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Die Abenteuer des braven Soldaten Karl

Mein Onkel Karl, nach dem ich benannt wurde – mein voller Name lautet Alan Carl Posener (meine Mutter bestand auf dem „C“) – wurde 1898 in Berlin geboren und starb 1946 in Adelaide, Australien.

1915, mit knapp siebzehn Jahren, meldete sich Karl freiwillig. Mein Vater schreibt in seinen Memoiren, „Heimliche Erinnerungen“ (Siedler 2004), aus denen ich auch im folgenden zitiere: „ Mit dem Gefühl, dass das geliebte Vaterland jede Hand bräuchte, die ein Gewehr halten könnte, war auch der Glaube verbreitet, dass nach dem Sieg das deutsche Volk, wenn es einmal gesehen hätte, wie seine Juden zu den Waffen geeilt waren, endlich vom Antisemitismus geheilt sein würde.“

Es kam bekanntlich anders, und zwar gründlich. Aber ich greife vor.

Karl diente in einem Artillerieregiment an der Westfront. Als er eines Nachmittags am Feldtelefon eingesetzt war, hörte er, wie sein Batterieführer vom Major angerufen und von diesem gefragt wurde, ob es unter den Abiturienten – nur die kamen für die Offizierslaufbahn in Frage – „ehrlose Leute, geistig Zurückgebliebene oder Juden“ gebe, die man selbstverständlich zurückstellen müsse. „Karl, siebzehn Jahre alt, jüdischer Kriegsfreiwilliger und deutscher Patriot, ging schnurstracks zum Major und stellte ihn zur Rede.“

Ein Fehler. Er wurde sofort zu einem Beobachtungsposten vor den Linien abkommandiert, wo er kurz darauf von einer einschlagenden Granate verschüttet wurde. „Als man ihn ausgrub, war er mit den Nerven am Ende.“ Heute würde man von posttraumatischem Stress reden, damals sprach man in England von „shell shock“, in Deutschland von einem „Bombenschaden“.

Nach einigen Zwischenstationen kam er im Winter 1917 nach Berlin ins „Haus Schönow“. (Zufällig lebe ich heute gar nicht weit von dieser Anstalt.) Der Leiter der Institution, ein Professor Henneberg, las Karl den Befund vor. Darin beschrieb Henneberg den  Jungen als „typisch jüdischen Degenerierten“ beschrieben, „dem das Wenige, was er je an Charakterfestigkeit besessen haben mag, im Krieg abhanden gekommen ist.“

Mein Großvater, dem Karl von der Diagnose erzählte, stellte Henneberg – immerhin in Gegenwart des Patienten – zur Rede. Was mit der Krankenakte passierte, weiß ich nicht, aber Karl wurde als „garnisonsverwendungsfähig“ entlassen. Als es zur entscheidenden Offensive im Frühjahr 1918 kam, wurde er wieder an die Front versetzt, an den Abschnitt Montdidier, wo seine ganze Batterie beim Rückzug ausgelöscht wurde. Karl überlebte als Einziger, weil er wieder einmal auf einen vorgeschobenen Posten geschickt worden war. Nach der Schlacht bei Albert wurde er endlich zur Offiziersausbildung zugelassen – in der Not musste das liebe Vaterland nun auch auf Juden und andere Degenerierte zurückgreifen – und erlebte das Kriegsende auf dem Lehrgang in Hagenau, wo er und einige andere Kadetten vom Soldatenrat festgesetzt wurden, weil sie sich weigerten, die Rangabzeichen von den Uniformen herunterzureißen.

Während die revolutionären Soldaten in der Bahnhofsgaststätte mit ihren Gefangenen auf Befehle warteten, entdeckten sie die Schnapsvorräte und Karl ein Klavier. Er spielte, sie tranken, und gegen Mitternacht konnte er sich fort schleichen und auf einen Güterzug Richtung Berlin springen.

 

Mir scheint, diese kleine, tragikomische Geschichte macht einiges klar. Dumme, ja verbrecherische Offiziere gibt und gab es in jedem Heer. Dumme und verbrecherische Lazarettärzte auch. Und Deutschland hatte damals kein Monopol am Antisemitismus. Und doch glaube ich, dass dies im britischen Heer so nicht passiert wäre.

Der Dichter Siegfried Sassoon etwa – gewiss, nur „Halbjude“, aber im Glauben der Väter erzogen – wurde selbstverständlich Offizier; und auch nach seiner hochverräterischen Erklärung gegen den Krieg 1916 kam er nicht vors Kriegsgericht, sondern – mit der Begründung, er leide unter „shell shock“ – in eine Nervenanstalt, deren Leiter sehr bald erkannte, dass Sassoon keineswegs verrückt war und dafür sorgte, dass Sassoon auf eigenen Wunsch frontverwendungsfähig geschrieben wurde und nach Frankreich zurückkehren konnte, wo er sich wie zuvor – ohne seine Einstellung zum Krieg geändert zu haben – durch Tapferkeit auszeichnete.

Während die „Kriegsschuldfrage“ relativ akademisch bleibt, ist die Frage keineswegs akademisch, was da für Gesellschaften gegeneinander Krieg führten. Und warum die deutsche Gesellschaft, anstatt die Leistungen der jüdischen Kriegsfreiwilligen wie Karl zu würdigen, in weiten Teilen nach dem Krieg erst recht einen aggressiven Antisemitismus pflegte und die Juden als Kriegsgewinnler und Bolschewiki, Pazifisten und Zersetzer der deutschen Moral, Kultur und Rasse attackierte.

Man kann das weder mit dem Schandfrieden von Versailles erklären noch mit der Inflation oder der Wirtschaftskrise – und auch nicht mit der Tatsache, dass es unter den russischen und jüdischen Revolutionären viele Juden gab, was das Bürgertum sozusagen aus Furcht vor der Vernichtung zum Präventivschlag in Gestalt des Holocaust trieb, wie es Ernst Nolte behauptet. Auch in Großbritannien waren die Zwischenkriegsjahre hart; auch dort kannte man den Namen Trotzki; und doch hatte dort – obwohl eine Form des milden Antisemitismus durchaus gesellschaftsfähig war – der auf Ausschluss der Juden aus der Gesellschaft zielende, aggressive Antisemitismus, wie er östlich des Rheins und nördlich der Alpen gepflegt wurde, keine Chance. Die von Berlin und Wien ausgehende Moderne, der Fortschritt von Wissenschaft und Industrie in den Jahren seit der Reichsgründung, der Stolz auf den preußischen Rechtsstaat und das deutsche Bildungsbürgertum übertünchten, wie mir scheint, die Tatsache, dass die „verspätete Nation“ in vielerlei Hinsicht noch rückschrittlich war. Eine Tatsache, die ein Thomas Mann etwa zu Beginn des Krieges geradezu feierte. Franzosen und Engländer hatten eine höhere „Zivilisation“, gewiss; die Deutschen dafür eine tiefere Kultur.

 

Karl wurde Arzt und arbeitete am Krankenhaus Moabit und in der klinischen Forschung an der Charité. Das von Otto Warburg (Nobelpreis 1931), Erwin Negelein und Karl Posener 1924 vorgelegte Papier „Über den Stoffwechsel der Carcinomzelle“, in dem zum ersten Mal der später so genannte „Warburg-Effekt“ beschrieben wurde, gilt als wegweisend für alternative Krebstherapien und wird seit der experimentellen Bestätigung einiger dort gemachter Vermutungen 2006 in Jena wieder verstärkt in der klinischen Forschung und Medikamentenentwicklung rezipiert. Als Karl er von den Nazis aus seinem Amt entfernt wurde, ging er mit seiner nichtjüdischen Frau nach England, wo er am Imperial College in London lehrte. 1939 wanderte er nach Australien aus, wo er als Dozent an der Universität in Adelaide arbeitete. Karl starb an den Spätfolgen einer Verwundung, die er sich beim Entladen eines brennenden Munitionszugs 1915 zugezogen hatte. Er hatte keine Kinder.

 

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54 Gedanken zu “Die Abenteuer des braven Soldaten Karl;”

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    „Es ist unverständlich, warum manche Kommentatoren den moralischen Aspekt jener Europa-Idee, die nach 1945 im Westen entstand und auf uns im Osten stark abfärbte, mit solchem Elan demontieren.“

    Vielleicht deswegen:

    „Das wilhelminische Deutschland war nicht nur eine nervöse Großmacht, sondern ein Parvenü unter den europäischen Spielern, unfähig, eine Partnerschaft mit Kleineren und Mittleren zu denken.“

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    England hat nicht den Krieg verloren und die englische Monarchie wurde auch nicht gestürzt. Das ist ein deutlicher Unterschied zur deutschen Situation. Auch lag das kommunistische Russland den Deutschen direkt vor der Haustür, die Engländer hatten noch die sichere See dazwischen. Wen die Engländer als Sündenböcke gesucht hätten, bleibt Spekulation, ich weiß nicht, ob es im Empire vor dem 1. Weltkrieg Antisemitismus von Gewicht gab.

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    @ Alan Posener

    Ich postuliere, dass Sie ganz genau wissen, dass der Campus-Antisemitismus in den Vereinigten Staaten ausgeht von einer muslimischen Minderheit unter den Studenten mit freundlicher Unterstützung einiger halblinker Intellektueller unter den Professoren und diverser Verbände. Den Universitätsbetreibern sind aufgrund von Finanzierungen aus weit entfernten Ländern, die ich wohl kaum benennen muss, genauso die Hände gebunden wie den Medien aus demselben Grund.
    Klassischer AS in den USA dagegen ist eher beim redneck zu finden und ziemlich marginal.
    Bestimmte Immigranten kommen in andere Länder nur mit einem kleinen Koffer: Und in dem Koffer liegt Israelhass, Israelhass und Israelhass. Leider Gottes trifft der auf Wegschauen, Toleranz genannt, oder linksintellektuelle Unterstützung. Ich kann mich in etwa daran erinnern, dass entweder Dershowitz oder Krauthammer aufgrund dieser Fraktionen einen Vortrag in einer Ivy-League-Institution, ich glaube Harvard, absagen musste. Soll ich es suchen?
    Mill dürfte allenfalls eine Randerscheinung dabei sein.
    Finden Sie Shakespeare auch schlecht, nur weil er den ‚Kaufmann von Venedig‘ geschrieben hat? Meinen Sie, dass eine antike Story wie jene auch nur das Geringste mit dem heutigen Antisemitismus zu tun hat? Diese Leute vergewaltigen jeden Berühmten, den sie zu fassen kriegen, nur um sich zu legitimieren. Dabei haben sie den Antisemitismus so tief in den Memen, dass er noch genetisch werden kann.
    Wissen Sie, warum ich Dubya mochte? Kein Antisemit. Ein schlecht durchdachter Krieg, aber kein Antisemit. Carter dagegen: Kein Krieg.

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    @ Alan Posener
    Dieudonné ist ein Antisemit, soviel ich weiß. Kann mir kaum vorstellen, dass achgut für den eintritt. Link zu achgut?
    Schade finde ich, wenn Journalisten nachtragend sind. Das betrifft Ihre Einstellung zu achgut, tanti anni fa, wachen Sie auf. Und zum Ausgleich: Das betrifft auch b.’s Einstellung zu Alice S. Was er da gerade veranstaltet und publiziert, ist etwas billig.
    Journalisten sollten öfter fünf gerade sein lassen und Schnittstellen bei der Wahrheitsfindung beackern, zumal sie sich selbst oft genug täuschen lassen und schon geirrt haben.
    Broder schrieb gestern über das zweite (?) Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis wider Deinen Nächsten ablegen, übersetzt: Du sollst nicht petzen, verpfeifen, hetzen, mobben. Das bringen wir Kindern bei. Ich bin enttäuscht, wenn man es ausspricht und gleichzeitig selbst tut. Ich mag Alice S. nicht besonders, würde aber nie auf so einen Gedanken verfallen, auch nicht auf den, anderer Leute Dissertationen zu vergleichen. Was hat man davon außer einem schalen Gefühl?
    @ Broder (bitte weiterleiten): Bitte beachten Sie Ihr voriges Stück und machen Sie nicht Vendetta, das ist unwürdig und klein (petty little stuff).
    Da es oben weitergeht, zum Schluss: Ich habe es in einer Passage zusammengefasst: Ihr Onkel tut mir leid. Israel war an sich die Lösung für solche Schicksale, gedacht als „safe haven“.
    Israel sollte alle Liebermanns geschenkt bekommen für ein schönes Museum. Wie mit der Familie Liebermann umgesprungen wurde, schon vor den Nazis und dann erst Recht, ist eine Katastrophe.

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    Lieber Parisien,

    wir sind wirklich sehr weit vom Thema. Aber wenn AchGut für die Meinungsfreiheit von Dieudonné

    http://de.wikipedia.org/wiki/D.....%80%99bala

    eintritt, werde ich die Empörungsbekundungen gegen die angebliche Meinungsdiktatur der politischen Korrektheit und die Bezugnahme auf John Stuart Mill ernster nehmen.
    Ich will hier nur in Parenthese anfügen, dass manche jüdischen Publizisten gerade die Lehren John Stuart Mills für den Anstieg des Antisemitismus an amerikanischen Universitäten mit verantwortlich machen:

    http://www.israelnationalnews......vnPevshG8A

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    @Stevanovic
    Ich denke auch, daß man das mit der „Identität“ nicht so abtun kann, deswegen meine Antwort an Stephan Happ. Meist wird sie wohl was ausfüllen, was anderweitig nicht befriedigt werden kann (Kinder kennen das als „Heimweh“, Erwachsene erweitern das vielleicht zur „Heimat“ oder zur Religion, oder eben Volk). Und daher meine ich, daß eine liberale Gesellschaft humaner ist, weil sie das, was für andere (z.B. die Bruno-Giordano-Stiftung und die homo oeconomicus – Theoretiker) nur Brimborium ist, wie auch Religion, freundlich zulässt.

    Da wir nun schon meilenweit weg sind zum Thema (sorry @AP), was für
    @Parisien:
    heute gelesen: mein derzeitiger Top-Hit der Kinder-Pathologisierer: Absentismus
    (darunter leiden Schulschwänzer).

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    Dear Alan Posener:

    apropos Weber vs. Aly, siehe Thomas Weber, „Neid, Geist, Wahn. Götz Alys Fehlurteile“, FAZ, 10. November 2011, S. 30. Im Internet-Archiv der FAZ, Anmeldung und kostenpflichtig.

  8. avatar

    Hier mal ein Beispiel für eine reaktionäre Verhaltensweise, danke an achgut:

    Die politische Korrektheit ist demgegenüber ein reaktionäres Rezept. Der liberale britische Denker John Stuart Mill hat deren Mechanismen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Label der «sozialen Tyrannei» treffend beschrieben. Erste Stufe: Abweichende Meinungen werden nicht als falsch entlarvt, vielmehr wird der Meinende moralisch diffamiert. Zweite Stufe: Abweichende Meinungen werden gesetzlich sanktioniert. Jemanden für eine blosse Wortmeldung – so geschmacklos sie auch sein mag – strafrechtlich zu belangen, betrachtete Mill als zivilisatorischen Rückschritt. Mill hat recht. Wir brauchen keine neue Sprachinquisition und auch keine Richter über den guten Geschmack. Die nächste Stufe der Zivilisiertheit haben wir dann erreicht, wenn wir über hässliche Witze nicht mehr lachen. Und wenn wir sie mit ein paar guten Witzen über Rassisten konterkarieren – aber bestimmt nicht, wenn wir sie von Gesetzes wegen verbieten.
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....maulkoerbe

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    @ KJN
    Nicht ganz:
    „da RE-agiert einer, ausschließlich, unreflektiert, reflexhaft, effektiv. Reaktionäres Verhalten zieht keinerlei Erkenntnisgewinn aus dem Impuls.“
    Reflexhaft ist impulsiv.
    Ich würde reaktionär als starr bezeichnen, immer weiter in eine Richtung. Der Begriff verdient im Grunde irgendwann eine eigene Betrachtung.

    @ Jean-Luc
    Unsere Hymne ist religiös-bäuerlich, naturverbunden, alt. Sie ist definitiv schöner und weniger gefährlich als die erste Strophe vom Deutschlandlied. Wäre Bayern unabhängig, wäre vermutlich schnell Österreich dabei, vielleicht auch Norditalien. Dann wählen wir den Kaiser Franz aus Kitzbühel zum Präsidenten und machen gern wieder zu Haydn: „Gott erhalte Franz den Kaiser.“
    Zum zweiten: Die größten Schneekanonen hat vermutlich Putin in Sotchi. Das können wir nicht toppen.
    Ihre offenen Grenzen sind gut für Schmidtchen, der mit dem ganzen Pulk am ersten Tag in Ferien fährt. Dupont aus Paris macht das zwar auch, bleibt aber gern im eigenen Land. Spediteure lieben sie, vor allem, wenn sie Waren im Mittelmeerraum hin- und herkutschieren zwecks Umetikettieren. Und Kriminelle verehren offene Grenzen.

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    @Nick

    Die Frage der Identität treibt die Menschen um. Wer sind wir – wenn ja, wie viele (wer alles)? Das sind nicht nur Themen für Biodeutsche, das sind Themen, die Migranten auch sehr beschäftigen (wer sein Auto mit dutzenden Flaggen der Heimat seiner Väter dekoriert hat, ist nicht patriotisch, der hat eine Neurose). Jetzt die Schweizer… Auch die NSA Geschichte war ein harter Schlag für das Selbstbewusstsein, gerade für die, die sich nicht über Herkunft, sondern über Werte definieren. Da ist also was und ich würde es nicht leichtfertig abtun. Die Diskussion ist sehr schwierig, auch nicht schmerzfrei, ob es überhaupt befriedigende Antworten gibt? Ich muss da immer an die Frage von Douglas Adams denken: Die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Damit ist der Esoterik (nach Weber lässt mehr Ahnenkult die bösen Geister ruhiger schlafen) Tür und Tor geöffnet.

    Wie immer und überall, ziehen verunsicherte Menschen und unausgesprochene Fragen politische Hütchenspieler an. Ich habe sie bei ihrer Erscheinung gelesen, was mir von dem ganzen Aly-Büchern hängenblieb (kann also auch an mir liegen), war das Neid-Argument. NS als der Prototyp des Sozialen – staatlich, neidisch, missgünstig. Deswegen gibt es keine Heiligen Kühe im Sozialstaat, denn die wurden von Nazis gezüchtet. Der Titel „Volksstaat“ lässt ja an Linke denken, was ja durchaus die Intention war. Die Feststellung in der Mitte des Buches, das sei ein sozialdemokratisches Programm, mit dem Onkel Adolf das Volk beglückte, war nur folgerichtig. Darauf war die Argumentation ja auch ausgerichtet. Die These bis zu „warum die Juden, warum die Deutschen“ weiter auszubauen, ist der gleiche Effekt, wie das Überdrehen eines Schraubverschlusses: Am Anfang schlüssig, aber irgendwann passt es halt doch nicht.

    Ein Überbleibsel dieser Denke, oder deren konsequentester Vertreter außerhalb der Tea-Party Ortsgruppe Kentucky, ist hier der blonde Hans. Ist es nicht (bei ihm sehr wichtig national-) liberal, dann ist es Sozialistisch und dann ist es egal ob SPD, KPD, CDU, AWO, NS, Gewerkschaften, eh alles das gleiche: alle nur neidisch. Vielleicht tue ich Aly unrecht, aber was beeindruckend anderes habe ich bei ihm nicht gelesen.

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    @Stephan Happ

    1) „mit ihrer teils jüdisch-religiösen Herkunft scheint ja bis heute noch gutes Geld zu verdienen zu sein.“: Jeder, der „schreibt“, verdient mit seiner Biographie in der einen oder anderen Form Geld: George Orwell, Aldous Huxley, sowie derjenige, der einen Ratgeber zur Anfertigung von Topflappen herausgibt. Und derzeit verdient das GEZ-TV auf seinen Kulturkanälen seine Zwangsabgabe fast rund um die Uhr mit der „Rocky-Horror-Hitler-Show“.
    2) „Kein Wunder, dass es Antisemitismus gibt!!! Jüdisch – und Antisemitismus sind ja wohl zwei Seiten der selben Medaille!!!“: Ach so – selber schuld, also.. Wenn Sie geschrieben hätten: Philo- und Antisemitismus.. – also das „anthropologische Interesse“ sozusagen – hätte ich zugestimmt. (Nun gut, vielleicht meinten Sie’s auch so.. und die Begeisterung für das Thema hält sich auch bei mir in Grenzen, ja.)
    3) Den „jüdisch-nationalistischen Sermon“ eines Dr. med A.P. wird ein Liberaler allerdings ertragen und ihn eben nicht, wie Sie, „nach Israel“ schicken wollen: In jedem liberalen Land darf jeder alles sein und seinen Riten nachgehen, sofern er die (dort wenigen und klaren) Gesetze einhält. Im (nicht liberalen) Deutschland muss erst ein Riesen-Bohei darum gemacht werden, damit.. Sie wissen schon. Und vielleicht hat der Dottore ja sogar recht mit seinen spezifischen Gen-Sequenzen, über deren Entdeckung sich A.H. sicher sehr gefreut hätte: Die Art, den modernen, eleganten Blues „schwarz“ zu spielen hat nun mal „der schwarze“ B.B. King erfunden und nicht Snowy White, der es sicher auch dann gut gelernt hat. Vielleicht gibt’s da was – was wäre schlimm daran? Ich kann es ihnen sagen, was schlimm daran wäre: Das es „wissenschaftlich belegbar“ wäre! Und bewertet würde! Dann können wir (oder „wir“) es uns nämlich nicht mehr aussuchen, was wir sind oder sein wollen. Jedenfalls nicht hierzulande. Dann können Sie und ich nicht mehr SELBER herausfinden oder entscheiden, was es für uns bedeutet jüdische (oder „jüdische“) Vorfahren zu haben (und die Gänsefüßchen werden dann auch von anderen gesetzt oder weggelassen). Vielleicht wird’s ja irgendwann „indizierbar“: Und bis dahin möchte ich noch von vielen Dottores lesen, wie spitzenmäßig und toll Juden sind und wie viele Nobelpreise sie kriegen, damit sich die „anderen“ endlich mal daran gewöhnen, daß Menschen bei aller Gleichheit bei Hunger, Durst und Liebe in bestimmten Eigenschaften sehr unterschiedlich sein können ohne direkt in oben-unten -Denken zu verfallen. Wer sich eine „anthropologische Konstante“ geben möchte, soll es doch tun, wer davon lassen will wie Shlomo Sand hat auch gute Gründe. Aber wer es vorzieht, sich statt sich assimilieren, sich hemmungslos zu vermischen den kann ich nur beglückwünschen.

    @JLL
    Ich finde die bayrische anthropologische Konstante total klasse – leider bin ich nur ’ne kölsche Kraad. Alaaf.

    @Stevanovic
    „Redebedarf“
    Ham’wer alle. Auch ohne Rotwein. Pathologisch.

  12. avatar

    Kenne Herr Happ nicht, aber spontan fällt mir ein, dass sich Rotwein & E-Mails nicht vertragen (wer frei von Sünde ist…). „Mein Urgroßvater hat damit abgeschlossen…“, naja, für einen abgeschlossenen Prozess scheint die Frage nach drei Generationen ja doch sehr präsent im Raum zu stehen und auf der Seele zu brennen. Da herrscht redebedarf, sonst hätte die Energie nicht bis zur Tastatur gereicht. So würde ich die Nachricht lesen, ich gebe aber zu, dass ich selten solche Meldungen bekomme. Deswegen fällt mir das mit dem Mitgefühl leichter, als jemandem, der so was jede Woche erträgt.

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    Cher Parisien,

    was “ nervt “ sie an der EU?

    Sie sind doch sicherlich im Alter dass sie noch die Grenzzaeune gekannt haben oder?

    Wollen sie die EU wieder abschaffen?

    Die Erinnerung an WW1 und WW2 scheinen sie verloren zu haben oder?

    Und wenn sie die EU abschaffen wollen, was setzen sie an diese Stelle??

    Aber vielleicht wollen sie ihr bayerischea Königsreich wieder haben??

    Wenn sie einmal konkret waeren. So faellt ihnen leider nur das banale fuck you ein 🙂

    P.S. Damit sie bereits jetzt ihre zukuenftige anthem ueben koennen:

    http://www.youtube.com/watch?v=9Qa0IKLhpkc

    oder wie waere es mit dieser Alternative:

    http://www.youtube.com/watch?v=fZqeVnvnaAk

  14. avatar

    @ Alle:
    Stephan Happ (sthapp@gmx.de) schreibt:

    „Sehr geehrter Herr Posener,

    mit ihrer teils jüdisch-religiösen Herkunft scheint ja bis heute noch gutes Geld zu verdienen zu sein. (…) Mein Urgroßvater war Deutscher jüdischen Glaubens. Er hat eine Christin geheiratet. Ähnliche religiöse Herkunft entnehme ich auch ihrem Lebenslauf!!! Und Sie waren mal Pädagoge….!!! Mit der Shoa und dem Nationalsozialismus kann man ja scheinbar auch heute noch Geld verdienen, welche Perversion!!! Und alles im Namen des Glaubens und des Selbstverständnisses der jüdischen Identität als auserwählte „Volksreligion“….. Kein Wunder, dass es Antisemitismus gibt!!! Jüdisch – und Antisemitismus sind ja wohl zwei Seiten der selben Medaille!!!
    Bis heute eine wunderbare Geschäftsidee!! Meine Begeisterung hält sich dabei in Grenzen, wenn man sich auf diese Mythen bis heute bezieht!!!
    Mein Urgroßvater….. Ein Deutscher jüdischen Glaubens!!! Was die Nazis aus dem Selbstverständnis der jüdischen Blutsbrüderschaft gemacht haben ist ja hinlänglich bekannt!!!
    Schönen Gruß
    S. H.
    P.S.: Ein gewisser Herr A.H. hätte übrigens seine hellste Freude über das Selbstverständnis eines gewissen Dr. med. A. P. über sein Jüdischsein!! Aber dieses Problem ist ja Gott sei Dank mit der Schaffung des Staates Israel endgültig aus der Welt geschafft!!! Wer also derart auf seine Herkunft als Jude pocht und dies recht nationalistisch in Dtld. äußert, der sollte sich doch bitte schön nach Israel scheren…. Da kann er dann seinen jüdisch-nationalistischen Sermon weiter verbreiten…. Ich denke, dass wir nach blutigen Auseinandersetzungen der Religionen, Aufklärung und zwei Weltkriegen hier über solch einen Mumpitz der Herkunft aufgrund des Glaubens endlich hinausgewachsen sind. Das gilt übrigens auch für den Islam!!!
    PPS: Ich beziehe mich hierbei auf ihren aktuellen Text http://starke-meinungen.de/blo.....#more-4214

    Wie kann man sich eigentlich sein Leben lang an seine „jüdische Vergangenheit“ hängen…. Mein Urgroßvater hat damit abgeschlossen….. Es hat ihm das Leben gerettet…..
    Auch Shlomo Sand hat damit abgeschlossen und sieht sich als atheistischer Israeli (nicht etwa als atheistischer Jude – (andere Seite der religiösen Medaille wäre wohl atheistischer Christ, welch ein Nonsens) …..
    Na endlich!! Mal einer, der zwischen Staatsbürgerschaft/ Volk und Religion trennen kann!!! Glückwunsch!!!
    Shalom
    S. H.“

    Besonders hilfreich finde ich Happs Hinweis auf den Islam. Seit Jahren weise ich darauf hin, dass die Strukturen des Vorurteils bei Homophobie, Islamophobie und „Antisemitismus“ (Judenphobie) ähnlich sind.

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    Bevor ich dann mal das WE genieße, möchte ich noch eine Lanze brechen für Mrs. Toria Nudelman. Mrs. Nudelman, darf ich Sie übersetzen? Sie meinten: Die EU nervt. Toria, Sie sind damit nicht allein. Sie nervt uns fast alle. Sie hat sich zu einer Nervensäge entwickelt. In Amerika, wo man sich ungern nerven lässt, sagt man rechtzeitig f.u. Das finden manche unakzeptabel, nun ja. Wir haben hier so heuchlerische Reaktionen. So gab es schon spießige Bundestrainer, die einen Spitzenfußballer ins Abseits getrieben haben, nur weil er die Wahrheit, dass einige fans ihn zu Recht nervten, mit dem Mittelfinger ausdrückte.
    Four letter ist manchmal angenehmer als haufenweise aufgestauter Frust. Wer hier zum Beispiel reaktionär ist, verschließt sich mostpeople unter Umständen aufgrund von Voreingenommenheit, sprich Antiamerikanismus. Ein Spritzer Antisemitismus lässt sich an dieser Stelle auch bequem unterbringen, wie auch im vorher beschriebenen Fall Scarlett.

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    ..nochmal „Bravo!“ für Stevanovic. “Wir müssen kriminelle Ausländer ertragen, wegen unserer Vergangenheit.” Genau solche Fragen werden wirklich bei solchen historischen Debatten diskutiert. Das ist nicht nur entsetzlich larmoyant, sndern auch scheinheilig. Das aufzudröseln ist das, was so ein lebhaft kommentierter blog zumindest für die paar Teilnehmer hier leisten kann.

    @Parisien: Zum Wort „reaktionär“ fällt mir ein, daß es genau das im Wort selber beinhaltet, was es ausdrückt: da RE-agiert einer, ausschließlich, unreflektiert, reflexhaft, effektiv. Reaktionäres Verhalten zieht keinerlei Erkenntnisgewinn aus dem Impuls. Das tun nicht alle Konservative, Rechte. Und natürlich ist nicht jede spontane gefühlsäußerung reaktionär. War es in etwa das, was Sie ärgert?

  17. avatar

    Hinzufügen möchte ich noch eine kleine hommage an Scarlett Johansson zum WE:
    Scarlett find‘ ich gut. Zusammen mit ca. 500 Palästinensern aus der Westbank wie auch ca. 500 Juden aus der Westbank verdient sie etwas Zaster, was in der Region sonst eher selten ist. So lebe hoch Scarlett’s Sturheit, die filmerisch brillant zu besichtigen ist im Frühstadium in „The Horsewhisperer“.
    Und hier setzt Broder noch die Krone drauf, in dem er die Steigerung von reaktionär beschreibt:
    „Zu sagen, das ganze linksreaktionäre Gutmenschenpack bestehe zum großen Teil aus abgewrackten Antisemiten, wäre so neu wie die Behauptung, dass tote Fische stinken. Sie haben es zahllose Male bewiesen und sie beweisen es jedes Mal aufs Neue: Die Palästinenser gehen ihnen am Arsch vorbei, ebenso wie die Armenier in der Türkei, die Baha’i im Iran, die Kurden im Irak. Es sei denn, für die Not der Palästinenser sind die Juden mitverantwortlich. Dann geraten sie außer sich, demonstrieren, hyperventilieren und lassen den antisemitischen Schweinehund von der kurzen Leine. Tote Seelen, die für einen Moment zum Leben erwachen, um gleich danach wieder in den Schlaf der Selbstgerechten zu fallen.
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....tgerechten

    Hinzufügen möchte man nur, dass solche Dinge nicht mehr nur links zu verorten sind.

  18. avatar

    @ Alan Posener

    Manche meiner Einlassungen dienen nur dazu, dass Sie sich noch mal ausführlich auslassen über die Dinge. Das haben Sie getan. Vielen Dank dafür. Sie treten dabei klarer hervor als jemand, der es im Grunde gut meint und immer auf der Suche ist. Den jüdischen Spießer kenne ich auch nehr aus dem Literarischen. Er diente mir nur zum Ausgleich, heißt, er ist überall zu finden, dort wahrscheinlich noch am wenigsten.
    Vielleicht finde ich bisweilen, dass Sie zu schnell sind mit der Verwendung „reaktionär“. Überhaupt sind diese Kampfbegriffe alle überdehnt, so dass man gähnt, schöner Reim.
    Ich hatte immer einen ganz klaren Blick auf Benedikt XVI. Damit meine ich einen geistlichen Blick. Letztlich bewerte ich Theologen danach, ob sie mir Religion transparenter machen, mir etwas zutragen können, was ich nicht schon von Natur aus habe.
    Der Neue ist bisher Medienpapst und daher für mich irrelevant wie alle Medienerscheinungen, die nicht in die Tiefe gehen und für mostpeople=meisteleute sind, frei nach e.e.cummings, no poet for mostpeople.
    Es muss wirlich nett sein, ein Spießer oder Reaktionär zu sein, wie er hier schreibt:

    it really must
    be Nice,never to

    have no imagination) or never
    never to wonder about guys you used to (and them
    slim hot queens with damn next to nothing

    on) tangoing
    (while a feller tries
    to hold down the fifty bucks per
    job with one foot and rock a

    cradle with the other)it Must be
    nice never to have no doubts about why you
    put the ring
    on (and watching her
    face grow old and tired to which….

    and so on. Das Gegenteil von reaktionär, wer so etwas schreiben kann.
    Die BRD im neuen Jahrtausend wurde m.E., unter freundlicher Verbindung zu Brüssel, langsam reaktionärer. Lesen Sie mal alle z.B. Reicholf (achgut) und die Verbotsschilder in der Natur. Oder diese Dämelackigkeit, Kneipen/Restaurents mit zwei Räumen keinen Raucherraum zu gestatten, dieser Mief, der aus ehemaligen Rauchern mit Besserwissen entweicht, diese Bevormundung. Die neue Schachtel: z.B. die Mundhöhle mit einem Zahnstatus unter aller Sau, und hinten lauert ein Zungengrundtumor. Liebe Leute: Das kriegt man, wenn man 60-80 raucht+Alkohol bis zur abendlichen Besinnungslosigkeit konsumiert+nicht zum Zahnarzt geht+die Zähne nicht putzt+Zucker überkonsumiert. Gegen solche Schreckmanipulation sollte mal jemand klagen, mein Ernst. Die Bürokratisierung und Reaktionärisierung der BRD macht mir ernsthafte Sorgen.

    @ Stevanovic
    cummings erinnert gelegentlich an Handke, dessen literarisches Talent wohl außer Debatte steht. Mich würde aber sehr interessieren, ob sie in seiner Verteidigung von Serbien valide Punkte sahen.

  19. avatar

    Lieber Parisien, ich weiß nicht geanu, womit ich Ihren Ausbruch über das Wort „Reaktionär“ provoziert habe. Ich weiß auch nicht, ob es der Wahrheitsfindung dient, immer wieder den Maoisten aus dem Hut zu zaubern, wenn Sie mich kritisieren wollen. Denn wenn Sie meinen, der Mensch ändere sich nicht, dann war doch auch der Maoist Posener nur eine Einkleidung.
    Um aber ins Ungefähre – ohne zu wissen, worauf Sie sich beziehen – zu sagen, warum ich den Begriff „reaktionär“ für nützlich halte: Er gestattet eine Grenzziehung zum Begriff „konservativ“ oder „rechts“.
    Diese Begriffe werden in vielen Medien pejorativ benutzt; ich hingegen, obwohl selbst kein Konservativer oder Rechter, sondern nach meinem Verständnis ein Progressiver und Linker, kann den Wert und die Würde und die Berechtigung des Konservativen begreifen und bejahe die Notwendigkeit einer entsprechenden Vertretung auf der Rechten des Parlamentarischen Systems. Ja, ich würde eine Gesellschaft, in der – beispielsweise – die Religionen als konservatives Element fehlen, vermutlich ablehnen. Darüber habe ich anlässlich einer Reise durch den „gottlosen Osten“ einen längeren Artikel in der „Welt“ geschrieben:
    http://www.welt.de/politik/deu.....-Welt.html
    Dass man auch einen Gegner wie Benedikt vermissen wird, habe ich nach seinem Rücktritt in einem Artikel für die Zeitschrift der Rotarier geschrieben.
    Ob es unter Juden besonders viele Spießer gibt, weiß ich nicht, weil: SO viele Juden kenne ich nicht. Der Zentralrat der Juden exisitert lediglich deshalb, weil die deutschen Behörden eine als öffentlich-rechtliche Anstalt organisierte Vertretung brauchen, wenn sie eine Religionsgemeinschaft anerkennen sollen. Sich dann, wie die Antisemiten aller Couleur einschließich der jüdischen es tun, umzudrehen und dem Zentralrat seinen Alleinvertretungsanspruch vorzuwerden. das ist denn doch sehr billig.

    @ Don Geraldo: Sie schreiben: „Die einzigen, die den Krieg wollten und durch eine entsprechende Bündnispolitik auch vorbereiteten war Frankreich.“
    Ich weiß nicht, woher Sie das haben. Christopher Clark schreibt es anders. Gewiss, Frankreich wollte Rache für 1871. Aber Großbritannien hatte auch nichts gegen einen Krieg Russlands mit Deutschland, weil das den russischen Druck auf Indien, Afghanistan usw. mindern und auch Deutschland von der kolonialen Konkurrenz mit Großbritannien abhalten würde. Deutschland wiederum sah – so unwahrscheinlich es klingen mag im Licht der späteren Ereignisse – in russland die europäische Supermacht der Zukunft, und die OHL drängte auf einen Krieg „eher früher als später“. Freilich war der Krieg, mit dem alle liebäugelten, nicht der Krieg, der dann kam. Und in so fern wollte niemand DEN Krieg.
    Mein Onkel meldete sich ja freiwillig, weil er seit 1914 Angst hatte, sonst den Krieg zu verpassen. Den Krieg, den er bekam, den wollte er bestimmt nicht.
    DA liegt bestimmt eine Lehre der Geschichte: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

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    @Stevanovic
    keineswegs „flachbrüstig“, Ihre Beitrage. Mir haben Sie mit der Formulierung „Aus einer anderen Richtung macht das Götz Aly genauso. Nach der Lektüre seiner Werke fühlt sich jeder Sozialdemokrat (oder besser: nicht Liberaler) irgendwie schmutzig…“ geholfen, das Unbehagen zu benennen, was ich damit habe: Die SPD als Sammelbecken für Versager und Unzufriedene, deren einziges Ventil Neid, Missgunst und letztlich Antisemitismus ist? Kamen Nazis nur aus der Unterschicht? Juden, die die Chancen der städtischen Industriegesellschaft besser in der Lage sind, zu ergreifen, als die „trägen“ Arier?
    Soviel Wahres wahrscheinlich daran ist, daß Juden mehr Chancen in der Stadt und nicht auf vererbten deutschen Bauernhöfen hatten, so sehr stört mich der Sarrazin’sche Umkehrschluss, die Juden“ wären halt „intelligenter“. Welche Klischees werden denn da bedient?
    Was soll ich mit Götz Aly’s Theorie, wenn sie mir noch nicht mal hilft, die eigene Familiengeschichte („nicht getaufter“ Großvater, Schaf- und Ziegenhändler, Vater freiwillig als Marinefunker ohne Arierausweis) einzuordnen. Geschweige denn, daß sie mir hilft, die deutsche Geschichte zu verstehen.
    Da ist mir Poseners „Episode“ allemal lieber, als jegliche „Empirie“, die – ganz intellektuell – letztlich doch alles über einen Kamm schert. Die „Episode“ nämlich lasst Dinge eindeutig erkennen (ja, der Antisemitismus ist älter als die Nazis, auch und besonders in Deutschland), während die „Empirie“ dazu neigt, die Dinge zu stilisieren. Was dabei übersehen wird? Nun, vielleicht, daß wir uns mit solchen Erklärungsmodellen Gefahr laufen, uns einen in die Tasche zu lügen: Alles die SPD schuld. Ich werde aufgrund Poseners Hinweis Hannah Arendt lesen – mal sehen, wer da schuld ist.

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    @Edmund Jestadt

    Zurzeit bin ich mir nicht sicher, was diese WK1 Debatte eigentlich soll – ich gebe zu, ich verstehe sie nicht wirklich. Mir leuchtet das Argument der Identitätfindung ein. Die Deutungshoheit über seine Identität kann man nicht Moralisten überlassen, da fühlen sich immer alle schlecht danach. OK. Die Beweisführung, dass auch deutsche Soldaten normale Menschen waren und keine Monster. Mann! So weit waren jugoslawische Partisanenfilme schon in den 70ern. Dessen sind sich doch alle bewusst, das läßt aber die Monster unter ihnen nicht verschwinden. Eine prinzipielle Germanenfeindlichkeit gibt es außerhalb der deutschen Linken und polnischen Rechten nicht und in der Eurokrise möchte ich kein Grieche sein. Diese ganze Debatte dient einer innerdeutschen Selbstversicherung. Das ist OK, in der globalisierten Welt ist Identität ein zentrales Thema. Nur müssen wir dafür doch nicht Scheindebatten um antideutsche Thesen aufbauen, um uns dann von ihnen mit Pathos zu emanzipieren. In Deutschland leben über 20% Menschen mit Migrationshintergrund, Grund genug über Identität zu sprechen. Nur, was soll diese aufgesetzte Historien-Komödie? Die Britten haben Belgien 1914 auch nicht ernst genommen. Und? Bekommt jetzt der deutsche Botschafter einen Früchtekorb von den Belgiern: Hätten wir dass mit den Briten gewusst, wären wir nicht so sauer auf euch gewesen. Tut uns leid, eigentlich hattet ihr Recht, das nächste mal gibt’s Kuchen. Die Debatte könnte ja durchaus in einem akademischen Zirkel bleiben und als Wissenschaft betrieben werden. Da es (auch) eine Serie in der „Welt“ ist, steckt mehr dahinter. Vielleicht die Idee, dass, wenn Hans von 1914 als Held anerkannt wird, Hasan von 2014 nicht die Schule schwänzt? Viel Glück. Alle Industriestaaten haben die gleichen Probleme, ohne Alleinschuldthese. Ich unterstelle etwas anderes: Migration, Moderne und Europa werden als Strafe der Alliierten interpretiert. Oder als Sühne für den Imperialismus und die Sünden des Weißen Mannes.Deswegen versucht man nachzuweisen, dass man keine Strafe verdient hat. „Wir müssen kriminelle Ausländer ertragen, wegen unserer Vergangenheit.“ Das ist mir persönlich als Gesprächsbasis etwas zu doof. Die sollten es eher mit Dávila halten: „Die moderne Welt wird nicht bestraft werden. Sie ist die Strafe.“ Also: Zusammenreißen, wenn man schon unter ihr unbedingt leiden will.

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    @Apo

    „@ Alle:
    Ich lese gerade Hannah Arendts “Ursprünge totalitärer Herrschaft”. Was für ein Bullshit!“

    Eine kuerzere Kritik habe ich bisher noch nicht gelesen.

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    @ Alan Posener
    Das Wort Reaktionär kommt so häufig bei Ihnen vor, dass ich das Gefühl habe, dass maoistische Geister Sie mit Hexenbesen in Albträumen jagen.
    Ich habe schon viele Spießer in meinem Leben kennen gelernt, und wissen Sie was?: Einige davon waren stockschwul, und manche waren Muslime. Es gibt nicht nur den reaktionären autochthonen Fabrikanten und seinen Facharbeiter, und es hat überhaupt nicht mit „Moderne“ zu tun, ob man einer neueren oder uralten Gangart angehört.
    Ich muss leider sagen, dass, wenn ich nur das Wort Spießer nehme und dabei das schwierige Wort Reaktionär umgehe, dass ich besonders viele Spießer mit fürchterlichem Geschmack unter Juden angetroffen habe, ein Phänomen, das Broder längst zugegeben hat.
    Reaktionär scheint so eine Chimäre von Ihnen, mit denen Sie anderen einen Schauder über den Nacken jagen wollen.
    Wirklich reaktionär finde ich, wenn ein widerlicher kleiner aufgehetzter Plebs die Frau und die Kinder des Zaren umbringt, oder ein paar tausend Kilometer weiter westlich, Marie-Antoinette.

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    @ Stefanovic: Weber, als Historiker, überschreitet seine Kompetenzen.

    Sicher, es hat ein deutliches Geschmäckle, dass die These, der bundesrepublikanische Sozialstaat folge auf den/ aus dem Volksstaat Hitlers, genau dann auftaucht, wenn sie politisch gerade in’s „Konzept“ passt, in diesem Falle: in’s neoliberale. (Ich hoffe für Aly, dass der Wert, den seine These für den Markt hat(te), sich für ihn in seinem Marktwert auch entsprechend ausgezahlt hat.) Und natürlich vermutet man sofort, dass die drei Historiker die Funktionstüchtigkeit der Zeitmaschine („Machen wir die letzten 100 Jahre ungeschehen! Zurück in’s 19.Jahrhundert!“) deswegen mit ihren Namen (und Titeln) beglaubigen, weil sie gerade in ein bestimmtes europapolitisches „Konzept“ passt (und insofern Marktwert hat). Sehr ähnliche Bemühungen, die letzten 100 Jahre aus der Geschichte zu eskamotieren, sind in der „Welt“ ja seit längerer Zeit zu beobachten. Bei der Bewertung dessen sollte man jedoch nicht übersehen, dass Geschichtsschreibung ohnehin und unvermeidbar potenziell politische Wirkung hat, eben deswegen unter unseren gegenwärtigen (politischen) Voraussetzungen aber immer auch mehr oder weniger umstritten ist und bleibt.

  25. avatar

    @ Alan Posener
    Nun ja, das ist ja inzwischen auch akademisch, und Sie haben allein Vorteile und wir Leser auch.

    Dennoch sehe ich den Vorteil, der aus dem Humor entspringt: Eine Fähigkeit, in die Massen hohler Luft zwischen Blätterteig zu schauen. Permanent deckt der blog die Doppelbödigkeit auf. Hier z.B. ein aktuelles Stück. Und eine Passage. Wenn Sie die „Demut“ auf andere Bereiche anwenden, wissend, was hinter den UN sich so tummelt, haben Sie Pius zwölf reloaded. Sie werden unseren bayerischen Beni mit seinen Wurzeln und Flügeln noch schmerzlich vermissen. Den Verkannten.

    „Trotz solcher Defizite hat sich der Vatikan entschieden, im Duell der Weltkirchen eine defensive Haltung einzunehmen: Demütig sagte er den UNO-Experten volle Kooperation zu und wählte damit eine Taktik, die ganz im Sinne von Papst Franziskus sein dürfte, der zu glauben scheint, durch eine Distanzierung der Kirche von sich selbst Sympathien gewinnen zu können. Rom unterwirft sich Genf, es triumphiert ein selbstgerechter Moralismus ohne metaphysisch-transzendenten Überbau.“
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....eltkirchen

    Der Elefantenpapst macht’s ihnen leicht. Dass ein erkanntes Problem nur noch ein halbes Problem ist, während die aktuellen Probleme sich da finden, wo darüber nichts publiziert wird, ist an sich klar. Und jedes späte Blähen über den ertappten Sünder Vatikan wohlfeil. Und der tippelnde Lächelnde, der herzt und küsst und apologiert, bislang eine Karikatur seiner beiden Vorgänger.

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    „Es gab nur eine Macht, die den Ersten Weltkrieg hätte verhindern können: die organisierte Arbeiterschaft, besonders die SPD.“

    Nur ganz, gaanz theoretisch. Der berechtigte Alptraum, jenseits vaterländischer Gefühle, waren plündernde Kosaken und Leibeigenschaft in Mitteleuropa. Der Umgang des Zaren mit seinen Untertanen war ja durchaus legendär. Als Russland mobil machte, konnte kein deutscher Arbeiterführer mit Verstand 1914 ernsthaft einen russischen Sieg in Erwägung ziehen. Nachdem man deutsche Fürsten und das progressive Bürgertum in langen Konflikten überzeugt hatte, dass ihre Arbeiter nicht nur Dreck sind, gab es für die SPD nach der russischen Mobilmachung keine Optionen mehr. Es kam, wie es kam, weil die SPD alles richtig machte. Tragisch.

    Wenn wir schon von Mächten reden: wo war eigentlich das Unternehmertum? Die aufgeklärten liberalen Leute, die Chodorkowskys ihrer Zeit? Diese progressive Schicht des liberalen Bürgertums, die in Heidelberg und Oxford studierte, sich so ähnlich war, Unternehmen gründete, investierte und von der globalisierten Welt profitierte? Nachdem der liebe Willi und der liebe Nicki sich nicht einigen konnten, gab es in der Freßkette doch durchaus ein paar Leute mehr, die Einfluss auf das Geschehen hatten, ob in Frankreich, UK oder Deutschland? Auf die organisierte Arbeiterschaft würde ich in der Julikriese als letztes kommen. Wo waren die Liberalen?

  27. avatar

    Lieber Herr Posener,

    ich gehe nicht davon aus, das es „die Juden“ gibt.
    Es gibt allerdings Organisationen, vom Jüdischen Weltkongress bis zum Zentralrat der Juden in Deutschland, die versuchen genau diesen Eindruck zu vermitteln indem sie sich als alleinige Vertreter „der Juden“ darstellen.
    Zumindest bei Antisemiten rennen sie damit offene Türen ein, der Anspruch dieser Organisationen bestätigt die eigenen Vorurteile.

    Im Gegensatz zu Ihnen bin ich allerdings der Meinung, daß die Geschichte sich sehr wohl als Lehrerin eignet. Man muß nur bereit sein, die Lektion auch zu lernen.
    Die wichtigste Lektion wäre es zu begreifen, daß in einer Krise wie 1914 nicht alle Beteiligten einen schon lange ausgearbeiteten Plan haben; außerdem sollte man sich nicht unbedingt auf rationales Handeln bei der Gegenseite verlassen. Ma muß damit rechnen, daß die Gegenseite auch Dinge tut, die ihren eigenen Interessen zuwider laufen.

    Die einzigen, die den Krieg wollten und durch eine entsprechende Bündnispolitik auch vorbereiteten war Frankreich.
    Österreich-Ungarn wollte nur sein Gesicht waren gegenüber Serbien, man konnte sich nicht vorstellen daß Rußland wegen Serbien einen großen Krieg riskiert.
    Rußland wollte auch sein Gesicht wahren als Schutzmacht der Slawen und rechnete möglicherweise auch nicht damit, daß Deutschland wegen Österreich einen großen Krieg riskiert.
    In Deutschland wiederum glaubte man möglicherweise, daß eine entschiedene Kriegsdrohung Rußland vom Krieg abhalten konnte.
    Über das Verhältnis zu Frankreich dürfte man sich keine Illusionen gemacht haben, daher hat man auch keine Rücksicht genommen auf die belgische Neutralität. Hier wiederum konnte man sich nicht vorstellen, daß Großbritannien wegen eines landes wie Belgien einen großen Krieg riskiert.
    Die Sozialdemokratie – zumal die deutsche – hätte diese Kette an Fehleinschätzungen und damit den großen Krieg auch nicht verhindern können.

  28. avatar

    Geschichte wie sie nicht war und warum es manchmal egal ist, wie sie war, am Beispiel David Kamhi:

    David Khami und seine kleine jüdische Gemeinde in Sarajewo sahen sich 91 einem ernstem Problem gegenüber: Kroaten (bewaffnete katholische Antisemiten in der Phase des nationalen Erwachens), Serben (noch schwerer bewaffnete orthodoxe Antisemiten in der Phase nationaler Raserei) haben Bosnien umstellt und es gab wenig Aussicht, dass die, die den nationalen Reinheitsgeboten nicht entsprachen, diesen Krieg unbeschadet überstehen. D.h. es lag an ihm, die über 400Jahre alte jüdische Gemeinde Sarajewos zu retten. Die einzigen, die 91 Bedarf an etwas Buntem hatten, waren die Moslems in Sarajewo. Im Grunde hatte er keine Wahl, als sich denen anzuschließen. Er war Mitglied des Kriegsrates der Republik Bosnien und Herzegowina, böse könnte man sagen, er war der „Token Nigger“ der muslimischen Seite. Meint man es gut, was ich nach einigen überlegen doch tue, dann hat er weise seine Gemeinde durch den Krieg gebracht und dafür sollte man ihm auf ewig dankbar sein. Herr Khami ist ein guter und wichtiger Mensch. Denn er erinnert die moslemische Seite an ihre guten Traditionen. Er ist Beweis, dass Moslems eben nicht nur durchgeknallte Islamofaschisten oder barbarische Horden sind und waren. Damit ist er eine Verteidigungslinie des liberalen Islam vor den wahabitisch/salafistischen Scharfmachern, die versuchen, sich in Bosnien breit zu machen. Das sollte man wissen, bevor man dieses Interview liest:
    http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=72

    Es spielt keine Rolle, ob man die Geschichte so erzählen kann (würde wenigen so einfallen). Die Geschichte hat eine Funktion, eine Moral, und um die geht es ihm. Weil die Moral von seiner Geschichte eine gute Moral ist, gebe ich ihm alles Recht der Welt, sie so zu erzählen. Historisch/wissenschaftlich ist das cherry-picking der subjektivsten Sorte, aber nur Erbsenzähler würde ihm das nach einem so blutigen Krieg übel nehmen.
    Geschichte: Sie war, wie sie war. (Aber nicht, wie sie nicht war!).
    Geschichte ist so, wie wir sie brauchen und das hat manchmal gute Gründe.

  29. avatar

    Egal wie kalt die Nächte auf dem Balkan sind: der Bruder meines Großvaters ist nicht mein Onkel. Macht einiges plausibler, ist aber nicht so. Er ist mein Großonkel, was vom Titel im serbischen dasselbe ist.

    @Posener
    Danke

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    Lieber Parisien,
    Sie sind, glaube ich, der erste, der mir einen Mangel an Humor unterstellt, was nicht heißt, dass Sie Unrecht haben. Ich darf Sie jedoch daran erinnern, dass ich nicht freiwillig die „Achse“ verließ, sondern rausgeworfen wurde, und zwar weil ich mich angeblich über einige der Autoren lustig gemacht hatte. Mir scheint, dass es die Achsen-Mächte waren, die meinten, bei Ihren Personen höre der Spaß auf.
    Lieber Stevanovic,
    Sie schreiben: „Mein Großvater kämpfte und fiel als Partisan in Bosnien gegen deutsche Bandenbekämpfungseinheiten, kroatische Ustascha und die moslemische SS-Division Handschar (wobei es ein Deutscher war, der ihn mitten in die Stirn traf). Unter seinen Genossen waren viele Juden, die Partisanen haben viele abgeschossene Alliierte gerettet. Sein Bruder, mein Onkel, war daran beteiligt.Ihr vater starb in Jasenovac. Meine Familie würde bei einem Besuch Sarajewos bestimmt nicht so einen Bericht schreiben (wie ihn Posener in der ‚Welt‘ kürzlich schrieb).“
    Die Tatsache, dass die orthodoxen Serben aufseiten der Alliierten im Zweiten Weltkrieg kämpften, die katholischen Kroaten (und ein Teil der muslimischen Bosnier und Albaner auch) aufseiten der Nazis – diese Tatsache hat mir nach dem Ende Jugoslawiens immer wieder zu denken gegeben, und es war mir nicht angenehm, dass ausgerechnet Deutschland die Loslösung Kroatiens unterstützte und am Schluss auch an der Bombardierung Belgrads beteiligt war. Dieses Unwohlsein und ein gewisses Solidaritätsgefühl gegenüber den Serben bestimmte auch die offizielle britische Politik am Anfang der Jugoslawienkriege. Brendan Simms beschreibt das in seinem Buch „Unfinest Hour“, in dem er allerdings diese britische Politik – der Misha Glenny in „The Fall of Jugoslavia“ ein gewisses Verständnis entgegenbrachte – scharf kritisiert. Das Buch von Simms wurde mir von Christian Schwarz-Schilling gegeben, der ja als Postminister wegen des deutschen Desinteresses am Krieg in Bosnien zurücktrat und nach dem Frieden von Dayton Hoher Repräsentant der EU in Sarajewo – also faktisch Regierungschef der EU-Kolonie Bosnien-Herzegowina – wurde. Schwarz-Schilling unterstellte mir nämlich Sympathien für die britische Position. Lange Geschichte. Und ich gebe gern zu, dass ich von der ganzen Geschichte sehr wenig verstehe. Hut ab jedenfalls vor Ihrem Großvater.
    Lieber Jörg Böttcher,
    können Sie mir eine Quelle für Thomas Webers Kritik an Götz Aly nennen?
    Lieber Don Geraldo, ich verstehe Ihre Einlassung so, dass die Juden Großbritanniens und Frankreichs an der Entstehung des Nationalsozialismus schuld waren, weil sie nicht vor 1914 erklärt haben, im Falle eines Kriegs zwischen Deutschland und Russland stünden sie auf Seiten der Freiheit, nämlich Deutschlands.
    Nun ja. Sie teilen, obwohl selbst gewiss kein Antisemit, das antisemitische Vorurteil, demzufolge es so etwas wie „die Juden“ gibt, die gemeinsamer politischer Aktion fähig und überdies kraft ihrer großen Macht in der Lage wären, die Weltgeschichte zu verändern. Tatsächlich teilten alle deutschen Juden – einschließlich der Familien Posener und Oppenheim in Berlin-Lichterfelde – Ihre Einschätzung Russlands; wohingegen die französischen Juden – trotz der in der Dreyfus-Affäre kulminierenden Unterstellung ihrer kollektiven Vorliebe für Deutschland – als gute Franzosen die Schmach von 1870/71 wiedergutmachen wollten; während die britischen Juden – in einem Land, bitte sehr, wo ein Benjamin Disraeli Premierminister Ihrer Majestät werden konnte – gute Briten und Imperialisten waren.
    Es gab nur eine Macht, die den Ersten Weltkrieg hätte verhindern können: die organisierte Arbeiterschaft, besonders die SPD. Freilich war gerade die SPD seit den Tagen von Marx und Engels, die beide einen revolutionären Krieg gegen Russland befürwortet hatten, antirussisch eingestellt, nicht ohne Grund, denn Russland war damals wie heute Hort der Reaktion in Europa; und die Partei hoffte (wie die Juden, und ähnlich vergeblich) durch ihren Patriotismus und die Bewilligung der Kriegskredite endlich den Ruf der „vaterlandslosen Gesellen“ loszuwerden.
    Freilich wird an all diesen Einwänden und Verwicklungen klar, wie wenig sich die Geschichte als Lehrerin eignet. Sie war, wie sie war. (Aber nicht, wie sie nicht war!)
    @ Alle:
    Ich lese gerade Hannah Arendts „Ursprünge totalitärer Herrschaft“. Was für ein Bullshit!

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    @Jörg Böttger

    Weber/Stephan haben eine tagespolitische Agenda, die sie mit Geschichte untermauern wollen. Sie benennen diese Agenda nicht, sondern versuchen uns, qua historischen Umweg, auf eine bestimmte Spur zu lenken. Das ganze gewürzt mit viel Mittelschichts-Befreiungsrhetorik. Deswegen ist es auch vollkommen Wurst ob Weber mit seiner Analyse Recht hat, um die geht es ja gar nicht. Dem liegt die Idee zu Grunde, dass das Geschichtsbild die aktuelle Befindlichkeit definiert, was ich lediglich für eine gewagte These halte. Am Ende solcher Überlegungen hatten Uschi Obermaiers Titten mehr Einfluss auf die Gesellschaft als die Erfindung des Transistors. Weber, als Historiker, überschreitet seine Kompetenzen.
    Aus einer anderen Richtung macht das Götz Aly genauso. Nach der Lektüre seiner Werke fühlt sich jeder Sozialdemokrat (oder besser: nicht Liberaler) irgendwie schmutzig. Ach ja, es war der Zenit der Neuen Sozialen Marktwirtschaft. Ein Schelm der dabei böses denkt.
    Das macht weder Weber noch Aly zu schlechten Historikern. Nur, ihre Lehren aus der Geschichte (stets passend zur eigenen politischen Ausrichtung), die können die alle für sich behalten.

    Nehmen wir an, einer von beiden hat 100% Recht – und nun? An der Stelle wird es eigentlich für uns heute spannend.

    Nichts gegen akademische Debatten (aus der ich mich wegen Flachbrüstigkeit verabschieden muss). Wenn es eine aktuelle Dimension gibt, sollte man die benennen. Fair enough, right?

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    Antisemitismus im ersten Weltkrieg mindestens 40 Jahre alt, viel deutsches Kapital in Wien:
    http://de.wikipedia.org/wiki/G.....semitismus
    Anmerkung: Gustav Mahler (1860-1911) konvertierte, um Chef der Wiener Staatsoper zu werden.

    Anmerkung 2: Die Affaire Dreyfus, ein hervorstechender Einzelfall, bedeutet weder, dass der Antisemitismus in Frankreich gleich stark ausgeprägt war, noch sollte sie dazu dienen, den deutschen AS zu relativieren. Heute allerdigs ist der AS in Frankreich bedenklich mit der Folge vermehrter Auswanderung nach Israel, aber das hat andere Gründe (z.B. Casus Halimi)

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    Lieber Herr Posener,

    Sie meinen also, daß Ihr Onkel in der britischen Armee besser behandelt worden wäre und das diese Behandlung quasi die Behandlung durch die Nazis ab 1933 vorwegnimmt.

    Allerdings standen der kaiserlichen Armee nicht nur die britische Armee, sondern auch andere Armeen gegenüber.
    Gab es in Frankreich etwa keinen Antisemitismus ?
    Ich kann mich nicht erinnern, daß es einen der Affäre Dreyfuß vergleichbaren Fall im deutschen Kaiserreich gab.

    Und das zaristrische Rußland war natürlich ein Muster an Demokratie, Liberalität und Offenheit.
    So offen, daß es dort die einzigen staatlich organisierten Pogrome zwischen Mittelalter und Nazizeit gab.
    Wie wäre wohl die weitere Geschichte verlaufen, wenn z.B. Vertreter des Judentums in England oder anderswo erklärt hätten, daß bei einem Krieg zwischen Rußland und Deutschland der natürliche Platz derer, die für Freiheit einstehen an der Seite Deutschlands sei ?

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    Dear Alan Carl Posener,

    congrats, what a superb piece of writing!

    Natürlich war der Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft bereits vor 1914 weit verbreitet und tief verankert. Peter Pulzer hat das in seinem „Political Antisemitism in Germany and Austria“ schon vor Jahren nachgewiesen. Die offen antisemitischen Parteien verschwanden zwar Ende des 19.Jhd. in der Versenkung, aber dafür nahm der soziale Antisemitismus massiv zu. Verbände und Vereine jeglicher Art verboten ausdrücklich in ihren Satzungen die Mitgliedschaft von Juden, also „Arierparagraphen“, und das lange vor dem Machtantritt von Herrn Hitler & Co.

    Und dann die berühmt-berüchtigte Judenzählung im deutschen Heer 1916(?) wg. angeblicher Drückebergerei (also angeblich mehr Juden in der Etappe als an der Front). Das Ergebnis dieser perfiden „Zählung“ wurde bekanntlich nie veröffentlicht. Warum wohl? Eine derartige Aktion hat es nachweislich in keiner anderen Armee gegeben!
    Auch hier zeigt sich, wie bereits lange vor dem Aufstieg der Nazis ein intensiver Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft existierte.

    Übrigens, Thomas Weber hat Götz Aly damals Vorhaltungen gemacht nach dem Motto: der Antisemitismus in Deutschland war doch nicht so schlimm bzw. beim Franzmann war es auch nicht besser.
    So schließt sich der geschichtsrevisionistische Kreis zum Geppert/Neitzel/Stephan/Weber-Pamphlet.

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    EJ: koloniale Herren-Kultur

    Das war natürlich schon eine Variante von/ eine Vorläufer von Europa.

    Was damals überlegener Zwang war, ist heute Angebot an die Nachbarn und globales Muster. Fragt sich nur, wie lange noch. Die Uhr für die europäische Überlegenheit tickt, aus äußeren und aus inneren Gründen.

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    Es gibt schon unglaubliche Geschichten, die für mich Teil der Geschichte sind.
    Mein jüdischer Onkel Isedor sprach sich 1914 gegen den Kriegseintritt aus und wurde vom christlichen und jüdischen Teil der Familie geächtet. Über Jahre gab es keinen Kontakt zu beiden Teilen. Sein patriotischer jüdischer Schwager starb in Theresienstadt, er selbst überlebt illegal in der Nähe von Berlin.
    Mein Großvater kam sehr schnell in die englische Kriegsgefangenschaft und schwärmte noch im hohen Alter davon.

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    So widerlich die Behandlung 16 war, so noch widerlicher die von 33, was 41 erfolgte, sprengt jeden Rahmen einer Kausalkette. Nicht dass es keine Kausalketten gäbe, Nazi-Deutschland ist nicht vom Himmel gefallen, nur, selbst wenn man alle dümmlich-schwarzbraunen Schriften der wilhelminischen Ära zusammenrechnet, so ist das keine Erklärung für das, was ab 38 erfolgte.

    Vielleicht macht das hier die Überlegung deutlich:
    „Fast einhunderttausend Juden dienten während des Ersten Weltkrieges in Heer und Marine, 12 000 waren gleich zu Kriegsbeginn 1914 als Freiwillige zu den Fahnen geeilt. 77 000 kämpften an vorderster Front, 30 000 wurden mit zum Teil höchsten Auszeichnungen dekoriert und mehr als 20.000 befördert. Unter den jüdischen Soldaten in der kaiserlichen Armee waren 3000 Offiziere, Sanitätsoffiziere und Militärbeamte im Offiziersrang. 12.000 deutsche jüdische Soldaten verloren im Krieg ihr Leben.“

    Quelle: http://einestages.spiegel.de/s.....chung.html

    Das wäre 14/18 nicht möglich gewesen, wenn nicht viele, viele Arier an die deutsch/jüdische (eher deutsch/deutsche) Symbiose geglaubt hätten. Ich glaube, es hätte alles anders kommen können – hat es aber nicht. Somit ist die Spekulation über die guten Seiten und positiven Anlagen Deutschlands vor 14 eben nur Spekulation. Schwer dazu mehr zu sagen, ohne in die Theologie abzugleiten. Sicher ist, dass diese Kräfte zu schwach waren. Sowohl 16 bei der Judenzählung, als auch 33 bei der Machtergreifung, erst recht im Holocaust. Das ist Fakt. Nach der Geschichte von Onkel Karl (es freut mich, dass er 45 noch erlebt hat), ist es geschmacklos darüber zu spekulieren.

    Mein Großvater kämpfte und fiel als Partisan in Bosnien gegen deutsche Bandenbekämpfungseinheiten, kroatische Ustascha und die moslemische SS-Division Handschar (wobei es ein Deutscher war, der ihn mitten in die Stirn traf). Unter seinen Genossen waren viele Juden, die Partisanen haben viele abgeschossene Alliierte gerettet. Sein Bruder, mein Onkel, war daran beteiligt.Ihr vater starb in Jasenovac. Meine Familie würde bei einem Besuch Sarajewos bestimmt nicht so einen Bericht schreiben:

    http://www.welt.de/reise/staed.....rlich.html

    Das macht den Bericht nicht falsch oder schlecht. Oder Posener zu einem schlechten Beobachter. Alles richtig, was er da schreibt. Nur den Punkt, der uns prägt, den hat er übersprungen.
    Jeder erzählt seine Geschichte. Die werden und sollen wir überhaupt nicht in Einklang bringen.

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    @ Alan Posener

    Das ist ja mehr wie ein Nachruf. Daher verbietet es sich für mich persönlich und vielleicht für andere auch, an einer politischen Diskussion unter dem Nachruf teilzunehmen. Daher: Wie wäre es mit noch einem piece diese Woche?

    Abgesehen davon habe ich mir oft Gedanken gemacht, wieso Sie dann langfristig nicht auf achgut klarkamen. Es hilft, wenn ich zugebe, dass ich mich manchmal gelb ärgere über m&m. Am liebsten würde ich die beiden gelegentlich in einem Silo mit GM-Mais versenken, weil sie sich von der Gegenseite wirklich nur die schwächsten Argumentationspunkte herauspicken, oft die von simplem grünen Volk mit Ängsten. Die wirklichen Punkte sind schwerer zu widerlegen. Dann aber wieder kommen Tage, da verzeiht der Leser alles. Wenn er nämlich lacht (s.u.)
    Das Rätsel ist schon lange gelöst: Ich habe des öfteren den Eindruck, dass Sie zu wenig Humor haben. Und ich muss sagen, dass Sie jedes positive Klischee von mir damit unterlaufen. Ich hätte schwören können und hochkarätig gewettet, dass der Sohn eines Juden und einer Britin gespickt ist mit Humor. Wissen Sie, wer das zerstört hat: Ihre maoistischen Drangsalmühlen, die Sie uns hier dankenswerterweise beschrieben haben. Von manchem erholt man sich schwer. Aber lesen Sie mal das, das ist wirklich komisch:
    „Der Wald wird also von den Verlierern gepflanzt. Wir denken noch drüber nach, was uns die Natur damit sagen will.“ Alles. Vor allem auch die Headline:
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....efaehrlich

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    Was ich sagen will: Wer meint, es bestehe zwischen der Behandlung meines Onkels 1916 und seiner Behandlung 1933 kein Zusammenhang, es bestehe zwischen der Ost-Politik des Deutschen Reichs 1914ff und 1941ff kein Zusammenhang, zwischen dem Aufruf des Kaisers an die Muslime zum Dschihad und der Hofierung des Großmufti von jerusalem durch die Nazis kein Zusammenhang, der glaubt auch an den Klapperstorch, will sagen: sieht auch keinen Zusammenhang zwischen Sex und Kinderkriegen.

  40. avatar

    “Warum die Deutschen? Warum die Juden?”
    +
    „Hitlers Volksstaat“

    = der blonde Hans

    Alles Sozialisten außer Mutti.

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    Nun, Herr „Episode vs. Empirie“, dann schlage ich Ihnen zur Lektüre Götz Aly vor: „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“
    Und, Lyoner, Die berühmte „deutsch-jüdische Symbiose“ war eine schöne Illusion – der deutschen Juden; die Arier haben sie nie geteilt. Ein Beispiel – für Sie vielleicht nur „Episode“ – ist das Liebesverhältnis zwischen Heidegger und Arendt. Was Heidegger nicht daran gehindert hat, mit gerecktem Arm die neue Zeit zu begrüßen.
    Ein weit weniger bekanntes Beispiel, für mich aus naheliegenden Gründen freilich eingängiger, ist das Verhältnis meines Vaters zu seinem Lieblingslehrer Haake, das er in seinen beiden Autobiographien beschrieben hat. Haake muss ein begnadeter Pädagoge sein, ehrlicher nationaler Sozialist. Mein Vater war sein bester Schüler. Das hinderte Haake nicht daran, als Schulbuchautor zu einem der übelsten Propagandisten des Dritten Reichs zu werden.

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    Ich denke, die nationale Nivellierung zum Volk, die gerade für diejenigen, die etwas zu sein meinten, einen enormen Abstieg und eine tiefe Kränkung bedeutete, realisierte sich in Deutschland ernsthaft erst im Ersten Weltkrieg.

    Preußen, etwa, kannte das Volk noch nicht, nur das niedere Volk. Und das war schon sehr „niedrig“. Ansonsten war im ordentlichen Preußen alles „Stand“. Und definierte und behauptete sich durch „Stand“. Selbst die Kleinbürger hatten in diesem Sinne „Stand“. (Man lese dazu Fontane. Beeindruckend und anrührend. Oder den späteren und ganz anderen Blick: Heinrich Manns Beschreibung der Suche des Untertans nach „Stand“.)

    Natürlich ahnte man dennoch, was kam und kommen musste. Mit aller Macht wehrten sich die „Ideen von 1914“ gegen die völkische Gleichmacherei. Sie versuchten an die Stelle des Volkes, obwohl per definitionem zur Nation gehörend, die Elite zu setzen. (APOs Onkel suchte in der Kriegsteilnahme die Gleichheit. Juden waren jedoch schon damals unerwünscht, weil man so den Elitegedanken behaupten zu können meinte.)

    Trotzdem wurde der Krieg der große Gleichmacher.

    Nach 1918 war aller „Stand“ bestenfalls das Abziehbild, oft nur noch die Karikatur seiner selbst. Was allerdings dem Onkel APOs nicht half.

    Die nationale Nivellierung, die „Volks-Werdung“ als Teil der Nation-Werdung, musste in Deutschland umso radikaler, schmerzhafter und kränkender ausfallen, als Deutschland über keinerlei koloniale Herren-Kultur verfügte, die anderswo die letzte und äußerste nationale Nivellierung vermied. In Deutschland mussten die Juden herhalten und mussten die Untermenschen erfunden werden, um den letzten Abstieg und die äußerste nationale Nivellierung und Selbstkränkung zu verhindern. 

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    APo: ‚Mit dem Gefühl, dass das geliebte Vaterland jede Hand bräuchte, die ein Gewehr halten könnte, war auch der Glaube verbreitet, dass nach dem Sieg das deutsche Volk, wenn es einmal gesehen hätte, wie seine Juden zu den Waffen geeilt waren, endlich vom Antisemitismus geheilt sein würde.‘

    Es kam bekanntlich anders …

    Karl … hörte er, wie sein Batterieführer vom Major angerufen und von diesem gefragt wurde, ob es unter den Abiturienten – nur die kamen für die Offizierslaufbahn in Frage – ‚ehrlose Leute, geistig Zurückgebliebene oder Juden‘ gebe, die man selbstverständlich zurückstellen müsse. „Karl, siebzehn Jahre alt, jüdischer Kriegsfreiwilliger und deutscher Patriot, ging schnurstracks zum Major und stellte ihn zur Rede.‘

    … nach der Schlacht bei Albert wurde er endlich zur Offiziersausbildung zugelassen …

    … zunächst Ehre, wem Ehre gebührt! – Ihrem Onkel.

    APo, Sie kommen an den von Ihnen und EJ erwähnten ‚Kaktus‘ nicht vorbei. Dazu müssten Sie und EJ allerdings mehr schreiben, als nur bedeutungsvoll raunen und darauf zu ‚lauern‘, das andere Fehler machen.

    Das Verhalten der deutschen Armeeführung, im Verteidigungsfall, ist logisch und nachvollziehbar. Kein Antisemitismus, wie Sie es, ganz sozialistisch, unterstellen.
    Ihr Onkel konnte die Offizierslaufbahn …. trotz alledem …

    … es genügt ein Blick nach England und zum angeführten ‚Kaktuslink‘, um das Verhalten der deutschen Heeresleitung nachzuvollziehen.

    Ich zitiere aus Wiki:
    ‚England richtete während des Burenkrieges ein Internierungslager zur Internierung Gefangener Buren in Ahmednagar in der Präsidentschaft Bombay in Indien ein. Im Ersten Weltkrieg diente es als Internierungslager für Zivilisten. England Im Frühjahr 1915 wurden über 2000 deutsche und österreichische Zivilisten dorthin gebracht. Hauptsächlich waren es deutsche Zivilisten aus der ehemaligen deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika aber auch aus anderen Ländern. Das Lager bestand auch noch im Zweiten Weltkrieg.‘

    … übrigens Zivilisten interniert, nur weil sie Deutsche waren/sind.

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    Alan Posener könnte genau so gut bzw. ergänzend fragen, was die gesellschaftlichen und strukturellen Bedingungen für die Blütezeit der sog. „deutsch-jüdischen Symbiose“ im Wilhelminischen Reich und in der Weimarer Republik waren.

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    @ Alan Posener

    Vielen dank für die bewegende Geschichte Ihres Onkel Karl.
    Aber ehrlich gesagt, heute fragen wir doch alle: Wieso ist dieser Depp (Entschuldigung) noch einmal an die Front zurückgekehrt?
    Eine andere Geschichte ist, wie ein jüdischer Vorgesetzter in WWI Hitler für einen Orden oder ein Verdienstkreuz vorschlug.
    Es ist doch das Obertrauma jedes Antisemiten auf Erden, dass die Speichelleckerei, um akzeptiert zu sein, der Juden seit der Entstehung Israels ein Ende hat und Israel es heute so drauf hat: „F… you.“ Diese Einstellung damals hätte viele Leben gerettet.
    Auch in GB kommt allmählich die Erkenntnis, dass man sich seines gut geführten Kolonialreichs nicht schämen sollte, durch, und das man seine politische Überlegenheit in der Erkenntnis von Falsch und Richtig oder Böse vs. Gut wieder besser einbringen sollte, hier eher das Trauma von verallgemeinernden Parakommunisten.

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    Hmm. Dass der französische Antisemitismus seinerzeit weniger ausgrenzend war, wäre neu. Und natürlich gab es auch in der Großen Armee viele jüdische Offiziere, u.a. den Hauptmann, der den Obergefreiten Hitler für das Eiserne Kreuz vorschlug (und 1933 ins KZ gesteckt wurde, weil er die Geschichte erzählte). Also, ich denke, man kann die Frage nach dem zivilisatorischen Stand der Vorkriegsgesellschaften nicht an solchen sicher einprägsamen Episoden fest machen, sondern braucht schon Empirie. Und da kenne ich keine Studie, nach der das wilhelminische Deutschland in punkto Antisemitismus auf dem Treppchen gestanden hätte; im Gegenteil.

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