzelnen Polizisten, ein fail. Wenn Rechte brandgefährlich werden, ist das eine Reaktion auf verfehlte Politik. Hass kriegt man nicht durch Geschwafel weg. Man muss sich Spielraum verschaffen, und das geht nur mit dichten Grenzen. Man muss erst einmal Konzepte finden.

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      Nein, Parisien, Hass ist keine Reaktion. Hass ist Ausdruck eines inneren Mangels. Das müssten Sie, der Sie ständig Ihr Christentum wie eine Monstranz vor sich hertragen, am ehesten wissen.

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    @ Alan Posener

    Es gibt noch andere Dinge,die gewachsene Kulturräume zerstören: Verlust von einheimischer Industrie beispielsweise. Broder, der von Ihnen beiden viel schärfer beobachtet und somit mehr Alltagsintelligenz aufweist, der auch mal vom Schreibtisch aufgestanden und ‚rumgelaufen ist und Leute angemacht hat mit Fragen, der also neugierig ist wie ein echter Reporter, hat das sehr anschaulich in „entweder Broder“ am Beispiel Zweibrücken geschildert. Verlust der Schuh- und Textilindustrie. Man kann viele solche Städte finden.

    Wenn beides zusammen kommt, Armutsimmigration und Deindustrialisierung, sind Sie im Ruhrgebiet, und Marxloh ist wirklich mehr als nur Marxloh: Marxloh steht für viele Flecken, wo das so passiert ist und ist nur der Gipfel. Sie sind sich ja auch klar darüber, dass solche Clans keine nennenswerten Steuern zahlen, italienisches Modell, oder? Wir steuern u.U. auf eine Wirtschaftskrise zu (China). Angeblich brechen schon Aufträge in der Stahl- und Automobilzuliefererindustrie weg. Gleichzeitig führen wir Arbeitsmigranten minderer Qualifikation nicht konsequent an Tag 3-30, also im ersten Monat, zurück. Sie können sich selbst ausrechnen, wohin das führt. Und ausrechnen können Sie auch, dass der Kongress, der ohnehin skeptisch ist, das von Ihnen so geschätzte TTIP dann schnell springen lassen wird.

    Mit dieser Politik sind wir für die amerikanische Industrie kein Filetstück mehr, sondern smashed potatoes. Obama sieht das nicht, weil er ein Ideologe ist, der hauptsächlich an sich denkt wie alle Ideologen.

    Mit dieser Politik könnten wir in einigen Jahren das Triple A verlieren und sogar in den Negativbereich rutschen. Und um diese Politik zu ändern, muss man sich über Juncker, den ohnehin niemand wirklich wollte, hinwegsetzen und zum Nachdenken die Grenzen schließen.
    Wenn U. von der Leyen die Bundeswehr zur Bearbeitung von Asylanträgen einsetzt, ist doch Holland in Not.

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    @ Alan Posener
    „Also, ich wohne in Lichterfelde, unweit von Dahlem. Dort sieht es nicht so aus wie in Marxloh, lieber Parisien.“

    Noch nicht, guter Alan Posener. Wenn Sie dort, nach der Maxime eines bekannten Hamburger Stadtpolitikers, keine 1000 Schritte nach rechts oder links gehen können, ohne auf ein Asylantenheim zu stoßen, wird es dort irgendwann, in einem Zeitraum, der zwischen 20 und 50 Jahre anzusetzen ist, so aussehen.

    Wenn Sie unten die These vertreten, ein Land dürfe sich nicht durch Schönheit seiner Landstriche definieren, ist das sehr gefährlich. Ein Land muss sich geradezu danach strecken, sich durch Schönheit zu definieren und andere eher dazu bringen, diese wahrzunehmen, da zum Beispiel die Schönheit und Großartigkeit von Landschaft einen heilsamen Effekt haben können, soll heißen, die Schönheit von sagen wir den Bergen, Meckenburg-Vorpommern, Amsterdam, Venedig, Paris, Madrid, landscapes in Amerika haben mich immer mit geprägt und für ein Land eingenommen. Wir existieren nicht kulturlos, und Landschaft gehört zum Kulturraum und ist prägend. Und befreiend. Wenn die Umgebung zerbricht, sich auflöst in Hässlichkeiten, Müllberge, Vernachlässigung; wenn die Landschaften zersiedelt werden, kann auch der von Ihnen so geschätzte Mensch nicht mehr gedeihen.

    Ein städtisches Beispiel: Wenn die Stuttgarter die Roma nicht à la Sarkozy zurückführen und den Stadtpark nicht einzäunen oder das Betreten des Rasens unter Starfe stellen, läuft zuerst das Hotel leer, wenn es nachts dunkler ist, vielleicht auch die Theater. Sie können dann der Degeneration dieses Ensembles in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren folgen.
    Ich befürchte, dass die Apathie demgegenüber zu einer Detroisierung führt, und ich weiß, was Sie normalerweise darauf antworten würden:
    „Detroit geht es schon wieder besser“.
    Sie verlieren sich leider zu oft in Floskeln.

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      Ich habe nicht gesagt, lieber Parisien, dass sich ein Land „nicht nach der Schönheit seiner Landstriche definieren“ dürfte. Zu einem Land gehört alles, Schönheit und Hässlichkeit. Ich habe gesagt, dass die Liebe zu einem Land pervers ist; man sollte keine Dinge lieben, sondern Menschen. Und Sie lieben Ihre Mitbürger nicht, was ich nachvollziehen kann, weil viele von us nicht liebenswert sind. Vielleicht hassen Sie Sinti und Roma mehr als Deutsche. Das würde ich für eine gute Arbeitsdefinition des Nationalismus halten: Wenn man Fremde noch mehr verachtet als das Eigene.

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    Lieber Herr Posener, ich schrieb „Deutsche hassen“, nicht „Deutschland“. Allerdings gehe ich schon davon aus, dass die Linken, deren vielplakatiertes Motto „Deutschland verrecke“ lautet, schon die deutschen Bürger im Visier haben und weniger den Eichenwald (wobei die linke Windmühlenlobby diesen jetzt auch abholzt). Abzustreiten, dass es einen gewaltigen Deutschenhass in Politik und Medien gibt, halte ich für sehr weltfremd.

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      Stimmt, Gert Weller, Sie haben „Deutsche hassen“ geschrieben. Sorry. Ob Linke oder Rechte mehr hassen, dürfte schwer auszumachen sein. Der Furor der Linken richtet sich gegen eine Karikatur des deutschen Nationalcharakters, jener der Rechten gegen die „Gutmenschen“ und den „Mainstream“ gegen den tatsächlichen Nationalchararakter – oder gegen den Charakter der meisten Deutschen.

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    OT: Merkel: „Wenn die Menschen den Eindruck haben, dass ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist, dann stimmt etwas nicht.“ Dann könne man „auch nicht gut leben in Deutschland. Denn ‚gut leben‘ heißt aus meiner Sicht auch Angstfreiheit.“

    Gut so.
    Das Problem dabei ist: Das kommt viele, viele Jahre zu spät. Wenn man sich vorstellt, dass es z.B. in Dahlem erst wie in Marxloh aussehen muss, dann sieht man eine zerfallende BRD. Realität heute: Man kann seine Kinder bei Dunkelheit an vielen Orten nicht mehr herumlaufen lassen, vor allem die Jugendlichen nicht. Marxloh ist überall:
    http://www.welt.de/politik/deu.....iheit.html
    Überall!:
    http://www.faz.net/aktuell/pol.....91-p2.html

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      Also, ich wohne in Lichterfelde, unweit von Dahlem. Dort sieht es nicht so aus wie in Marxloh, lieber Parisien. Und wird auch in zehn, zwanzig Jahren nicht so aussehen. Die Klassenstruktur funktioniert ganz gut, wie jeder feststellen kann, der mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch Berlin fährt, und die Kinder des Bürgertums bleiben in den Schulen nach wie vor weitgehend unter sich. Derweil wird das einst multikulturelle Kreuzberg zunehmend von Weißen zurück erobert. Die Wirklichkeit ist komplexer, als es Angstpropagandisten wahrhben wollen.

    1. avatar

      Nein, Parisien, Gangster haben nicht „in Europa die Oberhand“. Amokläufe, wie auch immer motiviert, sind in den USA viel häufiger als hierzulande, aber auch dort haben Gangster nicht die Oberhand. In Mexiko schon. Und in großen Teilen Syriens. Aber nicht hier.

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    Bei dieser Headline wurde mir übel, der Artikel von Münkler ist jedoch vernünftig:

    „Wir sind der Hegemon“

    Herfried Münkler, FAZ

    Sarko, komm wieder!

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    Also wenn diese Feudalherrschaft eines eifernden Gottes das Modell und die Gründungsurkunde der Demokratie sein soll, dann soll meinetwegen Assmann diese Idee von Stein gestohlen haben. Weniger närrisch wird die These dadurch nicht. In dem Buch ist dies jedoch höchstens eine Fußnote.

    Eine Lesempfehlung, die m.E. für Sie und die Kommentatoren eine Erleuchtung sein könnte:

    Bernard Maris, Michel Houellebecq, Ökonom, Eine Poetik am Ende des Kapitalismus. Maris ist einer der Ermordeten beim Terroranschlag auf Charlie Hebdo.

    @ Parisien, ich finde, Sie haben angemessen (m.E. zu sanft) auf das so what? der Bevölkerungspolitik von Stein und Konsorten reagiert. Die Herrschaften werden wahrscheinlich gewinnen, aber die Zukunft wird nicht strahlend bunt, sondern grausam grau sein, „entvölkert“ bzw. die Ethnien ghettoisiert.

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    @ Lucas

    Selbstverständlich ohne Mitnahme anderer. Auch Geisterfahrer mit solcher Absicht müssen natürlich behandelt werden. Nur damit das klar ist.

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    @ Lucas

    „Parisien,
    wenn sie für Sterbehilfe eintreten, müssten sie auch für eine Abschaffung des Selbstmord-schiefgegangen-in-die-Therapie-Paragrafen eintreten (tun sie ja vielleicht auch).“

    Absolut.
    Obiges betrachte ich als unzulässigen Eingriff in die Sebstbestimmung und als Bestrafung.

    @ Alan Posener
    „Wenn es stimmt, dass “das Medium die Message” ist, wie Marshall MacLuhan meinte, dann steht es um die konservative Botschaft schlecht, da sie durch das Medium, mit dem sie verbreitet wird, selbst tendenziell aufhebt.“

    Dem kann man nur zustimmen.

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    @Parisien
    Zustimmung. Und dass es Journalisten und Politiker gibt, die Deutsche hassen, ist keine Spekulation. Diese „Vermutung“ hatte ich auch schon des öfteren;-)

    1. avatar

      Lieber Gert Weller, „Deutschland“ kann man weder hassen noch lieben. Es ist ein Ding und liebt nicht zurück. Die Frage, die ich an alle Nationalisten stelle, lautet: „Lieben Sie die Deutschen?“ Denn es geht um die Menschen, nicht um die Berge, die Flüsse, die Küsten, die Kartoffelernte und die VW-Werke. Und nach meiner Erfahrung gilt folgende Faustregel: Je lauter jemand seine Liebe „zum Land“ bekundet, desto eher hasst er dessen Bewohner, weil sie ja des großartigen Landes nicht würdig sind.

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    Parisien,
    wenn sie für Sterbehilfe eintreten, müssten sie auch für eine Abschaffung des Selbstmord-schiefgegangen-in-die-Therapie-Paragrafen eintreten (tun sie ja vielleicht auch). Nicht das sterbenskranke und alte Menschen bei fehlgeschlagener Sterbehilfe erstmal vor dem nächsten Versuch in eine Nervenheilanstalt eingewiesen werden.
    Abgesehen davon würde Sterbehilfe im heutigen Umfeld in Deutschland, denke ich, mächtig schief gehen. Bevor Pflege nicht auf höchstem Niveau passiert und Menschen nicht mehr in schlechten Verhältnissen leben, kann es auch keine Sterbehilfe geben. In den Niederlanden sieht das mit entsprechender Mindestrente halt anders aus.

    Apo,
    schöner letzter Satz.

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      Lieber Parisien, die Mischung aus Moderne und Religion ist keine jüdische Besonderheit, wie Sie zu meinen vorgeben. Der Islamische Staat verwendet Videos und das Internet, um für seine fundamentalistische Variante des Islam zu werben, der Papst fliegt um den Erdball, twittert und benutzt Facebook, uns so weiter und so fort, und auch Sie als Konservativer sind hier zugange. Wenn es stimmt, dass „das Medium die Message“ ist, wie Marshall MacLuhan meinte, dann steht es um die konservative Botschaft schlecht, da sie durch das Medium, mit dem sie verbreitet wird, selbst tendenziell aufhebt.

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    H.S.: In Europa werden künftig eben mehr Leute mit dunkler Haut leben als je zuvor in seiner Geschichte.‘

    … ja, genau … die werden ‚Angela Merkel‘ mit Vornamen heißen. Alle. Wegen Gender und Quark. *rofl*

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    @ Hannes Stein

    Leider kann man gehörig in Wut geraten über manche Ihrer Sätze, wie Sie an Ihren Lesern in der WELT sehen.

    Es ist hauptsächlich das: „So what?“
    Wissen Sie was? Das ist massiv arrogant.

    Dann ist es noch das:
    „nicht nur edle Menschen einwandern, sondern auch Kriminelle und Fanatiker aller Schattierungen. Nichts davon ist unnormal, nichts davon muss einen denkenden Menschen mit Schrecken erfüllen.“

    Fanatiker und Kriminelle sollen uns nicht in Schrecken versetzen, aha. Da denken die USA aber anders drüber, und dort leben Sie.
    Vorher waren Sie staatenloser Österreicher mit Wohnsitz in Deutschland. Sie erinnern mich vage an Augstein d.J. Er wohnt nobel, meint aber, die anderen sollten alle links sein. Die Sache mit dem Wasser und dem Wein.
    Sie sind Amerikaner, member of a nation where you go on death row for some things. Also, wo es Strafen gibt. Sie haben nichts mehr mit uns zu tun, meinen aber, wir sollten zu allen nett sein und uns nicht erschrecken.
    Dass die WELT Ihnen hierfür eine Plattform gibt, muss an alter Treue liegen. Wenn ich Ihre comments lese und registriere, wie ich mich langsam in Zorn schreibe – na klar, ich bin ein Biedermann – muss ich mich fragen, was Sie sind. Dr. dr. dr. hc der Wissenschaften über den Untergang des weißen Kaukasiers oder auch des Christen?
    Oder einfach nur einfältig? Oder Brandstifter?
    Oder haben Sie in Bürgerkrieg in D/Europa investiert, bzw. gewettet? Klar, wenn wir weg wären, wären Felder frei für chinesische Autos oder Ford (außer Mustang eine Ausgeburt der zweckmäßigen Hässlichkeit). Wenn Siemens weg ist, gibt es noch GE, Solarzellen und Windräder aus China. Klar, wir haben verstanden. Wir sind zu effizient, zu gut.

    Wir sind modern, wenn wir die Welt nicht so überbevölkern, aber das ist angeblich unerwünscht, damit das Rentensystem nicht reformiert werden muss und alle unsere unzähligen Beamten ruhig schlafen können. Wir sind so modern, dass wir Vorbild für Afrika sein könnten, aber nein, wir sollen lieber rückständig gemacht werden.
    Nö, ist genug jetzt. Ich glaube, Sie haben eine antieuropäische Agenda oder sind naiv. Oder hassen Deutsche.

    1. avatar

      Eigentlich, Parisien, wollten wir hier nicht persönlich werden. Ich finde, Ihre Angriffe auf meinen Freund Hannes Stein sind ungehörig, um es gelinde auszudrücken.

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    @ Hannes Stein
    „Manche werden vor ethnischen Metzeleien ans rettende Ufer flüchten, manche vor dem Hunger; manche werden kommen, weil sie glauben, dass sie in Italien, Frankreich, Deutschland, Holland bessere Aufstiegschancen haben. Und natürlich werden – auf krummen wie auf geraden, legalen Wegen – nicht nur edle Menschen einwandern, sondern auch Kriminelle und Fanatiker aller Schattierungen. Nichts davon ist unnormal, nichts davon muss einen denkenden Menschen mit Schrecken erfüllen. In Europa werden künftig eben mehr Leute mit dunkler Haut leben als je zuvor in seiner Geschichte. So what?“

    Ja doch, es erfüllt mich schon mit Schrecken, dass sie allesamt Flüchtlinge genannt werden und Nacht für Nacht LKW aufbrechen können ohne Konsequenz, während ich dafür in den Knast wanderte. Es wird schon teuer an Ecken, die keiner sehen will wie höhere Speditionskosten durch Umwege und Verstärkung der LKW-Struktur, Polizei, teilweise Armee, Verluste bei den Investoren des Kanaltunnels etc. Ich sehe den Punkt nicht. Die kommen aus Frankreich. Ich wusste nicht, dass in Frankreich Bürgerkrieg ist. Die Engländer machen dort Urlaub, kaufen Häuser. Daher besteht der Verdacht, dass sie ‚rüberwollen, um England zu destabilisieren. Nichts ist besser in England als in Frankreich, Kindergeld niedriger, soweit ich weiß, Wohnungen zu finden, schwerer, wo ist das Motiv, in Frankreich LKW aufzubrechen?

    Die Leute hier und in den anderen Ländern haben nichts gegen Schwarze. Wenn Du in London oder Paris läufst, siehst Du alle paar Meter einen. Aber was Sie da sagen (labern): „Europa wird schwarz, na und?“ Offen gestanden, dagegen haben die Leute schon was. Was Sie da sagen, klingt nach einer tolerierten Auslöschung des Kaukasiers, die Sie überleben würden, weil Sie nach Israel gehen könnten, das die Sudanesen inzwischen aus dem Land expediert, bravo. Israel und die Juden stehen quasi unter Naturschutz, mit den weißen Christen sollte man das auch langsam andenken.
    Sie vergessen Zahlen wie die der Entwicklung christlicher Gemeinden im Irak. Wenn Assad kippt, der die Christen geschützt hat, werden diese vermutlich hingemetzelt in Syrien, die Kopten unter der MB hatten zu leiden. Nein. Wir können nicht das Auffangbecken für verfehlte Bevölkerungspolitik und Korruption ohne nennenswertes Wirtschaftswachstum sein, nein. Sie sind politisch korrekt wie so viele, aber mich laden Sie nicht ein zum Ja-Sagen zum kollektiven Suizid, darunter dann meine Kinder und Enkel. Ich finde das krank, seine Kultur nicht zu verteidigen. Trotz Hitler kann man seine Kultur verteidigen, weil jedes System solche Monster hervorbringen kann. Oder glauben Sie an die These vom Tätervolk? Dann haben Sie aber viele Tätervölker, Schwarze (Idi Amin), Asiaten (Pol, Pot, Mao) und Deutsche. Ach übrigens, die meisten Juden verstehen das, sonst würden sie nicht zurückkehren und die Kultur hier schätzen.
    Und nebenbei: Ich fand das schon krank, wie meine Tochter immer wieder gezwungen wurde, anderen in der Schule zu helfen, was sie aber gern gemacht hat, statt sie in eine Eliteförderung zu expedieren. Frau Merkel will uns hier alle zur Krankenschwester machen. Ich verstehe, dass unsere Politiker so ticken, denn bei konsequenter Eliteförderung wäre schon mancher weg vom Fenster. Man muss Dümmere großziehen, damit man überlebt.

    So kriegen Sie bei solcher Provokation eine ganz klare Antwort: Ja, ich habe etwas dagegen, wenn Europa ganz schwarz wird, was ja bedingen würde, dass diese Knaben dann unsere Enkel töten. Ja, zu so was muss man nein sagen, sonst kann man sich gleich einen Strick nehmen oder die Hände in den Schoß legen und Hartz IV machen.

  21. avatar

    @ Alan Posener
    „Bauwerke wie…….die Blaue Moschee in Istanbul..“

    Ja, auch. Aber heute das:

    http://www.spiegel.de/wissensc.....48897.html

    Aber es steht im Artikel, was das ist: Finanzierung. Also IS-förmiger Kapitalismus. Terror zur Abschreckung.

    Am sprechensten finde ich aus der östlichen Welt übrigens die Teppiche.

    Ich bin, nebenbei bemerkt, nicht so angetan von dem modernen Ausdruck „Ersatzreligion“. Echte Religion, also nicht fundamentalistische, ist eher frei, generös und kann schön sein, auch Sufismus zum Beispiel, auch Humanismus. Vieles, was unter Ersatzreligion abgeheftet wird, hat etwas mit Fundamentalismus gemeinsam: Obsession.
    Ich fand immer die Geschichte vom Besessenen Gerasener gut. Die ist irgendwie in Vergessenheit geraten.

    Wenn ich an bestimmte Konvertiten denke: Wenn wir heute Barbaren hervorbringen, was genau stimmt dann mit uns nicht mehr?
    Wir meinten doch, wir hätten das ungefähr beste aller Systeme: Säkular mit Religionsfreiheit und Rechten, Möglichkeit zu Bildung und Aufstieg.
    Ich habe nur eine Antwort darauf: Keine Kriege. Früher wurden Barbaren in Kriegen verheizt. Das machen sie jetzt freiwillig. Mit unschuldigen Opfern leider.
    Und weitere Fragen: Wo kommt Barbarentum her, wenn wir es immer wieder finden, in jedem System? Demütigungen innerfamiliär und unter Kindern und Jugendlichen? Davon allerdings versuchte das Christentum die Menschheit abzuhalten. Man sollte Gott ehren, aber in ihm auch Vater, Muter und den Nächsten. Ein Barbar wie Niels Holgersson bekommt eine strenge Gänsemutter und einen strafenden Storch als Erzieher und wird verwandelt. Durch die Fauna, also die Natur.
    Kinder lasen das früher. Mich hat das kolossal beeindruckt. Heute lesen sie das kaum mehr. Im Grunde müsste man eine Revitalisierungskampagne für brillante, nobelpreisverdächtige Jugendliteratur machen. Heute macht statt dessen ein Buch die Runde, das Einschlafstörungen beseitigen soll. Meine Eltern waren großartig. Ich durfte lesen, bis mir die Augen zufielen, es gab keine feste Zeit. Ich konnte wieder runterkommen. Sie brauchten keinen festen „Qualitäts“zeitraum für sich selbst, wo man abgefüttert ins Bett gestopft wurde.
    Dieses Abgezirkelte, Durchorganisierte mit Sachen wie „Qualitätszeit“ birgt Gefahren: Es überdeckt Wünsche und kann zu Frustrationen führen. Vielleicht auch zu potentiellen Barbaren. Manche Kinder werden heute geölt wie Maschinen. Der Druck ist unglaublich.
    Die vorigen Barbaren hat ein ähnlich durchgestyletes System erzeugt: Das wilhelminische. Der Soldat war vorprogrammiert.
    Deswegen gebe ich mich nicht mehr der Illusion hin, wir hätten ein großartiges System. Kein System kann groartig sein, nur der freie Mensch, der sich in seinem System bewegen darf.
    Die jüdische und christliche Religion haben in ihren strengsten Zeiten immer ein gewisses Maß an Entfaltung erlaubt. Leute, die alle kids verkitasieren und alle Mütter in die Maloche kriegen wollen, halte ich daher für gefährlich. Wenn die Rente zwackt, muss man die Leute länger arbeiten lassen. Man kann nicht andere dafür einschränken. Und das Generationenumlagesystem ist stupide.

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    Reliöse Emphase in unserer Zeit

    https://www.youtube.com/watch?v=CfJawNZm-rQ

    @ Alan Posener

    Ich glaube, Sie haben das neue Buch von Jan Assmann „Exodus“ nicht gelesen. Sonst würden Sie nicht behaupten, dass Assmann die närrische These von Moses als dem Erfinder der Demokratie von Hannes Stein geklaut hat. In dem Buch geht es um eine Theologie der Treue (Emunah) und die Selektion eines Volkes. Lesen Sie, bevor Sie behaupten.

    1. avatar

      Sie haben völlig Recht, „Gesunder Menschenverstand“, ich kenne das Buch nicht, und bevor ich darüber etwas sagen wollte, müsste ich es lesen. Ich beziehe mich auf das, was Assmann über sein Buch im Interview mit Deutschlandradio gesagt hat: „Assmann: Ja. Das schließt jetzt an an Ihre Frage auch nach der Liebesbeziehung. Die Beziehung zwischen Gott und Volk, die mit dieser Offenbarung am Sinai und dem Bundesschluss gestiftet wird, die ist unmittelbar. Das ist sozusagen eine direkte Demokratie. Das heißt, der Partner Gottes ist das Volk. Da gibt es keinen Mittler, keinen König, und auch diese ganze Bürokratie, die im Kapitel 18 Exodus geschildert wird, wo Moses Obere einsetzt, einen über zehn, einen über 50, einen über 100, einen über 1.000 – das ganze Volk wird durchbürokratisiert, damit es regierbar wird. Das hat alles nichts zu tun mit dem Bundesschluss. Da sind Gott und Volk unmittelbar einander zugeordnet.“
      Aber vielleicht hat er sein eigenes Buch nicht verstanden.

  23. avatar

    @ Hannes Stein:
    Wenn es denn Christen wären. Es sind aber mehrheitlich Muslime, Sudanesen, Eritreer, Somalier, Leute aus Mali.
    http://www.welt.de/debatte/art.....-what.html

    Deswegen lieben die Linken sie so sehr. Nichts hassen die Linken inklusive der linken Grünen mehr als das Christentum, von dem sie meist nicht den blassesten Schimmer haben. Das Schwarze ist nicht das Problem, aber das Männlich-Muslimische und dann oft noch Traumatisierte, ohne einen Freud je gehabt zu haben. Kein Freud, keine Selbstkritik. Keine Selbstkritik, keine Beziehungsfähigkeit, ergo keine Liebe.

    Das könnte gewalttätig werden, und war und ist gewalttätig in den USA.
    Nichts gegen Ihre Meinung, aber ein Uncle Tom oder ein Armstrong oder ein netter Hollywoodschauspieler sind Ausnahmen. Eine Baskerballnationalmannschaft braucht man auch nur einmal. Und ein Obama wächst auch nicht an jeder Ecke (oder eine Condi oder ein Powell).
    Das wird jetzt nicht gewalttätig, vielleicht, aber vermutlich in der nächsten Generation. Mit Drogen, den von den Grünen so geliebten Drogen.

    Und karitativ ist das gar nicht, denn wenn man karitativ wäre, würde man sie im Mittelmeer stoppen und vom Flugzeugträger aus sofort zurückfliegen und statt dessen ein paar Kinder, Frauen und Alte holen, Leute, die leiden, nicht diese Wohlgenährten, die irgendwie vergessen haben, ihre Papiere auf ihren Smartphones als Photos zu speichern, irre.

    Das ist knallharter Sklavenimport (die wissen gar nicht, wie bekloppt sie sind), nur dass sie heute frei herumlaufen und ein wenig verdienen. Das ist Missbrauch an den eigenen Alten, denn die wollen nicht von einem muslimischen Mann gepflegt werden, von einer Frau schon eher, aber ich habe noch fast keine Frau gesehen, jedenfalls nicht auf den Straßen. Und die, die es doch schaffen, sind vermutlich multivergewaltigt und brauchen Therapie.

    Die Alten in den Krankenhäusern und Pflegeheimen werden ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Alles, was gut und teuer ist, wird mit ihnen sinnlos noch veranstaltet. Deswegen will man keine Euthanasie – das Geschäft würde leiden. Hitler – blah. Hitler war doof und ist tot. Er muss beständig als Feigenblatt dienen, weil die Wahrheit nicht gesagt wird. Dass die alte Gans, die hinfällig nicht klagt, noch gerupft wird und Ärzte und Hospitäer sich dumm und dämlich verdienen. Mir ist es ein Rätsel, dass die Kassen das mitmachen. Aber die wälzen das auf die Beitragszahler ab.

    Sie sind schon lange weg. Den Zynismus hier kriegt man nur im Land mit. Augstein meint, die Mitte wäre schuld. Also er, bloß merkt er das nicht. Oder ist er „Elite“? Nein, die unfähigen Entscheidungsträger sind schuld, der Linksruck der CDU, dass jemand wie Frau Schwesig Frau Merkel an der Hundeleine führen kann, solche Sachen. Der Linksruck und die Vermarktung des Bürgers. Kolossal zynisch. Nicht Saxophon und Co.
    Das ist eine andere Zeit. Wir können sie ja tauschen gegen die Mexikaner. Scherz beiseite, wir sind damit heillos überfordert. Und de Maizière ist am Rumreden:
    Das, Hannes, sind nicht „Oh when the Saints are marching in“. Louis hatte keine sechs Kinder oder mehr.

    Die Pharmafirmen, die auch prima an den alten Gänsen (s.o.) verdienen, sind mit schuld. Sie waren nie bereit, ihnen dort unten die Pille zu schenken oder Medikamente gegen AIDS. Es ist aber immer noch Zeit für solche Großtaten. Ammeisten verdienen sie übrigens an Psychopharmaka.

    Die linke deutsche Ideologie dürfen Sie nicht kleinreden: Die Kinder in die Klapse- äh Kita, die Frau in die Tretmühle, bis die Ehe hin ist, alles paletti, dann braucht man mehr Juristen und Sozialarbeiter, und Ehe, heterosexuelle zumindest, stinkt in linken Nasen so übel wie das Christentum.

    Wenn Sie nur mit Posener reden, kriegen Sie das nicht mit, der Mann ist zu gutartig.

  24. avatar

    Bin kein Atheist. Ich war es in meinen jungen Jahren. Das ich damit aufhörte, kann ich meinem Physiker-Bruder verdanken, der seinerseits religionsfeindlich
    war. Er erzog auch seine Kinder dazu, Religion als einen Aberglauben zu betrachten. Mir hingegen gelang es, meine Nichte mit einer Argumentation zu überzeugen, die in einigem ziemlich ähnlich zu jener Herr Poseners war. Was mir aus dieser Argumentation fehlt, sind die Zehn Gebote und der Satz „Liebe
    deinen Nächsten er ist wie du.“ (Übersetz. Martin Buber). Vor allem die Zehnerworte (wie die Juden es sagen) konnte nur in der/einer Religion geboren werden, wo Gott der Gesetzgeber war und nicht ein König, Pharao u.ä. Nur dann gelten diese Gebote „ewig“. Wobei ich hinzufügen möchte, daß die jüdische und christliche Zehn Gebote nicht ganz identisch sind. Wen es interessiert, kann in Wiki nachschauen.
    lg
    caruso

  25. avatar

    @Alan Posener

    Ein sehr nachdenklicher Essay, der einige „offene Flanken“ bietet, die die Diskutanten hier aufzeigen. Ich lese und staune. Auch wegen der wohltuenden Atmosphäre. War ja hier in letzter Zeit nicht immer so – siehe die teilweise inakzeptablen Reaktionen auf Liane Bednarz‘ Beiträge. Wobei ich hoffe, dass sie hier weiter publiziert! Wie gesagt, ich lese und staune – und lerne.

    @KJN

    Mit dem Glauben und der Wissenschaft ist das so eine Sache. Wenn Sie Einsteins Skepsis gegenüber Heisenbergs Unschärferelation als gesunden Menschenverstand loben: Nun, wenn ich mich nicht täusche, hat Heisenberg Recht. Die Forschung bietet Theorien oder Modelle, die Phänomene der Realität beschreiben und vorhersagen. Tun sie dies nicht oder es gibt Erscheinungen, die von der Theorie nicht oder nicht mehr, erklärt werden können, steht eine Revision ins Haus. S. Hawking hat mal sinngemäß gesagt, es gebe nur zwei Arten von Theorien: falsche und einstweilen gültige. Das hat mit Glauben wenig zu tun. Wo der Glauben in der Wissenschaft beginnt, fängt oftmals der Irrtum an, siehe wiederum das Genie Einstein und seine Kosmologische Konstante, deren Einführung er späterhin als größte Dummheit seines Lebens bezeichnete, weil seine Relativitätstheorie ein Universum vorhersagte, von dem er glaubte, dass es so nicht sein könne. Ich als absoluter Laie denke im Gegensatz zu Ihnen, wie ich vermute, nicht, dass die Theorie vom menschengemachten Klimawandel ein Glaubenssatz ist, sondern eben eine einstweilen gültige Theorie, die natürlich ständiger Revision ausgesetzt ist.

    @ Parisien: „Weder Wagner noch Verdi sind im Säkularen zu erfassen.“

    Nun, der Wagnerismus ist schon eine eigene Religion, vom „Meister“ selbst gestiftet. Man muss schon an sein Genie glauben, um das viele Blech und Geigengefiesel zu ertragen (ja, das ist jetzt gnadenlos subjektiv!). Jedenfalls erhält der Kabarettist Matthias Tretter, sich vorstellend, im Paradies zu sein, wo er nach Gott fragt, zur Antwort: „Der nimmt Musikunterricht. Bei Wagner.“…

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    Lieber Alan Posener, sicher richtet sich Ihr Beitrag gegen dummen Atheismus. Sie wollen ihn durch einen klügeren ersetzen (?). Und das muss ja nichts mit ‚Oberhand gewinnen‘ zu tun haben. Warum nun ein Agnostiker wie ich Religion verteidigt, habe ich versucht zu sagen.
    Was ich damit aber gleichzeitig eben nicht ausdrücken wollte, ist, daß Gott die Unbekannte in naturwissenschaftlichen Gleichungen wäre. Gut, daß Sie das in Ihrer Antwort nochmal ansprachen. Das ist die Argumentation derer, die Gott ‚beweisen‘ wollen. Sei es mit dem ‚was-war-vor-dem-Urknall?‘, der ‚Kosmischen Feinabstimmung‘ oder – in meinen Augen ganz daneben – der ‚Entzauberung-der-Natur-durch-Wissenschaft‘, ‚wir-haben-das-Staunen-verlernt‘ usw.. Habe ich nie verstanden. Ich habe hier einen Bildband von John Archibald Wheeler „Gravitation und Raumzeit – Die vierdimensionale Ereigniswelt der Relativitätstheorie“ liegen: Der Mann schreibt darin Gedichte, z.B. über Gravitationswellen oder ‚Den Rand eines Randes‘ – und gar nicht mal schlechte.

    http://www.deutschlandfunk.de/....._id=127388

    Man stelle sich vor, jemand würde behaupten, Theologen würden das Christentum entzaubern.. Das Fehlen von Staunen über die Welt, die Natur, hat jedenfalls nichts mit Naturwissenschaft zu tun, sondern mit Ignoranz. Und die scheint mir wohl auf beiden Seiten da zu sein, bei Atheisten, wie bei Gläubigen. Und ein Fehlen von Poesie. (Aber da bin ich ehrlich gesagt auch kein Experte.)

    Was ich nur loswerden wollte, ist meine Vermutung, daß Glauben vielleicht etwas damit zu tun haben könnte, daß wir mehr oder weniger ahnen, daß hinter allem mehr steckt, als wir mit unseren Sinnen, unserer Sprache, der Mathematik und unseren Experimenten erkennen können. Prinzipiell, nicht wg. dunkler Materie usw. Deswegen sollte man – wie Sie ja schreiben – Gott als ‚Unbekannte‘ aus dem Spiel lassen.

    Was Kants Kategorischen Imperativ betrifft, argumentieren von allem vorkonziliäre Katholiken mit der ‚Überforderung‘ des Menschen‘ damit und ich habe mir das Argument mal ausgeliehen. Es ist aber auch etwas anderes, wenn man sagt „Handle stets so, daß.. die Maxime deines Handelns.. usw.“ oder „Lebe so, als wäre es dein letzter Tag“. Ersteres ist vor allem eine recht wirksame staatliche Konstitution und führte zu dem Kulturkampf zwischen Kirche und Bismarck und letzteres ein emanzipativer rebellischer Ansatz und der ist mir natürlich sympathischer, aber das ist ja nichts neues.

    @Parisien
    Danke für den Hinweis auf den ‚Ungläubigen Thomas‘. Muss ich mal drüber nachdenken. Vielleicht der Prototyp des Naturwissenschaftlers.

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    Auch dies stimmt nicht so ganz:
    „Fast all die Werte, die uns heute wichtig sind – individuelle Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Gleichberechtigung der Rassen (und auch der Religionen), Anerkennung des Werts der Sexualität einschließlich aller möglichen so genannten Perversionen – : Das alles ist gegen die Religionen erkämpft worden und wird noch gegen die Religionen erkämpft.“
    In der jüdischen Religion nämlich sind diese Werte durchaus mit der Religion erkämpft worden. Eines der ersten Mädchen, die in Deutschland studierten, war Katja Pringsheim. Damals war der Atheismus noch nicht sehr verbreitet. Hierfür gibt es durchaus Vorbilder: Ruth. Rachel. Die Frauen, die Jesus folgten. Und was war mit der intelligenten Teresa von Avila, der Mutter des Start-Ups – eine Klostergründung nach der anderen? Oder mit der nicht minder intelligenten Hildegard von Bingen?
    Und wie hochgebildet muss Maria Magdalena gewesen sein oder wie seherisch, um Jesus zu erkennen! Und immerhin – sie werden alle erwähnt, im älteren Teil übrigens deutlich ausführlicher.

    „In der Musik hat das säkulare Europa die Oper und die Symphonie….hervorgebracht.“

    Weder Wagner noch Verdi sind im Säkularen zu erfassen. Weder der Parsifal noch der freiwillige Doppeltod in Aida lassen sich so entschlüsseln. Und Mozart als mutmaßlicher Liebhaber der Freimaurerei in der Zauberflöte erst recht nicht. Alle drei Beispiele greifen zurück auf des Paulus: „Wir haben nun Hoffnung, Glaube, Liebe, diese drei. Doch die Liebe ist die größte unter ihnen.“
    Und Sie denken nicht ernsthaft, dass Beethovens Neunte oder auch die Pastorale säkulare Werke sind, oder? Wenn Sie das glauben, sollten Sie sich bezüglich der Sechsten von Walt Disney eines Besseren belehren lassen. Schuberts Symphonien? Wenn man an sein Ave Maria denkt? Gustav Mahlers Auferstehungssymphonie?
    Und Jazz und Blues? Ausgerechnet Beispiele aus der gläubigsten Gruppe der Vereinigten Staaten, den Schwarzen. No man, wrong. Dass Sie das hören, Sie, der mutmaßliche Atheist, spricht doch viel eher dafür, dass Gott über seine Instrumente, die gläubigeren unter den Menschen, neue Sprachen erfindet, um den Rest zu erreichen. Gucken Sie den Ton an in Disney’s Werk Fantasia, und dann denken Sie darüber nach, was Ton auf griechisch heißt, und schon sind Sie bei Johannes, aber auch bei Adam=Ton, hier Lehm.
    Das Ende Ihres interessanten Selbstdialogs lese ich morgen oder übermorgen.

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    Das ist sehr interessant:
    AP: „Aber nur der Relativismus – die Bereitschaft, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass man selbst mit dem, was man am tiefsten glaubt, Unrecht haben kann – bewahrt uns vor den Gefahren, die im angeblichen Wissen um die Wahrheit liegen. Dies ist nämlich das schlimmste Erbe der monotheistischen Religion: die Offenbarung der Wahrheit. Übrigens immer so, dass andere Menschen an der Offenbarung nicht teilnehmen können: Auf dem Berg Sinai, in der Wüste Judäas, in der Höhle bei Mekka. Selbst auf dem Weg nach Damaskus sah nur Paulus das Licht, hörte nur Paulus die Stimme. Seine Begleiter sahen einen Mann, der einen epileptischen Anfall hatte.“

    Allerdings muss ich anmerken, dass andere Menschen doch teilhaben konnten. Sinnbildlich steht dafür der Ungläubige Thomas. Er steht in der Bibel, heißt, er hat trotz Zweifel teil. Wenn Paulus Licht sieht, andere aber einen „Epileptiker“, auf jeden Fall einen momentan Entrückten, hat das wenig Bedeutung, weil Paulus in Briefen und Predigten das Erlebte umsetzte und teilte. Somit konnten sehr Viele daran Anteil haben. Sie mussten es allerdings glauben. Die Hauptaufgabe aller, die glauben, ist m.E., diejenigen zu verstehen, die nicht glauben können oder wollen und diese vollkommen in Ruhe zu lassen. Im Juden- und Christentum ist das heute der Fall. Atheisten aber haben diese Lektion noch nicht verstanden, manche Muslime verstehen sie, andere nicht.
    Der Papst hatte Recht damit, Relativismus zu kritisieren, denn Glauben+Toleranz gegenüber Anderen ist nicht gleich Relativismus. Relativismus, heutiger, beruht doch auf der Annahme, alle wären gleich, einer irrigen Annahme. Toleranz dagegen beruht auf der Gewissheit, dass es Unterschiede gibt.
    Atheisten bemerken Unterschiede weniger, weil, wie ich oft feststelle, ihre Beobachtungsgabe stark limitiert ist. Atheisten glauben wahnsinnig gern an Statistiken, durchaus auch gefälschte. Sowohl Churchill als auch Göbbels sollen das in Worte gefasst haben.
    Die Spirituellen in meinem Leben dagegen zeichneten sich durch Beobachtungsgabe aus. Und den wirklich Brillanten unter den Pfarrern, Kaliber wie von Galen, Dietrich Bonhoeffer oder Pater Rupert Mayer konnte Göbbels kein X für ein U verkaufen. Daher muss er fast die Übrigen verachtet haben, ein Markenzeichen von Diktatoren: Sie verachten ihre Völker und metzeln die Respektablen, Klugen, die mit dem Widerspruchsgeist hin.
    Das haben Religionen auch schon getan, wenn man an die Opfer Giordano Bruno denkt oder an Castellio. Aber waren deren Richter religiös? Calvin war auf jeden Fall ein Fundamentalist.
    Papst Benedikt war keiner, denn erließ sich Widerspruch jederzeit gefallen. Er konnte Kontroverse. Wie Hiob, nicht wahr?
    Papst Benedikt war – ich meine als er aktiv war – was e.e. cummings mit „not for everybody“ bezeichnete. Daher ist es schade, dass Sie, AP, gerade ihn nicht verstehen wollen, denn er war der Papst für die Klugen. Und auch für den Widerspruch. Daher habe ich auch „wollen“ geschrieben, denn theoretisch könnten Sie ihn verstehen. Er war der Papst mit den scharfen Kanten, an denen man seine Beziehung zur Religion feilen konnte.
    Lassen Sie mich mal festhalten: Es ist ein Hochschulstudium, Theologie. Und es verlangt erheblich mehr Intelligenz und Tiefe als durchschnittlicher Journalismus, womit Sie aber nicht gemeint sein sollten.

    1. avatar

      Lieber Parisien, das sind gewichtige Einwände, wie jene von Hannes Stein, und ich gehe darauf ein, wenn ich die Zeit dafür finde, nicht aber jetzt, im Urlaub mit der Enkelin, zwischen Baden und Eisdiele.

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    Traurig ist, wenn Atheisten oder sog. Atheisten, auf jeden Fall Menschen, die sich eher politisch definieren als spirituell, unübersehbar Einfluss auf Kirchen haben, wenn also z.B. Gott plötzlich gegendert wird.
    Das ist vollkommen sinnlos, denn Gott ist schließlich Geist und nicht Körper. Seine Entität kann man negieren, anzweifeln oder bejahen; auf jeden Fall bleibt es dem, der sie bejaht, vorbehalten, welches Bild er Gott gibt, das eines gütigen Vaters, eines Schöpfers wie in der Sixtinischen Kapelle, der kreiert, aber auch verwirft („Es wurde Nacht im Paradies“- Rilke) oder das eines Salamibrötchens (Neale Donald Walsch: Gespräche mit Gott).
    Gott ist letztlich das Ding jedes Einzelnen, sein Bild darf nicht politisiert werden, denn Poltik ist des Kaisers, wie Jesus ja betonte.
    Atheisten, so sie versuchen, auf religiöse, spirituelle Dinge zu viel Einfluss zu nehmen, sind im Grunde lächerlich, weil sie null davon verstehen und – null=nihil – oft genug Nihilisten sind.

    Das aber, lieber Herr Posener, kann man Ihnen nicht
    unterstellen. Ein kurzer Bericht über die anstehende Diskussion mit Hannes Stein würde mich interessieren.

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    Die Nazis waren bei weitem nicht alle Atheisten, wie das heute von den Kirchen dargestellt wird. Atheisten waren eine Minderheit. Die NSDAP war eine politische Bewegung, die gleichzeitige Mitgliedschaft in den Kirchen nicht ausschloss. Hitler rief in seinen Reden unentwegt den Herrgott an. Auch die Nicht-Kirchenmitglieder wurden im Dritten Reich noch als „gottgläubig“ kategorisiert. Die Deutschen wurden von Hitler als von Gott auserwähltes Herrenvolk angesehen. Bertrand Russel verglich die Nazis wegen ihrer nationalreligiösen Ausrichtung mit den Makkabäern. Lesen Sie Rainer Bucher: „Hitlers Theologie“.

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    Ziemlich fantastisch. Ich verneige mich in Dankbarkeit.
    Würde hervorragend in jeden Religions- oder Ethikunterricht passen.

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    Lieber Alan Posener,
    nun gibt’s aber doch neben den utilitaristischen Gründen, die Religion zu verteidigen (Schönheit, Moral) noch was anderes:
    Nämlich daß wir ‚irgendwo‘ doch erahnen, daß Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften nie alles erfassen werden. Und daß wir dennoch danach streben, alles zu verstehen: Ist das nicht auch Gottes Plan? Genau, wie die die Evolution?
    Das ist – natürlich – nicht ‚beweisbar‘. Aber auch nicht das Gegenteil. Es ist also durchaus Platz für einen Gottesglauben – auch für einen ‚wissenschaftlich aufgeklärten‘ Menschen. Das zum Vulgäratheismus. Sie hatten ja zu dem Thema bereits ein Interview mit einem wie ich finde sehr klugen und für solche Fragen sensiblen Wissenschaftler:

    http://www.welt.de/kultur/arti.....nomie.html

    Aber wenn ich feststelle, daß auch Sie Ersatzreligionen (noch) kritischer gegenüber stehen, als der Religion..

    „Aber wir müssen entschieden den Anspruch jeder Religion – und erst recht jeder Ersatzreligion – zurückweisen..“

    .., dann teilen Sie vielleicht meine Skepsis gegenüber ‚moderner Wissenschaft‘, die auch nicht selten das vermissen lässt, was Wissenschaft eigentlich ausmachen sollte, nämlich die Falsifizierbarkeit, und damit auch zur Ersatzreligion wird:

    „Mit anderen Religionen teilen diese Ersatzreligionen den Zug der Nichtwiderlegbarkeit.“

    Ich muss dazu nicht die Rassentheorien vergangener Zeiten oder den Marxismus-Leninismus (galt auch mal als Wissenschaft) bemühen, sondern stelle (mir) nur die Frage, ob wir heute wirklich immun gegen Glaubenssätze, Wahrheitsverkündern oder anderen Findern von ‚leuchtende Pfaden‘ sind. Und da sehe ich noch einen ‚Vorteil‘ von Religion: Immerhin haben deren Glaubenssätze der Menschheit – bei allen Rückschlägen – das Überleben bis dato ermöglicht / unterstützt / nicht verhindert, sie sind also gewissermaßen erprobt. Bei den Thesen vieler moderner Wissenschaftler, sei es bei Gentechnik, Genderforschung oder Klimaforschung (u.v.a.), die auch vor allem ‚geglaubt‘ werden müssen, bin ich mir nicht so sicher.
    Nur als erläuternde Anmerkung: Wie lange hat ein A. Einstein mit der Heisenberg’schen Unschärferelation gehadert, weil er eine ’statistische Aufenthaltswahrscheinlichkeit‘ von Teilchen nicht akzeptieren wollte. Eine solche konservative Skepsis des gesunden Menschenverstandes oder auch nur die konsequente Anwendung des Ockham’schen Rasiermessers, würde wahrscheinlich so einige der wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Glaubenssätze (z.B. Homöopathie) für immer vergessen lassen.

    Sie argumentieren mit Kant:
    „Jeder von uns wäre ein besserer Mensch, wenn er sich vornehmen würde, so zu leben, als ob es auf ihn selbst ankäme..
    Ich bin ja – glaube ich zumindest – ein Verfechter des Selberdenkens, der Emanzipation und des Rationalen – aber überfordern Sie damit nicht die Menschen in ihrer begrenzten Lebenszeit? Ist es nicht ‚besser‘ (und obendrein gesünder), religiös zu sein? Ist ein wenig religiöses (moralisches) Geländer schon antiliberal?

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      Lieber Klaus J. Nick, mein Beitrag richtet sich explizit zuallererst gegen einen dummen Atheismus – oder eine – eigentlich noch dümmere – Gleichgültigkeit gegenüber der Religion. Es ist vermutlich kein Zufall, dass die Pegida-Bewegung in Ostdeutschland entstanden ist, dem gottlosesten Teil Europas (und das will was heißen). Über die Verwüstungen, die der DDR-Atheismus angestellt hat, habe ich in der „Welt“ mal einen Artikel geschrieben.
      Dennoch ist dieser Essay selbst nicht frei von falschen Verallgmeinerungen, worauf Sie, Parisien und Hannes Stein hingewiesen haben. Insbesondere die Rolle der christlichen Nonkonformisten – Methodisten, Quäker, „Low Church“-Anglikaner – beim Kampf gegen die Sklaverei, und der Katholiken beim Kampf gegen den Kommunismus habe ich zu wenig beachtet. Christlichen Widerstand gab es auch gegen die Nazis.
      Es ist sicherlich auch so, dass es auch wissenschaftliche Glaubenssätze gibt – allen voran der naive Glaube, die Welt ließe sich vollständig erklären, was gleich mehrfach falsch ist. Nur – und da stimmte mein kluger jesuitischer Gesprächspartner in Arizona mit mir überein – ist Gott nicht die Unbekannte, die man überall dort einsetzt, wo die Wissenschaft gerade keine Antworten hat. Wir kennen nur 4% der Materie, aus der unseren Berechnungen zufolge das Universum besteht. 96% müssten „dunkle Materie“ sein. Aber ob das nun stimmt oder nicht: Gott sollte man dabei aus dem Spiel lassen.
      Zweifellos ist jeder mit dem Anspruch überfordert, so zu handeln, als ob es auf ihn selbst ankäme. Aber eine Religion, die es den Menschen einfacher machen würde, entlarvte sich selbst als psychische Krücke. Jesus forderte seine Anhänger auf, jeden Tag so zu leben, als sei er ihr letzter. Wer tut das schon?

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    Das muss ich mal in Ruhe lesen. Glauben Sie mir, Gott ist eine sehr tröstende Instanz. Gucken Sie Bilder an von apokalyptischen Reitern, aber Sie verstehen es nur, wenn Sie Gott in der Not suchen, und dann ist er präsent und groß. Wenn Sie ihn nicht suchen, ist er nicht da. Und keinesfalls ist er da, wenn Leute ihn groß machen und dann zuschlagen. Das ist nicht sein Ding, denn das ist die andere Seite der Medaille, die mit De anfängt. Nur bestimmte Menschen verstehen seine Wahrheiten, und Sie geben ehrlicherweise zu, dass Sie nicht dazu gehören, und das ehrt Sie kapital. Es könnte sein, dass Ihre Nachfahren Sie einst als gläubig betrachten werden, so wie ich das mit jemandem tue, weil eine andere Person mich darauf brachte. Plötzlich fand ich einen Parsifal. Vielleicht sollten Sie sich ganz intensiv mit dem Parsifal beschäftigen. Jedenfalls hat jeder Göttliche ein reines Herz.
    Und immer, wenn Sie sich mit Glauben herumschlagen, scheinen Sie das auch zu haben. Also können Sie sich als Atheisten bezeichnen, wie immer Sie lustig sind, aber Gott vergessen Sie dabei. Es kann sein, dass er sich mit Ihnen beschäftigt, und wer Atheist ist und wer nicht, bestimmt letztendlich nur Gott selbst, weil er selbst der Menschenfischer ist.
    Und bitteschön, Sartre hatte das gut genug erkannt (Les jeux sont faits), oder?

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    „Jeder von uns wäre ein besserer Mensch, wenn er sich vornehmen würde, so zu leben, als ob es auf ihn selbst ankäme, also ohne die Krücke, die einem die Religion bietet.“

    T. Strom: Größer werden die Menschen nicht

    Größer werden die Menschen nicht;
    Doch unter den Menschen
    Größer und größer wächst
    Die Welt des Gedankens.
    Strengeres fodert jeglicher Tag
    Von den Lebenden.
    Und so sehen es alle,
    Die zu sehen verstehn,
    Aus dem seligen Glauben des Kreuzes
    Bricht ein andrer hervor,
    Selbstloser und größer.
    Dessen Gebot wird sein:
    Edel lebe und schön,
    Ohne Hoffnung künftigen Seins
    Und ohne Vergeltung,
    Nur um der Schönheit des Lebens willen.

    Ein von mir geschätztes Gedicht. Die Liebe zum Leben aber, und genau die spricht aus Ihren anschaulichen Worten über den Wert des Lebens durch Kultur, ist selbst eine „Krücke“, um das Leben als sinnerfüllt und lebenswert zu betrachten.

    Besonders gefällt mir Ihre Wertschätzung für religiöse und areligiöse Kunst.

    Ihre abschließenden Worte haben den Nachteil, dass zB genauso die Lehre des Epikur eine Lebenshilfe, also „Krücke“ darstellt und alle sonstigen Philosophien in meinen Augen.

    Finde ignorant vorgetragenen Atheismus auch ätzend.

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    „Dass man Leute nicht totschlagen, berauben, belügen und betrügen soll, das sagt einem der gesunde Menschenverstand.“ Wenn man Alan Posener ist, schon. Sonst vielleicht eher nicht. Die Wahrheit ist nämlich, dass jene, die andere Leute totschlagen, berauben, belügen und betrügen, damit in der Geschichte häufig ziemlich erfolgreich waren.
    Über Deinen Satz, dass liberale Demokratie, Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Frauen und Rassen gegen die Religionen erkämpft wurden, reden wir bei einem Glas Rotwein, wenn ich demnächst in Berlin bin. Ich sage dann: Wilberforce. Martin Luther King. Rabbi Heschel. Rabbi Benny Lau. Und warte gelassen Deine Antwort ab.
    Und dass Jazz säkulare Musik sein soll — also, hör mal! Zum Beispiel Duke Ellington Second Sacred Concert, das für mich zu den größten Tondichtungen überhaupt gehört.

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      Stimmt auch, Hannes. Und du hättest hinzufügen können: Moses. Jan Assmann hat ja deine These von der Erfindung der Demokratie durch Moses jetzt geklaut, wie du vielleicht gemerkt hast.

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    @APo

    …. nix ist verfälscht. Und Sie sehen immer noch nix. Wenn hier jemand Ironie nicht versteht, sind Sie es. Q.e.d..

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    Lieber BH, dass Sie es mit der (Selbst-)Ironie nicht so drauf haben, ist schon lange klar. Das brauchen Sie erst gar nicht mit Hilfe eines verfälschten Zitats von Jesus zu beweisen.

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    … tja, lieber Alan Posener, wer sich zum ‚Anwalt Gottes‘ überhöht, dem ‚fliegen‘ die eigenen Buchstaben um die Ohren. Wat für ’n Kuddelmuddel, wat für ’ne babylonische (Text)Verwirrung. 😉

    … es gab und gibt keinen ‚Advocatus Dei‘, keinen Anwalt Gottes, es gibt den Kirchenanwalt, den Promotor als Schützer des öffentlichen Wohls der Kirche, ‚Promotor iustitiae‘.

    Johannes 8, 14 ‚… Auch wenn ich über mich selbst Zeugnis ablege, ist mein Zeugnis gültig. Denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe. 15 Ihr urteilt, wie Menschen urteilen, ich urteile über keinen. 16 Wenn ich aber urteile, ist mein Urteil gültig; denn ich urteile nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat. 17 Auch in eurem Gesetz heißt es: Erst das Zeugnis von zwei Menschen ist gültig. 18 Ich bin es, der über mich Zeugnis ablegt, und auch der Vater, der mich gesandt hat, legt über mich Zeugnis ab.‘

    Daher!

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