avatar

Das Imperium und die nationale Würde

 

Oft hörte man bei den Protesten auf dem Syntagma-Platz in Athen das Wort von der „nationalen Würde“. Ein verstörendes Wort für postnational denkende Deutsche. Das griechische Volk – „Volk“ ist auch so ein Wort, das hierzulande eher mit Fingerspitzen angefasst wird – habe mit seinem Widerstand gegen das ökonomische Diktat der „Institutionen“ – EU-Kommission, EZB und IWF – gegen seine Erniedrigung protestiert: „Lieber aufrecht sterben, als mit gebeugtem Rücken leben“. Dagegen schnurrten die wortreichen Argumente der Befürworter der EU-Maßnahmen hierzulande auf den zynischen Hinweis zusammen, den das englische Sprichwort trifft: „Beggars can’t be choosers“. Wer bettelt, darf nicht wählerisch sein. Auf Deutsch etwas brutaler: Vogel friss oder stirb.

Die Krise um Griechenland führt zu merkwürdigen Widersprüchen. Etwas grob gesagt kann man sagen, dass die Sympathie oder Antipathie gegenüber der griechischen Widerspenstigkeit hierzulande entlang politischer Bruchlinien verläuft: Linke haben mehr Verständnis für die Griechen, Rechte eher weniger. Dabei sind Linke hierzulande für eine stärkere europäische Integration und gegen nationale Alleingänge und nationalistische Phrasen, wie sie von der Regierung Alexis Tsipras – in der ja auch rechte Nationalisten sitzen – unverhohlen eingesetzt wurden, um das „Ochi“ beim Referendum zu erreichen. Umgekehrt sind es hierzulande eher Rechte, die sich ständig gegen die Einmischung Brüssels in nationale Angelegenheiten wehren, ob es sich um Gurken oder Glühbirnen, Asylregelungen oder Haushaltsüberschüsse handelt. „Was geht das Brüssel an?“ Aber wenn es um die Griechen geht, verlangt man die lustvolle Unterwerfung des Landes unter die Brüsseler Kommissare.

Halbwegs konsequent agieren hier allenfalls auf der Rechten die AfD, die ja gegen den Euro ist und darum als national-konservative Partei sich eine gewisse Sympathie für die Griechen erlauben kann; und auf der Linken die Linkspartei, die das Modell Griechenland per Referendum auf die gesamte EU übertragen will.

Auch in der Frage der „Vertiefung der Union“ ergeben sich intellektuelle und politische Widersprüche: Ausgerechnet Befürworter einer stärkeren Integration fordern den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone oder betreiben eine Politik, die auf diesen Ausschluss hinauslaufen – man denke etwa an Wolfgang Schäuble, den Lordsiegelbewahrer der europäischen Vision Helmut Kohls; während Gegner einer stärkeren Integration – wie etwa David Cameron – die Länder der Eurozone mahnen, die Stabilität des Kontinents und der Einheitswährung nicht dadurch zu gefährden, dass Griechenland ins Chaos gestürzt und ein Präzedenzfall geschaffen wird, der von den internationalen Märkten als Signal verstanden würde, gegen Italien, Spanien, Portugal, Irland oder Frankreich zu wetten.

In der Reaktion auf das Referendum wird überdies klar, dass hinter der griechischen Frage die größere, ungelöste Frage der Funktion des Euro lauert – und des deutsch-französischen Widerspruchs, den die gemeinsame Währung überwinden sollte, der tatsächlich aber gerade durch die Währung immer stärker zum Vorschein kommt. Soll der Euro das Imperium gegen die Zumutungen „der Märkte“ abschotten, wie es die Franzosen wollen? Oder soll der Euro als Mittel zur Durchsetzung des „Washingtoner Konsenses“– Sparsamkeit, schlanker Staat, Wettbewerbsfähigkeit – fungieren, wie das Helmut Kohl vorschwebte?

Das Problem – nein: ein Problem ist, dass es kein Gremium gibt, das legitimiert wäre, diese Fragen auszudiskutieren und entsprechende Entscheidungen verbindlich zu treffen. Das Europäische Parlament ist für die Eurozone nicht zuständig und hat sich als genauso machtlos erwiesen wie die Europäische Kommission. Alle Entscheidungen werden Ad-hoc auf Krisengipfeln der Euro-Regierungschefs und der Euro-Finanzminister getroffen, die keinerlei Mandat haben, Entscheidungen für alle Bürger der Eurozone oder der EU zu treffen – fraglos würde ein Ausschluss oder Austritt Griechenlands aus der Eurozone Gesamteuropa betreffen.

So muss – aus griechischer Sicht – das Imperium als Bedrohung der „nationalen Würde“ erscheinen; während aus Sicht der deutschen Steuerzahler die Griechen als undankbare Verschwender und unzuverlässige Wortbrecher erscheinen. Hier rächt sich, dass 2010 aus Angst vor einem Kollaps deutscher und französischer Banken gegen den Geist, wenn nicht den Wortlaut der Maastricht-Verträge verstoßen wurde, indem Griechenland durch EU-Kredite vor einem Bankrott gerettet wurde. Im Grunde genommen wurde dadurch nur die griechische Staatsschuld von den Banken auf die europäischen Steuerzahler – und den Internationalen Währungsfonds, in den die Europäer aber auch einzahlen – abgewälzt.

Hinter diesem „nur“ steht aber die ganze Misere: aus einer Auseinandersetzung zwischen der griechischen Regierung und ihren privaten Gläubigern, die gegebenenfalls mit einer geregelten Insolvenz und unter Wahrung der „nationalen Würde“ zu lösen gewesen wäre, ist eine Krise des europäischen Gedankens geworden, bei der die „nationale Würde“ Griechenlands gegen die handfesten Interessen der europäischen Steuerzahler und die Glaubwürdigkeit des Imperiums selbst als Rechtsgemeinschaft stehen. Diese Widersprüche sind schlechterdings nicht aufzulösen.

Oder sagen wir es so: Sie wären aufzulösen entweder durch die Auflösung der Gemeinschaftswährung und die Rückkehr zu nationaler monetärer und fiskalischer Verantwortung gemäß der politischen Kultur und den politischen Mehrheiten in den einzelnen Ländern; oder durch eine engere Union, in der, wie in jedem anderen Währungsraum, die sozialen Kosten bis zu einem bestimmten Grad vergemeinschaftet werden.

Kalifornien zum Beispiel beherbergt jeden vierten Sozialhilfeempfänger in den USA und ist wiederholt von Staatsinsolvenz bedroht worden; jedoch bedroht diese Insolvenz weder die Zahlungen an die Sozialhilfeempfänger noch den Zusammenhalt der Union. Die Schaffung einer Bad Bank für Griechenlands Schulden, von Eurobonds für die Kreditaufnahme auf den Märkten und einer europäischen Sozialversicherung zum Schutz der Unter- und Mittelschicht vor den Folgen politisch verantwortungslosen Handelns der Regierenden, verbunden mit der Vereinheitlichung der Steuer- und Fiskalpolitik, um eben jenes Handeln zu kontrollieren, wären wohl geeignet, aus der Eurozone einen halbwegs funktionierenden Währungsraum zu schaffen. Freilich auf Kosten wenn nicht der „nationalen Würde“, so doch der nationalen Selbstbestimmung nicht nur der Griechen, sondern auch der Deutschen, die ja heute schon etwa als Bayern nicht verhindern können, dass Berlin mit ihrem Geld sich üppigere Sozialleistungen gönnt als sie sich selber gönnen.

Nun gibt es weder für die Auflösung des Euro noch für die weitere Integration der Eurozone eine politische Mehrheit; und mit der Fortdauer der Krise, die jederzeit auf andere Länder überspringen kann, wird sich eben außer jener Krise nichts vertiefen, die Fliehkräfte werden im Gegenteil zunehmen. Das Imperium fällt, wie alle modernen Imperien, der unterschätzten Kraft des Nationalgefühls und der nationalen Phrase zum Opfer. Das Verdrängte kehrt mit Macht zurück.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

46 Gedanken zu “Das Imperium und die nationale Würde;”

  1. avatar

    Nö, Alan Posener, das ist keine Verschwörungstheorie mehr, die griechische Flughafeninfrastruktur soll erobert ähh an Fraport (staatlich) privatisiert werden, sagt ARD-Monitor.

  2. avatar

    Gibt’s überhaupt ne deutsche Intelligenzija? Ja, aber diese hatte traditionell und überall immer Kontakte zueinander. Ist doch bei den deutschen linksradikalen Intellektuellen nicht anders (bei den rechten übrigens auch nicht).

    Ok, dann mach ich jetzt mal die dazu passende deutsch-rechtsintellektuelle Protzerei:
    Die ganze deutsche Politik gegen Griechenland verstößt doch gegen Einigkeit und Recht und Freiheit. Sie gefährdet die Einigkeit des Imperiums und damit die Freiheit (Russland und Islamisten vor der Türe!) und dazu handelt es sich um unwirksame Normen, der Grexitplan ließe sich doch gar nicht durchsetzen, ist also auch noch rechtlos. Die Griechen mit ihrer Verantwortungslosigkeit sind zwar nicht besser, aber dieser Schäuble ist ein antideutscher Antieuropäer!
    Und diese ganzen linksgrün versifften Liberals haben die Intelligenzija durchsetzt!

    Bohrmaschinen versteh ich auch nicht, trotzdem kann ich damit dünne Bretter bohren.

  3. avatar

    @ lucas: Das Zitat hat mir noch mal klar gemacht, warum ich in letzter Zeit keine Lust habe, die Jungle World und die Konkret zu lesen und warum ich dann doch lieber (nur) zur WELT greife. Das ist doch ein ziemlich protziges, intellektualistisches Getöne! Ich glaube nicht, dass jemand, der seine*ihre Sache wirklich begriffen hat und wirklich etwas mitzuteilen hat, sich so geschwollen ausdrücken muss. Stattdessen habe ich das Gefühl, dass linksradikale Intellektuelle mit solchem Geschwafel etwas kompensieren wollen… Zum Beispiel dass sie sich in der deutschen Intelligenzija nicht ausreichend repräsentiert sehen!?
    Mir stößt ein Satz wie der Obige jedenfalls übel auf. Unter anderem, weil ich mich frage, ob die Unterdrückten und Unterprivilegierten, an die sich linke Politik ja vorgeblich richtet, auch nur irgendetwas davon verstehen. Mir scheint eher, dass sich (meistens interessanterweise linke) Repräsentant*innen der Bildungselite in solchen Sätzen mit ihrer eigenen Intellektualität auseinandersetzen.

  4. avatar

    Der Euro und sein Staat
    „Für Deutschland ist das Agieren gegenüber Griechenland hingegen ein weiterer Schachzug in einer langfristigen Politikstrategie, dank der es sich zur Führungsmacht all jener Bewegungen aufschwingen soll, die an die vom Kapital erzeugte, wundersame, auf Äquivalententausch beruhende Geldvermehrung nicht glauben, in den USA also den Schuldigen dafür sehen, dass ihnen eine gerechte Beteiligung am kapitalistisch erzeugten Reichtum vorenthalten wird.“ http://jungle-world.com/artikel/2015/30/52349.html

  5. avatar

    doch keine Verschwörungstheorie?

    „David Einhorn, founder of Greenlight Capital, said Europe’s leaders are prepared to let Greece fail to discourage other countries from electing populists.
    “Europe is unwilling to allow Syriza a face-saving compromise, even if that means Greece collapses and the rest of Europe suffers”“ http://www.bloomberg.com/news/.....-populists

    „Wolfgang Schäuble: The disaster befalling Greece is scaring other European nations into following the straight and narrow.“ http://www.bloomberg.com/news/.....tes-greece

    wollen wir also doch mal hoffen, dass nichts zurückkommt 😉 https://youtu.be/VXQIRdERZzQ?t=45s

    1. avatar

      Lieber lucas, die „Arbeitskräfte“-Hypothese ist in der Tat eine Verschwörungstheorie. Dass an Griechenland ein Exempel statuiert wurde und wird, um andere Populisten zu warnen, ist Fakt.

  6. avatar

    @Lucas

    … nun ja, H.S. wird wohl noch nie einem ‚Fuzzi Wuzzi‘ begegnet sein, dann wüsste er was Schmutz und ’strenger Geruch‘ ist. Bei meiner ersten Begegnung, im Sudan, bin ich fast umgekippt, als ‚eine Wolke‘ dieses Stammes an mir vorüber lief. Nix desto Trotz – ein stolzes Volk.

    Dem ’schmutzigen Adel‘ in Europa, die konnten sich nicht mal selber riechen, verdanken wir diverse Duftwässerchen. Auch das Rasierwasser. (Glaub‘ ich jedenfalls …) Daher …

  7. avatar

    @DotW

    … was die Magna Charta ff. betrifft, stimme ich Ihnen zu. Ich fand schon im Geschichtsunterricht toll, was die Germanen doch so drauf haben, … wenn sie nur wollen. Auch wenn sie anno Schnee nur Schaffelle und Fischgräten zu teilen hatten.

    … mit ‚a lump of coal surrounded by fish‘, der Satz stammt von Halford Mackinder, meinte ich ob wohl die Schotten, Iren und viele andere, weltweit, den ‚umfassenden Liberalismus‘ der ‚Großen Briten‘ auch so verklären wie Sie es tun. Nix für ungut.

  8. avatar

    blonder hans,
    am deutschen Wesen „Einigkeit und Recht und Freiheit“ soll bekanntlich die Welt genesen, wussten die Muslime des Mittelalters, auch wenn sie den ersten Teil zu spät umsetzten: http://www.welt.de/kultur/lite.....kamen.html
    Was sagen sie also zu Griechenland als Außenbollwerk der NATO gegen die schmutzigen Gotteskrieger? Und die, die es nach Berlin schaffen, akklimatisieren sich ja vielleicht noch. 🙂

  9. avatar

    Sehr geehrter derblondehans,

    Sie führten Folgendes aus:

    „‘DotW‘: ‘Anders als im Vereinigten Königreich ist auf dem europäischen Kontinent kein umfassender Liberalismus verankert, … ‘

    … werte/r ‘DotW’ – GB ist ‘a lump of coal surrounded by fish’. Darin oder darauf, ist ein umfassender Liberalismus verankert? … können Sie beschreiben, was Sie damit meinen?

    Und wenn Merkel & Co. deutsche ‘Elite’ sind, dann ist mein Hamster der Tiger von Eschnapur. Deutschland hat keine Elite.“

    Ihr Zitat scheint von Aneurin Bevin, einem führenden Labour-Politiker des mittleren 20. Jahrhunderts, überliefert zu sein. Falls Sie damit auf die lange Tradition der britischen Arbeiterbewegungen anspielen, so ist diese nicht von der Hand zu weisen (Sollten Sie etwas anderes andeuten wollen, bitte ich Sie, dieses auszdrücken).

    Darauf möchte ich erwidern, dass ich nicht zum Ausdruck bringen wollte, allein der politische Liberalismus sei in Großbritannien ausschlaggebend. Den politischen Grundkonsens stellt er allerdings sehr wohl dar. Wir sollten in dieser Hinsicht im Auge behalten, dass die politische Geschichte des Vereinigten Königreiches von Auseinandersetzungen zwischen Hof und Adel geprägt sind, dessen willkommene Nebenprodukte eine frühzeitige Neigung zur Repräsentation und zum Individualismus sind. Dieses Jahr wurde die Magna Carta Libertatum 800 Jahre alt.

    Die Kriege der Drei Königreiche stellen jedoch die entscheidende Abkehr von kontinentaleuropäischen Trends dar, denn hierbei handelt es sich im Kern um eine Steuerrevolte, ebenso jene in Nordamerika fast anderthalb Jahrhunderte danach. Ebenso herausragend ist der Act of Union von 1707, seitdem das Vereinigte Königreich ein Vie[r]völkerstaats ist, und damit der Infusion seines politisches Betriebes mit ethnischem Nationalismus, Biologismus und Sozialdarwinismus zuvorkam.

    In diesem Zusammenhang weise ich auf folgende Tendenzen hin:
    -dass die britische Arbeiterbewegung niemals offiziell auf die vollumfängliche des politischen Establishments abzielte, (etwas, das jeder denkende Konservative der Labour Party anerkennt), weil radikale Reforminteressen seit den Bürgerkriegen stets im Parlament vertreten waren
    -dass, anders als die meist patriarchalisch-christdemokratischen konservativen Parteien des Kontinents, eine liberalkonservative Partei ist, der Traditionalismus und Staatshörigkeit vollkommen fernliegen.
    -John Locke, anyone?

    Ich hoffe, dass ich Ihnen damit den liberalen Grundkonsens des Vereinigten Königreiches hinreichend darlegen konnte.

  10. avatar

    @Stevanovic
    Jetzt ‚muss‘ ich doch noch mal ran: „Ein Fall von german Angst?“
    Ja und nein: Ja, weil Europa sowieso gezwungen ist und in Zukunft noch mehr sein wird, zusammenzuarbeiten, Probleme gibt’s schließlich genug (Islamismus, Gegenmacht im Osten, überhaupt Geopolitik, Neugestaltung des Binnenmarktes bei Deindustrialisierung, was auch immer). Nein, weil so viele Chancen bereits vertan wurden: Türkei, Griechenland beinahe (komme ich noch zu), vielleicht UK. Eine ‚deutsche‘ EU sollten sich Merkel, Schäuble und die CSU-Kleingeister (sorry Parisien, keinesfalls auf Sie gemünzt) abschminken. (Im Übrigen hat eine ’schwäbische Hausfrau‘ noch nie ein erfolgreiches Weltunternehmen gegründet, jedenfalls nicht wenn sie nur knausert.) Eine EU kann dann nicht zusammenkommen, wenn einzelne Länder, nunja, dabei vergewaltigt werden. Das hat das Referendum gezeigt: Bis hier hin und nicht weiter. Merkel & Co. haben das verstanden, es geht jetzt erstmal darum, den vor dem Referendum geschlagenen Schaum (Griechenlandhetze) wieder zu komprimieren bzw. über die Ventile BILD-Zeitung und CSU auf ungefährlichen Druck abzublasen und eine absolut nötige, diesmal aber wirkliche Griechenlandhilfe durchzuwinken. Der nächste, weitaus wichtigere Schritt (was die EU betrifft), wäre, die EU neu zu konstituieren und sich auf wenige, aber wesentliche Identifikationsmerkmale (Menschenbild, soziale Mindeststandards, Rechtsprechung, Steuersystem) zu einigen. Hier ist kein japanisches Kaizen gefragt (ständige Vervollkommnung, also keine Ziele im Jenseits, wie die ‚Energiewende‘ oder irgendwelche Genderprogramme), sondern eben verbindliche Mindeststandards. Ich könnte mir vorstellen, daß dann auch das Cameron-UK wieder dabei ist. Unklare, zu komplizierte EU-Programme lassen bestimmte Länder dominieren und das Projekt scheitern.

  11. avatar

    Mit TTIP ist der Binnenmarkt auf einer neuen Ebene, die Subsidiarität richtet sich (bei vielen) gegen den Maastricht-Vertrag und die Rechtsnormen werden in Asien auch anerkannt (wenn es auch mit der Überwachung hapert). Das besondere an der EU war doch ihre Dynamik, das Streben nach diesem Sehnsuchtsort eines geeinten Europa. Die Grundlage war die Einsicht, dass Europa zu klein ist für Einzelkinder und mit dieser Einsicht konnte auch jemand leben, der überhaupt nicht europäisch dachte und sich nie als Europäer fühlte. Natürlich verfolgt jeder Staat seine nationalen Interessen (gerade wir als Deutsche…haha), aber im Hintergrund gab es immer dieses Rauschen einer tieferen Gewissheit. Was nun als Renationalisierung oder Subsidiarität daherkommt, hat als Grundrauschen einen ganz anderen Klang. Die europäische Familie als gelegentliches gemeinsames Weihnachtsfest von Einzelkindern. Dann wird sich schnell die Frage stellen (und sie wird ja schon von so manchem gestellt), ob eine Mittelmeer Union oder eine engere Zusammenarbeit mit Russland oder dem Finanzplatz Singapur nicht doch sinnvoller ist. Mich stört weniger eine konkrete Maßnahme, mich stört, dass wir die Karotte, mit der der europäische Esel immer weiter getrieben wurde, als überflüssig betrachten. Das nächste, was man aus einem Esel macht, der sich nicht mehr bewegt, ist leckere Wurst. Und ich glaube, diese Dimension einer kontinentaleuropäischen Dynamik, ist einem Cameron schwer zu vermitteln. Was wäre in einer Cameron-EU der Vorteil für die Rumänen, die sie als europäisches Land in einer Eurasischen Union nicht hätten (jaja, Zivilgesellschaft, steht nur bei den Meisten nicht ganz oben auf der Agenda und stressfreien unpolitischen Konsum im familiärem Umfeld gibt es auch in China oder Jekaterinburg). Umso schwerer wiegt diese Ignoranz (nein, das Wort ist zu schwer, mir fällt aber gerade kein besseres ein), als die Europa-Parteien (gerade die Deutschen) einem kleinkariertem Reinlichkeitswahn verfallen sind (saubere Haushalte, saubere Wirtschaft, sauberes Europa). Entlarvend ist der Standpunkt: Schuldenschnitt, wenn sie austreten. Nun, bei einem Schuldenschnitt gibt es keinen Grund für Austritte, außer es geht um Reinlichkeit. Wenn Cameron es schafft, die Verträge zu öffnen (unbeachtet der Richtigkeit vieler Ideen), fliegt das ganze auseinander. Mir ist bewusst, dass diese Behauptung reines Kaffeesatz lesen ist.Ein Fall von german Angst?

  12. avatar

    Man muss aufpassen, dass man bei dem Versuch, Geld noch aus dem letzten Felsen herauszupressen, nicht alles kaputtmacht. Als wir letztes Jahr an Kretas Südküste unter einem unfassbaren Sternenhimmel aufs Meer sahen, fuhren da etliche blinkende Boote im Kreis für Tauchgänge; und ich dachte naiv, dass da wohl Meereswissenschaft betrieben würde. Stattdessen wurde aber nach Erdöl gesucht. Ich hoffe nur, dass keines gefunden wird. Bei allen griechischen Göttern: Ob es nun Gläubiger oder Schuldner waren, die diese Erdölsuche an einem solchen Ort betreiben und sich davon ein besseres Leben versprechen – das ist mir herzlich egal.

  13. avatar

    Die Verfechter eines lockeren Staatenverbunds (wie wir ihn derzeit haben) meinen, man könne die Vorteile eines gemeinsamen Wirtschaftsraums prima mit denen von Nationalstaaten verbinden. Das wäre doch toll: überall nur Vorteile! Man verbindet aber auch die jeweiligen Nachteile (z.B. die aktuell gängige Griechenschelte).

    Wenn man den Euro halten will, wird man nicht um eine europische Wirtschaftsregierung herumkommen. Mit der Europa-Steuer könnte man die so oder so nötigen Transfers finanzieren, ohne dass es einen derartigen Lärm und so ein „unwürdiges“ Gezerre gibt.

  14. avatar

    …ich habe ich mal wieder vertan; gemeint ist nicht Ohio, sondern „Idaho the potato state“. Ist alles schon etwas länger her…

  15. avatar

    ‚DotW‘: ‚Anders als im Vereinigten Königreich ist auf dem europäischen Kontinent kein umfassender Liberalismus verankert, … ‚

    … werte/r ‚DotW‘ – GB ist ‚a lump of coal surrounded by fish‘. Darin oder darauf, ist ein umfassender Liberalismus verankert? … können Sie beschreiben, was Sie damit meinen?

    Und wenn Merkel & Co. deutsche ‚Elite‘ sind, dann ist mein Hamster der Tiger von Eschnapur. Deutschland hat keine Elite.

  16. avatar

    Zur „nationalen Würde“: das Wort „Würde“ ist hierzulande erklärungsbedürftig, findet sich aber auch im Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. National wurde diese Würde insofern, dass man mit Zigtausend Euro (weiß jemand, wieviel genau?) verschuldet ist, wenn bzw. weil man griechischer Staatsbürger ist. Dann muss man z.B. auf Teile der Rente verzichten, von der bislang die Großfamilie lebt.
    Gemeint ist eigentlich: Wenn man derart hoch verschuldet ist und kaum Einkünfte hat, ist man arm wie eine Kirchenmaus. Und Armen gegenüber sagte man schon immer, dass man zwar ihre Geld wegnehmen kann, ihre Würde aber nicht. Die ist „unantastbar“.
    Inzwischen hängen Geld und Würde miteinander zusammen. Unterhalb einer bestimmten Grenze kann man kaum ein würdiges Leben führen. Diese Grenze wird mit angesprochen, wenn von der „nationalen Würde“ Griechenlands die Rede ist.

  17. avatar

    Seltsamerweise finden viele, die die USA so lieben, dass sie alles durchwinken, was von dort kommt, die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ nicht besonders attraktiv. Angeblich weil hier nicht alle die gleiche Sprache sprechen oder sonstwie einander fremd sind. Als würden sich in USA die Chinesen in den China Towns mit den (ausschließlich spanisch sprechenden) Mexikanern so toll verstehen.

    Dort gibt es jedenfalls Staaten wie Ohio, auf deren steht Nummernschildern „Ohio – the potato state“. In Ohio gibt es anscheinend erkleklichen Maschinenbau, abgesehen davon wachsen dort Kartoffeln wie Oliven in Griechenland. Auch Touristen fahren gern nach Ohio, wie in Griechenland. Wer Computer programmieren oder Filme drehen möchte, der zieht weg, z.B. nach Californien. Das kann man doch in der EU genauso machen: Der „Standort“ Griechenland steht für Arzneimittel, Schiffe, Tourismus, Schafskäse und Oliven. Sonst nichts. Wem das nicht genügt, der zieht von dort weg; wer das will, der zieht hin. Warum nicht?

  18. avatar

    …wobei strittig ist, was „für Deutschland gut“ ist. Das hatten wir in der vorherigen Diskussion am Beispiel des Länderfinanzausgleichs bereits angesprochen. Frau Merkel glaubt jedenfalls, dass für Deutschland gut ist, wenn aus Deutschland möglichst wenig Transfers abfließen und die Schulden der anderen zum größtmöglichen Teil zurückgezahlt werden. Das sieht vordergründig auch richtig aus, aber man kann durchaus anderer Meinung sein (vgl. Bayern Deutschland).

  19. avatar

    Ich stimme Ihnen zu, Herr Posener. Wenn die klassischen Linien zwischen „Linken“ und „Rechten“ durcheinander geraten sind, ist das sicher ein gutes Zeichen und eine Chance für beide Seiten, einen Schritt auf die Wirklichkeit zuzugehen.
    Ein entschiedender Grund für die Krise dürfte tatsächlch sein, dass die Einigkeit innerhalb der EU-Partner nur sehr oberflächlich gewesen ist. Zukünftig muss man sich über seine Ziele und die seiner „Partner“ klarer werden, denn ich gehe davon aus, dass die Überschuldung Griechenlands nicht die letzte war, die ein EU-Land ruiniert und die zum Teil Deutschland finanzieren muss. Die Frage ist: Haben sich alle „Partner“ wirklich dieser Frage gestellt? Frau Merkel hat sich das durchaus; sie entscheidet, wie eine CDU-Politikerin eben entscheidet: Was für Deutschland gut ist, wird gemacht; der Rest ist nebensächlich und muss sich fügen. Dieses Verhalten zumindest war vorhersehbar.

  20. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    vielen Dank für Ihre klare Analyse. Bitte erlauben Sie mir einige Anmerkungen:

    1) In der Griechenland-Situation, die auch weiterhin (aus griechischer Sicht) eher eine Tragödie als eine Krise darstellt, die begrifflichen Spannungen zwischen dem demos und dem ethnos zutage. Mit den Ereignissen im Zulauf auf das Referendum rekurrierten griechische Gesellschaft und Regierung auf ersteren Begriff, während dies in Deutschland auf ersteren projiziert wurde. Anders als im Vereinigten Königreich ist auf dem europäischen Kontinent kein umfassender Liberalismus verankert, der die Spannungen zwischen beiden lindern könnte. So bleibt nur die Wahl zwischen Rousseau und Fichte, sowohl innenpolitisch als auch über die Grenzen hinweg. Darin liegt auch der Widerspruch in der Utopie von den Vereinigten Staaten von Europa.

    2) Sie haben durchaus Recht, dass zumindest deutsche Eliten augenscheinlich postnational denken. Anderseits ist dieser Begriff zu kurz gegriffen. Vielmehr handelt es such um etwas, welches am besten als Nationalismus des Antinationalismus oder als Chauvinismus des Antichauvinismus zu verstehen ist. Die innerdeutsche Debatte handelt vor allem davon, ob der Nationalkonservatismus nun eher grün oder schwarz beschaffen ist. Der o.g. Chauvinismus ist ein dialektischer Geniestreich, eignet er sich doch gleichermaßen dazu, „den Ami“, „den Juden“, pardon, „den Israeli“ und „den Russen“ und nunmehr auch „den Griechen“ zu belehren – und zwar alle gleichzeitig! Der Verfassungspatriotismus, den die politischen Eliten Deutschlands zur Schau stellen, ist aufrichtig, angesichts der immer noch fortbestehenden Unfähigkeit zu trauern jedoch wenig verankert. Wäre Auschwitz nicht gewesen, so würde der Chauvinismus des Antichauvinismus einen dialektischen Geniestreich darstellen, angesichts der herrschenden Umstände ist er jedoch an Perfidie nicht zu überbieten. Er allein vermag den Stamm- und den Konferenztischen der Republik einen gemeinsamen Diskurs zu verleihen.

    3) Hieran ist letztendlich auch Bernd Luckes Weckruf gescheitert. Als eine nationalliberale Strömung in der deutschen Politik versuchte, die sie beheimatendende Partei vom völkischen Nationalismus abzugrenzen, stieß sie an die Grenzen des Geltungsdrangs des Letzteren.

    4) Die unterschiedlichen deutschen und französischen Auffassungen vom Euro spiegeln auch die unterschiedlichen Erwartungen an die EU als ganzes wieder. Deutschland erwartet von Europa die Legitimation des Projekts „Vergangenheitsbewältigung“, während Frankreich per europäischer Integration vor allem „the Germans down“ halten und ein kontinentales Imperium begründen möchte. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland zunehmend seinen demographischen Vorsprung einbüßt, verbessern sich Frankreichs Chancen auf die Verwirklichung seines Führungsanspruchs. Ich erinnere hier an Merkels Weissagung, dass das Scheitern Griechenlands das Scheitern Europas darstellen würde. Daran glaube ich zwar nicht, aber es offenbarte doch die Dünnhäutigkeit der deutschen Eliten, fast wie eine Drohung mit dem deutschen Ungeist.

    5) Die USA haben angesichts der Verlagerung des weltwirtschaftlichen Schwerpunkts in den indopazifischen Raum wenig Interesse an einem geschwächten Europa, welches seine eigenen Herausforderungen nicht überwinden kann, werden sich jedoch nie davon lösen können. Der Grund hierfür liegt darin, dass nach Mackinder in Osteuropa der Schlüssel zur Kontrolle Eurasiens liegt. Bereits jetzt besteht die einzig realistische Alternative zur Lösung des von Ihnen beschrieben Dilemmas aus griechisches Sicht prinzipiell nur in der Annäherung Griechenlands und Russlands aneinander.

    1. avatar

      Ich bin ja ein Fan der Dialektik, lieber „DotW“. Und vieles von dem, was Sie schreiben, leuchtet mir ein.

  21. avatar

    Nun werter APO , nehmen wir mal zu Merkels Gunsten an, dass sie das Gute mit dem Nützlichen verbinden wollte. Tatsache ist, dass Griechenland vor der Pleite gerettet wurde und dass es diesmal nicht davor gerettet wird. Aber nicht weil keine Banken mitgerettet werden müssen, sondern weil nur das nachgeholt wird, was man 2010 und 2012 hätte tun müssen um die Eurozone zu arrondieren.

    1. avatar

      Lieber Riccardo Borghese, ich weiß nicht, was „die Eurozone arrondieren“ bedeutet, aber es klingt bedrohlich. Damals, 2010, hätte man – hier muss ich sehr über meinen Schatten springen und Hans-Werner Sinn Recht geben – die Maastricht-Verträge retten und Griechenlands Insolvenz riskieren müssen. Man tat das nicht, mit Rücksicht auf die Banken. Jetzt könnte man das, weil das System durchaus gepuffert ist, traut sich aber nicht aus Angst vor den Wählern. Dümmer hätte es nicht laufen können.

  22. avatar

    Mir fehlt die Fantasie, um mir eine Geschäftsgrundlage für eine lockere EU vorzustellen. Nicht, dass es so was nicht geben könnte, aber wozu?

    „Die deutsche Elite sah ihr Heil im Überwinden des Nationalen, und als Vehikel galt ihnen die EWG-EG-EU. Die Franzosen haben das so nie wirklich geglaubt. Für DeGaulle war die EWG ein Mittel, um Frankreichs Einfluss gegenüber den “Angelsachsen” zu behaupten. Die Briten nennen die EU zuhause immer noch “the Common Market”. Für die südeuropäischen Staaten ging es darum, die postfaschistische Demokratie abzusichern. Die osteuropäischen Staaten sehen die EU als Ergänzung der Nato, als Mittel, ihre nationale Unabhängigkeit gegenüber Russland zu behaupten.“

    Keiner dieser Punkte ist mehr drängend. Wenn die EU keinen eigenen Charme entwickelt (und der kann nur in einem Mehrwert durch Zentralisierung liegen), dann bleibt ein loser Staatenbund, der sich in der Fachgruppe Europa der UNO treffen könnte.

    1. avatar

      Lieber Stevanovic, allein schon der gemeinsame Markt als Kern der EU ist von ungeheuerer Bedeutung, ditto die gemeinsame Handelspolitik, siehe TTIP, das Gerüst gemeinsamer Rechtsnormen, wie sie im Aquis Communautaire festgehalten und von der Kommission überwacht wird. Darüber hinaus mag es Ländergruppen geben, die weitergehen wollen in der Integration: Schengen, Euro, Verteidigungsgeminschaft (WEU) und so weiter. Nur müssen vor der weiteren Integration die Partner sich über ihre Ziele klar werden, sonst kommt es zu Krisen wie gegenwärtig in Griechenland.

  23. avatar

    @ blonder hans

    Ach was. Merkel und Schäuble müssen jetzt den Fehler von Rotgrün ausbaden, GR in den Euro getrickst zu haben. Zwar ist Merkel gleichfalls ein Fehler anzulasten, nämlich die Rettungsschirmorgie 2010 losgetreten zu haben. Aber sie wollte den € und GR retten, wenn auch um den Preis nunmehr selbst als ungeliebter Gläubiger auftreten zu müssen. Was durchaus honorig gewesen wäre, hätten sich die Griechen danach nicht als anmaßend und undankbar erwiesen. Ihre Glaubwürdigkeit als Staatslenkerin wird sie mit der Entfernung Griechenlands aus dem Euro beweisen.

    1. avatar

      Merkel hat weder den Euro noch Griechenland retten wollen, Ricardo Borghese, sondern das Bankensystem. Was ehrenwert ist, aber man soll die Dinge ruhig beim Namen nennen.

  24. avatar

    Was bedeutet der Grexit für Europa? Für Deutschland und andere Geldgeber den Verlust vieler Milliarden. Für viele Griechen ein Ende mit Schrecken, aber eben auch die Chance zur Besserung. Für Jean-Claude Juncker und Martin Schulz eine vollständige, ungemilderte Niederlage – nicht einmal die Probleme eines volkswirtschaftlichen Zwergenstaates haben sie lösen können. Für EZB-Chef Draghi die Implosion der „dicken Bertha“. Für die EU die Erkenntnis, dass viele sie zum Teufel wünschen, weil sie weder Frieden noch Prosperität sichert. Für Merkel und Schäuble das definitive Ende ihrer Glaubwürdigkeit als verantwortungsbewusste Staatslenker. Und für alle anderen die Frage, ob sich das Risiko einer gemeinsamen Währung wie auch einer elitären, undemokratischen und unbelangbaren Kaste in Brüssel rechtfertigen lässt.

  25. avatar

    Als seinerzeit die DDR mitsamt dem gesamten Sozialismus zusammenbrach kursierte eine schöne Karikatur, ich weiß nicht mehr von wem, dem Zeichenstil nach könnte es Chlodwig Pohl gewesen sein.
    Darauf sieht man einen putzig gezeichneten Karl Marx, der verlegen sagt:
    „Tut mir leid Leute, war nur mal so´ne Idee von mir.“

    Der Euro war auch so´ne Idee, aber im Gegensatz zum Sozialismus wußte man vorher daß die Sache zum Scheitern verurteilt ist.

    Volker Kauder, als CDU-Fraktionschef im Bundestag nicht gerade für intellektuelle Überflüge bekannt hat einen schönen Satz gesagt:
    „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit!“

    Damit hat er natürlich Recht, aber Betrachten heißt noch lange nicht Erkennen oder gar Verstehen.
    Die fanatischen Euro-Ideologen gerade in seiner Partei machen seit Jahrzehnten das, was fanatische Ideologen zu allen Zeiten immer gemacht haben:
    Sie ignorieren die Wirklichkeit oder versuchen – sofern sie die Macht dazu haben – die Wirklichkeit an die Ideologie anzupassen.

  26. avatar

    Sehr geehrter Alan Posener, haargenau so sehe ich das leider auch. Wenn es Ihnen gelingen sollte, diese Debatte an prominenter Stelle zu platzieren und wenn Sie darin noch ein bisschen deutlicher Stellung beziehen (etwa mit einem flammenden Plädoyer für eine Vertiefung der EU in der WELT!?), könnte in den widersprüchlichen und irregeleiteten Diskussionen von heute vielleicht ja doch noch etwas Sinnvolles ins Rollen kommen! Ich wäre Ihnen jedenfalls sehr dankbar für solch einen Versuch, denn wenn sich die Mehrheit der hiesigen Politiker*innen zu diesen Fragen schon totschweigt (anders als z. B. in Frankreich), dann ist der Journalismus für mich die letzte Instanz, die noch dafür sorgen könnte, dass die Vertiefung der EU irgendwann vielleicht doch noch auf den Plan kommt und eine Mehrheit erhält. Ohne ein krasses Umschwenken in den jetzigen Diskursen sehe ich aber wirklich genauso schwarz wie Sie (und ich würde weder Ihnen noch mir eine Affinität zum Schwarzmalen attestieren). Ich halte die WELT in solchen Bereichen eigentlich für ziemlich diskursfreudig, also warum nicht dort einen Vorstoß wagen!? Immerhin hat die Springer-Gruppe mit ihrer Griechen-Hetze in der Bildzeitung auch einiges auszugleichen, um die bildungsbürgerlichen Rezipient*innen ihrer anderen Publikationen nicht zu vergraulen ;-). Die WELT braucht überzeugte Europäer*innen wie Sie – und momentan dringender den je!

  27. avatar

    Nachtrag Programmgläubigkeit: Zum Sinn und Zweck der Kredite an Griechenland hat Alan Posener ja schon das Nötige gesagt. Aber daß eine Troika, von deren tatsächlichen Vorschlägen äußerst dürftig berichtet wird, am ehesten eine BWL-Quartalszahlen-Ideologie verfolgt, nehme ich an. Was soll ich von einem solchen Bericht halten..

    http://www.spiegel.de/wirtscha.....71001.html
    (Fazit: Eine Autobahn-Maut von 2,60 Euro verhindert den Geschäftserfolg der Olivenbauern)

    ..wenn mir mehrere Bauern erzählt haben, daß sie ihre Melonen, Oliven, Kürbisse, Knoblauch, Pfirsiche usw. lieber an der Straße verkaufen, weil zwar ALDI & LIDL alles zu Dumpingpreisen abkaufen würden, um es in ihren Filialen in Athen zu verkaufen, aber sie dabei draufzahlen würden. Wieso erfahre ich als ein paar Sätze (braucht man noch nicht mal) griechisch sprechender deutscher Tourist anderes, als was hierzulande so berichtet wird. Ich habe nichts gegen LIDL & ALDI, aber was die EU macht ist verschärft das, was Deutsche seit Jahrzehnten den US-Konzernen vorwerfen. Wer will, kann das jetzt als Anti-Globalisierungs-Standpunkt lesen, was ich aber keinesfalls so meine. Ach eigentlich meine ich das doch so: Globalisierung a là Jermanija ist mir zuviel, weil zu der grenzdebilen US-Programmgläubigkeit noch die deutsche Scheinheiligkeit dazu kommt. Das überschreitet für mich erträgliche Grenzen. Und ich halte ab sofort mal den Mund und lese nur.

    PS: Hat noch jemand gehört, die Troika hätte gefordert, Olivenbäume abzuholzen, um mehr Orangenplantagen anzulegen? Ich finde das nicht im Netz.

  28. avatar

    Heimat ist Identität, Identität ist Heimat. Selbst nach 2’000 Jahren Diaspora sehnen sich Menschen nach Heimat.

    Die Identität nehmen, ist sozialistische Doktrin, der Mensch als allseitig, gleichgestellte, verfügbare, tumbe Masse, …

    Im KZ ritzen die Sozialisten Menschen Nummern ein, die Stasi macht aus Menschen ‚links‘ oder ‚rechts‘, je nachdem auf welcher Seite der Zelle die Pritsche steht. ‚LINKS … kommen Sie, Hände auf den Rücken, das Gesicht zur Wand!‘

    Sozialisten fürchten sich.

    Familie, Heimat, Vaterland – nur in dieser Reihenfolge geht Europa.

  29. avatar

    Ja, habe ich sogar. Und jetzt auch hier:
    >> Dabei sind Linke hierzulande für eine stärkere europäische Integration und gegen nationale Alleingänge << Nein, Linke benennen Nationale Alleingänge einfach um. So wird aus dem deutschen Nationalem Alleingang "Energiewende" mal eben ein angeblich gesamteuropäisches Projekt. Der Umstand dass sich kaum einer dieser Idee anschließen will ist egal. Da muss Deutschland, pardon Mitteleuropa, noch Resteuropa erklären, was die richtige europäische Politik ist. Auch Konfrontationskurse gegen die USA und Anbiederung an Putins Expansionspolitik sind selbstverständlich europäisch. Dass dies manche Staaten anders sehen – Geschenkt! Einfach das böse D-Wort vermeiden und durch das gute E-Wort ersetzten. Und schon kann man frei von der Leber weg anderen Ländern sagen, wie der Hase läuft. Oder sind sie etwa gegen Europa und damit für den 3. Weltkrieg und ein Na*i, Herr Posener? Es ist das Mitte-Rechts und Rechts-Libertäre politische Spektrum, dass die nationalen Souveränität unserer NATO-Verbündeten am ehesten respektiert.<<

  30. avatar

    War die Idee von Nationalstaaten nicht auch mal eine Befreiung? Von absoluten Fürsten und einem mächtigen Klerus?
    So, wie die EU bei ihrer Gründung als eine Befreiung von nationalen Zwängen und Gefahren (Kriegen) gedacht war. Die Rückbesinnung auf den Nationalstaat ist also nicht automatisch eine Besinnung auf’s ‚Völkische‘, sondern kann durchaus erst mal eine Befreiung gedacht sein. Z.B. von der UdSSR. Oder eben von einem zu rigiden, zu programmgläubigen (->Troika) oder sagen wir es doch gleich, wie es ist: zu deutschen Europa. Ich denke, die EU-Granden sollten in sich gehen, aber möglichst so schnell und beflissen, wie die ‚Institutionen‘ es von den Griechen forderten.
    Aber klar, daß die ‚Völkischen‘ gleichzeitig auch Morgenluft wittern.

    1. avatar

      Ja, Klaus J. Nick, da liegt schon ein Problem. Die deutsche Elite sah ihr Heil im Überwinden des Nationalen, und als Vehikel galt ihnen die EWG-EG-EU. Die Franzosen haben das so nie wirklich geglaubt. Für DeGaulle war die EWG ein Mittel, um Frankreichs Einfluss gegenüber den „Angelsachsen“ zu behaupten. Die Briten nennen die EU zuhause immer noch „the Common Market“. Für die südeuropäischen Staaten ging es darum, die postfaschistische Demokratie abzusichern. Die osteuropäischen Staaten sehen die EU als Ergänzung der Nato, als Mittel, ihre nationale Unabhängigkeit gegenüber Russland zu behaupten. Es gab und gibt in allen europäischen Eliten zwar begeisterte Europäer vom Habermas’schen Zuschnitt. Aber sie haben nirgends Mehrheiten. Die einzige deutsche Partei, die in ihrem Programm einen Europäischen Bundesstaat fordert, ist zum Beispiel die FDP.

  31. avatar

    Benedikt Mälzer schrieb auf Facebook:
    >> Dabei sind Linke hierzulande für eine stärkere europäische Integration und gegen nationale Alleingänge << Nein, Linke benennen Nationale Alleingänge einfach um. So wird aus dem deutschen Nationalem Alleingang "Energiewende" mal eben ein angeblich gesamteuropäisches Projekt. Der Umstand dass sich kaum einer dieser Idee anschließen will ist egal. Da muss Deutschland, pardon Mitteleuropa, noch Resteuropa erklären, was die richtige europäische Politik ist. Auch Konfrontationskurse gegen die USA und Anbiederung an Putins Expansionspolitik sind selbstverständlich europäisch. Dass dies manche Staaten anders sehen – Geschenkt! Einfach das böse D-Wort vermeiden und durch das gute E-Wort ersetzten. Und schon kann man frei von der Leber weg anderen Ländern sagen, wie der Hase läuft. Oder sind sie etwa gegen Europa und damit für den 3. Weltkrieg und ein Na*i, Herr Posener? Es ist das Mitte-Rechts und Rechts-Libertäre politische Spektrum, dass die nationalen Souveränität unserer NATO-Verbündeten am ehesten respektiert.

  32. avatar

    Postnational denkende Deutsche? Soso. Seit Monaten werden „die Griechen“ von den deutschen Medien (allen voran der Bild-Zeitung) ausgeschimpft, „die Griechen“ seien an der ganzen Situation schuld. Wenn eine Nation pauschal verunglimpft und abgestraft wird, ist es kein Wunder, das an die nationale Würde appelliert wird.

    1. avatar

      Ja, Guillaume Paoli, da haben Sie Recht. Das ist aber ein weiterer Widerspruch: die deutsche Elite denkt tatsächlich postnational, aber sie handelt so wie die Masse fühlt, nämlich durchaus national.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top