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We must have been doing something right

Zwei Dinge füllen die Medien, die uns erschütternd scheinen. Da ist die Allmacht der Geheimdienste, die sich als Staat im Staat, wenn nicht als Weltregierung verstehen, und die Entzauberung eines amerikanischen Präsidenten, der messianische Züge zu haben schien. Wie haben wir diese Kontraktion von John F. Kennedy, Martin Luther King und Michael Jackson in Deutschland gefeiert, wie sehr haben wir gehofft, dass nun die CIAs dieser Welt sich mit einem YES WE CAN dem Guten widmen… Und jetzt lugt aus all dem die Fratze des US-Imperialismus.

Ich habe mich darüber mit einem rheinischen Juden unterhalten, der die Welt von Paris aus betrachtet und durch eine attische Brille. Er kam gerade aus den Nahen Osten und berichtet: „Mehr als je wimmelt es in der Levante von britischen Agenten, die über jeden Beduinen, ja über jedes Kamel, das durch die Wüste zieht, Erkundigungen einziehen.  Wieviel Zechinen Mehmet Ali in der Tasche, wieviel Gedärme dieser Vizekönig von Ägypten im Bauche hat, man weiß es ganz genau in den Bureaus von Downingstreet. Hier glaubt man nicht an die Mirakelhistörchen frommer Schwärmer; hier glaubt man nur an Tatsachen und Zahlen.“

 

Mein Gewährsmann will seine Beobachtung der „intelligence services“ nicht auf den Vorderen Orient beschränkt wissen. Er fährt fort: „Aber nicht bloß im Orient, auch im Okzident hat England seine zuverlässigsten Agenten, und hier begegnen wir nicht selten Leuten, die mit ihrer geheimen Mission auch die Korrespondenz für Londoner aristokratische oder ministerielle Blätter verbinden; letztere sind darum nicht minder gut unterrichtet. Bei der Schweigsamkeit der Briten erfährt das Publikum selten das Gewerbe jener geheimen Berichterstatter, die selbst den höchsten Staatsbeamten Englands unbekannt bleiben; nur der jeweilige Minister der äußeren Angelegenheiten kennt sie, und überliefert diese Kenntnis seinem Nachfolger.“

 

Finanziert werde das System so, wie man als Fußball-Chef sein Spielgeld verwaltet, mittels Nummernkonten: „Der Bankier im Ausland, der einem englischen Agenten irgendeine Auszahlung zu machen hat, erfährt nie seinen Namen; er erhält nur die Order; den Betrag einer angegebenen Summe derjenigen Person auszuzahlen, die sich durch Vorzeigen einer Karte, worauf nur eine Nummer steht, legitimieren werde.“

 

Mein Gesprächspartner heißt Heinrich Heine, und wir schreiben das Jahr 1840. Und so sagt Heine über die Engländer, was mir als eine Analyse der Amerikaner als Weltmacht scheint. „Sind die Engländer in der Politik wirklich so ausgezeichnete Köpfe? Worin besteht ihre Superiorität in diesem Felde? Ich glaube, sie besteht darin, dass sie erzprosaische Geschöpfe sind, dass keine poetischen Illusionen sie irrleiten, dass keine glühende Schwärmerei sie blendet, dass sie die Dinge immer in ihrem nüchternsten Lichte sehen, den nackten Tatbestand fest ins Auge fassen, die Bedingnisse der Zeit und des Ortes genau berechnen und in diesem Kalkül weder durch das Pochen ihres Herzens noch durch den Flügelschlag großmütiger Gedanken gestört werde.“

 

Das ist das Genie des Schlichten, mit dem die amerikanische Politik sagt: Wir werden unsere Feinde töten, egal, wo sie gerade zum IPhone greifen. Nummer kam, wir wissen es, vom BND. Drohne kommt anschließend von oben. Bumm. Keine überbordenden Gedanken, kein ethisches Pingelpangel, kein Völkerrechtsgewäsch. Es fehlt vollständig an Bedenken.

 

Heine hat recht: „Dieser Mangel ist die ganze Force; und der Grund ihres Gelingens in der Politik, wie in allen realistischen Unternehmungen, in der Industrie, im Maschinenbau usw. Sie haben keine Phantasie; das ist das Geheimnis.“ Das Dogma des Guten ist frei von Zweifel, jedenfalls von Selbstzweifel.

 

Und das alte Europa? Es tut sich schwer. Hier ist Aufklärung vor allem Grübeln: „enlightenment in which dogmatism and self-certitude are weaknesses, enlightenment in which people are free to question, think, argue and debate..“ So beschreibt der Historiker Adrian O‘Connar aus St. Petersburg, Florida, USA, den Unterschied. Der Gipfel der amerikanischen Nachdenklichkeit liegt in der notorischen Überzeugung, dass man irgendetwas schon richtig gemacht haben wird. Na dann.

 

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8 Gedanken zu “We must have been doing something right;”

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    @ Moritz Perger

    @ Moritz Perger

    Ich bin im Rheinland aufgewachsen. Wenn es um Karneval geht, hört beim Rheinländer der Spaß auf! In meiner hessischen Umgebung bin ich der einzige der eine Kappensitzung lustig findet. Um mich mal als Karnevals-Jeck zu outen.

    Was soll mit DEM Serben sein? Charmant, gut aussehend und geistreich. Fällt ihnen noch was ein?

  2. avatar

    Und hier noch der Nacjscjlag an Zitaten von Heinrich Heine für Herrn Posener:

    Luther erschütterte Deutschland – aber Francis Drake beruhigte es wieder: Er gab uns die Kartoffel.

    und für den blonden Hans:

    Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch.

    Und last not least etwas über d i e Deutschen:

    Die Deutschen sind ein gemeingefährliches Volk: Sie ziehen unerwartet ein Gedicht aus der Tasche und beginnen ein Gespräch über Philosophie.

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    Lieber Stefanovics,

    ich dachte Sie wären Deutscher…

    Vielleicht sollten Sie einmal diese Zeilen lesen:

    Der deutsche Humor ist anders, weniger ironisch, langsamer, aber auch wärmer, herzlicher und (so gar nicht in der Tradition Buschs) weniger grausam. Es ist gerade in Mode, den Deutschen zu sagen, dass sie stolz auf sich sein sollen und so werde ich sie nicht anspornen, patriotischer zu sein und hinter ihrem Humor zu stehen, wenn Ausländer oder sogar Kulturkritiker aus den eigenen Reihen wieder einmal das teutonische Witzdefizit beklagen. Ich hingegen sage den Deutschen: Hört nicht auf zu lachen! Denn auch das ist typisch deutsch.

    Sie würden sich wundern, wer diese Zeilen verfasst hat.

    Und lieber Herr Posener

    Versuchen Sie doch einmal zu differenzieren statt zu schreiben:

    Das schlimmste an den Deutschen

    Und was ist mit dem Hessen und dem Ostfriesen und dem Bayern und dem Schwaben und dem Badener und dem Türken und dem Kroaten und dem Serben und em Berliner

    Da ziehe ich doch Heinrich Heine vor, der besser differenziert als Sie:

    Unter jedem Grabstein liegt ein Mikrokosmos

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    … ooops? Korrektur

    Heinrich Heine 1841: Geld ist der Gott unserer Zeit und Rothschild ist sein Prophet.

    ‚Kaum jemand weiß, dass die City of London — der größte Finanzhandelsplatz der Welt — exterritoriales Gebiet ist und nicht zu Großbritannien gehört. Wenn die Queen die City of London — im Volksmund „Square Mile“ (Quadratmeile) genannt — betreten möchte, muss sie sich wie bei einem Staatsbesuch anmelden. An der Grenze der Quadratmeile, wird sie vom Lord Mayor, dem Oberhaupt der City, empfangen.

    Britische Gesetze greifen in der City nicht, die City of London Corporation hat eine eigene Staatlichkeit, eigene Gesetze und überwacht sich selbst. Ihre Manager handeln mit Wertpapieren und Devisen über alle Grenzen hinweg, aber kein Gericht kann sie belangen und keine Regierung ihre Geschäfte kontrollieren.

    Prof. Dr. Dr. Wolfgang Berger präsentiert seine umfassenden Recherchen. Er ein in Frankreich und den USA ausgebildeter Philosoph und Ökonom, war Industriemanager und Hochschullehrer. Er hat in Deutschland, Ghana, Indien, Italien, Argentinien und den USA gearbeitet.‘

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    Lieber Herr Posener,

    das schlimmste an den Deutschen ist ihr Humor. Man kann nicht mal lästern, ohne das es jemand sofort auf die Goldwaage legt und zum Ergebnis kommt, dass es doch so eigentlich gar nicht sei.

    🙂

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    Lieber Klaus Kocks,
    zwei Dinge sind bemerkenswert:
    1. Die Unbedenklichkeit, mit der Sie Großbritannien damals mit den USA heute gleichsetzen.
    2. die Unbedenklichkeit, mit der Sie Heines Urteil übernehmen. Es gab nur wenige Deutsche im 19. Jahrhundert, die Großbritannien wirklich verstanden. Und Heinrich Heine gehört gewiss nicht zu ihnen. Sein Urteil, die Engländer seien – ich zitiere aus dem Gedächtnis, man findet das in „Sheakespeares Mädchen und Frauen“ – „das abscheulichste Volk, das Gott in seinem Zorne erschaffen hat“, zeugt nicht gerde von der Bereitschaft, vorurteilslos über die Spione ihrer Majestät zu urteilen. Tatsächlich reicht es, Rudyard Kipling und John LeCarré zu lesen, dass leider das Gegenteil der Fall ist: im britischen Geheimdienst war man hoffnungslos romantisch, wie in der außenpolitik überhaupt. Anders ist – etwa – die Balfour-Declaration gar nicht zu erklären, deren urheber zur Begründung im Parlament ausrief: „Shall there be no more adventures?“
    Das Schlimmste an den Deutschen ist, dass sie glauben, alle anderen beurteilen zu können, während sie sich nicht einmal selbst durchschauen.

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    „Das Dogma des Guten ist frei von Zweifel, jedenfalls von Selbstzweifel.“

    Alleine in den letzten 200Jahren hat Europa eine Menge Mörder hervorgebracht, die alle nur das Gute wollten. Aufklärung in Europa war immer auch der Versuch, den Guten beizubringen, dass sie gar nicht so gut sind. Selbstzweifel ist für Europäer Aufklärung.

    „Der Gipfel der amerikanischen Nachdenklichkeit liegt in der notorischen Überzeugung, dass man irgendetwas schon richtig gemacht haben wird.“

    Das nennt sich in Europa „Arroganz der Macht“. Aus vielen Gründen mag das im angelsächsischen Raum funktionieren, in Kontinentaleuropa funktioniert das nicht. Natürlich haben wir unsere eigene Art der „Arroganz der Macht“. Die sieht aber anders aus. In Deutschland ist es die Amnesie. Ich glaube, in keinem Land der Welt, wird „ich kann mich nicht erinnern“ so oft im Sinne eines „leck mich doch“ verwendet. Ist nur ein Gefühl.

    Die Amis vom Mars, Europa von der Venus? Könnte nicht nur an der neo-europäischen Weicheierkultur liegen, es könnte er auch dem Gipfel der amerikanischen Nachdenklichkeit geschuldet sein.

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