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Könige und Bettler haben das Recht, unter Brücken zu schlafen

Soziale Gerechtigkeit ist kein Staatsziel. Davon steht auch nichts, rein gar nichts in unserer Verfassung. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist etwas ganz anderes. Nein, es ist nicht Aufgabe der Politik für eine Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse zu sorgen. Nein, es ist nicht erstrebenswert, wenn das soziale Gefälle in einer Gesellschaft von Staats wegen durch Transferkulturen abgebaut wird.

Die Ungleichheit der Menschen ist es, die die Dynamik einer Gesellschaft ausmacht. Diese Ungleichheit in einer nivellierenden Tugenddiktatur aufheben zu wollen, endet in einem Steinzeitkommunismus. Am Ende schlafen dann alle unter Brücken.

 

Erfolgreiche Gesellschaften sind nicht durch Egalität und Harmonie gekennzeichnet, sondern durch Differenz und Wettbewerb, ja auch durch Neid und Gier. Der Klassenkampf derer, die nach oben wollen, gegen die, die noch oben sind, ist ein Ausdruck demokratischen Lebens. Man muss diese Turbulenzen wollen. Das darf jetzt wieder gesagt werden. Es gibt in der europäischen Politik wieder eine konservative Stimme, die die egalistische „Volksheim“-Idylle der schwedischen Sozialdemokratie durchbricht. Der Bürgermeister von London Boris Johnson formuliert auf seinem Weg an die Spitze der Konservativen kühn Thesen, wie wir sie zuletzt von der Eisernen Lady Thatcher oder dem öligen Spekulanten Gordon Gecko gehört haben. Er ist aber kein ewig Gestriger.

 

Es lohnt sich, das zu deklinieren. Die historische These lautet ja nicht, dass alle Menschen gleich seien. Sie lautet: Alle Menschen sind von ihrem Schöpfer als Gleiche geschaffen. Das meint ihre Rolle als Inhaber von unveräußerlichen Menschenrechten, aber nicht ihre Lebensumstände. Dass alle Menschgen gleich sind, ist von Anfang an ein kontrafaktisches Unterfangen. Es soll stimmen und stimmt zugleich erkennbar nicht. Nur der juristische Inhalt ist unbestritten: Als Bürger sind alle Menschen gegenüber ihrem Staat gleich. Die soziale Frage entsteht überhaupt erst dadurch, dass die Rechtsgleichheit, selbst wenn sie gewährt ist, unter Lebensumstände geraten kann, die so massiv auf Ungleichheit beruhen, dass sie wieder in Frage steht. Georg Büchner lässt seinen Hessischen Landboten deshalb den Kriegszustand ausrufen: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Karl Marx will die Produktionsmittel wieder in die Hände der Produzenten bringen: „Expropriiert die Expropriateure!“

 

In Fragen der Bildung spricht man vorsichtiger von der Chancengleichheit, da unübersehbar ist, dass die Menschen nicht gleich sind, dass es Begabte und weniger Begabte gibt, so Begabte oder anders Begabte, jedenfalls Geförderte und weniger Geförderte, auch Fleißige und Faule. Das hat politisch nichts mit ethnischen oder genetischen Fragen zu tun, sondern mit dem konkreten Bildungsangebot, etwa der Frage, ob ein Teil des staatlichen Bildungsauftrages auf die Familien zurückgeworfen wird, womit bestimmten Schichten mehr Chancen zuwachsen als anderen. Die Schulpflicht, eine große aufklärerische Errungenschaft, erwächst aus der Erkenntnis, dass die Menschen nicht gleich sind.

 

Differenz ist das entscheidende Momentum der kulturelen, aber auch der politischen Entwicklung einer Gesellschaft. Konkurrenz ist ihr Lebensprinzip, nicht staatlich verordnete Homogenität. Das bedingt keinesfalls eine liberalistisches Chaos des Marktes. Natürlich kann die Gesellschaft politisch definieren, wie die Rahmenbedingungen auszusehen haben, und zwar dort, wo es um Mindeststandards geht. Weder Könige noch Bettler sollen unter Brücken schlafen müssen. Die Themen sind bekannt: eine Krankenversicherung für jeden Nordamerikaner, Mindestlöhne in Deutschland, Steuerpflicht auch für Unternehmen, Korruptionsbekämpfung auf dem Balkan, durchgesetzte Schulpflicht auch in Neukölln.

 

Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Multikulti und Unternehmertum… Die englische Sozialdemokratie ist fassungslos gegenüber dem neuen Individualismus des Boris Johnson. Vieler ihrer politischen Konzepte stammen aus einer Zeit, in der in einer Fabrikhalle ein durchorganisiertes Kollektiv agierte und in Siedlungen wohnte sowie klassenkonform gewählt wurde. Das neueste ist für sie noch immer der Fürsorgestaat, der bedingungslose Grundeinkommen gewährt, also das Recht und die Pflicht auf Selbstverwirklichung verweigert. Mit diesen Vorstellungswelten erreicht sie nicht mehr die jüngeren Generationen und die dezentralisierte Dienstleistungsgesellschaft. Nachdem New Labour schon im vergangenen Jahrzehnt die Sozialdemokratisierung und Ökologisierung der konservativen Politik wehrlos hat mit ansehen müssen, droht nun die nächste Runde ideologisch verloren zu gehen. Der nächste englische Premierminister jedenfalls wird Boris Johnson heißen. Nur kein Neid. Auf die Frage, ob er den aktuellen Brotpreis kenne, hat er geantwortet: Nein, aber den einer Flasche Champagner.

 

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8 Gedanken zu “Könige und Bettler haben das Recht, unter Brücken zu schlafen;”

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    Was für wirres Zeug! Wenn man jede Behauptung von Ihnen ins Gegenteil verkehrt kommt ein bißchen Sinn in den Text.
    Nebenbei: schreiben Sie sich gegenseitig Kommentare?

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    Solange es Menschen auf dieser Erde gibt, wird es ungerechtigkeit geben. Ich denke wenn man alle Güter gerecht verteilen würde, hätte jeder eine wohnstätte und was zu essen, aber das reicht den meisten Menschen ja nicht aus, sondern die Menschen wollen immer mehr haben.

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    An KK und Posener:
    Lesen Sie den letzten Artikl von Peter Oborne im DT. Er beschreibt Cameron ganz gut.
    Raten Sie mal bei Broders letztem Stück mit. Würden Sie sich wundern, wenn da einer dabei wäre, der abgewählt wurde, sich aber in der Recyclinganlage für Abgewählte, die sich über unnütze Reglementierungen für Bürger eine Existenzberechtigung verschaffen, dabei wäre? Ich nicht. Der andere ist ja schon verstorben. Das Raten dürfte Ihnen leicht fallen. Aber es gibt genug davon inzwischen. Vielleicht ist es ja jemand ganz anderes. Viel Freude beim Raten!

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    Sie glauben nicht ernsthaft, dass Labor sich nächstes Mal um diesen ausufernden Missbrauch kümmert, oder?:

    A Department of Health spokesman said: “We have a National Health Service, not an international health service, and we must stamp out abuse of the system.”
    http://www.telegraph.co.uk/new.....rists.html

    Möchten Sie das so? Was sind Sie eigentlich für ein Engländer, APO? Fakt ist, dass die sozialistischen Parteien besser mit Europa zusammen arbeiten. Das bedeutet im Klartext, dass die Bürger Nordeuropas für grassierenden Missbrauch zahlen, nur um dieses Konstrukt zusammen zu halten, oder um billige Fensterputzer zu haben.
    Cameron hat es schwer, weil er diesen Schlamassel aufräumen muss. Den hat Newlabor eingebrockt in der jetzigen Form. Dann soll er noch Wohnungen bauen, während er gleichzeitig Siedlungen besucht, die in Feuchtgebieten gebaut wurden oder oberhalb von einst trockenen Wohngebieten. In einem Land mit so viel Regen muss man aufpassen, sonst endet das als europäisches Bangladesh. Und Boris hat London verkauft. Mit sowas wäre selbst Schröder überfordert. Einen solchen Schlamassel finden Sie in keinem anderen europäischen Land. Das ist eine Folge britischer Toleranz, der Unfähigkeit, rechtzeitig „genug“ zu sagen. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Briten geht nach Australien oder Neuseeland. Die würden fast alle zurückkommen, wenn die Politik zu Verstand käme.
    Ach, und übrigens warten sich die Briten wegen dieser Überforderung ihres einst prächtigen Gesundheitssystems die Füße wund, und regelmäßig stehen ein paar in der Zeitung, die wegen zu langen Wartens und unqualifizierten Untersuchungen aus Zeitmangel gestorben sind. Das ist eine Katastrophe. Und Brüssel will, dass ab 1.1. noch mehr kommen, auch nach Deutschland, Skandinavien, Frankreich und in die Niederlande. Oder meint Brüssel, die gingen nach Griechenland? Das haben unsere Eltern nach dem Krieg aufgebaut, APO, die ganze europäische Nachkriegsgeneration hat daran geackert. Und jetzt wird es verschleudert.

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    „Die Konservativen sind nämlich zu – nun ja – konservativ, um ihn aufzustellen.“

    Nein. Die Konservativen sind eher ein Stück nach links gerutscht. Wenn Cameron es schafft, mehr Beziehung zu einfacheren Leuten zu zeigen, wird er die Wahl eher gewinnen als verlieren.
    Boris ist populistisch. Er schreibt daher brillant und hat tolle Olympische Spiele organisiert. Aber er kam vor einigen Wochen mit der Sarrazin’schen Intelligenzthese daher. Das wird ihn jagen.
    Wenn Cameron es schafft, die Nöte mancher Leute zu sehen und ihnen das vermitteln kann, wenn er ihnen außerdem die Austerität als notwendig und in ihrem Ende absehbar verkaufen kann, kann er durchaus die Wahl gewinnen. Er muss nur ein bisschen Merkeltouch abkupfern.
    Cameron ist noch sehr jung. Ihn durch einen ebenso jungen Mann ohne Erfahrung zu ersetzen, macht keinen Sinn. Was Sie vergessen, ist, dass er an Image gewinnt, wenn er Schottland halten kann.
    Die Briten können nur einen Fehler machen: Dass sie statt Tory UKIP wählen. Aber die sind auch nicht dümmer als die Deutschen.
    Sie wollen natürlich, dass Milliband gewinnt, weil Cameron Ihnen Ihre europäischen Großmannsträume zerstören kann, Ihre neue Ideologie, die den Maoismus ersetzt hat. Trösten Sie sich: Bis Europa auseinanderfällt, sind Sie vermutlich schon im Himmel. Mutter Mirjam wird Sie trösten. Oder John Lennon.

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    K.K. Weniger Staat, mehr Wettbewerb, Multikulti und Unternehmertum…

    … sollte ‚Multikulti‘ mit uns arbeiten und leben bedeuten – volle Zustimmung. Dann bin ich Engländer, Franzose, Hottentotte oder andere in einem.

    Das werden Sie aber mit Sozialisten nicht hinbekommen. Daher.

  7. avatar

    Wieso Steuerpflicht für Unternehmen? Eigentümer können und sollen Steuern zahlen und tun es auch. Sonst kommt es zu einer unsinnigen und ungerechten Doppelbesteuerung.

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    Toller Text, völlig d’accord im Theoretischen. Aber der nächste britische Premier wird nicht Boris Johnson heißen. Die Konservativen sind nämlich zu – nun ja – konservativ, um ihn aufzustellen. Leider. Labour wird aber ohnehin gegen David Cameron gewinnen – es sei denn, die Schotten erklären sich für unabhängig, in welchem Falle die Konservativen auf absehbare Zeit dank Süd- und Mittelengland eine eingebaute Mehrheit im Parlament haben dürften.

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