Um zu verstehen, worum es in diesem Beitrag geht, muss ich Sie bitten, vorher auf diesen Link zu klicken. Dort können Sie nachlesen, was der Stellvertretende Chefredakteur der Badischen Zeitung anlässlich der Kritik an einer am Jahrestag der Reichskristallnacht in seiner Zeitung erschienenen Karikatur schreibt. Sie finden dort auch die Karikatur:
Nun, Originalität kann man Thomas Fricker nicht vorwerfen. Sein zentrales Argument lautet: Nicht jede Kritik an Israel ist antisemitisch. (Als ob irgendjemand das je behauptet hätte oder behaupten würde): „Sollte jegliche Kritik an Israels Politik gleichgesetzt werden mit Kritik am jüdischen Volk und – gravierender noch – mit Antisemitismus, hieße das im Umkehrschluss, dass Kritik an der Politik der israelischen Regierung prinzipiell nicht mehr möglich wäre. Dies, verehrte Leser, kann weder im Sinne der Demokratie hierzulande noch in Israel sein.“ In der Tat. Obwohl man gern wüsste, was der Unterschied zwischen „Kritik am jüdischen Volk“ und Antisemitismus sei, und warum dieser „gravierender noch“ als jene wäre.
Aber darum geht es hier nicht, und die ständige Wiederholung dieser Floskel, wann immer Kritik an Israel in Antisemitismus abgleitet und darum ihrerseits kritisiert wird, macht die Sache nicht besser, sondern schlimmer, weil sie immunisiert statt zu sensibilisieren.
Warum ist diese Karikatur antisemitisch? Nun, weil sie nicht nur einen Sachverhalt falsch darstellt, sondern auf eine bestimmte Weise falsch darstellt.
Falsch ist, dass Netanjahu ein Abkommen zwischen den fünf Vetomächten plus Deutschland einerseits und dem Iran andererseits torpedieren wollte. Netanjahu hat gemahnt, das erfolgreiche Sanktionsregime nicht zu lockern, ohne dass der Iran wesentliche Zugeständnisse in der Frage der Urananreicherung und Plutoniumherstellung macht. Es ging um eine sachliche Frage, die nicht nur für Israel von existenzieller Bedeutung ist. Wie es sich herausstellte, war der Iran nicht zu ausreichenden Zugeständnissen bereit, was zuerst Frankreich, dann die USA dazu brachte, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären.
Wenn also jemand das von den USA angestrebte Abkommen torpedierte, dann waren es die Iraner. Meinetwegen, wenn man die Mullahs für die Unschuldslämmer hält, als die sie sich ausgeben, die Franzosen. Oder die Amerikaner. Aber eben nicht Netanjahu, der gar nicht an den Verhandlungen teilnahm und keine Möglichkeit hätte, das Abkommen zu verhindern, wenn es denn die fünf Vetomächte plus Deutschland abschließen wollten.
Das Wesen des Antisemitismus besteht darin, die Juden (oder „den Juden“) für Dinge verantwortlich zu machen, für die sie nichts können. „An allem sind die Juden schuld.“ Die Karikatur entspricht diesem Muster.
Aber nicht nur das.
Netanjahu will in der Karikatur nicht nur ein Abkommen verhindern, das nach seiner Meinung die Iraner zum Bau der Atombombe oder zur Entwicklung der Fähigkeit zum Bau einer solchen Bombe ermutigt hätte. Er will den Frieden selbst – dieses Zwitterwesen zwischen Schnecke und Taube – töten. Er will die Taube vergiften. Dieses Bild entspricht dem – oder erinnert an das – Nazi-Klischee, demzufolge „das internationale Judentum“ die Völker gegeneinander in den Krieg hetzen wolle.
Fricker will das alles nicht erkennen. Stattdessen schreibt er: „Wer die Zeichnung unvoreingenommen betrachtet, findet dort weder eine stilisierte Judenfigur noch das – mittelalterliche – Klischee vom jüdischen Brunnenvergifter. Stattdessen versucht dort ein sehr real existierender und real Politik betreibender israelischer Ministerpräsident…“
Ach so. Antisemitisch ist also, wenn die karikierte Figur eine Hakennase hat, Kaftan trägt und Brunnen vergiftet. Nicht, wenn sie wie ein jüdischer Ministerpräsident aussieht, einen Mantel, Koffer und Handy trägt und Friedenstauben vergiftet. Antisemitisch ist mittelalterlich. Da wir nicht mittelalterlich sind, können wir nicht antisemitisch sein.
Man könnte über so viel Naivität lachen, wäre sie nicht typisch für den unschuldigen Antisemitismus vieler aufgeklärter Deutscher. Natürlich ist man nicht der Meinung, dass alle Juden Hakennasen haben. (Das sind ja die Araber.) Natürlich weiß man, dass sie nicht alle Kaftan tragen und nach Knoblauch riechen. (Das sind Afghanen und Zigeuner, ähm Sinti und Roma.) Natürlich sind sie nicht alle geldgierige Shylocks. (Obwohl … Ich sage nur Goldman Sachs … Lehman … Greenspan … das jüdische Gen, das aus Juden geborene Banker macht, wie Thilo Sarrazin meinte.) Natürlich sind sie nicht Brunnenvergifter. (Sie vergiften nur den Frieden zwischen den Völkern, weil sie den Krieg wollen, um die armen Palästinenser weiter unterdrücken zu können.)
Die Karikatur erschien ausgerechnet am 75. Jahrestag der Reichskristallnacht, die Herr Fricker politisch korrekt, aber – wieder verschleiernd – „Reichspogromnacht“ nennt. Die Aktionen des 9. November 1938 waren ja kein Pogrom – eine spontane Erhebung der antisemitischen Meute, die kein Geringerer als Adolf Hitler in seiner ersten Stellungnahme zur „Judenfrage“ verurteilte; sie waren eine zentral gesteuerte Aktion. Übrigens wurde sie begründet damit, dass „die Juden draußen zum Krieg gegen Deutschland hetzen“. Und nun, am 75. Jahrestag, wieder der Jude als Friedensmörder. Fricker meint mit Unschuldsmiene:
„Dass dies manche Leser als unglücklich empfunden haben, kann ich nachvollziehen.“ Vielen Dank auch, möchte man sagen, für Ihre Feinfühligkeit. Freilich: „Betroffen macht mich etwas anderes.“
Das wiederum wundert nicht. Es macht Herrn Fricker nicht betroffen, eine antisemitische Karikatur am Jahrestag der Reichskristallnacht veröffentlicht zu haben; es macht ihn betroffen, dass die Jerusalem Post die Badische Zeitung eine „unbekannte Provinzzeitung“ nennt, die mit einer bewussten Provokation auf sich aufmachen wollte.
Nun, ich halte die Badische Post zwar für eine provinzielle Zeitung, aber nicht für eine unbekannte. Vor allem entspricht ihre Provinzialität – in diesem Fall das entrüstete gute Gewissen, mit dem Herr Fricker das entschuldigt, wofür er sich hätte entschuldigen sollen – leider dem Niveau der meisten deutschen Israelkritiker, die „natürlich“ keine Antisemiten sind und darum völlig unempfindlich gegen dessen heutige Ausprägungen. Das schreckliche gute Gewissen, das kein Gefühl für das Unpassende, ja Ungeheure des Vorgangs aufkommen lässt, am Tag, da vor nicht einmal einem Menschenleben die SA-Horden johlten, die Juden sollten „ab nach Palästina“ ziehen, nun den Ministerpräsidenten des in Palästina entstandenen jüdischen Staats als Friedensmörder zu verunglimpfen.
Niemandem in der Redaktion der Badischen Zeitung fiel das auf. Niemandem. Und Fricker findet das nicht einmal peinlich. Ein gutes Gewissen hat der Antisemit immer. Daran hat sich seit dem Mittelalter nichts geändert.
Schmierig-verlogenes, widerliches Thema, schmierig-verlogener, widerlicher Text, schmierig-verlogene, widerliche Argumentation.
Das jüdische Thema löst bei mir einfach nur noch Brechreiz aus.
Man gewinnt den Eindruck: Juden = Probleme
Wer mag sowas …
Was mich auf die Palme bringt: Die Unverschämtheit, mit der der Leser für dumm verkauft wird!
Es soll diesen miesen Schreiberlingen nicht vergessen sein – bis ins dritte und vierte Glied …
Hella
Lyoner: @ derblondehans
ich finde es niedlich, dass Apologeten wie Sie immer wieder die gleichen Denkschablonen ins Spiel bringen; na ja, irgendwann glaubt man, was man immer wieder repetiert hat. Glauben Sie wirklich, dass der stärkste Muskelprotz im Nahen Osten ein David ist?
… Apologet – das gefällt mir. Und … Sie glauben Islam heißt Frieden?
Die Genfer Vereinbarung mit dem Iran: ein außenpolitisches Desaster
@ derblondehans
ich finde es niedlich, dass Apologeten wie Sie immer wieder die gleichen Denkschablonen ins Spiel bringen; na ja, irgendwann glaubt man, was man immer wieder repetiert hat. Glauben Sie wirklich, dass der stärkste Muskelprotz im Nahen Osten ein David ist?
@piwonka
„in diesem thread wird nicht ein thema, sondern ganz unterschiedliche themen abgehandelt.“ Zur Erinnerung das Thema: „Unschuldige Antisemiten“ bzw. eine Karikatur in einer Zeitung.
Bis dato wurde ein Thema abgehandelt – Sie müssen sich schon fragen lassen, warum Sie ein anderes (Palästinenser) damit vermischen. Es geht Ihnen also um das eine, thematisieren aber das andere. Und daher werde ich mich auf das andere Thema auch nicht einlassen, auch wenn Ihnen das nicht passt (und mir das zugegebenermaßen schwerfällt).
Lyoner: ‚Was ich nicht verstehe, dass Israel bisher nicht mit dem Pfund gewuchert hat, sein atomares Potential als Verhandlungsmasse einzubringen mit dem Angebot eines atomwaffenfreien Nahen Osten. Können Sie mir das erklären?‘
Sie würden David die Schleuder nehmen … und eine waffenfreie Welt ist ein Ideal.
Israel kann keinen ‚Ersteinsatz‘ mit Kernwaffen riskieren. Das würde ebenso Israels Vernichtung bedeuten, wie ein ‚Ersteinsatz‘ mit Kernwaffen durch seine Feinde.
Daher bleibt Israel nur die Möglichkeit der Abschreckung, was ohnehin gegenüber einer politisch-islamischen Ideologie sehr schwierig ist, … und seinen Feinden den ‚Wunsch‘ nach Kernwaffenbesitz zu durchkreuzen. Wie auch immer.
Eine Überlebensfrage. Meine ich.
Daher.