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Keine Waffen in den Irak!

Es ist noch nicht zu spät. Deshalb möchte ich hier zu Protokoll geben, dass ich Waffenlieferungen an die irakischen Kurden für einen Fehler halte. Deutsche Waffenlieferungen erst recht, aber dazu komme ich gleich.

Beginnen wir mit der allgemeinen Frage: Soll man die Kurden im Irak aufrüsten? Unbestritten ist: Sie werden von einer Armee sunnitischer Dschihadisten bedroht, deren Nahziel der Sturz der Regierungen in den Staaten des Mittleren Ostens, deren Fernziel die Errichtung des Kalifats – der Weltregierung des Islam – ist. Ihnen wird nichts davon gelingen, aber aktuell sind Christen, Jesiden und – worüber man hierzulande weniger liest – Schiiten in den vom „Islamischen Staat“ (IS) kontrollierten Gebieten vom Tod bedroht. Die irakische Armee hat bisher gegen den IS versagt; die kurdischen „Peshmerga“ sind nur leicht bewaffnet und können der Feuerkraft des IS nur wenig entgegensetzen.

Nach einem Bericht von „Business Insider“ besteht das Arsenal des IS u.a. aus folgenden Waffen:
Russischen T-55-und T-72-Panzern, amerikanischen Humvees, kroatischen M79 Osa Raketenwerfern und RBG-6 Granatwerfern, amerikanischen RPG-7-Antipanzer-Granatwerfern, amerikanischen M198-Haubitzern, chinesischen 59-1-Feldhaubitzern und HJ-8-Antipanzer-Raketen, russischen ZU-23-2-Flugabwehrkanonen, amerikanischen „Stinger“-Boden-Luft-Raketen, russischen DShK 1938 schweren Maschinengewehren, die auf Pickups montiert werden können, und natürlich jeder Menge AK-47-Sturmgewehren, ursprünglich aus russisch-osteuropäischer Produktion.

Woher kommen diese Waffen? Einige, scheint es, wurden auf dem Schwarzmarkt gekauft, andere von – unserem Verbündeten – Saudi-Arabien aus – dem EU-Land – Kroatien geschmuggelt. Der allergrößte Teil jedoch stammt aus drei Quellen: Beständen der syrischen Armee (das sind die meisten russischen Waffen); Beständen der irakischen Armee und Beständen der „gemäßigten“ syrischen Rebellen (das sind die amerikanischen Bestandteile des IS-Arsenals). Kurz und gut, sie wurden erbeutet.
Kann sein, die Peshmerga würden besser kämpfen als die syrische und irakische Armee oder die syrischen Rebellen; kann aber auch sein, dass wir via Waffenlieferungen an die Peshmerga lediglich den IS weiter aufrüsten.
Ganz allgemein: Haben wir die Waffen einmal aus der Hand gelassen, wissen wir nicht, was aus ihnen wird. Kann sein, dass die Kurden sie benutzen, um einen Unabhängigkeitskrieg gegen den Irak zu führen. Kann sein, dass sie in die Hände der PKK fallen und benutzt werden, um Polizisten und Soldaten unseres Nato-Verbündeten Türkei zu töten. Kann sein, dass sie auf dem Schwarzmarkt landen und irgendwann irgendwo in Afrika in der Hand von Boko Haram, eines Berberfürsten oder eines nominell christlichen Warlords wieder auftauchen.
Wenn wir – mit „wir“ meine ich Deutschland, die EU, die Nato, den „Westen“ – die Kurden vor dem IS schützen wollen, und das sollten wir (immerhin – Zynik-Modus einschalten – gibt es im Norden des Irak jede Menge Öl); wenn wir also den IS zurückdrängen wollen, dann sollten wir das mit unserem eigenen Militär, mit unseren eigenen Waffen tun, wie es die USA offensichtliche mit einigem Erfolg bereits tun. David Cameron hat auch die Bereitschaft signalisiert, britische Militärs einzusetzen. Dass die USA und Großbritannien vorangehen, hat seine Richtigkeit, schließlich ist der gegenwärtige Zustand des Irak mittelbar Ergebnis ihres Einmarsches 2003. Aber: Ein von der UNO bewilligter Schlag gegen den IS, ausgeführt von der Nato, also mit deutscher Beteiligung? Warum nicht? Aber bitte keine Waffen aus der Hand geben.
Für Deutschland gilt das in besonderem Maße. Das Kriegswaffenkontrollgesetz verbietet es diesem Land, Rüstungsgüter in Krisengebiete zu exportieren. Dafür gibt es gute Gründe, siehe oben, die nichts mit der ominösen „deutschen Geschichte“ zu tun haben, und daran sollten wir festhalten.
Nun hat sich der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, für eine Änderung dieser Richtlinien ausgesprochen, und zwar im Namen einer europäisch einheitlichen Regelung, die vermutlich weniger restriktiv wäre.

Man tritt dem Mann bestimmt nicht zu nahe, wenn man darauf hinweist, dass eine Lockerung der Exportrichtlinien nicht zuletzt der Waffenfirma Heckler & Koch zugute käme, die sich in Kauders Wahlkreis befindet. Kauders Einlassungen sind ein gutes Beispiel für den Missbauch des europäischen Einigungsgedankens. Es gibt keinen rationalen Grund für eine Vereinheitlichung der Exportrichtlinien, aber „Europa“ wird – neben der Christenverfolgung – beschworen, wenn es um die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen einer deutschen Firma geht. Wäre es umgekehrt, gäbe es einen Vorstoß der Europäischen Kommission zur Verschärfung der Richtlinien für den Waffenexport, wäre Kauder der erste, der eine unzulässige Einmischung der „EU-Bürokratie“ in nationale Angelegenheiten beklagen würde.

Halten wir fest: die bestehende Gesetzeslage hat Deutschland nicht daran gehindert, zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt nach den USA und Russland aufzusteigen. Grundsätzlich ist gegen die Lieferung von Waffen an verantwortlich handelnde Staaten nichts einzuwenden.

Um ein kontrovers diskutiertes Beispiel zu nehmen: Anders, als es Günter Grass mit letzter Tinte behauptete, gefährdet Israel nicht „den ohnehin brüchigen Weltfrieden“. Die Atomraketen, die Günter Grass und – was wichtiger ist – der Iran auf den von Deutschland gelieferten israelischen U-Booten vermutet, sollen ja, nicht anders als die Atomraketen, die im Kalten Krieg in Europa stationiert waren, einen Krieg durch Abschreckung verhindern. Mag sein, dass sie durch eine schreckliche Fehlkalkulation auf einer der beiden Seiten zum Einsatz kämen; die Gefahr besteht ja auch bei den amerikanischen, russischen, chinesischen, britischen, französischen, indischen, pakistanischen und nordkoreanischen Atomwaffen, und bei einigen auf dieser Liste ist sie erheblich größer als bei Israel und wären die Folgen viel schlimmer. Aber erstens würde ein solcher Einsatz keinen Weltkrieg auslösen, und zweitens werden diese Waffen, so lange Israel existiert, nicht in die Hände von Leuten geraten, die – wie Al Qaida oder der IS – nichts eiliger zu tun hätten, als sie gegen die Ungläubigen einzusetzen. Übrigens bin ich sogar der Meinung, dass auch der Iran die Bombe nicht einsetzen und nicht an die Hisbollah geben würde; nur möchte ich es erstens darauf nicht ankommen lassen, und zweitens bin ich nicht von der Stabilität des Regimes dort überzeugt. Aber das ist eine andere Frage.
Eine andere Frage ist eben auch die des Waffenexports in ein Land wie den Irak, wo die Bundesregierung, selbst wenn sie wollte, gar nicht kontrollieren kann, was mit den gelieferten Waffen geschieht. Angesichts des furchterregenden Arsenals der IS-Dschihadisten ist der Ruf, noch mehr Waffen in die Region zu schicken, so verständlich wie unverantwortlich. Amerikanische, französische, britische Waffenlieferungen finde ich nicht besser als deutsche. Aber diese Länder müssen wenigstens nicht ihre eigenen Gesetze brechen, um Unvernünftiges zu tun. Politiker in diesen Ländern müssen sich nicht verbiegen, um so zu tun, als sei ein Gesetzesbruch kein Gesetzesbruch, oder als müsste man im Interesse der europäischen Einigung unsere restriktive – und, wie ich finde, sehr vernünftige – Praxis verändern. Wir sollten diese Verbiegung auch der Verteidigungsministerin und der Kanzlerin, dem Außenminister und dem Wirtschaftsminister nicht zumuten.
Deutsche Militärs in den Irak? Ja, wenn es sein muss, und ohne Illusionen. Deutsche Waffen in Krisengebiete? Nein danke.

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73 Gedanken zu “Keine Waffen in den Irak!;”

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    Dürfte einige hier interessieren: Gespräch über Kafka
    Goldschmidt: Er ist nicht um Klassen besser, er ist seine eigene Klasse. Es ist so: Kafka ist wie eine Versicherung, eine literarische Unfallversicherung. Die hat man im Rücken, als eine Schreibgarantie. Er ist also eher Schutz als Schatten.

    Stach: Verstehe ich das recht: Wenn eine so singuläre Figur wie Kafka vor mir gezeigt hat, was Sprache leisten kann, dann ist das, was ich heute als Autor versuche, grundsätzlich sinnvoll. Eine solche Art der Rückversicherung würde mir einleuchten.

    Goldschmidt: Und es kommt noch etwas dazu. Die Kraft des Schreibens setzt sich durch. Das hat Kafka auch bewiesen.

    Stach: Ich würde sagen, Kafka hat so geschrieben, wie andere atmen.

    Goldschmidt: Und je mehr man von ihm liest, das ist zumindest meine Erfahrung, desto weniger irrt man sich.
    http://www.faz.net/aktuell/feu.....ageIndex_2

    Viel Spaß!

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    @ Alan Posener
    Es gibt noch mehr Tierarten. Die Vierbeinigen erscheinen oft genug gesünder, die Sechs- bis Tausendbeinigen erscheinen uns eklig, die Zweibeinigen, die ständig was mit ihren Armen und Händen machen müssen, vom Hangeln oder Bananenschälen bis hin zum Rauchen, Kiffen oder im Extremfall Morden, erscheinen manchmal ungesund. Nachdem man ihnen zunehmend die Handarbeit wegnimmt, schön symbolisiert durch die Wandlung des Automechanikers zum Mechatroniker, einer Vorstufe des Robotronikers, dürften ihnen noch mehr Untaten einfallen.
    Wenn Sie den Unterschied überhaupt sehen wollen, hilft ein Gedanke an den Elefanten, alternativ Pferd oder Hund.

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    Das sind gewichtige Argumente von Alan Posener, um so mehr als sie nicht allein aus grundsätzlichen pazifistischen Erwägungen vorgetragen werden. Zumindest mir geben sie Anlass, noch einmal über meinen eigenen Standpunkt nachzudenken, der bisher eindeutig war: Waffen für die Kurden, um der IS begegnen zu können.

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    Keine Waffen in den Irak! Ich sage: “ Keine Waffen mehr weltweit produzieren.“ Das muss doch das Ziel sein oder liege ich da falsch. Ganz einfach: Alle Menschen auf der Welt verweigern zur Waffe zu greifen. Sollen doch die Politiker zur Waffe greifen, die den Krieg anzetteln/befehlen. Das Kriegspiel hätte sofort ein Ende! Habe ich das alles nur geträumt!

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    Lieber Alan Posener, ob Sie mal bei Gelegenheit auf solche comments eingehen würden bzw. auf das Grundproblem?:
    Zu 1: Es ist eine Beleidigung für das Tier insgesamt, die Grausamsten der Menschen mit ihm zu vergleichen. Das Tier verteidigt sich im Falle eines Angriffs und jagt, wenn es Fleischfresser ist. Nach Dürrezeiten sieht man groß und klein einträchtig an den vollgelaufenen Tümpeln, Tränken und Seen.

    Zu 2: Glauben Sie, dass der hirngewaschene Mensch zum Primaten wird? Das meine ich ernst, denn das halte ich für möglich.
    http://www.achgut.com/dadgdx/i....._schwertes

    @ Lyoner

    Halten Sie es für möglich, dass die sowohl von Ihnen als auch von mir kritisierten Entwicklungen (AI, Computerhirnschnittstellen, Robotik etc.) Kastrationsbestrebungen sind?

    Vielen Dank im Voraus.

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    @ F. Ersoy
    „weil ja schließlich Assad und ISIS insgeheim verbündet seien.“

    Das passt nicht. Assad kann man alles mögliche vorwerfen, aber nicht, dass er früher keine Minderheiten in seinem Staat geduldet hätte. IS tötet und verfolgt aber diverse Minderheiten. Assad kooperiert(e) mit Hizbollah und Iran. IS aber verfolgt Schiiten.
    Es muss ja nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass in Vierergesprächen, ja, nichtmal unter vier Augen, jeder die Wahrheit sagt.
    Hier passt einfach vieles nicht zusammen, wie Stevanovic erwähnt.
    Bringen Sie es hier fertig, in diesem Zusammenhang eine schlüssige Erklärung für Benghazi zu liefern?

    @ Alan Posener
    Schön und gut, aber die 22jährige Grausamkeit ist „weißer Mann“, eine Konvertitin aus London, blaue Augen. Insgesamt kommen die Intellektuellen nicht umhin, google/youtube anzusprechen und auf Verantwortlichkeit zu pochen. Außerdem gehört der Spielesektor ernsthaft unter die Lupe. Das Video von Foley sollte nicht auf youtube öffentlich gezeigt und alle Enthauptungsvideos gesperrt und gelöscht werden, da festzustellen ist, dass es einige Zeitgenossen erst lustig macht, so etwas zu betrachten. Man würde den Mördern damit ihre Werbeplattform wegnehmen.
    Ich muss festsstellen, dass es reichlich Leute gibt, die nicht internetfähig sind. Das Ding braucht fast einen internationalen Führerschein und ein Mindestalter. Die Industrie will das nicht wahrhaben, zumal sie von Sensationen, auch Morden, Massenmorden und Genoziden extrem profitiert, die Clickzahlen dürften beträchtlich hochgehen wie auch Zeitungskäufe.
    Glauben Sie, dass es schon jemals eine derart zynische Zwiespältigkeit in einer Entwicklung gegeben hat?

  7. avatar

    Offensichtlich haben sich Deutschland und die EU entschieden, im Nordirak einen Stellvertreterkrieg fuehren zu lassen. Ein direktes Eingreifen der Nato saehe ich auch lieber. Schliesslich bedroht der islamische Terrorismus die gesamte westliche Welt und nicht nur Schiiten, Christen und Jesiten der Region.

  8. avatar

    @Stevanovic,

    kennen Sie eigentlich im Detail diesen berühmt-berüchtigten Mitschnitt dieses informellen Vierergesprächs, das so viel Aufsehen erregt hatte, weil der türkische Geheimdienstchef darin die Option von false flag-Operationen in Syrien ansprach? Dies in der Original-Transkription in der Gesamtheit zu lesen, ist nicht nur deswegen hoch interessant, weil einem dann erst so richtig dämmert, wie manipulativ falsch die medialen Zusammenfassungen dieses Gesprächs waren, sondern weil sich daraus mit Blick auf die aktuelle Lage im Irak diverse Rückschlüsse auf die inneren Beweggründe der türkischen Entscheidungsträger ergeben.

    Fälschlicherweise wurde das Gespräch in der Presse so dargestellt, als ginge es den Türken darum, einen Kriegsvorwand gegen Syrien konstruieren zu wollen. Das stimmt nicht. Es ging in dem Gespräch um die Erörterung von militärischen Optionen gegen ISIS. Jene Passage, aus der das klar hervorgeht, wurde grob verzerrt und falsch übersetzt.

    Davutoglu hat dieses Gedankenspiel von Fidan mit dem Hinweis vom Tisch gewischt, dass es für Operationen gegen Organisationen wie ISIS ohnehin keinen völkerrechtlichen Rechtfertigungsnotstand gibt, da ISIS akut türkisches Hoheitsgebiete in Syrien (das Süleyman-Schah Mausoleum in Syrien) bedrohe. Man müsse die diesbezügliche Absicht lediglich gegenüber dem syrischen Generalkonsulat in Istanbul anzeigen.

    Daraufhin hat der ebenfalls anwesende stellvertretende Generalstabschef den Einwand erhoben, dass man damit einen erforderlichen Überraschungseffekt wirkungslos machen würde, weil ja schließlich Assad und ISIS insgeheim verbündet seien.

    Das mal nur nebenbei erwähnt, da solche Details teils systematisch unterschlagen wurden, weil sie offenkundig nicht wirklich in das Bild passen, das eine ziemlich fanatische Anti-AKP-Presse im In-, wie auch Ausland von der türkischen Regierung zu zeichnen bestrebt ist.

    Interessant für unsere aktuelle Betrachtung sind allerdings die Beweggründe, warum im weiteren Abstand von solchen militärischen Optionen genommen wurde. Da beklagen die Anwesenden einhellig, dass man überhaupt zum ersten Male in der Geschichte des Landes nicht einmal in Fragen existenzieller nationaler Sicherheitsinteressen politischen und gesellschaftlichen Konsens erreichen könne.

    Ein Konsens, der wiederum dringend erforderlich sei, um das „danach“ einer solchen militärischen Operation zu stemmen: nämlich die Gefahr, dass ISIS sich mit ihrem Terror gegen die Türkei wendet.

    Die nackte Wahrheit ist: die Regierung hat angesichts der höchst angespannten innenpolitischen Lage im Land schlicht und ergreifend Angst vor den Folgen eines möglichen ISIS-Terrors in der Türkei.

    Im tausende km entfernten Europa warnen Sicherheitsbehörden unentwegt vor der Gefahr durch nach Europa zurückkehrende Djihaddisten. Diese Leute reisen in die Türkei mit ihren deutschen, niederländischen, belgischen, französischen Personalausweisen ein, wie sie wollen.

    Eine andere starke Strömung neben den Europäern, aus der sich ISIS-Kämpfer rekrutieren, sind die Tschetschenen. In einem Moloch wie Istanbul sind seit den russisch-tschetschenischen Auseinandersetzungen ganze tschetschenische Stadtviertel entstanden.

    Niemand kann heute auch nur annähernd realistisch einschätzen, wieviele ISIS-Schläfer sich in diesen Strukturen eingenistet haben. Die bittere Wahrheit ist, dass die Türkei im Moment gesellschaftlich und politisch nicht annähernd so stabil ist, als dass sie in der Lage wäre, einen brutalen Alptraum wie ISIS ohne schwerwiegende Verwerfungen zu ertragen. Stellen Sie sich nur vor, dass sich in unregelmäßigen Abständen über Wochen oder gar Monate Selbstmordattentäter in die Luft sprengen; in Istanbul, inmitten von großen Menschenmassen, in Antalya oder sonstigen Tourismusregionen.

    Schon heute sprießen – nach Kräften kolportiert von einer wild gewordenen Fundamentalopposition – im In- wie auch im Ausland allenthalben halbwahre Legenden und Mythen von einer aktiven Unterstützung von ISIS durch die türkische Regierung. Jedes einzelne ISIS-Opfer würde unmittelbar Erdogan und seiner Regierung persönlich angelastet werden. Die türkische Regierung ist im tatsächlichen wie auch im übertragenen Sinne mit einer gewaltigen tickenden Zeitbombe konfrontiert. In Wahrheit hat ISIS nicht nur im Nordirak 49 türkische Geiseln, sondern die ganze Regierung in Ankara.

    Das zur innenpolitischen Dimension. Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob Erdogan diese innenpolitischen Verwerfungen nicht trotzdem in Kauf nehmen würde, wenn sich mit einer Intervention denn wenigstens grundlegende außenpolitische Interessen verfolgen ließen. Dem ist aber nicht so. Ich hatte es oben bereits angedeutet: bei jeder potenziell intervenierenden Regionalmacht stellt sich automatisch die Frage, wie „man“ sie nach erledigter Arbeit denn wieder rausbekommt.

    „Man“ setzt sich in diesem Falle aus den Interessen sowohl des Westens, als auch der Kurden zusammen – ganz abgesehen von den Interessen derjenigen regionalen Mächte, die außen vor bleiben. Haben Sie von Barzani in den letzten Wochen gehört, dass er Ankara um Unterstützung ersucht hätte? Ich nicht. Er hat einen sehr intensiven und engen Draht zu Erdogan. Aber er will die Sache aus eben besagten Erwägungen heraus ohne die Intervention der Anrainer, mit Unterstützung der Amerikaner und Europäer regeln.

    Und denen kommt das durchaus gelegen. Türkisch-kurdische Kooperation ist zwar schön und gut, aber diese ist mittlerweile so eng, dass der Westen die Gelegenheit gerne nutzt, um eine Diversifikation der mit dieser engen Kooperation automatisch einhergehenden kurdischen Abhängigkeit von der Türkei zu erreichen. Dass von offizieller Stelle in Berlin, Washington, London oder Paris niemand auch nur andeutungsweise die naheliegende Frage aufgeworfen hat, warum Staaten wie die Türkei derart passiv sind, deute ich durchaus als Indiz dafür, dass man Ankara zu verstehen gegeben hat, dass es sich bitte zurückhalten möge.

    Wenn wenigstens einer dieser beiden Posten – innen- oder außenpolitisch – im Falle einer türkischen Intervention als „Guthaben“ verzeichnet werden könnte, würde man in Ankara sicherlich eine entsprechende Kosten-Nutzen-Kalkulation vornehmen. Da aber beide Faktoren sich gegenseitig bedingend nur sehr schwer zu kalkulierende und weitreichende Gefahren und Risiken in sich bergen, nimmt Erdogan davon Abstand und versucht jetzt erst einmal seine innenpolitischen „Baustellen“ in den Griff zu bekommen und die diesbezüglichen Schwachstellen zu konsolidieren. Nächstes Jahr stehen für ihn sehr wichtige Parlamentswahlen an, die seine AKP haushoch gewinnen muss, um im Parlament die erforderlichen Mehrheiten für die große Verfassungsreform zu erreichen, die er anstrebt.

    Die Veränderungen in der Großregion kommen für Ankara leider ein gutes Jahrzehnt zu früh. Das Land hat sich zwar hervorragend entwickelt in den letzten zehn Jahren, aber es ist – politisch, ökonomisch und auch militärisch – bei weitem noch nicht so weit, dass es die Rolle ausfüllen könnte, die Erdogan auf lange Sicht anstrebt.

  9. avatar

    Furchtbare Nachrichten, die sich häufen, jeden Tag.
    (Konvertitin)
    Khadijah Dare, who is originally from Lewisham in south east London, took to Twitter to celebrate the brutal murder of American journalist James Foley.

    The 22-year-old mother of one, who moved to Syria in 2012 with her Swedish husband and Isil fighter, Abu Bakr, expressed her desire to carry out a similar execution.
    http://www.telegraph.co.uk/new.....Syria.html

    Was haben wir falsch gemacht?
    Mal drüber denken: Vielleicht wurden wir einfach zu nett.

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      Lieber Marseillais, Die Vorstellung, alles leid der Welt und alle Dummheit der Welt sei irgendwie „unsere“ Schuld, ist ein Überbleibsel der ehrenhaften, aber überholten Vorstellung von der „Bürde des weißen Mannes“. Es gibt Dinge, die „wir“ nicht verhindern können.

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    @ Lucas
    Obama hat Recht und hatte auch mit Syrien Recht.
    Leon de Winter (FAZ) hat auch Recht, Augstein bezeichnet seine Schilderung als „lustvoll“, womit er ihn bewusst missversteht. Wenn de Winter lustvoll sein will, macht er das in Romanen in Sexschilderungen.

    @ F.Ersoy
    Interessant. Es ist ein Riesengebiet. Wie wäre es mit zwei Staaten von Anfang an? Dazu müssen Sie wissen, dass ich Kleinstaatlichkeit für vielversprechender halte, dazu größere lose Föderationen. Meine These wird belegt durch Andorra, Liechtenstein, Luxemburg, Schweiz, Tschechien und die Slowakei, aber auch bedingt, im Vergleich zu den größeren Staaten, durch Tunesien oder die Golfstaaten. Uruguay geht es besser als Brasilien, Costa Rica besser als Mexico, die drei Baltikstaaten machen sich gut. Wenn Sie allein den überaus menschlichen Spannungszustand in Familien- oder Freundeskreisen anschauen, kommen Sie zu dem Schluss, dass groß nicht funktionieren kann. Die Katalanen wären gern unter sich, desgleichen die Basken und die ostukrainischen Gebiete ebenfalls. Meine Frage: Zwei kurdische Staaten von Anfang an? Und zwei palästinensische Staaten, einer mittel-, einer langfristig?
    Nach Ihrer Logik hätte Deutschland nie Staat werden dürfen. Evangelen und Katholen waren sich oft spinnefeind und heirateten früher einander nicht. Zu Zeiten der Bauernaufstände gab es „Feudalclans“. Wollen Sie zu verstehen geben, dass sich Kurdistan im sechzehnten Jahrhundert befindet?

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    @lucas

    Es ist natürlich leichter, einen Erfolg durch ein Handeln zuzuweisen, als ein Erfolg durch unterlassen. In diesem Fall ist es eindeutig: Syrien hat Obama vergeigt und dieser Konflikt destabilisiert nun die Region. Der Aufstand in Syrien hatte seine Wurzeln nicht im Irak, es gab damals so etwas wie eine Zivilgesellschaft und ich kann mich erinnern, dass die Fundis erst Oberwasser bekamen, als Katar und Saudis die Lücke füllten, die das Unterlassen des Westens verursachte. Die rote Linie mit Giftgas war schon lächerlich, als ob es gute und schlechte Arten des Verreckens gäbe. Damals gab es noch Möglichkeiten, bestimmte Gruppen zu unterstützen, wir zogen es vor, die Hände in Unschuld zu waschen.
    Obamas Bilanz des Nahen Ostens ist um einiges verheerender, als die von Bush. Zumal Obama mit dem arabischen Frühling eine Situation hatte, in der sich tecktonische Platten bewegten, leider lenkte er keine in unsere Richtung. Ein schlechteres Ergebnis kann man als Führer der freien Welt nicht vorweisen. Den Irak befrieden, ok, kann wohl niemand, aber für das Kalifat ist er verantwortlich. Mist!

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    Obwohl man zur Rettung der stalinistischen Ehre hinzufügen muss, dass die auch Umerziehung im Angebot hatten. Kann sich ja jeder selbst überlegen, was er weniger schlimm findet: Ausmerzen oder umerziehen? Das ist hier die Frage.

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    @Moritz Berger
    btw ist die fehlende politische Homogenität doch eigentlich ein gutes Zeichen für westliche Kompatibilität.

    Linguistisch passts auch: Kurmandschi und Sorani sind Indogermanisch, also schon fast Deutsch.

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    @Moritz Berger
    ” Die Deutschen ” sind leider nicht so ” homogen ” wie sich alle vorstellen, siehe die Darstellung von lucas.

    Und auch hier:

    http://de.wikipedia.org/wiki/SPD

    http://de.wikipedia.org/wiki/CDU

    http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Linke

    Die Linke hat sich zusammen mit der SPD den Osten geangelt, CDU muss sich leider mit Bayern begnügen.

    In Hamburg fanden immer wieder durch Anarchokommunisten organisierte Proteste statt, sie wurden bisher von sämtlichen christlich, wie auch sozialdemokratischen Regionalregierungen niedergeschlagen. Vertreter der Roten-Flora wurden einkassiert. Journalisten von der taz und dem Freien Sender Kombinat an der Berichterstattung gehindert.

    @Stevanovic
    Ich hätte ein Eingreifen der USA auf Seiten der nationalistischen, liberalen und sozialistischen, den halbwegs demokratischen Kräften der syrischen Opposition gut gefunden.
    Obama wollte aber nicht.
    Ergebnis bekannt.
    Zur Rettung Obamas Ehre, labern alle Antiamerikaner und Obamafreunde BUSH IST SCHULD!!11elf

    @KJN
    Sie meinen Rabatte für den Werbeeffekt den es in Folge von investigativem „buhja, wir haben sie die Waffenhersteller!“-Journalismus geben wird? 😉

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    Nun werden die Waffen ja wohl geliefert – trotz der bis dato geltenden Richtlinie. Ich halte das für nicht gut, durchaus auch aufgrund der Lage, wie sie hier von den Kommentatoren dargestellt wurde. Und ich wollte darauf hinaus, daß solche halbgaren Entscheidungen durchaus gut zusammen mit einem Weltbild von Deutschland als einer großen Schweiz gehen: Liefern ja – Eingreifen nein. Die neuere ‚wir-müssen-Verantwortung-in-der-Welt-übernehmen-Rhetorik‘ dient dabei als Kontrapunkt zum verbreiteten Pazifismus, damit solche Entscheidungen möglich werden. Anders kann ich mir das nicht erklären. Mich würde noch interessieren, wer die ‚Ausrüstung‘ bezahlt und ob von Seiten der Hersteller Rabatte gewährt werden.

  16. avatar

    Wenn die Kurden einen eigenen Staat bekommen sollten, werden sie sofort von den westlichen Ländern ausgebeutet.

    Kriege werden nie aus humanitären Gründen geführt, sondern immer aus wirtschaflichen und Staatsinteressen, sagte schon Egon Bahr und er sagte weiterhin, dass wenn in Geschichtsbüchern etwas anderes steht oder jemand einem etwas anders erzählen wolle, man dies nicht glauben soll. So siehts aus.

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    @Fatih Ersoy
    Warum bittet die Türkei nicht bei NATO-Partner um Hilfe bei der Geiselbefreiung? Zu viel Nationalstolz? Warum macht sie es eigentlich nicht selbst? Keine eigene Truppe? Dafür braucht man keine 700.000 Soldaten die am besten neben 49 Geiseln auch noch Mossul einnehmen und Erdogan zum Ölscheich machen, sondern eine Einheit wie bei Entebbe. Oder ist nicht mal der Standort bekannt? Jedenfalls hätten Israel, Saudi-Arabien, der Iran und die Kurden bestimmt nichts gegen eine Geiselbefreiung einzuwenden.

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    @Fatih Ersoy
    Als würde die Türkei nicht nach eigenen Interessen handeln, Grenzen nach Oppurtunität und Gutdünken verschieben wollen.
    Warum sollte die Türkei dafür ein Vorrecht erhalten? Weil sie mal zu osmanischen Zeiten Imperium war?
    Sie sagen es doch selbst, die Türkei hätte Mossul am liebsten als komplette eigene Provinz. Aber mit welchem Recht dürfen die Türken und viele andere in der Region einen souveränen Staat, die Kurden aber keinen haben?

    Vermutlich ist der Kuchen gegessen, USA und Iran verbessern ihre Beziehungen über die Feindschaft gegen IS(IS) und die Kurden kriegen Krümel ab und nehmen wieder an der irakischen Regierung teil. Zusätzlich lässt die syrische Regierung aber Regierungssoldaten in den kurdisch-syrischen YPG gegen IS(IS) kämpfen. Da Assad mit dem Iran koaliert, koaliert die USA nun indirekt mit Assad. (Oder wäre es falsch das als Koalition zu bezeichnen?)

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    @Fatih Ersoy
    Was hat denn Palästina mit Kurdistan zu tun? Nicht dass ich etwas gegen eine Zweistaaten-Lösung hätte, aber überfällig ist Kurdistan.

    Palästina ist ein Staatswesen mit rivalisierenden politischen und konfessionellen Strömungen, oder gibt’s da nur Christen?
    PFLP statt PKK und Arafat als Feudalherr, dann passt ihre Beschreibung Kurdistans auf das glorreiche Palästina.

  20. avatar

    “ Die Kurden “ sind leider nicht so “ homogen “ wie sich die EU und die USA vorstellen, siehe die Darstellung von Fatih Ersoy.

    Und auch hier:

    http://de.wikipedia.org/wiki/K.....che_Partei

    http://de.wikipedia.org/wiki/P.....Kurdistans

    Nach den ersten freien Wahlen in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak im Jahr 1992 einigten sich die PUK und die DKP auf die gleiche Anzahl von Mandaten. Beide Parteien beabsichtigten gemeinsam zu regieren. 1993 kam es jedoch zu einem Konflikt zwischen den beiden Parteien im Nordirak. Dieser mündete 1994 in den DPK-PUK-Konflikt, in dessen Folge besetzten Peschmergas der PUK das kurdische Regionalparlament. Die Rivalität beider Parteien führte 1994 zur Zweiteilung der kurdischen Gebiete im Nordirak. Der Nordwesten der Gebiete wurde von der DKP kontrolliert, der Südosten stand unter dem Einfluss der PUK.
    Und wenn ich dann lese:

    „In Erbil versuchten am 25. Februar 2011 2000 Menschen eine Protestaktion gegen die Regionalregierung durchzuführen. Viele Menschen wurden dabei festgenommen. Mesud Barzani kündigte daraufhin Reformen an.[8] Am 17. Februar 2011 brachen zunächst in Sulaimaniyya Proteste aus, die überwiegend von Jugendlichen getragen wurden. Anlass war eine Brandstiftung im Büro der Partei Gorran in Erbil[9]. Überwiegend junge Leute protestierten gegen die Korruption der beiden herrschenden Parteien, fehlende öffentliche Versorgung und die fehlende freie Berichterstattung der Journalisten.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/A....._Kurdistan

  21. avatar

    Ganz unsportlich nachgetreten:

    ISIS, ein Verband aus ehemaligen Saddam-Soldaten, einigen sunnitischen Clanmitgliedern und schwererziehbaren Wohlstandskids schlägt eine von den US-Experten aufgebaute Armee mit zehnfacher Überlegenheit. Der Iran muss zuschauen, wie Schiiten aus der kurdischen Region vertrieben und ermordet werden, das ist der Iran, der Atomkraftwerke baut. Die Türkei will Regionalmacht sein, bekommt nichts geregelt, aber hunderttausende Flüchtlinge inklusive PKK. Syrien gehen die Syrer aus, demokratische Opposition ist abgebrannt, dafür wird Assad mit jedem Tag hübscher. Der Irak hat sich aufgelöst. Kurden, ohne Staat und Sympathien, gelten jetzt als Hoffnungsträger. Christen und Jesiden bald nur im Museum, falls es nicht wieder geplündert wird. Im Libanon Bombenstimmung!

    Können wir die Debatte noch mal auf den Punkt zurückdrehen, an dem ein Eingreifen der USA in Syrien auf Seiten der FSA überheblich, verantwortungslos und kriegstreiberisch gewesen wäre und alle nochmal ganz dolle erschaudern, was wohl passiert wäre, wenn die USA Assad bei Zeiten ausgepisst hätten? Gott sei Dank wurde damals das Schlimmste durch vernunftgeleiteten Wiederstand der Russen verhindert (das sind die, die in der Ukraine so konstruktiv kooperieren).

  22. avatar

    „Ich bin überzeugt: wäre die Türkei innenpolitisch nicht in derart unversöhnliche Lager gespalten, hätte man längst eingegriffen.“

    Wenn die Türkei wartet, bis die Lager versöhnt sind, bleibt die Türkei handlungsunfähig. Ankara kann ja nicht nur dann Außenpolitik machen, wenn alle gut gelaunt sind. Auch glaube ich nicht, dass ein äußerer Feind die Türkei weiter spalten würde, im Gegenteil. Gerade das spricht Neoosmanen und Kemalisten aller Lager an, sie haben Mosul selbst genannt. Im Grunde würde ein Eingreifen der Türkei die Geburtsstunde eines unabhängigen Kurdistan (als türkischer Satellit) sein. Der Irak wäre endgültig raus. Da die Türkei nicht mal die türkischen Kurden so integrieren kann, dass einer PKK die Basis fehlt, wäre es praktisch ein paar Probleme vor der Unabhängigkeitsfeier mit türkischen Taufpaten zu regeln. Durch den Druck der IS werden Jesiden und Christen aus dem Nahen Osten verschwinden. Beide Gruppen gewinnen auch in der Türkei keine Schönheitswettbewerbe. Kurz: die Rolle der Türkei ist mir mindestens genau so suspekt, wie die Rolle der Peschmerga. Die PKK spielt den Retter der Jesiden und die Türkei schaut zu? Nicht falsch verstehen: Ich spreche nicht von Absprachen, aber auch bei der Türkei gehen mir Fragen durch den Kopf, die ich mir mit der Macht einer türkischen Opposition, die Wahlniederlagen und Prügel in Serie eingesteckt hat, nicht erklären kann.

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    Die Vermutung, dass die Peschmerga, die immerhin der irakischen Armee die Stirn boten, aus denen Resten sich viel von der IS zusammensetzt, nicht gerade übermotiviert bei der Verteidigung der Jesiden waren, habe ich auch schon gehört. Auch passt es nicht, dass ausgerechnet die PKK, die zwar trainiert, aber bei weitem nicht bewaffnet ist wie die Peschmerga, die Menschen von den Bergen holte. Fand ich auch etwas seltsam. Die Bewaffnung der ISIS ist zwar nicht unerheblich, aber einige Haubitzen und ein Konvoi Humwees erklären nicht, warum die Peschmerga sich auf breiter Front zurückgezogen haben. Die amerikanische Ausrüstung ist neu, das andere Zeug ist Stand 70er. Keine Luftwaffe, Helikopter-Verbände oder ähnliches. Immerhin standen die Peschmerga vor kurzem einer zehnfachen Übermacht, die nicht nur die gleichen Waffen, sondern auch Giftgas hatte gegenüber und sie haben die Stellung gehalten. Dazu kündigte sich das Vordringen der IS schon seit Monaten an. Ja, dass die Peschmerga, die regelmäßig als diszipliniert, gut ausgebildet und gut bewaffnet galten (Stichwort: eigener Staat) jetzt plötzlich keine Waffen haben, um sich gegen leicht gepanzerte Jeeps zu verteidigen, passt nicht zusammen. Der T72 ist nicht schlecht, aber alle RPG können genau den knacken. Gebe an der Stelle ehrlich zu, dass ich nicht verstehe, was da vor sich geht. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass man hier und da eine Flurbereinigung zugelassen hat, aber Fragen stellen sich schon, zumal gerade die Jesiden auch unter Kurden nicht gerade beliebt sind.

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    @ F. Ersoy

    Ich bin zwar kein Völkerrechtler, aber soweit ich unser Grundgesetz kenne, ist der Bundeswehr ausserhalb eines „Bündisfalls“ oder eines UN-Einsatzes, der ein Einsatz als „Streithelfer“ nicht gestattet. Aber selbst wenn es so wäre, bin ich dagegen und finde, dass die UNO hier gefragt ist.

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    „…die Kurden zu bewaffnen, wenn man ihnen in Folge sehr schnell einen eigenen Staat gibt. …“

    … wenn sich so ein omnipotenter und geheimnisvoller „man“ anmaßen will, wieder irgendwelche Grenzen nach kurzsichtiger Opportunität oder Gutdünken ziehen zu wollen, darf „man“ sich gerne zunächst einmal dadurch austoben, in dem er für einen weit überfälligeren Staat Palästina sorgt.

    Dass Netanjahu einen kurdischen Staat im Nordirak ganz gerne sähe, mag zwar in dessen strategisches Kalkül passen, aber ein tribalistisch geprägtes kurdisches Staatswesen mit rivalisierenden ethnischen und konfessionellen Strömungen ist garantiert nicht das, was dem Wohlergehen weder des Nordiraks, noch der Region insgesamt wirklich dienlich wäre. Wir brauchen ganz sicher kein zweites Afghanistan da unten.

    Der Nordirak prosperiert in den letzten zehn Jahren einzig und allein aus einem Grund: weil man sich in Ermangelung von Alternativen mit Haut und Haar an die Türkei angehängt hat, wo eine gegenüber den Kurden sehr wohlwollende Regierung Erbil behandelt, als sei es eine eigene, mit größtmöglicher Autonomie ausgestattete türkische Provinz. Barzani und co. hatten kaum die Gelegenheit, irgend etwas falsch zu machen. Sie durften „ihr“ Öl, das eigentlich dem Gesamtirak gehört, über die Türkei auf die Weltmärkte bringen – sehr zum Ärger der Amerikaner und der Bagdader Zentralregierung übrigens – und mussten ansonsten lediglich entspannt zuschauen, wie türkische Firmen und Investoren das Gebiet in einem rasenden Tempo ökonomisch und infrastrukturell modernisiert haben.

    Natürlich war das bislang eine win-win-Situation für Türken und Kurden, zumal Ankara damit auch den eigenen Kurden demonstriert hat, dass es mitunter große Vorteile mit sich bringt, wenn man mit dem türkischen Staat kooperiert, statt sich in einen aussichtslosen Kampf in Reihen der PKK zu stürzen.

    Das ändert aber nichts daran, dass der Nordirak politisch von zwei feudalen Clans dominiert wird, die ihre ungebrochene soziale und ökonomische Macht und ihren Einfluss lediglich mit modernen Begrifflichkeiten des staatspolitischen Institutionalismus bemänteln. Die weiterhin absolutistische Macht dieser Feudalfürsten ist ungebrochen und wird lediglich in Begriffe wie Parlament, Polizei oder Armee kanalisiert. Barzani nennt sich gegenüber Außenstehenden halt nicht mehr Aga, sondern Präsident. Die Kämpfer sind ihm – und nur ihm – bedingungslos ergeben. Und mitnichten einem abstrakten Staat, dessen Uniform und Abzeichen sie tragen.

    Innerhalb dieses Machtbereiches leben neben Jeziden und Christen auch Turkmenen und schiitische Kurden. Auch die stellen ihre eigenen Ansprüche, was die Zukunftsgestaltung des Nordirak anbelangt.

    Der turkmenische Volksgruppenführer – auch die Turkmenen sind übrigens in Scharen auf der Flucht vor IS, was interessanterweise in der westlichen Perspektive kaum Erwähnung findet – hat dieser Tage angemahnt, eine mögliche Bewaffnung in der Region nicht auf die Kurden zu beschränken.

    Vom türkischen Norden her blickt mit der PKK auch schon ein ganz anderer Akteur begehrlich auf die mögliche Eigenstaatlichkeit des Nordiraks. Die PKK hat eigene Kampfverbände in den Kampf gegen IS entsandt, sicherlich nicht nur aus humanitärem Ansinnen. Das wird sicher lustig: auf der einen Seite feudale Clanchefs mit absolutistischen Ansprüchen, auf der anderen eine marxistisch ausgerichtete militante PKK. Mittendrin misstrauische ethnische und religiöse Minderheiten.

    Von den Anrainerstaaten, die etwaige unkalkulierbare Rückwirkungen auf die in ihren Staatsgrenzen lebenden Kurden im Auge haben müssen, mal ganz abgesehen.

    Das sind nicht die Zutaten für eine gelungene Staatsgründung, sondern für den nächsten Endloskonflikt, für Bürgerkriege, für undurchsichtige, stetig wechselnde Allianzen innerer und äußerer Akteure.

    Aber „man“ hatte ja in 3 oder gar 10 Tausend km Entfernung schon immer den besseren Durchblick und weiß am besten, was gut für „uns“ da unten ist.

  26. avatar

    Dear Alain,

    warum reactivieren sie nicht David Petraeus ???

    dann brauchen die krauts doch nicht an die Front.

    Und hier zu:

    „nicht anders als die Atomraketen, die im Kalten Krieg in Europa stationiert waren“

    Die nukes sind auch immer noch in Germany stationiert!!

    http://www.focus.de/wissen/tec.....54743.html

    und in der Welt:

    http://www.welt.de/politik/deu.....esten.html

    http://www.bbc.com/news/world-europe-22840880

    http://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_sharing

    und regarding the drones:

    http://rt.com/news/us-drones-germany-ramstein-625/

    vielleicht sind die buddies von der deutschen Bundeswehr schon in workshops in Ramstein?

  27. avatar

    Herr Posener, geht das an meine Adresse? Falls ja, bitte um Präzisierung. Verstehe auch nach mehrmaligem Lesen nicht, was Sie meinen.

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    „…Kampfeinsätze, wenn sie denn notwendig sind, nur aufgrund einer UNO Resolution und nur durch ordentliche UN-Blauhelme. Die dürfen auch gerne von NATO-Mitgliesländern gestellt werden….“

    Es bedarf keiner UN-Resolution für eine etwaige Intervention. Ein entsprechendes Ersuchen des Hoheitsträgers – in diesem Falle die Regierung in Bagdad – reicht völkerrechtlich vollends.

  29. avatar

    „…Der NATO-Partner Türkei steht mit (laut Wiki) 718.500 aktiven Soldaten daneben. Die Luftwaffe ist beeindruckend. Der Iran hat eine halbe Million Soldaten unter Waffen. Saudi Arabien hat über 200.000 Soldaten. Ohne Übertreibung kann man schätzen, dass ungefähr 2.000.000 Männer im besten Alter mit Waffen in der Hand um die ca. 15.000 IS Kämpfer herumstehen und ihnen zusehen….“

    IS hat das strategisch nicht dumm angestellt. Eine ihrer ersten „Amtshandlungen“ im Rahmen ihres Eroberungszuges im Irak war die Geiselnahme im türkischen Konsulat von Mossul. Im Moment haben sie 49 Diplomaten und Konsulatsbeamte in ihrer Gewalt.

    Die innenpolitische Konfrontation zwischen Regierung und Fundamentalopposition ist in der Türkei derart aufgeheizt, dass nicht viel Fantasie dazu gehört, um sich auszumalen, wem man es in der Türkei anlasten würde, wenn Enthauptungs-Videos von türkischen Geiseln im Internet auftauchen. Denken Sie nur mal daran, wie konsequent bspw. die Bergwerkskatastrophe in Soma von Seiten der Opposition politisch instrumentalisiert wurde.

    Ich bin überzeugt: wäre die Türkei innenpolitisch nicht in derart unversöhnliche Lager gespalten, hätte man längst eingegriffen.

    Aber auch davon unabhängig ist die Lage extrem verzwickt. Mich überkommt prinzipiell das kalte Ko…. angesichts der Vorstellung, dass Europäer und Amerikaner wieder Militär in der Region aufmarschieren lassen sollen.

    Auf der anderen Seite sind sämtliche regionalen Akteure, die für eine solche Operation in Frage kämen, sich untereinander kreuz und quer derart spinnefeind, dass jeder Alleingang des einen massive Spannungen mit den anderen hervorrufen würde. Türkei, Iran, Saudi Arabien, auch Israel: alle schauen sie auf den jeweils anderen, den man auf keinen Fall als Interventionisten im Nordirak sehen will, da sich nach der Erledigung von IS unweigerlich die Frage stellen würde, wie man denjenigen denn da wieder rausbekommt, wenn er erst einmal drin ist. Eine dauerhafte Präsenz eines dieser Akteure im Nordirak würde zu sehr dramatischen Veränderungen der Statik in der Region führen.

    Iran? Ein Alptraum für Saudi Arabien und Israel. Damit hätte Teheran durchgängige Hegemonie über ein Gebiet, das von Afghanistan bis an Israels Nordgrenze reicht, zumal wenn man sich vergegenwärtigt, dass dies auch den syrischen Bürgerkrieg endgültig zugunsten des Assad-Regimes entscheiden würde.

    Spiegelverkehrt kommt für Iran und seine Verbündeten ein Aufmarsch der Saudis nicht in Frage.

    Die Türken? Weder für Iraner noch für Saudis eine attraktive Vorstellung, zudem wahrscheinlich inakzeptabel für die Kurden und Israel, so dass man Ankara wahrscheinlich auch aus westlichen Kreisen zu verstehen gegeben hat, dass ein türkischer Alleingang unerwünscht ist.

    Zumal die Kurden generell nicht sonderlich angetan sein dürften von der Vorstellung, dass eine der Regionalmächte mit Militär in dem Gebiet auftaucht.

    Überhaupt bin ich mir nicht so ganz sicher, ob die Kurden tatsächlich mit offenen Karten spielen. Es stimmt zwar, dass IS Beute aus Arsenalen regulärer Armeen gemacht hat, das haben die nordirakischen Kurden aber auch. Vor etlichen Jahren, aus den verwaisten Kasernen des zerfallenen Saddam-Regimes. Die haben auch T-55 und T-72-Panzer.

    Die dürften also m.W. mitnichten nur irgendwelche Handfeuerwaffen parat haben. Ich vermute, dass sie vieles derzeit einfach noch zurückhalten und nur mit „angezogener Handbremse“ gegen IS kämpfen, um eine kontrolliert dramatisierte Spannungskurve aufzubauen, die ihnen nicht nur weitere, modernere Waffen aus europäischen Arsenalen beschert, sondern sie auch für die Zeit nach IS in eine politisch sehr opportune Position bringt, was das erklärte Langzeitziel der vollen Unabhängigkeit anbelangt.

    Sie werden ja jetzt schon als letzte heldenhafte Bastion gegen die Barbarei verklärt. Die Geschichte hat alles, was das nach Pathos lechzende Gemüt des westlichen Kinopublikums begehrt. Geheimnisvolle Yeziden, die sich wie einst Werfels Armenier des Musa Dagh auf irgendwelche Berge retten, die Kurden als romantisch verklärtes kriegerisches Bergvolk im heldenhaften Widerstand gegen das übermächtige Böse schlechthin …

    Ich traue dem Braten nicht. Unstrittig ist, dass IS gestoppt werden muss. Als Türke würde ich es am liebsten sehen, wenn wir das übernehmen würden. Unser emotionaler und ideeller Bezug zu dem Gebiet ist ungebrochen. Auch auf Seiten der Anti-Erdogan-Opposition. „Unsere“ ehemalige Provinz Mossul ist die einzige Region, die in Atatürks Vision der Türkei fehlt. Höchst widerwillig haben wir erst 1926 auf dieses Gebiet verzichtet.

    Aufgrund der oben skizzierten politischen Gemengelage dürfte es allerdings sehr unwahrscheinlich sein, dass die Türken oder irgend eine andere Regionalmacht hierfür in Frage kommt, so dass es am Ende – leider – wieder doch auf Europäer und Amerikaner hinausläuft.

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    @Alan Posener
    Ich erinnere mich an einen Bundespräsidenten namens Köhler, der gegangen wurde, weil er Klartext (Sicherung der Handelswege) sprach. Und „man“ war bereits derzeit die politische Klasse. Und – Sie haben natürlich recht – heute klingt das aus aus einem großen Teil derselben anders und selbst die Exportindustrie zieht, z.B. im Falle Putin mit, während Frau Käßmann noch von der Abschaffung der Bundeswehr träumt. Alles das geht auf einmal recht schnell.
    Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, damals wäre schon Klartext über die Kosten der militärischen Sicherung unserer Ex- und Importwege geredet worden. Wäre das von „uns“ (dem Bürger) zuviel verlangt oder zuviel Zumutung gewesen? Wer profitiert eigentlich von dieser Verschleierung?

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    @Stevanovic
    Die unverantwortlichen Staaten mit der Menge der zuguckenden Soldaten ist wirklich ziemlich seltsam…
    Wie viele Peshmerga gibt’s?

    Warum aber sollte der Westen das nicht leisten können?

    Unterstreicht das nicht meinen Einwand, dass die Kurden, im Gegensatz zum NATO-Mitglied Türkei, ganz abgesehen von Saudi Arabien und dem Iran, dort trotz fehlendem „richtigen“ Staatsgebiet die am stärksten dort Verantwortung übernehmende Regionalkraft sind?

    @Marseillais
    klerikalfaschistischer Panarabismus. Vermutlich der Grund für das fröhliche Einverständnis zwischen (panarabisch-nationalistischer) Baath und Islamisten in der Naqshbandi Army. (ist das eigentlich Beweis für die doch im Irak vorhandene Koalition zwischen Baathisten und Islamisten/AlQaida?)
    Gegen ein demokratisches analog zur EU vereinigtes und am besten assoziiertes (Netzwerkimperium) geographisches Arabien (also nicht nur für Araber, sondern gleichberechtigt (also nicht Dhimmi oder tot) auch Juden (na, wollen wir mal den Mund nicht zu voll nehmen…), Kurden, Perser, Atheisten, Türken, Drusen, Jesiden, Christen, wen auch immer) hätte ich nichts einzuwenden.

    China könnte dort auch eingreifen, die haben da Öl.

  32. avatar

    … auf die Pressefreiheit.
    Ich versteh gar nicht, warum sich alle darüber aufregen, dass man diesen deutschen Journalisten in Ferguson einkassiert hat:
    „In Vorbereitung der Räumung ist es zu massiven Behinderungen der Medien gekommen. So wurden die Berichterstatter der taz und des Senders FSK (Freies Sender Kombinat) von Polizisten aus dem Kernbereich hinter die Polizeiabsperrung „hinausgeführt“, während andere Medienvertreter vor Ort bleiben konnten und die Polizei später ins Gebäude begleiten durften.

    Polizei-Hundertschaftsführer Berndt Wagner begründete seine Anordnung damit, dass es ausreiche, das Geschehen aus der Entfernung zu verfolgen und drohte einem taz-Redakteur mit Ingewahrsamnahme.“ – http://www.taz.de/!69657/

    daher noch einmal:
    „Immer feste druff“

    1. avatar

      Ist halt anders, wenn’s Amis sind, nicht wahr. Alle Länder sind gleich, aber manche sind ungleicher als andere.

  33. avatar

    Keine Waffen liefern ist OK. (Herrn Kauder und den von Ihnen zwar nicht genannten, aber gerade in dieser Frage sehr aktiven Cem Özdemir, finde ich eh widerlich.)

    Kampfeinsätze, wenn sie denn notwendig sind, nur aufgrund einer UNO Resolution und nur durch ordentliche UN-Blauhelme. Die dürfen auch gerne von NATO-Mitgliesländern gestellt werden.

    Tatsächlich geht es bei dieser „IS(IS)-Show“ aber wohl auch und gerade darum, die von der NATO orchestrierte neue globale Sicherheitsdoktrin zu festigen, in der die NATO unter Führung des Pentagon letztlich sagt, wem wo „geholfen“ wird oder wer gerade zu den „Schurken“ und wer zu den „Willigen“ gezählt wird.

  34. avatar

    Dass dieses Deutschland millionen Bundestrainer hat, ist eine Binse, dass es für abertausende Schiedsrichter auf dem Feld reichen würde, auch. Überhaupt mit Richtern, Rechtsanwälten und Bescheidwissern, ist dieses Land gesegnet und seines Gleichen suchend. Jedoch: Daß dieses Land auch ausgestattet ist, mit absoluten Spezialisten in der Landesverteidigung, Kriegskünstlern und Kriegswissenschaftlern, genauestens Bescheid wissend, wie Angriffe geführt, abgewehrt und beantwortet werden, dies ist mir neu. Es nicht nur Starke Meinungen sind, sondern Strategische Studien gleichkommt, Taktik und Operationsführung militärischer Kräfte und Kräfteansätzen auf unterschiedlichen Kriegsschauplätzen zur Erreichung eines gemeinsamen und mehr übergeordneten Zieles, dies haut mich dann doch vom bequemen Schemel, vor der dem Pixelautomaten.

    Es trifft mich deshalb hart, weil damals im Kindergarten das Spielen mit Panzern und das Ballern mit Käppselepistolen noch sooo verpöhnt war. Schon das Spiel, als Räuber und Schandarm, war der moralischen Vernichtungswaffe ausgesetzt. Man hat uns den Bagger und das Schäufele in die Hand gedrückt und gesagt: „Mit dem kannst´e spielen, solang ´de willst!“

    Ich mein´, es war ein Alt-Türke, den man damals zitiert hat:

    „Wenn´de zu Hause Frieden hält´st, dann haste ihn auf der ganzen Welt.“ osä.

    Vielleicht könnte es uns gelingen, daß wir auch andere davon überzeugen können. Ein frommer Wunsch, ja….

    wenn nicht, dann bin ich dafür, nicht nur zu reden, sondern gleich ein richtiges Geschäft daraus zu machen. Ein Brief an die PR von BASF, Rheinmetall, Krauss-Maffei, EADS… – warum nicht? ..“Was ist es Euch wert, wenn wir Euch bei Eurer Arbeit unterstützen…?“ „Unsere Überzeugung muß Euch Bares wert sein…!“ „Haut rein! – Wir sind mit dabei!“

    PS: Am allerschönsten finde ich es, wenn Diejenigen, die „Verantwortung übernehmen“ rufen, zuhause sitzen und Gehalt mit anschließender lebenslanger Pensionsversorgung, von der Staatskasse einfordern, wie unser Bundespräse, … ein Beispiel von vielen…

    PPS: „Als die größte Paradoxie des Krieges bezeichnet Edward Luttwak die Möglichkeit, dass die militärischen Sieger auf längere Sicht zu den eigentlichen Verlierern werden können.“ wiki

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    Es macht Sinn, in Krisengebieten staatliche Strukturen zu organisieren, die auch das Kerngeschäft beherrschen: den Schutz der eigenen Bevölkerung. Dafür brauchen sie Waffen, die mehr Rums haben als die Waffen derer, die die Bevölkerung bedrohen oder die diese staatlichen Strukturen platt machen wollen. Deswegen gibt es den internationalen Waffenhandel, auch und gerade in Krisengebiete.
    Die Idee, durch Drohnen eine Art fliegender Weltpolizei zu installieren, hat natürlich ihren Charme. Wozu Kurden in die Lage versetzen sich selbst zu verteidigen, wenn ein Anruf in der US-Botschaft genügen würde? Somit kann man die Verteidigungsfähigkeit outsourcen, sollte es härtere Probleme geben, gibt es ja Black Water.

    Gewonnen hat dann der, der die Nummer der Botschaft schneller findet?

    Das Ziel der Hilfe ist der Aufbau staatlicher Strukturen, die eine ISIS erst gar nicht entstehen lassen. Dazu brauchen die Sicherheitskräfte Waffen, besonders Handfeuerwaffen. Eine Drohnen-PanAm kann das nicht ersetzen.

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    1. Hier ist gut aufgeschrieben, worum es bei den meisten Konflikten wirklich geht, was wir im Prinzip alle wissen, trotzdem erhellende Analyse:
    http://www.welt.de/wirtschaft/.....error.html
    2. Ansgar Graw tut mir etwas leid, starkes Stück.

    Zu 1: Was in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Diskussion regelmäßig auffiel, war die Fixation auf die USA und ihr Ölinteresse (Irak, the ’no blood for oil‘ topic). Vergessen wurde, dass lokale Interessen ebfs. bestehen und dafür gleichfalls Menschen getötet werden, in letzterem Fall vor allem Alte und solche, die zu schwach zum Weglaufen sind, während die Frauen entführt und versklavt werden, und leider, das ist heutzutage fundamental islamisch, auch wenn manche das nicht hören wollen, da zunächst die Briten, dann der Bürgerkrieg in den USA die katholische Kirche daran gehindert haben. Zu diesem Thema gibt es einen hervorragenden Film. Wer französisch kann, sollte ihn sehen: La Controverse de Valladolid.

    Lieber Alan Posener:
    Etwas mehr Außenpolitik würde Ihrem blog ganz gut tun. Wir sind nicht der Nabel der Welt, außer im Autosektor, sondern mehr von dem Außen bestimmt heutzutage, als wir zugeben wollen.

  37. avatar

    fernzerstörbare Waffen mit geplanter Obsoleszenz?

    Die Kurden gelten als diszipliniert und sind schon länger gut organisiert, weiterhin gehören sie zu den wenigen die etwas gegen die IS(IS) langfristig ausgerichtet haben.

    Zu bedenken gebe ich aber die Frage was aus dem kurdischen Nationalismus wird, wenn er einen eigenen Staat hat, werden dann andere Nichtterroristen massakriert? Wäre nicht das erste Mal, das ein Nationalismus sich so entwickelt. Oder sind die kurdischen Institutionen genug gefestigt, dass das nicht passieren kann?

    Für unseren NATO-„Partner“ (lässt ISIS durch ihr Grenzgebiet latschen) Türkei interessieren sich die anderen NATO-Mitglieder (von ihnen genannte und Kanada) auch nicht. Die zahlreichen Deutschtürken könnten aber beleidigt sein.
    Deutschland muss aber keine Gesetze brechen sondern kann sie einfach auf deutscher (nicht europäischer) Ebene ändern. Oder nicht?
    Unsere Praxis: Panzerfabrik in Algerien. Restriktiv? Ernsthaft? Oder wissen sie mehr als andere und können sagen, wer oder was da in 5 Jahren herrscht?
    Die Verbiegung würde die Bundesregierung schon schaffen.

    Handelt es sich bei Kurdistan nicht um verantwortlich handelnde Institutionen ohne anerkanntes Staatsgebiet (autonome Territorien haben sie ja schon)? Die westlichen Ölfelder werden verteidigt (was ist daran zynisch? erfrieren möchte ich nicht), humanitäre Einsätze wie der Schutz der Jesiden, mangels Waffen mit Hilfe des Westens, durchgeführt.

    Wie vielleicht klar wird, sehe ich Waffenlieferungen an die Kurden nicht so problematisch. Aber ich würde auch keinen Zwergenaufstand machen, wenn der Westen (am besten gemeinsam mit u.a. China, Russland) den IS(IS) direkt bekämpft und den (erstmal) Kurden keine Waffen zukommen ließe. Eine Unterstützung eines kurdischen Staats fände ich trotzdem gut und eigentlich ist das doch sowieso schon so gut wie besiegelt und vor allem überfällig: der Irak und Syrien sind zerfallen. Weiterhin ist uns (dem Westen) Kurdistan mit seinem traditionell fröhlich friedlichen multikulti Religionsgemenge gar nicht unähnlich. Passt besser als so manch anderer „Partner“…

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    @ Apo
    Fast vollständige Zustimmung meinerseits.
    Wieso „fast“?
    Ich hatte mal einen Traum. Deutschlands Regierung beschließt, nach ausführlicher öffentlicher Diskussion und immerhin zwei Weltkriegen, folgendes: Wenn irgendwo unsere Hilfe in Kriegen oder Völkermorden erforderlich wird, dann helfen wir. Aber ausschließlich humanitär oder beim Wiederaufbau von Infrastruktur, also z.B. Energieversorgung, Gesundheitswesen, Bildung, Straßen usw. Klingt Illusionär? Stimmt. Aber nur, weil in diesem unseren Land seit dem 2. Weltkrieg eben keinerlei Klarheit über seine Rolle in der Welt besteht. Von der Wiederbewaffnung in den 50’ern bis heute schwurbelten die Verantwortlichen von Adenauer bis Merkel, von Gauck bis Gabriel mehr oder weniger verlogen herum. Keiner traut sich öffentlich und klar zu sagen, dass wir für Rohstoffe und Handelswege eben doch Krieg führen würden, stattdessen schießen wir für ein bisschen Frieden auch mal ein bisschen mit- oder wir schießen nicht mehr selbst, wir liefern das Gewehr. Ist ein Land heute tatsächlich nur noch ein „verlässlicher Partner“ wenn es bereit ist, auch bewaffnet zu reagieren? Was wäre so entsetzlich daran, wenn Deutschland zwar eine Armee betreibt, diese aber auschließlich zur Landesverteidigung einsetzen würde? Warum gilt internationale Krisenhilfe nur was, wenn sie bewaffnet daher kommt? Warum glaubt niemand Leuten wie Jürgen Todenhöfer, wenn sie berichten, dass ihre Hilfsprojekte wie in Afghanistan nur so lange halbwegs funktionieren (trotz Taliban und Warlords) bis uniformierte US oder auch deutsche Soldaten auftauchen? Und warum sind die Ausgaben für Militär immer deutlich höher, als die Ausgaben für humanitäre Hilfe? Warum kommen Waffen immer schneller, als Trinkwasser, Zelte, Decken usw. Ja, wir (Deutschland) würde mit so einem Beschluss seine internationalen Partner irritieren- seis drum. Ja, das würde nicht nur bei Heckler und Koch, sondern auch bei Sig Sauer, Daimler, Rheinmetall, Airbus u.v.a. Umsatz und Arbeitsplätze kosten. Dann müste unser Staat und seine Bürger eben mal öffentlich über Alternativen zur Rüstung nachdenken und entsprechende Umschulungen und Umstrukturierungen angehen und finanzieren. Und wetten das ein solcher Prozess letztlich billiger und weniger blutig wäre? Übrigens: Die Zahl der Waffen in der Region ist stetig gestiegen. Friedlicher ist die Gegend nun wirklich nicht geworden. Wenn eine Medizin nachweislich nicht hilft, dann nützt es selten, die Dosis zu erhöhen.

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    @ Alan Posener
    Stimme zu. Wage einzuwenden, dass es möglich erscheint, die Kurden zu bewaffnen, wenn man ihnen in Folge sehr schnell einen eigenen Staat gibt. Es geht aber nicht, dass Europa die Kurden bewaffnet, während die USA/oder Steinmeier einen eigenen Staat verhindern wollen. Ein eigener kurdischer Staat erscheint lange überfällig.
    Ansonsten las ich, dass die Kurden ohnehin bewaffnet werden und zwar von Iran. Eine Annäherung von Israel/USA und Iran erscheint mir genauso überfällig.
    Langfristig wage ich die Prognose, dass die Araber nach dieser Sache nicht mehr weit kommen. Die ist ebenso schlimm wie Nineleven, nur auf weiter entferntem Boden. Ihre unter dem Titel „Religion“ verborgenen Aspirationen sind nichts weiter als Panarabismus. Die Schiiten, die Sie dankenswerterweise erwähnen, sind meistens keine Araber.
    Somit verstrickt sich Steinmeier, wenn er einen Kurdenstaat ablehnt, aber die Kurden bewaffnen lässt, m.E. in einen Widerspruch.

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    Der NATO-Partner Türkei steht mit (laut Wiki) 718.500 aktiven Soldaten daneben. Die Luftwaffe ist beeindruckend. Der Iran hat eine halbe Million Soldaten unter Waffen. Saudi Arabien hat über 200.000 Soldaten. Ohne Übertreibung kann man schätzen, dass ungefähr 2.000.000 Männer im besten Alter mit Waffen in der Hand um die ca. 15.000 IS Kämpfer herumstehen und ihnen zusehen.

    Das machen sie ja nicht ohne Grund, jeder hat so seinen. Der IS ist nicht vom Himmel gefallen oder hat sich plötzlich materialisiert. Wenn wir die Jesiden schützen wollen, müssen wir sie ausfliegen. Ist es nicht eine Nummer zu groß (rein praktisch), mit eignen Soldaten Menschen zu schützen, deren Tod mehrere Staaten mit 2.000.000 bewaffneter Soldaten nicht wirklich rührt? Können wir das von Deutschland aus überhaupt leisten, oder nehmen wir da nicht etwas den Mund zu voll?

    Einer der Gründe für die israelische Aufrüstung ist das sehr richtige Argument, dass die Europäer sie nicht schützen können, selbst wenn sie es wöllten. Die geben zu Recht auf irgendwelche Garantieversprechen nicht viel.

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    Auch wenn man uns ständig versucht anderes weiszumachen: Deutschland ist kein Technologiekonzern, der wahlweise Brunnen baut, Hilfsgüter, Kraftwerke oder Security-Konzepte liefert und damit seine Sicherheits- und sonstigen Interessen hinreichend in der Welt vertreten hätte. (Wie man an der Spionageaktivität des BND in der Türkei sieht.) Endlich Abschied von der Scheinheiligkeit und willkommen in der Realität!

    1. avatar

      Wer ist „man“? Und versucht „man“ „uns“ ständig weiszumachen, Deutschland sei eine Art groß angelegte Schweiz, oder ist es nicht vielmehr so, dass vom Bundespräsidenten abwärts mittlerweile die politische Klasse dem Wähler unisono erklärt, mit dieser Illusion müsse Schluss sein?

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