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Aus Neukölln wird Prenzelberg

Neukölln ist, so lange ich denken kann, immer der etwas andere Bezirk gewesen. Immer etwas prolliger, gefährlicher, ärmer und darum sozialdemokratischer als Kreuzberg, wo die Grünen nach wie vor den Ton angeben. Langsam wird das anders. Und ich weiß nicht, ob ich das gut finde.

Vor zwei Jahren schrieb ich an dieser Stelle einen etwas wehmütigen Abgesang auf den Bezirk Kreuzberg, den ich kannte, und der nun durch die Gentrifizierung anders wird – nein, geworden ist.
Ich habe in dem Essay – trotz alledem, sozusagen – die Gentrifizierung verteidigt. Nun erwischt sie Neukölln. Ich frage mich, wo die ganzen Türken, Araber, Studenten und Prolls hinziehen sollen, wenn ihnen die Premiumbezirke in und um Mitte abhanden kommen.
Am Schluss des Aufsatzes über Kreuzberg schrieb ich: „Ein Heinz Buschkowksky macht eine Medien-Karriere aus seinem ‚Problembezirk’ Neukölln, der angeblich ‚überall’ sei, und seine Parteifreunde wollen“ – durch eine Mietpreisbremse – „verhindern, dass Studenten, Künstler, Bohemiens, Kneipiers usw., gefolgt von Investoren, Bildungsbürgern und Touristen, aus dem Problem- ein Vorzeigebezirk machen, in dem ein Buschkowsky seinen Ruf als mutigen Wahr-Sager verlieren würde.“
Nun, Buschkowsky ist weg vom Fenster, aus dem heraus, wie der Frührentner kurz vor seinem Abgang im Interview sagte, er „plötzlich traditionell gekleidete Frauen und Männer“ sah, die er „normalerweise niemals nach Mitteleuropa versetzen würde“.
Buschkowsky meinte noch: „Neukölln ist ja nie der Ort der Schönen und Reichen gewesen, sondern hier wohnten und wohnen zum Teil noch handfeste Menschen mit klaren Vorstellungen, was man tut und was man nicht tut und was man seinen Kindern beizubringen hat. Also: ‚Wenn du was haben willst, dann musst du was dafür tun.’ ‚Wenn du in der Straßenbahn oder im Autobus sitzt und ein älterer Mensch kommt rein, dann stehst du gefälligst auf.’ ‚Warum denn? Ich will auch sitzen!’ – ‚Weil es sich so gehört!’ Das sind Dinge, die ich heute nur noch schwer wiederfinde.“ Klar doch: „Traditionell gekleidete Menschen“ – Muslime also – sind keine „handfesten Leute“, kennen keine Arbeitsmoral, deren Kinder sind schlecht erzogen, haben nur Ansprüche und sind unhöflich. Aber Buschkowsky ist kein Rassist.
Darum geht es mir aber nicht. Bushkowskys Vorurteile gegen die Zuwanderer, ohne die es über Jahrzehnte in Neukölln kaum noch Einzelhandel, Kleingewerbe und Gastronomie gegeben hätte, vom Touristenmagnet Türkenmarkt am Maybachufer ganz zu schweigen, sind eine Sache; seine Nichtwahrnehmung der Gentrifizierung ist die Sache, um die es mir hier geht.
Seit Jahren habe ich regelmäßig in Nordneukölln zu tun. Nördlich vom Hermannplatz, in „Kreuzkölln“, findet die Gentrifizierung seit gut einem Jahrzehnt statt. Südlich des Hermannplatzes hat die Landnahme der Weißen seit der Schließung des Flughafens gewaltig Fahrt aufgenommen. Es sind zwar nicht „handfeste Leute“ im sozialdemokratischen Sinn; oft sind’s eher Luftmenschen. Aber sie sind die bekannten Vorreiter der eigentlichen Gentrifizierung. Sie machen aus den Ausländer- und Proll-Quartieren die Alternativ-Quartiere, aus denen dann das hochwertige Prenzelkölln entsteht.
Den Prozess habe ich in einem Artikel für die „Welt“ über die Kneipe „Bierbaum 3“ beschrieben:
„Als ich das Lokal betrete und eine Cola bestelle, kichert Irena hinterm Tresen: ‚Ne Cola? Is det schön. So wat kenn‘ wa hier sonst jar nich.’ Und der Gast, der sich neben mir an seinem Bier festhält, Marke ZZ Top mit Zahnlücken, fügt kopfschüttelnd hinzu: ‚Und det so kurz vor Feierabend.’ Es ist Mittwoch, elf Uhr. (…) Nordneukölln ist angesagt, hier trägt der arabische Imbissbudenbesitzer eine schwarz-rot-goldene Krawatte und bedient Studenten mit dem ‚Patriotismus – Nein danke!’-Button der Grünen Jugend. Unter den wachsamen Augen türkischer Unternehmer renovieren polnische und schwarzafrikanische Bauarbeiter Wohnungen und Läden, bei ‚Jule’ verkaufen sie schon vegane Muffins und laktosefreien Cappuccino – im ‚Bierbaum’ aber lebt das gute alte, proletarische Neukölln, Molle und Korn und Rock ’n‘ Roll, und niemand verkörpert das vollkommener als der Wirt Abdul Güzel.“

Nun habe ich nichts gegen vegane Cafés und grüne Jugend, nichts gegen die Start-ups und Tanzschulen, die sich dort etablieren, wo frühe Änderungsschneidereien und Teestuben waren. Schon gar nichts gegen die Leute aus meiner Schicht, die Wohnungen kaufen und modernisieren lassen und auf diese Weise Arbeitsplätze schaffen, die Konjunktur am laufen halten und Berlins Finanzsituation verbessern.
Aber ich frage mich: Wo bleiben die türkischen und arabischen Familien, die verdrängt wurden? Wo bleiben die Alten, die Armen, die Studenten, die sich ihre Wohnungen nicht kaufen und sich die ortsüblichen Vergleichsmieten nicht mehr leisten können, weil die Zugezogenen die Preise verderben. „Neukölln ist überall“, meinte Buschkowsky, was Unsinn war und ist, aber wenn ein Problembezirk gentrifiziert wird, werden die Problemfälle überallhin exportiert.
Die inzwischen beschlossene Mietpreisbremse oder das Verbot von so genannten „Luxussanierungen“ halte ich für ein allzu grobes Mittel. Sie schützen ja nicht nur die proletarischen und subproletarischen Mieter, sondern – vor allem sogar – die Vorreiter der Gentrifizierung, die ihrerseits die alten Mieter verdrängt haben und nun ihr spezifisches kleinbürgerliches Milieu verteidigen.
Wichtiger wäre es meines Erachtens, wenn sich der Staat wieder des sozialen Wohnungsbaus annehmen würde – indem staatliche oder gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften Häuser in bester Gegend kaufen und wenigstens einige Wohnungen darin für bedürftige Mieter vorhalten, oder indem der Neubau forciert wird. Die Stadtentwicklung kann nicht allein dem Markt überlassen werden, soll nicht Prenzelberg überall sein und Neukölln an den Stadtrand exportiert werden. Damit wäre nichts gewonnen.

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46 Gedanken zu “Aus Neukölln wird Prenzelberg;”

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    Den Text finde ich auch sehr bewegend und gut gelungen! Ich habe auch in einer Grossstadt gelebt und mir hat es mit höher werdenden Alter nicht mehr dort gefallen. Ich kann mir Roland Zieglers Kommentar sehr gut vorstellen, da meine 3 Kinder auch immer grösser wurden und wir neuen Platz gesucht haben. Warum wurde es denn nicht das alte Haus mit Ölheizung? Das klingt doch gut. Wir haben uns später für ein Haus ausserhalb der Stadt entschieden. Mit Kamin, Ölheizung und Solarkollektoren auf dem Dach. Beste Entscheidung =)

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    @Parisien: Ja, ein Wochenendhäuschen ist immer machbar, wird auch von vielen gesucht und gekauft und nennt sich hier „Datsche“. (Wir haben in diesem Sinne bereits vor Jahren ein freies, mit hohen Hecken umwachsenes Doppelgrundstück mit großem Walnussbaum und vielen Obstbäumen für wenig Geld gepachtet; ideal eigentlich auch zum Wohnen, zumal gut an den S-Bahnring angebunden. Wir wohnen im somemr manchmal für ein paar Tage dort u. haben letztens mal beim Pächter direkt angefragt, aber verständlicherweise wollen die das für ihre Kinder behalten).

    Ansonsten erscheint mir das Wohnen inzwischen sehr abhängig von der ummitelbaren Umgebung. Man muss sich darauf freuen können, nach hause zu kommen, nicht nur wegen der eigenen vier Wände, auch wegen der Straßen, die nach hause führen. Derzeit kommt der Bezirk Weißensee, der noch nicht ganz so teuer ist wie anderswo und gelegentlich schöne kleine unscheinbare Häuserchen und lebendige Straßen hat, infrage.

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    Lieber Roland Ziegler,
    ich nehme an, dass Sie hier noch einmal hinschauen, wenn Sie Ihren Namen sehen. Diverse junge (und auch ältere) Leute, die ich in Berlin kenne und die sich nur Neukölln leisten konnten bisher, haben das Stadtproblem so gelöst: Sie versuchen, sich mit anderen zusammen zu tun und etwas auf dem Land zu erwerben, so dass sie am WE aus der Stadt kommen. Solange die Medien darauf nicht aus sind und solche Ideen nicht massiv hypen, ist das machbar. Die Medienleute sollten mal nachdenken: Ihre ewigen Hypes machen Sachen für phantasielose Spießbürger attraktiv, während sie Nischen für Kreative verkleinern. Wenn Medienleute selbst zu Kreativen gehören wollen, müssen sie letztlich aufhören, Nischen zu hypen, womit ich zurück wäre bei Neukölln und letztlich auch bei Prenzlauer Berg, wo einst Leute hinzogen, denen Mitte, Spree-nah, oder Charlottenburg zu teuer war. Jetzt klagen sie alle über Kosten und fehlende Abonnenten. Aber letztlich haben sie durch ihre finanzkonforme Schreiberei einen großen Teil früherer Zeitungsleser verprellt. Man kann dann auch gleich die Wirtschaftswoche oder die FT abonnieren, wenn einen die Kim Kardashians dieser hohlen Welt und was Medien unter Sex verstehen, nicht interessieren. MfG

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    ob angesichts des fallenden DAXes und fallender Bundesanleihekurse (seit dem 19.04, oh Schreck, muss es Deutschland aber schlecht gehen) noch genug da ist für sozialen Wohnungsbau?
    Bestimmt wieder Draghi schuld, vielleicht hat der Fall genauso wie der kräftige Anstieg Anfang des Jahres aber auch einen ganz anderen Grund: siehe chaotische Schmetterlinge. Draghis Worte am 31.05., dass die Geldschleusen geöffnet bleiben haben ja nicht gerade weitergeholfen. Bis jetzt gibts auch keine vielbeschworenen Schwankungen sondern vor allem Verfall.

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    Wenn das über eine Grenze geht, führt das automatisch zur Zerstörung von Kulturgut:
    „Much luxurious housing was created during the 1870s and 1880s, in the area that is now the political ward of Frognal & Fitzjohns. Much of this housing remains to this day.“

    en.wikipedia.org/wiki/Hampstead

    Wir brauchten für so was zwei Kriege, London brauchte dafür nur Massen Geld ohne Verantwortung und Vision. Was unter Queen Victoria aufgebaut wurde, ist teilweise unterm Hammer, teilweise in Verfall begriffen. Da kann man über die Zerstörung von Palmyra labern, lässt aber im Grunde genau dasselbe zu. Und davor muss man in Berlin aufpassen. Aber da steht nicht mehr so viel.

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    Weitere Details zu dem Beispiel aus London Hampstead oder auch wie Öl ganze Stadtviertel zerstört, während die dort Arbeitenden lange Anreisen in Kauf nehmen oder auch wie die Globalisierung den moderaten Kapitalismus zerstört:

    „One property owner, the developer Anil Varma, has complained that the address has become „one of the most expensive wastelands in the world“. At least 120 bedrooms are empty in the vacant properties.

    The empty buildings include a row of 10 mansions worth £73m which have stood largely unused since they were bought between 1989 and 1993, it is believed on behalf of members of the Saudi royal family.“
    http://www.theguardian.com/soc.....-hampstead

    Da fällt einem nichts mehr zu ein. Im Prinzip ist das nur lösbar durch Enteignung, aber Enteignung ist ein Fass ohne Boden und will auch niemand. Alternativ ist das allerdings lösbar durch hohe Auflagen mit der Verpflichtung der Instandhaltung. In allen diesen mansions könnten vier in London arbeitende, allerdings gut verdienende, Familien leben, wenn die Preise etwa auf ein Zehntel gedrückt würden.

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    Ich wollte doch mal was Überschaubares heraussuchen. Wir kaufen zu 15 Paaren das Haus auf Bild Nr.9. Dann zahlen wir immer noch jeder, also jedes Paar, 4 Mio Pfund. Dafür kriegen wir jeder ein einziges Schlafzimmer. Daran kann man messen, wie entglitten das alles ist. Der Kapitalismus ist verrückt geworden, krank, erkrankt an Megalomanie. http://www.telegraph.co.uk/fin.....me=3319642

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    Roland: Keine Muslime, wetten? Auch nicht Winnetou und Old Shatterhand beim Wettschwimmen 😉

    Two men, aged 33 and 21, have died after getting into difficulty while swimming in north Wales.

    Two further casualties, aged 27 and 25, were rushed to hospital for treatment and have since been released.

    The four men had been swimming at a waterfall near the Snowdon Mountain Railway, near the Welsh village of Llanberis, in Gwynedd.

    http://www.dailymail.co.uk/new.....llage.html

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    @ Roland Ziegler

    Weitere Tips: Immobiliendeutsch studieren (online). so was wie „Interessante Wohnung“, „Wohnung in Neubaugebiet“ (Nachbarn schauen ‚rein), „Unverbauter Blick“ = verbaubar in der Zukunft. Wohngeld studieren (zwischen 500 und 1000 Euro keine Rarität). Versicherung anrufen wegen Versicherungskosten in der Lage.

    Eigene Erfahrung: Es gibt kaum was Gescheites für den Mittelstand, jedenfalls nicht in den großen Städten. Weiter mieten und kleine FeWo kaufen, von der Miete aus der FeWo, die allerdings versteuert werden muss, die eigene Miete zahlen. Unterhaltskosten und Renovierungen für die FeWo können abgesetzt werden.

    Der Mittelstand, der Geld mit seinem Eigentum macht, hat in den Sechziger, Siebziger und Achtziger Jahren etwas in guter Lage gekauft.
    Die Situation hat sich vollkommen verändert, vor allem seit 2008, seit zu wenig Leute in den Aktienmarkt oder gar in Staatsanleihen investieren.
    Mein gut gemeinter Tip: Vorsichtig sein und warten, bis diese Blase auch platzt. Und das wird sie, nur noch nicht jetzt.
    Außerdem: Die Küchen und Bäder, die man zur Zeit einbaut, will in zehn Jahren niemand mehr haben. Alles weiß, fast wie ein frisch geputztes Krankenhaus. Sieht auf Photos gut aus. Nachdem Sie den Hund nicht mehr tragen müssen, würde ich an Ihrer Stelle in Prenzlberg bleiben oder auf’s Land ziehen. Kaufen Sie lieber einen schönen Porsche, damit wird man wenigstens glücklich.

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    @ Alan Posener
    ich überleg‘, ob ich ihn auf Winnetou umstelle, den Pariser. Er war aus der Bretagne. Aber klar, war nur ein Scherz.
    Doch, einmal war ich in Brandenburg unterwegs. Ich habe da nur Höfe gesehen, die am Verfallen waren. In Westdeutschland gibt es Ginster fast nur in Gärten, und der Mohn, die Margeriten und die Kornblumen meiner Kindheit sind nicht mehr zu sehen. Das war meins, der Rest von den Lesern, jeweils mit – versehen.

    @ Roland Ziegler
    Muss Sie um Entschuldigung für den im Zoff geschriebenen Ausdruck bitten. Es sind sicher Kinder, die ich gern kennen lernen würde. Machen Sie viel „Helikopter“! Dieser Ausdruck ist auch aus der Kiste des Bösen. Nichts ist so gesund wie ein Beschützerinstinkt gegenüber Frau und Kindern. Sie machen das genau richtig. Immobilientip: Nicht in Berlin kaufen, sondern in einem kleinen hübscheren Ort, der zur Zeit nicht in Mode ist. Vorher fragen, ob ein Asylantenheim in der Nachbarschaft möglich ist. Folge: Totalverlust. Alternative: Weiter mieten. Einer der Gründe übrigens, warum wir in Stagnation gleiten. Du kannst praktisch nirgendwo investieren.

    @ Alan Posener und Henryk Broder
    Spart schon mal für den Grenzzaun zwischen Schleswig-Holstein und Meck-Pom.
    http://www.welt.de/debatte/kom.....zlich.html

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    Apropos Bauen: Endlich, endlich, endlich, bravo, Tilman Krause:

    http://www.welt.de/kultur/arti.....mbies.html

    Aus dem Kommentarbereich:
    -Frankfurt: Grauenvolle Betonklötze, die zugige Schluchten bilden aber 6000,-/qm kosten. Was wohnen da für Menschen? Wahrscheinlich die im Artikel erwähnten Zombies. Zu allem Überfluß gibt man diesen modernen Plattenbauten die Namen alter Frankfurter Gutshöfe, man muß brechen, wenn man das ansieht.
    -Jetzt bin ich platt. Es gibt noch unintellektualisierte Menschen mit Schönheitsinstinkt. Sehr tröstlich zu wissen, wenn ich wieder mal in die Großstadt muß, und mich dort wie immer frage: wer plant, genehmigt und finanziert solche penetrant fortgesetzten Scheußlichkeiten ?
    -Bravo!! Endlich spricht einmal jemand aus, was so offenkundig zu Tage liegt, wie des Kaisers neue Kleider: brechreizauslösende, ekelhafteste, geisttötende Geschmacklosigkeit allerorten, besonders in den Bereichen Kunst und Kultur! Gute Nacht, Europa!
    -Doch andererseits gibt es auch bei neuen Großprojekten und Prestigebauten eine unverständliche Tendenz zur Konformität aus Rohbetonwänden, Fensterschlitzen und Glasflächen…einmal in Berlin auf der Stadtbahnlinie durch die Mitte fahren und man sieht einfallslose Klötzchen an Klötzchen gereiht. Es scheint keinen Sinn mehr für Ästhetik, Details und Raffinesse zu geben. Heute wird nicht mehr individuell und „schön“ gebaut, weil es zu teuer ist.
    -Ich erkenne im Bundeskanzleramt, an der EZB-Zentrale in Frankfurt a.M. und an den sonstigen Glas-Beton-Stahl-Klötzen keinen Fortschritt. Der Artikel glorifiziert nicht die Umstände und Lebensweise der damaligen Zeit, sondern das allgemeine gesellschaftliche Klima und Bewusstsein in Deutschland und dessen Wiederspiegelung in seiner Architektur. Um es mal ganz schroff zu sagen: Wir haben in Deutschland keine Gesellschaft und auch keine Architektur. Leben wir eigentlich noch?
    -Ich denke mal, in den Bausünden der Moderne offenbart sich das Schnelle. Die Blicke gleiten schneller vorbei an glatten Betonfassaden und bleiben nicht am Detail haften. Es bleibt ja sowieso kaum noch Zeit zum Atmen, Schauen, Innehalten und Leben. Wir leben im landläufigen Sinne heute länger als noch vor 100 Jahren. Dennoch fehlt mir manchmal die Lebendigkeit.
    -Die hässlichen Zweckbauten, sowie auch die noch hässlicheren Entwürfe von angeblichen Stararchitekten (meist aus den USA), sind nur äußeres Erscheinungsbild eines innerlich toten und ideenlosen Volk. Vor 1914 war Deutschland ein selbstbewußtes, zuversichtliches und auch glückliches Land auf dem Höhepunkt seiner geistigen, wirtschaftlichen und zivilisatorischen Entwicklung. Heute ist Deutschland wie ein krebspatient in den letzten Tagen seines Daseins. Mit dem ersten Weltkrieg begann der kontinuierliche Abstieg Europas.
    -Es hat viel mit Phantasie, mut und Spielfreude zu tun. Ich selbst wollte einen schmucken Neubau hochziehen mit Erkern und Türmchen. Das Bauamt lehnte aus verschiedenen nichtigen Gründen ab. Ich bin aus Germany weg gezogen und lebe nun in einem selbst gebauten Haus mit Erkern und Kuppeln.
    Wir ersticken hier einfach in Vorschriften, Vorsichtsmaßnahmen und Angst vor Klagedrohungen.

    Selber: Man möge sich bei der BuReg und ihren Umfragekünstlern weiter einreden, dass wir in einem wunderschönen Land leben. Das ist aber ignorant. Ein Musterbeispiel dieser hässlichen Zeit ist das Holocaust-Mahnmal aus Beton.
    In der Landschaft setzt sich das Öde, Zweckmäßige fort. Kein Ginster wie in GB, France. Keine Mohnblumen allüberall wie in France, keine wilden Osterglocken wie in GB. Keine Alleen bzw. zu wenige. Alles weg, alles zweckmäßig. Erica Jong hat Deutschland in „Fear of Flying“ am besten beschrieben: Als sie die Toilettenplateaus beschrieb, in denen Deutsche ihre Scheiße betrachten können. Die sind aber weg. Die Sch…. steht heute auf jeder Straße.

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      „In der Landschaft setzt sich das Öde, Zweckmäßige fort. Kein Ginster wie in GB, France. Keine Mohnblumen allüberall wie in France, keine wilden Osterglocken wie in GB. Keine Alleen bzw. zu wenige. Alles weg, alles zweckmäßig.“ Wer auch immer das schrieb (sind Sie das, Parisien, oder zitieren Sie einen Leserkommentar?) war noch nie in Brandenburg unterwegs. Wunderschöne alleen, Ginster blühnt am Wanldesrand, der Mohn am Feldrain, Landschaften zum Hinlegen schön.

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    Ich würde zu gern wissen, wie viele Medienleute sich heimlich gefreut haben, dass sie an dem Tag des 36 Mio Kasperletheaters mit einem Indianer aufmachen konnten, wenn auch mit einem künstlichen.
    Wie man an den östlichen Flüchtlingsströmen ablesen kann, hat der Kunstindianer eindeutig mehr für Jugoslawien getan als die Kasperle. Zumindest kennt jeder Ältere die Landschaft.

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    Wenn ich die Callas den Orpheus singen höre, muss ich noch mehr über die Genderologie gähnen. Die nahm sich das einfach, weil das schön ist, und sang das mit dem weiblichsten und weichsten Sopran der Welt.

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    Lieber Roland Ziegler,

    Sie haben was falsch gemacht. Schloss Elmau ist von einem Philosophen erbaut worden. Wir haben alle was falsch gemacht.
    Vor einigen Tagen bin ich mit einer Art Mörtel zusammen gestoßen. Das war nicht das erste Mal. Nix studiert, aber Geld, und gucken auf Leute herab, die studiert haben aber nicht so schwimmen wie die Prinzen Krösus, heute aus Arabien, damals Kleinasien.
    Ich muss mich verbessern: Die studieren heute auch, irgend einen kleinen Mist, wo Uni drauf steht. Mörtologie bringt jedenfalls Geld. Aber jedenfalls wusste ich danach mal wieder, warum wir den Eid des Hippokrates ablegen: Damit wir die nicht verbluten lassen.
    Wenn die so was wie Palmyra sehen, kriegen die auch wässerige Augen, aber nicht wegen der Gefahr des Untergangs, sondern weil sie schon das Luxushotel in der Oase sehen und den Profit. Oft steht ein Piano drin. Nachmittags um fünf kommt ein gescheiterter Pianist und klimpert für Blasierte, die ihren ersten Drink dort nehmen. Die Afrikaner sehen dann so was über die Schüssel als soap und denken, hier müsste es sich doch leben lassen. Aber Kultur ist was anderes.
    Hören Sie sich mal die Callas an mit „J’ai perdu mon Eurydice“. Hinreißend. Auf youtube.

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    APo: ‚Na, Parisien, da bin ich beruhigt. Am Sonntag ist es wieder so weit. Wir unterhalten uns über Prantls Vorschlag, Flüchtlinge aus Afrika als Bauern in Meck-Pomm anzusiedeln.‘

    … hi, hi. Nix gegen Neger, jeder sollte einen haben.

    Apropos, … Neuköllner lesen Allein Posener.

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    @ Alan Posener

    Letzteres (23) kann ich in geringerem Ausmaß bestätigen. Bei gutem Elternhause, das Sie bei Ziegler vorausetzen können, kommt man zwar gegen manches an, aber es frisst am Nervenkostüm. Am schwierigsten ist Mobbing. Da muss der Lehrer gut sein. Aber am schlimmsten ist folgende Kombination: Besoffenes oder bekifftes Mädchen, das dann von einem Türken oder Araber als leichte Beute betrachtet wird. Die darunter wohnende Verachtung ist nicht ganz unverständlich, auch wenn man hier juristisch keinen Zentimeter entgegen gehen kann. Allerdings könnte man heute das eine oder andere, das als „Freiheit“ betrachtet wird, auch in Frage stellen. Würde man zum Beispiel den einen oder anderen wegen mangelnder Aufsichtspflicht verklagen, ginge sehr schnell ein Ruck durch die bequeme, permissive und passive Elternschaft. Aber das würde bedeuten, zuzugeben, dass vieles nicht stimmt: a) Die Permissivität gegenüber Missbrauch auf facebook, auch Selbstmissbrauch (Nacktphotos); b) Die zu laxe Haltung gegenüber Alkohol- und Drogenkonsum wie auch Drogendealing; c) die ebfs. absolut laxe allgemeine Einstellung gegenüber nächtlichen Unternehmungen bei Kindern unter 18, denen oft keine Zeitgrenze mehr gesetzt wird, was wiederum auf schulische Leistungen negativ Einfluss hat; d) das Benehmen einiger junger Männer vom Balkan und vom Mittelmeer.

    Die Clientèle, die Sie im Wohnungsmarkt beschreiben, zu der ich ja auch gehöre, kann solche Wohnungen meistens nicht bezahlen, jedenfalls nicht mit Kindern, zumal die ja dann zugunsten der anderen Wohnungen noch teurer werden würden. Natürlich ist es möglich, dass kinderlose Alt-68er das stemmen könnten.
    Sie hätten dann ein ganz anderes Bild, und das haben wir teilweise schon: In der Stadt die zuletzt beschriebene Gruppe höheren Alters und wohlhabende Rentner mit erwachsenen Kindern plus von Transfers Abhängige plus Studenten plus Künstler. Die autochthonen Familien draußen in den Vororten.
    Fazit: Der klassische Steuerzahler in den Vororten, in der Stadt im Großen und Ganzen Transferempänger, wenn Sie die Rentner dazu rechnen wollen.
    Sie favorisieren also ein Modell, wie ich Ihnen das beschrieben habe, und ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist. Die autochthone Familie ohne Transfers an den Stadtrand. Aus München kenne ich das schon seit vielen Jahren. In den besten Immobilien in Bogenhausen und Herzogpark „wohnen“ Konsulate, in der Innenstadt Firmen.

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    @Moritz Berger: Das Problem ist hier, dass es keine vernünftigen 4-Zimmer-Wohnungen gibt. Wir wohnen in einer 3-Zimmerwohnung (zu laut und mit Minibalkon, aber tollem Ausblick), und da die Töchter heranwachsen, brauchen sie ihr eigens Zimmer (meine Frau braucht ein Arbeitszimmer, nur ich fühle mich in den Zwischenräumen wohl 🙂 )
    Gleichzeitig muss ein Garten sein. (Wir haben das Glück, vor 8 Jahren einen versteckten Riesengarten gepachtet zu haben, aber da muss man immer erst hinfahren.)
    Eine 4-Zimmerwohnung ist sogar im Wedding kaum unter 300 000 Euro zu haben. Dafür kriegt man in Heiligensee auch ein komplettes altes Haus mit Ölheizung. Aber da wollen wir nicht hin.
    Wenn man eine 4-Zi-Wohnung im Wedding (= billiger, ärmlicher Bezirk) mietet, kommt man – auch gern hässlich – mindestens auf 1300-1500 (warm).
    D.h. die Unterschiede zu Kreditraten für einen 300 000 Euro-Kredit schmelzen dahin. Warum also nicht gleich so ein Luxusdings kaufen? Immerhin ist dann alles tipptopp.

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    @Moritz Berger: Zur Blase: Ich glaube, dass mit einer guten Wohnung mit Grün vor der Tür innerhalb des S-Bahnrings von Berlin man derzeit nichts falsch machen kann. Auch bei 3000Eur/m aufwärts. Klar: das kann sich als Irrtum herausstellen. Aber dann bleibt man einfach weiter drin wohnen und zahlt statt Miete die Schulden ab. Solange die Rate nicht höher ist als die Miete einer entsprechenden Mietwohnung, ist alles in Butter, scheint mir. (Wir denken derzeit über sowas nach und gucken uns etwas um, ohne allerdings zu einer Entscheidung gekommen zu sein.)

    @alan Posener: btw: Luxustöchter war nicht mein Ausdruck; für mich sind meine Töchter kein Luxus (nur damit Sie nicht was Falsches denken). Meine Tochter ist 9 Jahre alt, ich lasse sie nicht allein durch Neukölln laufen. Vor linker Indokrination habe ich weniger Angst als vor groben Jugendlichen in Feierlaune oder quer über den Bürgersteig Schwankenden, die mit der Pulle wedeln.

    Vielleicht ist das Überbehütung, aber das wäre mir egal. Bedenklich erscheinen mir nicht die türkisch-arabischen Familien, auch nicht die Muslime – denen vertraue ich im Allgemeinen eher. Es gibt sehr viel Gestrandete und Gestörte, und ich bin generell eher misstrauisch gegenüber anderen Menschen.

  19. avatar

    Lieber Roland Ziegler,

    Die Ergebnisse ist recht teuer – 3000 Euro/qm – aber (auch angesichts des spekulativen Wiederverkaufswertes) es durchaus wert, sich zu

    recht teuer….

    ich würde sagen, dass die Baugemeinschaften nur im Luxus Leben 🙂

    und was den spekulativen Wiederverkaufswert betrifft….

    Es gibt auch ao etwas wie eine Blase 🙂

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    @ Alan Posener

    Lese ich zu viel achgut? Hier eine Analyse von Gummar Heinssohns heutiger Schmalspurbetrachtung:

    Heinssohn ist unter folgender Überschrift zu betrachten: „Wir sind Mathe“. Sollen wir zumindest sein, nachdem wir nicht mehr Papst sind.

    Hier wird völlig außen vorgelassen, dass nur ein Teil der Menschheit, der Schüler, eine Begabung für Mathematik hat. Häufiger hat dieser Teil auch eine Begabung für Musik.
    Die anderen Teile sind in anderen Sparten kreativ, Sprachen beispielsweise oder Kunst oder in Geschichte, wozu man eine Merkfähigkeit für Daten braucht, die nicht zwingend mit Mathematik einhergeht, wie auch Chemie ein völlig anderes Fach ist als Mathe. Manche sind auch handwerklich geschickt. Und einzelne machen Karriere im Sport.
    Ich kann diese Mathe-MINT-Monoformie daher nicht mehr hören. Hach, Amerika geht unter, weil die Mexikaner nicht so gut in Mathe sind. Hach, Deutschland steht vor dem aus, weil der Durchschnitt schlechter ist als der chinesische. Wie furchtbar. Und wie schrecklich, dass wir im Mitleid, in den Gefühlen, vielleicht stärker sind als die relativ areligiösen Chinesen. Entsetzlich das alles: Wir brauchen keine Geisteswissenschaftler, Archäologen, Historiker, Sprachgenies mehr (nach Sino-Gunnar und sein ilk). Die sind alle tumb, weil sie nicht sinoform sind und zu wenig Mathe machen.
    Da wird einem doch schlecht, wenn man diese gebetsmühlenartig vorgetragene Anklage an Geisteswissenschaftler, Künstler und Handwerker hört.

    Wir brauchen ein paar Pflegekräfte. Müssen die Mathe können, damit sie die Pillen richtig zusammen rechnen oder was? Oder hecheln alle wie Jagdhunde japsend den Chinesen hinterher, statt ihren eigenen Stiefel zu finden? Und: Amerika hat sich noch nie daran messen lassen, wie viele Leute dort Mathematik können.
    http://www.achgut.com/dadgdx/i....._versiegen

    Ja. Es gibt Tage, das lese ich zu viel achgut. Aus der Sicht von achgut. Wobei ich doch betonen will, dass ich einst durch das Brodersche Sprachgenie zu achgut gezogen wurde und dessen Humor. Kann der Mathe? Ich glaube, der kann nicht mal Kalorien zusammen zählen, höchstens Hundehaufen. Aber er ist für die Laune besser als Sino-Gunnar.

    Und wenn Sie mit ihm in der Welt balgen, amüsiere ich mich.

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      Na, Parisien, da bin ich beruhigt. Am Sonntag ist es wieder so weit. Wir unterhalten uns über Prantls Vorschlag, Flüchtlinge aus Afrika als Bauern in Meck-Pomm anzusiedeln.

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    @ Alan Posener

    „Sie lesen zu viel Achgut, lieber Parisien.“

    Ich lese alles Mögliche. Wenn man sich auf das Thema spezialisieren will, muss man PI-news lesen. Mache ich nicht, weil ich nicht bekloppt werden will.

    Trotzdem ist für sicherlich die Mehrheit der Deutschen unfassbar, dass wir z.B. 90 Polizisten für Clan-Auseinandersetzungen indirekt zahlen. Und es ist weiterhin unfassbar, dass wir bei Fortentwicklung von Sachen dieser Art eines Tages in eine Diktatur einmünden werden.

    Mal zurück zu Ihrer Wohnungssache: Sie haben also beispielsweise einen Geschäftsmann, der abends Geschäftsleute einladen will. Ja, und der will nicht, dass die an den milieuüblichen, bis in die Mittelschicht verbreiteten Unsitten vorbeigehen müssen: Schuhe, Kinderwagen im Flur, Essensgeruch, Geschrei. Deswegen kriegen Sie das realistisch nie in einem Haus gemischt, und das wissen Sie auch und machen trotzdem diesen Ideologiestiefel, der Menschen wie Herrn Ströbele gefällt, aber keinen Bauunternehmer oder Makler vom Stuhl reißen würde.
    Deswegen prognostiziere ich, dass sich das langfristig so entwickeln wird wie in Paris, wo die, die ausbrechen, also arbeiten, ihre Kinder in der Schule unterstützen etc. zwischen den Parisern im Rahmen der ersten 17 Arrondissements leben und die anderen vom 18. an nach Norden und Nordosten. Das hat etwas mit Geschwindigkeit und Masse zu tun gehabt. Die Staaten überschätzen sich.
    Die gegenwärtige US-Administration hat sich auch überschätzt. Sie ging vielleicht davon aus, dass ein farbiger Präsident lauter Liebreiz erzeugen würde und bekam leider so was wie Baltimore. Keiner dankbar für die schöne Krankenversicherung. Generell ist niemand dankbar für Krankenversicherungen. Man will nicht krank sein. Die Jungen, die ja militant werden können, verschwenden keinen Gedanken an Kranksein. Und: zu wenig einfache Arbeit, zu viele Studierte, zu viele Drogen, zu wenig dezidierte Rechtssprechung, ein Amalgam an Überschätzungsfolgen bei gleichzeitigem Unterschätzen von Dynamiken, die realistisch vorhanden sind. In Rio oder auch Florida: Gated communities, gepanzerte Wagen. Keine Freiheit mehr.
    Wenn wir die Grenzen schließen würden, hätten wir mehr Kontrolle und könnten die Langsamkeit in diesen Prozess einführen. Da unsere Leader viele Gesprächsrunden brauchen, um zu sinnvollen Schlüssen zu kommen, brauchen sie eigentlich auch die Langsamkeit zwecks Übersicht. Vielleicht würden sie dann wieder kompetenter wirken. So wirken sie getrieben und überfordert und versuchen, die Überforderung an uns weiterzureichen.

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      Lieber Parisien, einerseits haben Sie Recht: Der Geschäftsmann will es in seinem Haus nicht gemütlich, sondern vornehm. Daher die vielen „exklusiven“ Wohnungen in „Stadtvillen“ usw. Aber es gibt zwischen Geschäftsmann und Proll eine ganze Menge Leute mit Geld, die gern in Bezirken leben, wo es quirlig zugeht. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Politiker, Journalisten der gehobenen Sorte usw. Ich selbst lebe gern im Vorort, auch weil ich meinen Garten liebe, aber ich kann mir auch ein anderes Leben vorstellen. Im alter, heißt es, soll man ja zurück in die Stadt ziehen, wo man kein Auto braucht, und das Haus im Grünen den Leuten mit Kindern überlassen. Mal sehen.
      Allein mit Penthäusern auf ihren Wohntürmen könnten die Wohnungsbaugesellschaften eine Menge leute anziehen, die sonst eher nicht in der Nähe von Sozialhilfeempfängern wohnen würden. Und tun es bereits, glaube ich.

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    also die speerspitze gegen die bebauung auf dem feld war kreuzberg, was sie am abstimmungsverhalten sehen.

    gehen sie doch mal am wochenende auf den grillplatz parallel zur oderstr., dass hier bereits alles durchgentrifiziert sein soll stimmt einfach nicht, ich teile meinen kiez gerne mit dem „gemeinen volk“ und es gibt weitere gründe warum es hier nicht so werden wird wie im prenzlberg, die eigentümerstruktur hat sich durch die wende hier eben nicht radikal geändert – klar ändert sich hier gerade vieles – aber viel sozialer wohnungsbau (z.b. das bruno taut haus und andere) ist in eigentumswohnungen für die bewohner umgewandelt worden – m.e. das einzig wirksame mittel gegen radikalen wandel und gentrifizierung.

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    @Parisien: Ich wollte damit sagen, dass ich gern durch das „tiefe Neukölln“ gehe. Auch meine Tochter geht gern dort lang, sie sieht und fragt viele Sachen, denn es gibt viele und viele sehr auffällige Leute. Es ist keine reiche, aber eine lebendige, vor allem türkisch-arabisch geprägte, aber auch anders- und eigenartige, vielfältige Gegend. Aber wohnen würde ich mit meiner Familie dort nicht (früher schon), und alleine lasse ich meine Luxustöchter dort nicht hin. Ist das unverständlich? Naja: weil ich Angst hätte, dass ihnen etwas zustößt. Mag sein, dass die Angst unbegründet ist (ich fürchte, sie ist begründet), aber sie ist jedenfalls meine Angst, sie ist deutlich und ich vertraue und richte mich nach ihr, egal was man dazu sagt. Vielleicht so wie Sie und Ihre Wasserscheu.

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      Keine Sorge, Roland Ziegler, Ihren Luxustöchtern drohen ganz andere Gefahren, und sie gehen nicht hauptsächlich von Türken und Arabern aus. Meine Tochter ging auf ein von der Evangelischen Kirche betriebenes Gymnasium im reichen Dahlem, und zu den Problemen gehörten Alkohol, Drogen, Konsumismus und soziale Ausgrenzung, Mobbing, grabschende Lehrer und Indoktrination mit linkem Blödsinn.

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    @ Alan Posener

    „indem staatliche oder gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften Häuser in bester Gegend kaufen und wenigstens einige Wohnungen darin für bedürftige Mieter vorhalten“

    Das kriegen Sie nicht finanziert, weil die übrigen Wohnungen nicht verkauft würden. Beste Gegend würde ja bedeuten z.B. Dahlem. Wohnung von 150 qm in Dahlemer Neubau, Dachgeschoss, was meinen Sie, würde die kosten? Dann gehen Sie an den unteren Wohnungen vorbei. Die Londoner hatten deswegen zweite Eingänge. Will Brüssel verbieten. Dann werden die oberen Wohnungen gären auf dem Markt wie Sauerbier. Das ist Ideologie, und der Markt spielt nicht mit. Und wenn der Markt nicht mitspielt, stagniert das Ganze. Tja. Früher war Ihnen das klar. Stagnation ist genau für die Clientèle, für die Sie hier schreiben, gefährlich.
    Wussten Sie, dass man ein kreisförmiges Umfeld um eine Moschee Moscheenkrater nennt? Krater im Sinne von erodierten Preisen.
    Das ist nicht das singuläre Problem der Deutschen, sondern das gibt es überall. Und wenn alle so wären wie der Cem oder Frau Kelek, gäbe es das nicht.

    Der Student und der Künstler sind eine Seite, die andere ist, dass Leute sich genau überlegen, wo sie investieren. Der Student zieht ja wieder weg.

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    @ Roland Ziegler

    Verstehe das, wer will:
    a) „es sind zu viele Verrückte, Betrunkene und Drogenheinis auf den Straßen.“

    b) „Aber es ist trotzdem bunt, laut und angenehm.“

    Ich habe nie a) gesagt und deswegen empfinde ich wohl auch b) nicht.
    Für die Drogendealer jedenfalls gäbe es bei gescheiter Rechtssprechung eine edle Innenstadtlage: Bezirksgefängnis Moabit.

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    Was wie immer fehlt, ist eine Alternative. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Antwort auf meinen Vorschlag: Terraced homes, die günstig genug wären, dass die Bewohner, so mit Arbeit ausgestattet, sie eines Tages erwerben könnten.
    Günstigerer Innenausbau auch, z.B. zwar zwei oder drei Toiletten, aber vielleicht nur ein Bad. Ich glaube, dass Menschen, wenn sie ihren eigenen Bereich haben, ordentlicher sind (Ausnahme Jugendliche). Hochhäuser fallen sehr schnell dem Vandalismus anheim. Hochhäuser für Firmen – kein Problem. Penthäuser über den Firmen – kein Problem. Wohnsilos für sozial Schwache: Riesenproblem. Baumlosigkeit verstärkt die Perspektivlosigkeit.

    @ Alan Posener
    Was Ihre Schwester da sehr talentiert schreibt, ist ein Problem von San Francisco, Boston, Washington DC, während Detroit oder Baltimore verfallen.
    Sie macht ja nicht kleine Landlords verantwortlich. Da ist tatsächlich eine Bauunternehmer-Armee, die, ohne sich einmal umzudrehen, alles teuer verändert, überteuert übrigens. Wenn man selbst etwas verändert, merkt man, dass man schon mit Materialkosten meterlang über den Tisch gezogen wird, nach dem Motto: Die kriegen Prozente, geben uns aber den Ladenpreis wieder und stellen Billigarbeiter an, die wir aber regulär bezahlen. Wer so Profit macht, also gleichsam über Bescheißen, guckt sich auch nach niemandem um. Es gibt riesige Grauzonen bei den Mörtels. Sie kaufen auch alle Grundstücke weg, und wenn es da nicht wie bei der Fifa zugeht, fresse ich einen Besen. Von mir aus kann Loretta Lynch da gleich weitermachen – herrlicher Name übrigens. Der erste Teil erinnert an Loretta Salino aus „The Sting/Der Clou“, der zweite spricht für sich. Heerscharen von Bürgermeistern könnten noch über Loretta stolpern.
    Der Kapitalismus frisst seine Kinder. Die Politiker sind entweder völlig machtlos oder haben keine Ahnung.

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    Zufällig schreibt meine Schwester auf ihrer FB-Seite über das gleiche Thema mit Bezug auf San Francisco:

    „So depressing to see what is happening to this area – with the rents in San Francisco in an upwards free float that seems never ending. I lived in a rent controlled 2 bedroom apartment in Bernal Heights for 10 years, my landlord allowed dogs and cats even as I added more each time we signed a new lease. Susie Bright found the place for us and after she moved out, my partner at the time, Susie Fought moved in. I loved our flat, I loved Bernal Hill where I walked every day, I loved the Mission District places I could walk to, and the stores and cafes on Cortland, loved that on a warm sunny day I could impulsively decide to drive to Candlestick and see a Giants day game in a half empty stadium, loved most of my neighbors (except when I was robbed at gunpoint by men who had been visiting the apartment building opposite).

    (…) I did what I could to make a living until I was completely legal and grieved for my mother there, worked on Art Agnos‘ mayoral campaign, and joined the Bernal Democratic Club, I played pool at the bars, I photographed the outcast community, documented the graffiti, spent a happy time on the Frameline screening committee, and spent more time than I should have at the Festival every year. I walked my dogs at Funston, or drove across the bridge to enjoy the better weather and the Regional Parks in the East Bay.

    I became a legal resident of the United States while in that flat, but not before a very famous (unnamed) queer writer tried to have me deported for reasons that fitted her psychosis and which meant INS agents stormed our sweet flat one morning not long after my mum died, I learned how to fix Volkswagens to stave off the economic troubles, and became a decent housepainter, I started to understand why cats and dogs are so frequently left at shelters, and I shared the growing anger expressed by ActUP. I ate at the Ramp on Sunday mornings, I photographed productions at Theatre Rhino, I became a decent photo editor at On Our Backs magazine and crafted one of my proudest accomplishments ‚Nothing But The Girl‘ with my editor and friend Susie Bright, I met activists and artists, strippers, singers and bodybuilders.

    I became who I am in San Francisco, and when, after my dad died and left me his books which I sold for $8000 (the only time I have ever inherited anything!), Susie (the girlfriend) and I felt the time was right to try to buy a home. Our reasoning was that we feared that if our landlord, Steven, who lived upstairs, ever sold the house, we might not fare so well under the owner move in regs. It was to my eternal sadness that we could not afford, even in 1997, to buy in the city I loved more passionately than I could admit. But we looked across the bay and when we realized that we could afford that sweet 2 bedroom cottage in Berkeley with a driveway (San Franciscans will understand the excitement of that), we took it.

    Moving day was one of the saddest days of my life. I regretted the move as soon as we made it. I had dreamed of living in Bernal Heights the rest of my life, and I was even responsible for naming the local pet store, BERNAL BEAST, on Cortland Avenue because before moving to the East Bay, I was one of the people who made it happen. It was like a death in the family to me, to be away from my adopted city. Every visit to it was like a wound reopening, everyone who lived there seemed to be taunting me that I wasn’t good enough to be there.

    But as the months passed and the summer arrived, and the dogs and I discovered the Albany waterfront and the many parks over here, as I sat in my sunny little yard, or parked in my own drive, or left all the windows open on a warm day, I began to make the transition, until I realized that for all the loss, I had become very lucky and very fortunate. And now, as I watch the crumbling of the civility – which was fragile anyway – between the owners and the non-owners – I feel the loss on behalf of my friends.

    The biggest loss though, is to the city itself. Small landowners, people who are the unintended beneficiaries of an insane rental market, are not to blame for this, and for many of them, this windfall is too good to pass up. But the real beneficiaries, developers who will move to the next big thing without a second glance at the corpses they leave behind – they are the future of our world. The world where the enormous progress we are making as a civilization is corralled and preserved for just a few, instead of for the many.“

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    Die Gegend, in der ich 2-3 Mal pro Woche unterwegs bin, ist noch ursprünglich: zwischen U Boddinstraße und U Hermannstraße. Tiefes Neukölln. Meine Tochter hat da Geigenunterricht bei ihrer russischen Lehrerin aus der Ukraine. Ich möchte sie da nicht alleine hingehen lassen; es sind zu viele Verrückte, Betrunkene und Drogenheinis auf den Straßen. Aber es ist trotzdem bunt, laut und angenehm.

    Ihre Forderung nach sozialem Wohnungsbau unterstütze ich massiv. Was es gibt sind privat organisierte Baugemeinschaften, die durchaus schöne, intelligent gebaute Häuser an grünen „Oasen“ bauen. Die Ergebnisse ist recht teuer – 3000 Euro/qm – aber (auch angesichts des spekulativen Wiederverkaufswertes) es durchaus wert, sich zu verschulden.

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    OT
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....ier_beinen

    Sie mögen uns Menschen, diese Hunde, wohl wahr. Meine schnödeste Erklärung dafür: Als sie noch Wölfe waren, waren wir ihr Futter. Sie laufen ihrem Lieblingsfutter hinterher. Dafür stehen sie sogar nachts auf. Wir sind ihre davongelaufene Bihunsuppe. Nun hat niemand jemals ausprobiert, was genau sie machen würden, wenn er sie vier Wochen nicht füttern würde. Spaß beiseite: Wenn ein Mensch und ein Hund verhungern würden, würde zuerst der Mensch zugreifen. Und deswegen sind sie an sich liebenswerter.
    Mir ist es ein Rätsel, dass sie uns mögen und so treu sind. Vielleicht ist es Buddha: Sie waren richtig gute Menschen mit wenig Sünde und werden zur Belohnung als bessere Kreatur wiedergeboren.
    Sie beißen meistens aus Versehen, wir beißen mit Absicht. Sie ziehen jederzeit neun bis zehn Welpen auf, wir, wenn’s hoch kommt, ca. einen. Man sollte sie als Facharbeiter trainieren. Sie würden gegen Futter und Dach (und etwas Liebe) alles für die Rente abgeben.

    Jetzt noch zu Ihrem Thema: Wenn Neukölln gentrifiziert wird, gibt es dort in Zukunft mehr Hundehaufen. Man sollte gleich die entsprechenden Abfallbehälter mit planen.

    Und noch zu ihrem Thema: Sie werden weiter ‚rausziehen. Berlin wird letztlich größer werden, da es Hauptstadt ist. Ablesbar in London, Paris. Man sollte ihnen mehr wie in London bauen: Kleine Reihenhäuser, Terraces mit kleinem Garten. London ist dadurch menschlicher als Paris. Hochhäuser für Wohnzwecke sind unmenschlich. Warum kann man sich das auf dem Kontinent nicht von den Briten abschauen? Jeder hat sein Auto vor’m Haus, es ist viel ungefährlicher als mancher Hochhausfahrstuhl nachts und manche Tiefgarage. Und der kleine Garten macht zufriedener. Vielleicht würden auch einige andere hinziehen. Keiner mit etwas Überlebenswillen zieht freiwillig in ein Hochhaus mit Muslimen.

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    sehr geehrter herr posener,

    ich wohne nun seit 14 jahren in neukölln und 12 davon direkt neben dem bierbaum 3. dass der schillerkiez gerade durch die decke geht liegt natürlich auch ein wenig an dem feld, das sie gar nicht erwähnen.
    und eine version ihrer vorgeschlagene lösung können sie, wenn sie denn 150 meter die kienitzer str herunter gehen und die hermannstr. überqueren beobachten, da ist noch immer das neukölln, das herr buschskowsky so gerne in den talkshows beschreibt.
    doch ich bin ja ganz bei ihnen, ja der staat soll wieder in den sozialen wohnungsbau einsteigen – aber bitte nicht mehr in so monofunktionalen wohnsiedlungen wie z.b. dem rollbergkiez (das ding neben dem schillerkiez) – in der kopfstr kann man es am schönsten beobachten – rechts die heimat des hauptmanns von köpenik und links der brutalomodernismus der 70iger.

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      Ja, lieber Josef, es ist klar, dass der Schillerkiez enorm aufgewertet wurde durch die Schließung des Flughafens Tempelhof, das habe ich geschrieben; und ich habe mich sehr darüber geärgert, dass die neuen Kiezbewohner sofort die Speerspitze der Bewegung gegen die Randbebauung des Tempelhofer Felds mit Sozialwohnungen bildeten. Klar, sie wollten ihren exklusiven Zugang nicht mit dem gemeinen Volk von der Hermannstraße teilen.

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    @ Alan Posener

    Komisch. Sie waren doch früher, noch vor ca. einem Jahr, für die Gentrifizierung und gegen die Mietpreisbremse.
    Wie passt das jetzt genau zusammen?

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      Ja, Parisien, Sie haben richtig beobachtet. Ich bin nach wie vor für eine Gentrifizierung in Maßen – sprich für die soziale Durchmischung, wie sie in der Anfangsphase der Gentrifizierung erfolgt, für die Auflösung von „Ghettos“. Und aus dem Grund bin ich auch gegen die Mietpreisbremse, weil sie eine bestimmte Klienteil aus bestimmten Bezirken heraushält und ein bestimmtes Milieu konservieren will. Sie ist, wie ich schreibe, ein zu grobes Instrument. Wenn man privaten Anlegern also erlauben will, ihr Eigentum aufzuwerten und die Kosten über die Mietern hereinzuholen, sofern der Markt das hergibt, und dafür bin ich, dann muss der Staat, um den Verdrängungsprozess aufzuhalten, für ausreichenden sozialen Wohnraum sorgen, sei es, dass er Eigentümern einen Anreiz gibt, sei es, dass er gemeinnützige Projekte fördert, selbst als Bauherr tätig wird. Das war ja auf dem Tempelhofer Feld geplant, und das haben die dummen Berliner per Volksabstimmung verhindert. So wei, so schlecht, aber es gibt Alternativen. Zuzulassen, dass die Armen an den Stadtrand abgedrängt werden, dass also eine Banlieu-Situation entsteht wie in Frankreich, hieße sehenden Auges eine Katastrophe heraufbeschwören. Neukölln ist eben nie das Schreckbild gewesen, das Buschkowsky beschwor, aber die Gropiusstadt oder das Märkische Viertel oder Marzahn könnten es werden, wenn man nicht gegensteuert.

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