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Edward Snowden, Verräter

Dass Edward Snowden in vielen Medien als „Whistleblower“ bezeichnet wird, ist eine Irreführung. Er ist ein Verräter.

Wer will, kann den ausführlichen Artikel über „Whistleblower“ bei Wikipedia nachlesen:

https://en.wikipedia.org/wiki/Whistleblower

 

Daraus wird klar, dass sich der Begriff – und der in den USA ziemlich umfangreiche Schutz der Whistleblower – auf Beschäftigte eines Unternehmens oder einer staatlichen Behörde beziehen, die zum Ergebnis kommen, ihr Arbeitgeber verstoße gegen geltende Gesetze, Verordnungen usw., und die keine Möglichkeit sehen, innerhalb des Unternehmens oder der Firma gegen diese illegalen Praktiken vorzugehen.

 

Davon kann bei Snowden keine Rede sein. Das von ihm verratene „Prism“-Programm zur Auswertung von Telefon- und Internetverbindungen ist nicht illegal. Es hat eine klare gesetzliche Grundlage, und dessen Anwendung wird durch Gerichte kontrolliert.  Aktivitäten eines Geheimdienstes im Ausland – wie etwa die Verwanzung von Botschaften, Regierungsgebäuden usw. – sind per definitionem nach dem Gesetz des Staates, in dem der Auslandsgeheimdienst operiert, verboten. Spione, die auffliegen, werden dementsprechend verurteilt, das ist ihr Berufsrisiko.

Um zwei Beispiele zu nennen:

Der amerikanische Spionageexperte Jonathan Pollard wurde vom israelischen Geheimdienst rekrutiert. Er wurde gefasst und wegen Verrats von einem amerikanischen Gericht zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er sitzt noch in einem FBI-Gefängnis.

Eli Cohen arbeitete von 1961 bis 1965 für den israelischen Geheimdienst in Syrien, wo er Vertrauter des Verteidigungsministers wurde. 1965 wurde er enttarnt und hingerichtet.

 

Das Beispiel Pollard zeigt, dass die Empörung über die Spionage „unter Freunden“ unsinnig ist. Die USA sind Israels wichtigster Freund, Verbündeter, Waffen- und Informationslieferant. Israel wiederum liefert den USA Informationen über deren Feinde (und vielleicht auch Freunde) im Nahen und Mittleren Osten.

 

Glaubt also irgendjemand, der Bundesnachrichtendienst etwa halte sich bei seinen Auslandseinsätzen immer an Recht und Gesetz der Länder, in denen er operiert? Natürlich tut er das nicht. Das Sammeln von Informationen etwa über das Atomprogramm des Iran ist per se verboten. Man will hoffen, dass der BND es dennoch tut – oder dass er zumindest mit Geheimdiensten wie dem Mossad oder der CIA zusammenarbeitet, die das nachweislich tun.

 

Problematisch ist eher die Existenz mehrerer (übrigens ebenfalls völlig legaler)  Inlandsspionage-Organisationen in Deutschland: etwa des Verfassungsschutzes und der Verfassungsschutzämter der Länder.  Von deren Leuten werden Untergliederungen der Linkspartei ausspioniert und V-Leute in der NPD gesteuert, obwohl weder die Linkspartei noch die NPD verboten sind. Berüchtigt wurde der von der Regierung Helmut Schmidt zu verantwortende „Lauschangriff“ des Verfassungsschutzes gegen den Atomkraftgegner Klaus Traube wegen angeblicher Nähe zur RAF.

Auch die unter der Regierung Helmut Kohl erfolgte Entlassung des Generals Günter Kießling, nachdem Ermittlungen des „Amts zur Sicherheit der Bundeswehr“ ergeben hatten, Kießling sei angeblich homosexuell und also ein Sicherheitsrisiko, zeigt, dass die Privatsphäre deutscher Bürger nicht unbedingt in erster Linie von amerikanischen Datenfischern verletzt wird.

 

Doch zurück zum Verräter Snowden. Ihn als solchen zu bezeichnen, bedeutet nicht, ihm unedle Motive zu unterstellen. Auch andere berühmte Verräter hatten edle Motive.

Klaus Fuchs etwa, Sohn eines evangelischen Theologen und Kommunist, floh vor den Nazis nach Großbritannien, wo man den begabten Kernphysiker und überzeugten Antifaschisten an führender Stelle im Atombombenprogramm beschäftigte. Weil er die Sowjetunion für eine Friedensmacht hielt, verriet Fuchs entscheidende Teile des Programms an die Russen. Auch David Greenglass, seine Schwester Ethel und deren Mann Julius Rosenberg verrieten aus Begeisterung für die kommunistische Idee Atomgeheimnisse an die Sowjetunion. (Ob es richtig war, die Rosenbergs deshalb hinzurichten, steht auf einem anderen Blatt.) Mordechai Vanunu verriet das israelische Atomprogramm, nachdem er zum Christentum übergetreten war. Selbst William Joyce, der als „Lord Haw Haw“ Rundfunkpropaganda für die Nazis machte und deshalb von den Briten 1946 hingerichtet wurde, handelte angeblich aus Patriotismus: Der überzeugte Faschist und Antisemit wollte Großbritannien für ein Bündnis mit dem Großdeutschen Reich gewinnen, was allein den Untergang des Landes verhindern könnte. Und so weiter und so fort.

 

Dabei war Joyce meines Erachtens im juristischen Sinne kein Verräter; er war ja nicht einmal britischer Staatsbürger. Der Staatsanwalt argumentierte aber, er sei im Besitz eines britischen Passes gewesen, wenn auch zu Unrecht, was ihm den diplomatischen Schutz der Regierung und Vertretungen Seiner Majestät eingebracht, ihn aber im Gegenzug zu Treue gegenüber dem König verpflichtet habe.

Außer in der grimmigen Atmosphäre von Abrechnung und Rache nach dem Zweiten Weltkrieg kann man sich kaum vorstellen, dass ein derart fragwürdiges Urteil aufrechterhalten und vollstreckt worden wäre; so wie man das Urteil gegen die Rosenbergs nur im Zusammenhang mit der antikommunistischen Hysterie der McCarthy-Ära erklären kann. Aber die Begründung des Staatsanwalts im Falle Joyce enthält dennoch den Kern dessen, was Verrat ausmacht.  Der Staatsbürger schuldet seinem Staat ein Mindestmaß an Loyalität – jedenfalls darf er nicht, wie es in der britischen juristischen Sprache heißt, dessen „Feinde fördern und unterstützen“.

 

Umso mehr gilt das für den Geheimnisträger des Staates, der einen entsprechenden Eid geleistet hat.  Der Staat selbst – und die Mitarbeiter, Vorgesetzten und Untergebenen – des Geheimnisträgers müssen sich auf diesen Eid verlassen können; und da man das erfahrungsgemäß nicht kann, müssen sie sich auf die abschreckende Wirkung von Strafen für den Eidbruch und den Geheimnisverrat verlassen können. Es geht schließlich um die Sicherheit des Staats, der seinerseits das Leben und die Unversehrtheit seiner Bürger garantieren muss. Der Bürger hat ein Recht darauf anzunehmen, dass der Staat alles Menschenmögliche tut, um diese Garantie zu erfüllen. Einschließlich des Ausspionierens anderer Staaten und des Aufspürens und der Bestrafung von Verrätern.

 

Dies ist zunächst ein sehr formales Argument. Das haben juristische Argumente so an sich. Die Justiz ist formal. Mord ist Mord. Diebstahl ist Diebstahl. Verrat ist Verrat. Eidbruch ist Eidbruch. Erst bei der Zumessung der Strafe können nicht formale Gesichtspunkte berücksichtigt werden: gute Absichten etwa, politisch edle Motive und dergleichen.

Dabei bin ich weit vom Relativismus einer Margaret Boveri entfernt, die in ihrem mehrbändigen Werk über den „Verrat im 20. Jahrhundert“ mit durchsichtiger Absicht beim Vergleich von Verrätern wie William Joyce oder Ezra Pound einerseits, Canaris und Stauffenberg andererseits meinte: „Der Inhalt des Verrates wechselt, indem sich das Rad der Geschichte dreht. Heute werden als Helden oder Märtyrer die gefeiert, die gestern als Verräter gehenkt wurden, und umgekehrt.“

 

So ist es nicht. Canaris und Stauffenberg verrieten einen Staat, der seine eigenen Bürger verraten hatte. Der eben gerade nicht das Leben und die Sicherheit garantieren wollte, sondern die „Lebensunwerten“ tötete und das „Volk“ insgesamt als Werkzeug im Kampf um die Errichtung der arischen Herrschaft in Europa und der Welt verheizte.

Auch im Kalten Krieg gab es einen Unterschied zwischen jenen, die den Westen verrieten und jenen, die den Kommunismus verrieten. Ich rede nicht von persönlichen Motiven. Vielleicht verriet einer den Westen aus Idealismus, wie der Verräter im Roman „Tinker, Tailor, Soldier, Spy“ von John le Carré, der die Verflachung und Vulgarisierung Großbritanniens durch den amerikanischen Einfluss beklagt; vielleicht verriet einer den Osten aus rein materiellen Erwägungen, oder weil er jener Vulgarität erlegen ist. Darauf kommt es für den Sachverhalt nicht an. Denn ich rede hier von einer grundsätzlichen Wertentscheidung, einer Unterscheidung zwischen demokratischen und antidemokratischen Staaten, die man treffen und nach der man handeln muss.

 

Und die Snowden getroffen und nach der er gehandelt hat. Er floh ja nach China, ersuchte um Asyl bei diversen südamerikanischen Caudillos und ist nun bei Putin gelandet. Ein merkwürdiger Freiheitsheld.

Statt in den USA – und sei es unter Wahrung seiner Anonymität über Mittelsmänner in Menschenrechtsgruppen, der Presse oder dem Kongress – auf die Abstellung jener Aspekte der Spionageprogramme zu zielen, die er für problematisch hält, hat Snowden diese Programme in toto den Feinden der USA verraten, womit er die Arbeit der Geheimdienste bei der Terrorprävention erschwert, Amerika bei Freunden und Gegnern diskreditiert und das Leben und die Sicherheit vieler – vielleicht sehr vieler – seiner Mitbürger gefährdet hat.

So viel ist sicher.

Hingegen hat noch niemand auch nur einen Fall aufdecken können, wo konkret die Persönlichkeitsrechte eines Menschen aufgrund dieser Programme verletzt wurden. Kein Fall, der etwa vergleichbar wäre mit den Skandalen um Traube und Kießling, der vorsorglichen Beobachtung von Mitgliedern der Linkspartei, der Verwendung von V-Leuten, die ihrerseits zu rassistischer Gewalt aufrufen usw. usf.

Nicht einen Fall.

Es mag nach 9/11 – und das waren nicht die einzigen Anschläge – im Westen und besonders in den USA eine gewisse Hysterie gegeben haben; nein, ändern wir diesen Satz: es gab eine Hysterie. Aus dem unbestreitbaren Versagen der Sicherheitsdienste im Vorfeld der Anschläge, nicht zuletzt wegen des Kompetenzwirrwarrs etwa zwischen CIA und FBI, gab es überdies die Tendenz, sinnvolle Kompetenzabgrenzungen einzureißen und Bürgerrechte außer Kraft zu setzen. Die Ausrufung eines Kriegszustands – „Krieg gegen den Terror“ – ohne Ankündigung, unter welchen Bedingungen der Krieg als beendet anzusehen wäre,  schuf die Berechtigung für Ausnahmevollmachten der Regierung, die – da der Krieg andauert – zu Dauervollmachten wurden. Guantánamo – ein Kriegsgefangenenlager, das nicht aufgelöst werden kann – ist nur das augenfälligste Beispiel. Zweifellos haben wir längst einen Punkt erreicht, an dem diese Regelungen und Vollmachten mitsamt ihren Begründungen überdacht und in vielen Fällen zurückgenommen werden. Präsident Barack Obama wurde ausdrücklich mit dieser Vollmacht gewählt.

Einiges hat Obama auch getan. Die Geheimdienste praktizieren weder Folter noch „Renditions“, was übrigens auch zu Kriegszeiten kaum zu verantworten war. Es gibt ernste Versuche, Guantánamo aufzulösen. Amerikanische Truppen sind aus dem Irak abgezogen worden und werden aus Afghanistan abgezogen. Gegenüber weiteren Einsätzen – sei es in Libyen, sei es in Syrien – zeigt sich die Administration äußerst zurückhaltend. Auch das muss man in Rechnung stellen, wenn man fragt, warum „Prism“ nicht eingestellt wird. Der Grund ist: in der Abwägung zwischen der Sicherheit der Bürger und dem Schutz ihrer Privatsphäre gilt ein solches Datenschleppnetz als minimalinvasives, aber effektives Mittel zum Schutz von Leib und Leben vieler Amerikaner. Weit davon entfernt, wie Kritiker behaupten, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen, stellt es 99% der Bürger unter Generalunschuldsvermutung. Deren Daten bleiben im Schleppnetz der Algorithmen erst gar nicht hängen und sollen ja auch nicht hängen bleiben.

Wer fliegt, lässt sich und sein Gepäck durchleuchten. Nicht, weil alle unter Generalverdacht stehen, sondern weil alle unversehrt ankommen sollen.

50 Terroranschläge, bestätigt nun auch der Bundesinnenminister nach Einsicht in die Unterlegen, seien durch „Prism“ verhindert worden, davon 25 in Europa, fünf in Deutschland. Künftig wird das schwerer, denn die Täter sind alarmiert. Wenn die nächste Bombe hochgeht und das Publikum fragt, warum die Behörden das nicht verhindert hätten, sollten sie nicht den Beitrag des Verräters Snowden vergessen. Und, sofern sie zur Spionagehysterie beigetragen haben, ihren eigenen.

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245 Gedanken zu “Edward Snowden, Verräter;”

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    …eigentlich reichen ca. 0,001% aus, die im Verborgenen eine Seilschaft bilden und das Falsche tun, und wir haben ein Problem.

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    @Alan Posener: Ja, die Leute bei der NSA sind klug, wahrscheinlich viel klüger als viele unserer geheimen BND-Verbindungsleute, die uns so effektiv getarnt vor den Rechtsradikalen beschützen, dass sie von ihnen nicht mehr zu unterscheiden sind. Ich hoffe mit Ihnen, dass die US-Geheimdienstleute das tun, was ihnen von der jeweiligen Regierung vorgegeben wird. Dass nicht nur 90%, sondern 100% aller 400 000 Geheimdienstmitarbeiter (wenn ich die Zahl richtig erinnere) das tun. Denn wenn nur 10 % zwar klug sind, aber etwas anderes tun, haben wir ein Problem, denn dann wissen wir nicht, ob die restlichen 90% davon erfahren und etwas dagegen unternommen haben oder nicht.

    Aber gut, dass Sie Fragen zu stellen beginnen. (Übrigens war nicht ich, sondern 68er der Kommentator, der die Frage zur KPD gestellt hatte).

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    @ Parisien

    Es ging mir nicht darum, zu entscheiden, ob man Herrn Posener und seine Leute damals hätte „abknallen“ sollen, das zur Debatte zu stellen würde wäre tatsächlich so daneben, wie die Gesinnungsschnüffelei der Kreiswehrersatzämter. Ich wollte eigentlich fragen, ob es gravierende äußerliche Unterschiede in den Verhaltensmustern der KPD/AO-ler und der jungen Leute gibt, die heute für ideologische oder militärische Schulungen nach Pakistan, in den Jemen oder sonstwo reisen. Mindestens zwei deutsche Staatsbürger wurden von der US-Regierung in der Vergangenheit so ermordet, ohne dass nachgewiesen wäre, dass sie an terroristischen Schulungen teilgenommen hätten. Da wurden Leute aus Verdacht ohne Gerichtsverfahren ermordet und das geht einfach nicht.

    Möglicherweise haben Sie recht, dass Herr Posener es damals im Kampf für das Proletariat als in der Natur der Sache liegend betrachtet haben kann, umgebracht zu werden und es heute auch für gerechtfertigt erachtet, Leute mit Drohnen zu töten. Aber eigentlich hat sich seine Sicht der Welt dann nicht grundlegend geändert.

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    @68er
    „die recht schwache Argumentationslinie, es sei ja noch gar nicht klar wie weit PRISM in unsere Rechte eingreift“

    Tatsächlich bin ich der Meinung, dass viele hier gegen die Digitalisierung argumentieren, nicht gegen die NSA. Das ist wie gegen Ebbe und Flut sein. In der Wirtschaft wird sich neben CEO und CFO bald auch ein CDO (Chief Digital Officer) etablieren. Damit ist der Zug abgefahren. Auch muss ich zugeben, dass ich mit Vorratsdatenspeicherung kein Problem habe. Technologie ändert sich, damit auch Methoden und mit ihnen Rechte. So what? PRISM greift in unsere Rechte ein, natürlich, nur denke ich, dass wir sie neu formulieren müssen. Die Verteidigungslinie, keine Daten zu geben, die hält nicht. Die Frage ist nicht, ob wir gegen PRISM sind, sondern wie wir es in unseren Staat einbauen. Dazu müssten wir aber wissen, was PRISM eigentlich ist. Eine Straßenverkehrsordnung macht nur Sinn, wenn ich weiß, was ein Auto ist. Klingt wie Posener, ich weiß.

    @ Posener

    „Und heute ist es bei der CIA, dem NSA usw. auch nicht anders. Das sind kluge Leute.“

    „Natürlich gibt es immer die Gefahr, dass die Exekutive zu mächtig wird, und dass der Geheimdienst zum Staat im Staat mutiert. Ich bin für ernst gemeinte Vorschläge offen“

    Naja, bis jetzt ist ihr einziger Beitrag ein fundiertes: Et hät noch immer jot jejange! in einem Tonfall, als ob sie sich am Wochenende die ganze CD Box „Band of Brothers“ am Stück reingezogen hätten.

    Es gibt Geheimgerichte und Geheimräte, wie zu Zeiten Ottos des Verstopften. Sieht so die organisatorische Antwort auf die Digitalisierung aus? Wenn ich wählen darf, hätte ich die Antwort gerne von dem Anhänger der demokratisch freiheitlichen Grundordnung, nicht von Captain America.

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    Lieber Herr Posener,

    Sie schreiben an mich gerichtet: „In so fern hat Snowden auch der Demokratie einen Dienst erwiesen“.

    Aus meinem ersten Beitrag sollte klar geworden sein, dass aus meiner Sicht die Person Snowden und die Bewertung ihres Handelns sekundär ist. Das gilt positiv wie negativ. Ich bin der Meinung, dass es hier viel wichtigere Fragen gibt, die die Öffentlichkeit diskutieren sollte.

    Bereits recht früh würde im „Economist“ auf die Problematik unzulänglicher (demokratischer) Legitimation durch die Öffentlichkeit und fehlender (rechtsstaatlicher) Rechtsbehelfe hingewiesen. In Deutschland ist das vielleicht auch deshalb untergegangen, weil es sich um die Ausgabe über Deutschland als „The reluctant hegemon“ handelt.

    In den Artikel „Secrets, lies and America’s spies“ (The Economist, June 15th 2013, p. 12.; online at http://www.economist.com/news/.....ed-consent) heißt es schon zusammenfassend in der byline

    „A government’s first job is to protect its citizens. But that should be based on informed consent, not blind trust“

    und im Text abschließend:

    „Our point is not that America’s spies are doing the wrong things, but that the level of public scrutiny is inadequate and so is the right of redress. Without these, officials will be tempted to abuse their powers, because the price of doing so is small. This is particularly true for those who bug and ban.

    Spooks do need secrecy, but not on everything, always and everywhere. Officials will complain that disclosure would hinder their efforts in what is already an unfair fight. Yet some operational efficiency is worth sacrificing, because public scrutiny is a condition for popular backing. Even allowing for the need to keep some things clandestine, Americans need a clearer idea of what their spies are doing in their name.“

    Diese Diskussion muss geführt werden – und zwar auch und gerade dann, wenn man (wie auch ich) nicht nur Freund Amerikas, sondern auch Freund der Ideale und Prinzipien der amerikanischen Geschichte, Verfassung und Gesellschaft ist.

    Edward Snowden hat diese Diskussion nun ausgelöst. Sie hätte früher geführt werden sollen. Unabhängig davon spielt Edward Snowden und die Bewertung seines Handelns hierfür keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Wer in der Exekutive von den eigentlichen Fragen ablenken möchte, der wird sicher das ablenkende Potential dieser Geschichte eines „Agenten auf der Flucht“ dankbar hinnehmen oder nach Möglichkeit auch instrumentalisieren.

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    Und, Lieber Moritz Bergder, obwohl Salon.com in der Überschrift unterstellt, NSA-Chef Alexander sei psychisch krank („data fetish“), wird aus dem Artikel klar, dass

    „Alexander’s urge to “collect it all” also stems from his mandate to protect against cyberattacks and — in his other role as the head of Cyber Command — to conduct offensive attacks such as the StuxNet sabotage of Iran’s nuclear centrifuge program.“

    Wohlgemerkt: „Mandate“.
    Wer schützt die Bundesrepublik vor Cyberattacken? Nur so eine Frage.
    Und: Warum wurde StuxNet speziell entwickelt, um Software von Siemens lahmzulegen? Weil Siemens den Iranern bei ihrem Atomprogramm entscheidende Hilfe leisteten. Und dann regt man sich darüber auf, dass auch Deutsche ins Visier der NSA gerieten?

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    Lieber Alan Posener,

    während Sie Edward Snowden Verräter nennen, kommen die Amerikaner langsam in Gang. Daran kann man mal sehen, wie unamerikanisch Sie doch sind:
    Carter findet ihn „nützlich“:
    http://www.spiegel.de/politik/.....11589.html

    Der ehemalige Senator Humphrey sagt, Snowden habe „das Richtige getan“:
    http://www.spiegel.de/politik/.....11587.html

    Bürgerrechtler sind auf dem Plan:
    http://www.spiegel.de/netzwelt.....11532.html

    Google kommt immer mehr ins Gerede:
    http://www.spiegel.de/netzwelt.....11574.html

    Das Land (USA) wacht auf. Sie wie auch Herzinger sind hoffnungslos verloren, wenn Sie nicht die verstörte Frau Merkel und ihren komischen Innenminister aufwecken, sondern den beiden altbackene Brötchen für ihre Rentnerwähler backen.

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    @ Moritz Berger:
    Da Sie Lektüreempfehlungen geben, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin, warum zitieren Sie nicht aus dem empfohlenen Artikel des Guardian über das britische Parlamentskomitee:

    „The committee (ISC) issued a statement on Wednesday morning clearing the Government Communications Headquarters (GCHQ) of illegal conduct in its access to the US Prism programme, which gave American intelligence a window on the daily communications of millions of people around the world.

    It concluded: ‚It has been alleged that GCHQ circumvented UK law by using the NSA’s Prism programme to access the content of private communications. From the evidence we have seen, we have concluded that this is unfounded.'“

    In Deutschland wird ja noch geleugnet, dass die Spionagedienste überhaupt von Prism wussten! DAS ist in der Tat ein Skandal und verhindert, dass die Operationen untersucht werden können wie in Großbritannien oder gerichtlich überprüft werden wie in den USA. Aber die Anti-US-Empörungsmaschine läuft weiter.

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    @68: Richtig, dies hier ist ein Experimentierspielfeld. Das finde ich aber gerade gut. Wenn die Meinungsprofis hier Ihre Argumentationsmuster ausprobieren, habe ich nichts dagegen, Versuchskaninchen zu spielen. Vielleicht entstehen auf diese Art bessere Argumentationen.

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    @ Roland Ziegler und Parisien: Sie argumentieren, in den falschen Händen wäre diese Technik eine Katastrophe. Gewiss doch. Und das galt und gilt auch für die Atombombe. Deshalb kann, ja muss ich dafür sein, dass die USA diese Technik anwenden, um zu verhindern, dass sie – oder die Atombombe – in die falschen Hände gerät. Das ist das Dilemma des Rechtsstaats.
    Sie, Roland Ziegler, haben gefragt, ob ich als Mitglied der KPD nicht längst getötet worden wäre, wenn es die jetzigen Mittel damals gegeben hätte. Also, ich kann nur sagen, damals ging man nicht grad zimperlich gegen uns vor. Über meine Tätigkeit war der Verfassungsschutz recht genau informiert, vermutlich über V-Leute in der Organisation. Das wurde klar, als der Verfassungsschutz die Unterlegen für mein Berufsverbot präsentierte.
    Wo wir wohnten und arbeiteten, studierten usw. wussten Polizei usw. ohnehin, da wir nicht in der Illegalität lebten wie die RAF-Terroristen, sondern ordentlich angemeldet waren. Aber wir gingen davon aus, dass unsere Telefone abgehört, unsere Büros observiert und unsere Post ggf. gelesen würden. Vielleicht zu Unrecht. Vielleicht hatte der Staat eine recht gute Vorstellung davon, wie ungefährlich wir bei aller Großtuerei und allem Verbalradikalismus waren. In erster Linie haben wir uns selbst geschadet, wie ja auch Rainer Werner in seinen merkwürdig verquasten Erinnerungen zugibt.
    Auch waren wir keine Rekrutierungsbasis für den Terror, wie es die Rote Hilfe, das Sozialistische Patientenkollektiv oder die Spontis waren. Eher im Gegenteil. Und ich denke, mit Ausnahme einiger Hysteriker in den Gewerkschaften uwusste man das ziemlich gut: Jedenfalls saßen an der Spitze des BKA und des Verfassungsschutzes damals keine dummen Leute.

    Und heute ist es bei der CIA, dem NSA usw. auch nicht anders. Das sind kluge Leute. Es geht ihnen nicht darum, jede Opposition zu ersticken. Es geht ihnen um den Terror in erster Linie, dann um den Krieg gegen die Drogen (oder wie glauben Sie wurde dieser Drogenboss gefasst?), um den Waffenschmuggel, um die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, um den Cyberkrieg gegen die USA.

    Natürlich gibt es immer die Gefahr, dass die Exekutive zu mächtig wird, und dass der Geheimdienst zum Staat im Staat mutiert. Ich bin für ernst gemeinte Vorschläge offen, wie die Kontrolle der Geheimdienste besser überprüft werden kann, offen. Vielleicht fangen wir in Deutschland an. Heute hat Günter Bannas in der FAZ eindringlich beschrieben, wie nutz-, zahn- und machtlos das grundgesetzlich vorgesehen Parlamentarische Kontrollgremium ist. Moritz Berger hat Artikel aus der anglo-amerikanischen Debatte gepostet, die in diese Richtung zielen. Hierzulande bewegt sich fast die ganze Debatee jedoch noch auf der Ebene weltfremder moralischer Empörung. Das schließt leider ein Großteil der Kommentare hier ein.

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    @ 68er

    Ich weiß nicht, ob man unsere damaligen Maoisten oder Stalinisten mit den heutigen Terroristen vergleichen kann. Aber die RAF kann man damit natürlich in einen gewissen Einklang bringen, zumal sie von Anfang an mit palästinensischen Terroristen zusammen arbeiteten. Solche Techniken hätten unter Umständen einigen Größen das Leben gerettet. Trotzdem kann man das wiederum nicht vergleichen, weil die meisten Terrorattentate heute darauf abzielen, eine möglichst große Menge von unschuldigen Fluggästen, U-Bahnfahrern oder Pendlern zu töten, wenn man an Israel denkt, auch Busfahrer, Disko-, oder Schwimmbadbesucher. Man muss zugeben, dass Techniken, die dem sog. freien Westen nicht stehen, wie Mauer- oder Zaunbau plus Überwachung anscheinend Schlimmeres in den letzten Jahren verhütet haben.
    Das bedeutet für mich aber trotzdem, dass es keine Berechtigung geben kann, Metadaten für immer zu speichern. Man muss normalen Menschen (die überwiegende Zahl) irgendwann eine Art sekundäre Clearance verschaffen und aufhören, in ihre Kommunikation einzugreifen.
    Das bedeutet, dass keine Krankendaten, keine Daten über normale Denkvorgänge, keine Geburtsdaten, keine facebook-Einträge von Jugendlichen, keine harmlosen chats, keine Saufgelage von Jugendlichen, überhaupt keine Daten von unauffälligen, nicht vorbestraften Bürgern weltweit dauerhaft gespeichert werden dürften. Daten, die auffällig sind, schon eher, aber unter Rechtsaufsicht von öffentlichen Gerichten. Und wenn Daten abgezapft werden, von denen jemand lebt, ob das jetzt Forschungsergebnisse sind oder Kunst und Literatur oder die Daten von großen Firmen, sollte das zweifelsohne gehörige Strafen nach sich ziehen. Die USA waren nie zimperlich bei sowas. Jedes Talent nahmen sie schon immer gern, wie zum Beispiel Wernher von Braun. Bei sowas zählte die Vorgeschichte nicht.
    Sagen wir, die Zeit der massiven Terroranschläge war Skylla, und das Sammeln ist Charybdis. Dann muss ein Mittelweg gefunden werden. Das geht aber nicht, wenn man schamhaft schweigt wie die jetzige Regierung. Angeblich nahm man auch gern Nazipatente mit. Patente stinken nicht.

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    Helfen wir Alan Posener doch einmal aus seinem
    “ digitalem Defizit “ herauszukommen.

    Dass er jetzt den Fall yahoo heranzieht und als best practise Beispiel dafür heranzieht ist sicherlich lobenswert, aber vielleicht liest er von Zeit zu Zeit auch einmal den Guardian:

    „Parliament’s intelligence and security committee has called for a review of the UK legal framework governing electronic surveillance and questioned whether it is adequate to police the technical capabilities of the intelligence agencies in the internet age“

    aus:

    http://www.guardian.co.uk/worl.....rveillance

    Und auf diesen Kommentar von Alan Posener

    „Dennoch wird dadurch der Verrat nicht gerechtfertigt. Zumal es in der Demokratie andere Wege gibt, Missstände aufzudecken“

    stellt sich für mich die Frage, welche Wege er vorschlägt um z.B. die Mißsdtände im staatlichen
    “ Websystem “ aufzudecken.

    Hätte Snowdon eine schriftliche Anfrage per snail mail an seinen CEO Mr. Keith Alexander richten sollen:

    http://www.salon.com/2013/07/1.....ct_it_all/

    Dieser Artikel :

    „ISC report recognises that internet snooping laws are not fit for purpose

    The three acts underpinning the regulation of surveillance were all framed before the digital age and are no longer adequate“

    aus:http://www.guardian.co.uk/worl.....ng-not-fit

    aus dem Guardian weist doch auf die Lücken in unseren Gesetzen hin, die immer noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind.

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    „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ war übrigens Lenin (wenn auch nicht zu 100% übersetzt). Macht aber kaum mehr einen Unterschied. Ich habe kein Problem „mit Amerika“. Die Aussage ist ohnehin leicht unsinnig, weil Sie zunächst einmal definieren müssten, was sie mit „Amerika“ in dem Zusammenhang meinen.
    Ich aber schon ein Problem mit Geheimpolizisten auf dem Alexanderplatz, die Privatgespräche belauschen und diese dann speichern und deren Wortlaut in Akten abheften. Das gab es schon einmal, und ich habe hinsichtlich der Stasi eben auch nicht nur das Problem, wie diese Akten ausgewertet wurden, sondern dass sie überhaupt existierten.
    Wir haben uns schon an viele Dinge gewöhnt – dass zum Beispiel der google-Konzern unsere eMails mit liest und aufgrund der Inhalte uns Angebote unterbreitet. Es ist aber ein Unterschied, ob dies ein Staat geheim tut und daraus repressive Schlüsse zieht. Wenn Sie der Meinung sind, der Zweck heilige alle Mittel, die gerade noch diesem Staate als solches nicht schaden, dann sollten Sie überlegen, ob das Fernmeldegeheimnis nun noch Gültigkeit besitzen sollte oder nicht und dies hier dann auch sagen.

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    (…wobei ich überhaupt kein prinzipieller Pazifist bin und auch nie gewesen war, nur der Vollständigkeit halber. – Ist auch abwegig hier.)

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    @ Rolan Ziegler

    Sie hatten, hier in dieser Diskussion, glaube ich, die selektive Art von Herrn Posener thematisiert, auf Argumente einzugehen. Diese mag vordergründig daran liegen, dass die meisten Kommentare sich auf den Text von Herrn Posener beziehen und schon deshalb nur eine selektive Reaktion erfolgen kann. Aber selbstverständlich darf man sich nicht der Illusion hingeben, dieses Blog diene einzig und allein dem zweckfreien Gedankenaustausch.

    Jeder, der nicht auf den Kopf gefallen ist und die „Köpfe“ kennt, die hier im Laufe der Jahre ihre Thesen zur Diskussion stellten, weiß, dass hier vor allem Meinungspofis am Werk sind, die neben einigen reinen Unterhaltugsartikeln natürlich auch für sich selbst, für ihre Peer-Groop, für einen Artikel, für die Lobbyarbeit eines Verbandes oder eines Unternehmens ihre Thesen auf Stichhaltigkeit prüfen. Bei Herrn Dettling war es teilweise recht penetrant, da habe ich das auch öfters thematisiert, aber auch bei Herrn Posener, Herrn Friedmann oder Herrn Kocks liegt der Erkenntnisgewinn für ihre Arbeit sicherlich nicht im negativen Bereich.

    Und wie der Link von Herrn Posener auf die Vodafone-Auswertung zeigt, werden solche Meinungsmärkte nicht nur den Kommentatoren verfolgt, sondern auch von der Wirtschaft, den Parteien, den unschlüssigen Journalisten und last but not least von unseren Freunden mit den hoffentlich nur schlappen Hüten.

    Daher ist es schon so, dass man zum teil vom Nichtreagieren der Autoren auf die eigene Stichhaltigkeit der Argumente schließen kann. Wenn der größte Teil der altgedienten Kommentatoren sich auf eine Grundlinie geeinigt hat, wird der nächste Argumentationsballon gestartet, um zu sehen, ob man damit vielleicht besser fährt.

    Während anfangs tatsächlich noch hier und dort in den Medien über die Frage Orwell oder Huxley schwadroniert wurde, ist mittlerweile klar, dass auf dieser Diskussionsebene kein Blumentopf mehr zu holen ist.

    Die Diffamierung von Snowden läuft nicht so richtig.

    Auf der Homosexualität des Journalisten Greenwalds herumzureiten ist heutzutage auch nicht PC.

    Was bleibt sind:

    formaljuristische Argumente, die wohl auch von den meisten hier plattgebügelt wurden,

    die angebliche Abwehr von Terroranschlägen, die sich langsam in Luft auflösen zu scheinen,

    die unglückliche Reiserute und

    die recht schwache Argumentationslinie, es sei ja noch gar nicht klar wie weit PRISM in unsere Rechte eingreift.

    Mal sehen, was als nächstes kommt.

  16. avatar

    @68er: Das kann eigentlich nur Herr Posener beantworten. Ich nehme an, Herr Posener würde sich aus heutiger Sicht nicht beschweren, ja es sogar für richtig halten, hätte man ihm und seinen KPD-Kollegen damals entsprechend nachgespürt bzw. sie sogar verhaftet und einer geheimdienstlichen „Behandlung“ unterzogen. Er war ja früher tatsächlich ein „feindliches Element“, wofür er sich heute schämt. Ich vermute außerdem, nur mit dieser Scham ist seine auffallend entschiedene Parteinahme heute gegen den vermeintlichen Verrat und für den Vorrang der Sicherheit des Staates zu verstehen.

    Aber ich bin gegen die Individualisierung und Psychologisierung solcher Standpunkte. Bei der Kirgesdienstverweigerung hatte man sich auch die Frage vorbereiten müssen: „Was machen Sie, wenn der Russe kommt und Ihre Mutter niedermetzelt – sind Sie dann immer noch Pazifist?“ Da hätte man sich irgendwas zusammenlügen müssen, was ich sehr unwürdig finde. Zu sagen „Ich töte generell nicht und mache auch keine Vorbereitungen dazu“ reichte leider nicht aus, um Zivildienst leisten zu dürfen. Man musste Antworten auch auf alle Einzelfälle des Tötens und Getötetwerdens parat haben.

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    @ Alan Posener

    Danke für die ausführliche Antwort, die ich insofern möglicherweise verdiene, weil ich immer ein Freund Amerikas war, selbst wenn sich die schon seit August 1945 vorhandenen, immer weiter zunehmenden Unarten der Vereinigten Staaten oft schwer verdrängen ließen. Hier sehen Sie, was passiert, wenn man selbst betroffen ist. Abu Ghraib oder Erschießen von Unbeteiligten aus dem Helikopter (wikileaks), obwohl schlimmer, lassen sich nach einer Weile verdrängen, weil weit weg. Aber ich sage verdrängen, nicht vergessen. Hier ist nun jeder betroffen. Und es geht nicht darum, ob „Oma Karluskes“ Daten wichtig sind, sondern um das Prinzip, ob man Omas Metadaten für immer speichert, OBWOHL sie unwichtig sind, und ob man dann weiß, dass z.B. ein begabter junger Mann namens John Doe nur von Oma Karluske abstammt, so dass man lieber den einstellt, der von Professor Hochglanz ist. Es geht um Krankendaten, um Nichteinstellungen von Leuten, die eine Krankheit geerbt haben könnten, um Frauen, die man z.B. nur einstellt oder krankenversichert, wenn sie sich – falls Oma Karluske Mamma-Ca hat – die Titten abnehmen lassen. Es geht um viel mehr, nämlich um die Akkumulation von Wissen, das Menschen von vornherein aussortieren kann. Psychische Krisen, die durch diese Praktik bekannt werden, sind auch ein Punkt. Auch geht es um Drohnen, natürlich, um zielgerichtetes Ausmerzen. Es geht letztlich um ein Wissen, mit der die ganze Welt sortiert werden kann. Und das hatten wir einmal, damals ging es um Rasse. Hier kann nach anderen Kriterien sortiert werden, und aus der ganzen cloud schaffen es dann nur die Besten, Einwandfreiesten, Gesündesten und Begabtesten, politisch Passensten.
    Und das ist nicht mehr der Westen, den die Aufklärer und begnadete Autoren und Künstler erarbeitet haben. Und nicht mehr die USA, die für Auswanderer vom Schlage Mayflower attraktiv wären. Wenn Hitler die ganze Technik gehabt hätte, wäre er schneller gewesen, und nicht ein Einziger hätte überlebt.
    Das muss angehalten werden. Das in falschen Händen wäre eine Katastrophe.

    Dann schreiben Sie
    „Das Internet hat auch unser Verhalten grundlegend verändert – auf Weisen, die wir erst erahnen. Schauen sie das nächste Mal, wenn Sie Bus oder Bahn fahren, wie die Leute hinter ihren iPhones herlaufen. Wer benutzt hier wen?
    Privatheit und Öffentlichkeit; virtuelle und aktuelle Realität; Inland und Ausland – dies alles (und noch viel mehr) verändert der König von Deutschland und der Welt, das Netz.“

    Ja, die Masse, die hinter ihrem i-phone herläuft, ist einfach nur egozentrisch und weltabgewandt. Oblivious würde man englisch sagen. Sehen Sie, ich habe schon immer die wichtigsten Dinge nicht per e-mail gemacht. Aber auch das Telefon wird überwacht, und Briefe können geöffnet werden. Das ist eine Schande. Wir gehörten immer nur uns selbst und Gott, wer wollte. Jetzt gehören wir der NSA. Auch Obama übrigens. Auch seine Sachen wurden frühzeitig gelesen. Das kann man so nicht lassen. Und die bequeme Masse darf kein Journalist, der auf sich hält, als Argument anführen. Wann hätte schon jemals die Masse etwas verändert? Immer waren es Einzelne, siehe Buddha oder Jesus.
    Sie bringen den Drogenhandel. Ich bitte Sie! Dann dürfte doch kein Herankommen an Drogen sein. Es dürfte schon lange keinen Pädo“philen“ mehr geben. Und kein Terrorattentat.
    Außerdem ist die zunehmende Gleichschaltung der Medien in den USA ein Riesenproblem.

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    Offb. 3,15: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist. Ach, dass du kalt oder heiß wärst!

    So ist es, Stevanovic!

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    @ Roland Ziegler: Es besteht ein Unterschied zwischen dem Staat und einem Unternehmen. Und noch einmal einen Unterschied zwischen, sagen wir, einer staatlichen Bibliothek oder einem Gesundheitsministerium und den für Sicherheit zuständigen Organen wie Polizei, Armee usw. Und da noch einmal einen Unterschied zwischen einem normalen Soldaten und einem General, und erst recht einem Geheimnisträger. Nur bei letzterem spreche ich von Verrat, und das ist dannanders zu werten als der Whistleblower, der etwa einen Steuerbetrug im Unternehmen aufdeckt.

    Was wirklich problematisch ist im Fall Snowden, das ist das dadurch bekannt gewordene Ausmaß des Outsourcing beim Geheimdienst. Bei 1,2 Millionen Geheimnisträgern, darunter viele Beschäftigte von Privatunternehmen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis einer wie Snowden auftaucht.

    In so fern, und damit antworte ich auf Herrn Mullk, hat Snowden auch der Demokratie einen Dienst erwiesen. Wie jeder Verräter, denn nach dem Verrat wird überprüft, wie es dazu kommen konnte. Und, ja, die Aufdeckung ihrer Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst hat Yahoo, Google und Co. erst in Erklärungszwang gebracht. Dennoch wird dadurch der Verrat nicht gerechtfertigt. Zumal es in der Demokratie andere Wege gibt, Missstände aufzudecken, als mit ihnen zu den Feinden – China, Russland – zu reisen. Oder glaubt irgendjemand, diese beiden freiheitsliebenden Staaten hätten für ihr Entgegenkommen von Snowden keinen Preis verlangt?

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    @ Alan Posener

    Es ist bezeichnend, dass Sie beim Einwurf von „anwalt“ lediglich den für Sie scheinbar schwächsten Punkt herausgreifen.

    Mit der umfassenden Datenspeicherung wie sie Snowden beschreibt, aber auch mit der von der EU und den deutschen Bundesregierungen geplanten Vorratsdatenspeicherungen hätten die Nazis eine viel effektivere Handhabe gehabt, gegen die angeblichen sozialdemokratischen, kommunistischen und gewerkschaftlichen „Verräter“ und den als „Volksschädlingen“ diffamierten Juden, Sintis und Roma vorzugehen.

    Nicht nur wegen des technischen Fortschritts wären viel mehr Menschen viel schneller eingesperrt, enteignet oder ermordet worden als damals, die Nazis hätten in kürzester Zeit und noch geschickter, als sie es ohnehin getan haben, die einzelnen Individuen zerstören können. Sie hätten einen sofortigen Einblick in die Vermögensverhältnisse der Menschen gehabt, ihre Schwächen und Vorlieben gekannt, gewusst, wer wen nicht mochte und wer mit wem in Verbindung steht, sie hätten gesehen, was die politischen Gegner für den Fall der Machtergreifung an Widerstand geplant hätten etc. pp.

    Und auch der fürsorglichste Gewerkschafter hat damals schon mal die eine oder andere Mark in die falsche Tasche gesteckt, der eine oder andere Sozialdemokrat schlecht in einem Brief über einen Genossen gesprochen oder der eine oder andere Deutsche mit jüdischen Vorfahren, hat sich zu einem Seitensprung hinreissen lassen. Dies Wissen einer Diktatur zu hinterlassen sollte doch schon ausreichen, um eine Vorratsdatenspeicherung als das zu erkennen, was sie ist. Eine unkalkulierbare Hypothek für die eigenen Bürger.

    Vielleicht denken Sie ja noch über die Frage nach, was Ihnen passiert wäre, wenn es PRISM und das Drohnenprogramm der USA schon in den 70ern gegeben hätte. Ich fände es ganz interessant, was KJN, Lyoner, Parisien, Roland Ziegler, Moritz Berger, Stevanovic, EJ und wer hier sonst noch regelmäßig mit diskutiert, tippt.

    Liegt es nicht nahe, dass Herr Posener damals in Albanien in einem Terrorcamp gewesen sein könnte?

    Im Programm der KPD/AO stand damals (1974):

    „Der Repressionsgewalt des bürgerlichen Staates gegenüber ist die revolutionäre Gewalt der Massen notwendig und unvermeidlich. Die Ablösung des bürgerlichen Staates durch den proletarischen ist ohne Gewalt nicht möglich.“

    http://tinyurl.com/q63y98r

    Würden wir, wenn wir uns in einen Officer der CIA versetzen, eine Drohne an ihn und seine Genossen „senden“, wenn wir wüssten, wo wir ihn finden? Oder wenn er noch etwas länger bei den Kommunisten geblieben wäre und in den 80ern mal vor Ort die Lage in Afghanistan mit eigenen Augen angesehen hätte?

    Wäre er heute Staub?

    Oder hätte er One-Way-Ticket wie die Genossen in Lateinamerika bekommen?

    Oder einen Urlaub in Guantanamo?

    Oder in einem der geheimen Gefängnisse Gott weiß wo?

    Er hätte sich ja nicht beschweren können, denn er war Mitglied einer Zelle, die zum gewaltsamen Kampf aufgerufen wurde und hätte sich nicht beschweren können, wenn er nach Guantanamo gekommen wäre, da er ja nachweislich in Albanien war.

    Was meint der Rest?

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    Lieber Herr Posener,

    von Leuten, die nicht mehr Ahnung über diese Programme haben als unser Innenminister, können Sie nicht verlangen, auf diese Frage eine Antwort zu geben:

    „Für die stellt sich die Frage: Zerstören Prism, Echelon usw. die Werte, die zu verteidigen sie vorgeben?“

    Woher sollen wir das wissen? Seit Snowden wissen wir, dass es sie überhaupt gibt. Ganze 6 Wochen! Was ihn nicht zum Helden macht, klar. Nur über Umfang und Wirkung kann hier im Forum, selbst in Deutschland, keiner was Vernünftiges sagen. Damit produzieren sie durch die Fragestellung einen bunten Reigen von Verschwörungstheorien, die sie dann den Leuten vorhalten.

    Deswegen ist ihre Aussage:

    Oder kann man annehmen, dass diese und ähnliche Programme – allgemein: die Tätigkeit der Geheimdienste – hauptsächlich dem Schutz dieser Ordnung dienen und unerlässlich sind?

    … ein simples „are you with us, or against us“. Es gibt gerade unter den Anhängern der freiheitlich Demokratischen Grundordnung viele, die sich solche Fragen nicht gerne stellen lassen und somit in Opposition erscheinen, was sie im Grunde nicht sind. Die Verteidigung Snowdens ist ein Ausdruck dieses Unwohlseins – nennen sie es ruhig eine lauwarme Einstellung.

    Offb. 3,15: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist. Ach, dass du kalt oder heiß wärst!

  22. avatar

    …einigen wir uns doch einfach auf das Prinzip, was Sie und die Kritiker hier gleichermaßen ins Feld führen:

    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

    Das ist das Verhältnis, was man als Staatsbürger seinem Staat entgegenbringen sollte. Und um dieses Prinzip durchzusetzen, braucht man von Zeit zu Zeit Verräter (meinetwegen, wenn Sie auf diesem wackeligen Begriff bestehen). (Ob das dann edle Helden sind oder nicht, ist mir übrigens egal.)

  23. avatar

    „So geht Rechtsstaat.“

    Öffentlichkeit bewirkt Wunder – auch in einem Rechtsstaat.

    Auch Google und Microsoft kämpfen um weitere Freigaben, z.T. mit begleitender PR:

    Microsoft: „With U.S. Government lawyers stopping us from sharing more information with the public, we need the Attorney General to uphold the Constitution.“

    http://blogs.technet.com/b/mic.....-data.aspx

    Aber was ist bspw. mit der (geheimen) no-fly list, gegen die kein Rechtsweg offensteht?

    http://www.foxnews.com/us/2013.....an-ordeal/

    Amerika ist gerade deshalb so gut, weil seine Öffentlichkeit und Institutionen Missstände aufgreifen und beseitigen. Das bedeutet aber nicht, dass es von vornherein gegen Missstände immun ist.

  24. avatar

    Zum Alexanderplatz: Ich würde gut finden, wenn dort ein Polizist stehen würde. Und ich möchte vorher wissen, ob er dort steht oder nicht, und generell, wo einer steht und wo nicht, und was genau er dort tut. Nicht was seine Aufgabe ist, sondern was er dort tut.

    Ich möchte aber nicht hören, dass überall Polizisten stehen oder auch nicht, die vermutlich das tun, was von ihnen verlangt wird, oder auch nicht, denn so genau weiß man das nicht und soll das auch gar nicht wissen, denn sonst wüssten die Verbecher ja auch Bescheid.

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    @Parisien: Finde ich gut, was Sie schreiben. Und

    @Lyoner: Parisien ist doch Mediziner, während Florentiner Architekt ist – da habe ich aufgepasst 🙂

  26. avatar

    Herr Posener, WENN die Geheimdienste die Werte – d.h. den Staat – zerstören würden – nehmen Sie das einfach mal rein theoretisch und nur ganz kurz an; es tut nicht weh – , dann wäre Snowden kein Verräter. Er würde wahrscheinlich illegal handeln, aber nicht Verrat begehen, sondern einen Eidbruch.
    Er ist staatlich Beschäftigter und insofern dem Staat gegenüber als seinem obersten Dienstherr verpflichtet. Der Geheimdienst ist nur eine Art Tocherunternehmen, das im Interesse des Hauptunternehmens handeln soll. Snowden würde dem Hauptunternehmen – der Öffentlichkeit – über die zerstörerischen Aktivitäten des Tocherunternehmens berichten. Ich arbeite für Unternehmen und garantiere Ihnen, dass kein Chef dieser Welt so etwas als Verrat, sondern immer als Verdienst bezeichnen würde. Ja, er setzt es sogar bei seinen Mitarbeitern voraus! Und der Chef, auch das habe ich bei der Arbeit gelernt, hat immer recht.

    Das habe ich eingangs schon gesagt und wiederhole es nur.

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    Jenseits der Hysterie folgende Meldung heute (FAZ): Yahoo hat von dem für die Überwachung der NSA und anderer Dienste zuständigen Fisa-Gericht in Washington die Erlaubnis erhalten, eine seiner Entscheidungen (aus dem Jahr 2008) zu veröffentlichen, um klarzustellen, in welchem Umfang Nutzerdaten an die NSA übermittelt werden mussten. So geht Rechtsstaat.

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    Ja, Parisien, wenn Amerika das Problem ist, dann ist Prism Teil des Problems, das ist klar. Hier verorte ich auch die Beiträge von Lyoner, Peeka und anderen. Da erübrigt sich jede Diskussion.

    Interessant ist die Diskussion nur für Freunde Amerikas, also Leute, die unsere westliche Lebensweise, Zivilisation, politische Ordnung und Wirtschaftsweise – früher sprach man von der „freihetilich-demokratischen Grundordnung“ – für verteidigenswert erachten und begreifen, dass es dazu auch der militärischen Gewalt und der geheimdienstlichen Tätigkeit bedarf.

    Für die stellt sich die Frage: Zerstören Prism, Echelon usw. die Werte, die zu verteidigen sie vorgeben?
    Oder kann man annehmen, dass diese und ähnliche Programme – allgemein: die Tätigkeit der Geheimdienste – hauptsächlich dem Schutz dieser Ordnung dienen und unerlässlich sind?

    Übrigens ist Snowden in allen diesen Szenarien ein Verräter. Aber das nur nebenbei. Und ich wiederhole: Nirgends habe ich Verrätern generell unedle Motive unterstellt. Siehe die Beispiele Pollard und Vanunu.

    Der Beitrag von „Anwalt“ ist bezeichnend. Er fragt, was mit meiner jüdischen Familie passiert wäre, wenn die Nazis Echelon, Prism usw. gehabt hätten. Nun, ihnen wäre wohl das passiert, was passiert ist: Sie wurden enteignet, entrechtet, zur Auswanderung gezwungen und sofern sie nicht auswandern konnten oder wollten, ermordet. Dazu brauchten die Nazis kein Internet.
    Dazu brauchten sie nur die Bereitschaft von vielen Menschen, bei der Ausgrenzung ihrer Nachbarn mitzumachen. Dazu brauchten sie also eine Ideologie und eine Organisation.
    Umgekehrt weist Stevanovic zu Recht darauf hin, dass die angeblich umfassende Bespitzelung des Internets nicht einmal die Attentäter von Boston an ihren Mordtaten verhindern konnte, die aus ihrer islamistischen Ideologie kein Hehl machten und von denen einer bereits ins Visier des russischen Geheimdienstes gelangt war.
    Man kann sich also durchaus die Frage der Effektivität stellen. Diese wird nach Snowdens Verrat erheblich abnehmen, weil potenzielle und aktuelle Terroristen, Drogendealer und andere internationale Verbrecher eher wissen, worauf sie achten sollen.

    Es ist hier ein Sachverhalt noch gar nicht angesprochen, der dem ganzen Dilemma zugrunde liegt. Nämlich die Entwicklung der Technik. Wir wissen längst, dass die Erfindung der Fabrik unseren Begriff von Arbeit, Zeit und Freizeit völlig verändert hat – nicht nur Fabrikarbeiter, sondern alle Menschen arbeiten anders, seit die Fabrik die Norm ist.
    Das Internet hat auch unser Verhalten grundlegend verändert – auf Weisen, die wir erst erahnen. Schauen sie das nächste Mal, wenn Sie Bus oder Bahn fahren, wie die Leute hinter ihren iPhones herlaufen. Wer benutzt hier wen?
    Privatheit und Öffentlichkeit; virtuelle und aktuelle Realität; Inland und Ausland – dies alles (und noch viel mehr) verändert der König von Deutschland und der Welt, das Netz.
    Und mit E-Mails, sozialen Netzwerken und dem Sofortzugriff auf Informationen und Propaganda durch das Internet verändert sich auch die Arbeitsweise der Polizei und der Geheimdienste. „Anwalt“ verweist auf die Arbeit des „Verfassungsschutzes“, der mühsam alle Briefe von West nach Ost aufgedampft hat (um dann doch nicht einem Herrn Guillaume auf die Spur zu kommen). Heute ist die Frage, von wo nach wo eine elektronische Kommunikation geht, gar nicht so leicht zu beantworten. Die technische Struktur des Internets bedingt, dass tendenziell dessen Überprüfung international sein muss. Die schiere Datenmenge bedingt die Formen, die uns jetzt bekannt werden (und die wir alle aus den Bourne-, Bond- und anderen Agentenfilmen längst kennen könnten).
    Wie hierbei der demokratisch-rechtstaatliche Grundsatz: Trust but verify – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – zu garantieren ist, darüber wird in der angelsächsischen Welt diskutiert, durchaus im Sinne größerer Kontrolle.
    Zum Beispiel, indem die geheimen Gerichte, die mit der Genehmigung konkreter Aktionen befasst sind, ihre Urteile innerhalb einer bestimmten Frist veröffentlichen müssen. Oder indem die Programme zum Schutz von Whistleblowern, die in den USA sehr viel robuster sind als in Deutschland, ausgeweitet werden.
    Aber nicht wie hierzulande, wo das ganze Programm verteufelt wird und die Forderung erhoben wird, das Internet zu einem rechtsfreien Raum zu erklären. Denn per definitionem ist ein Raum, in dem es keine Polizei gibt, rechtsfrei.
    Sie sind nachts auf dem Alexanderplatz. Sind Sie froh, dass dort ein Polizist steht und alles genau beobachtet? Oder regen Sie sich auf, dass er damit alle „unter Generalverdacht“ stellt? Fragen Sie Jonny K.

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    @ Alan Posener

    Nach Ihrer These ist Mordechai Vanunu jesusförmig.
    Da ich mich nicht viel mit Vanunu beschäftigt habe, will ich lieber auf Snowden in diesem Zusammenhang eingehen: Snowden, so er allein gehandelt hat, ist jesusförmig. Er lebt in einer Art Römischem Reich in den letzten Zuckungen, das sich wie alle verarmenden Staaten in seinen Militär- und Sicherheitsausgaben verzockt hat, und verlässt Haus und Hof, um die Wahrheit preiszugeben. Wie Jesus (wahrlich=amen, ich sage euch). Nur nicht religiös. Aber ethisch in dem Bewusstsein, dass Bevölkerungen nicht verdienen, für militarisierte Machtgelüste hintergangen zu werden. Er ist daher einer der wenigen christlichen Amerikaner. Oder meinen Sie, dass es in irgendeiner Form christlich ist, „God bless America“ zu artikulieren? Christlich ist, seine Feinde trotzdem zu „lieben“, Übersetzung als Menschen wahrnehmen, oder? Oder „God bless the World“, aber „God bless America“?
    Das ist nicht mehr mein Amerika. Das macht unendlich traurig. Neurotisch, verdreht, arrogant, das Volk teilweise verblödet und stark verfettet, die Eliten völlig abgehoben. Fracking am Colorado-River, ein Unding. Man darf sich hier nicht einschüchtern lassen durch den Kampfbegriff Anti-Amerikanismus, denn in der Kritik an diesen Zuständen ist man mit den besseren Amerikanern. Kampfbegriffe werden immer von Eliten erfunden. In der Kritik ist man mit Ron Paul, der sehr viel Zuspruch hatte. Ron Paul ist ein wirklicher Amerikaner.
    Jede entglittene Macht erzeugt ihre jesusförmigen Gestalten. Das war im ersten Jahrhundert nicht anders. In Deutschland waren das weniger die Spätumkehrer Stauffenberg et al. als vielmehr Bonhoeffer, von Galen, Pater Rupert Mayer. Snowden ein Hero? Will er vermutlich gar nicht sein. Niemand, der etwas aus Überzeugung macht, will damit ein Hero werden. Snowden ist vor allem eins: Ein Amerikaner der alten Schule. Und jetzt heißt es: Saving Private Snowden.

    Und was sind Sie, Alan Posener?: Manchmal finde ich, dass Sie einer Schmeißfliege ähneln, die für die jeweilige US-Regierung auf jeden kackt, der nicht Ihrer Meinung ist, und das sind hier offensichtlich 90 Prozent. Übrigens ist das vollkommen unamerikanisch. Und unser Innenminister ist das absolute Gegenteil von amerikanisch. Amerikanisch waren die Leute auf der Mayflower oder die Indianer. Oder die, die am D-Day in der Normandie gelandet sind. Oder die Boston Tea Party. Oder die, die auf den Mond geflogen sind. Oder die, die Hollywood aufgebaut haben. Pioniere. Und Snowden ist eine Art Pionier. Ergo: God bless Edward Snowden.
    Leute, die die ganze Welt überwachen, sind dagegen DDR-förmig. Snowden will sein Land aufwecken.

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    @ Moritz Berger

    „Ist Manning auch ein Verräter?“

    Nach einer hier vertretenen Logik ist er nicht nur ein Verräter, er ist wahrscheinlich sogar ein Verbrecher. Das kann man ja schon daran ablesen, wie das rechtsstaatlichste, demokratischste, das freieste, das friedliebendste und das mitfühlendste Land der Welt mit ihm umgeht. Mit einem einfachen Verräter würde man doch in einem Rechtsstaat wie den USA niemals so umgehen. Spätestens, wenn er unter Geheimhaltung zu lebenslanger Einzelhaft verurteilt worden ist, werden wir aber ganz sicher sein. Wir werden zwar nie erfahren, wie genau er weswegen verurteilt worden ist, da aber die USA das rechtsstaatlichste… Land der Welt sind, brauchen wir auch gar keinen Einblick in das Gerichtsverfahren, da man sich auf die USA eben verlassen kann.

    Was Sie da aus dem Guardian zitieren ist doch alles nur linksradikale englischsprachige Propaganda, die man so oder so übersetzen kann.

    Besser wäre es, Sie würden sich mit den wirklich grundlegenden Problemen der Menschheit beschäftigen, ob nun Orwell oder Huxley unsere schöne neue Welt besser vorhergesehen hat, oder ob bunte Hemden und unbedeckte Männerbeine in Sandalen mit oder ohne Socken das Auge des sensiblen Betrachters mehr beleidigen und ob dabei das Alter des Trägers, der Zeitpunkt oder gar die durch die politische Motivation bestimmte klimatische Situation, in der sich der Jesus-Sandalen-, Sonnenbrillen-, Karohemd-, Reispflückerhut-, (Mao-Bibel-oder-Albanienreiseführer?-) und Kurzhosenträger befunden hat, eine stilbildende Rolle zugestanden werden kann, darf oder muss.

    http://www.welt.de/print/die_w.....t-ein.html

    http://www.welt.de/img/nah/cro.....nal-2-.jpg

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    @ Alan Posener

    Edward Snowden ist nicht das Problem. Auch nicht John Kiriakou, den Sie nicht erwähnen, oder Joseph Nacchio (Spiegel Nr.28). Weder Bradley Manning, noch Julian Assange sind wirkliche Probleme für die Weltbevölkrung minus ca. 300 Mio überaus wertvolle Amerikaner, die man aufgrund ihres höheren Wertes auf dem Aktienmarkt handeln sollte, Scherz. Das Problem ist die Aufdeckung einer seelenlosen zunehmenden Arroganz einer nach D-Day kurzfristig (bis August 1945) angesehenen Weltmacht.
    Weitere Probleme sind Rechtssprechung bzw. zu hohe Strafen inklusive Todesstrafe, Folter, außerdem Erpressung (siehe Ecuador oder Europa bezüglich Evo Morales). Der Verlust an annehmbarem Charakter, einigermaßen ethischer Führung auf sicherer Rechtsgrundlage unter konsequente Berücksichtigung des forth amendment führt dazu, dass die USA bei einem Großteil der Weltbevölkerung unbeliebter werden als der Iran oder Russland, und das will was heißen. Hier gibt es nur zwei Wege: Kurskorrektur oder Abgleiten in unterdrückerische Diktatur.
    Vermutung: Wäre der Präsidentnicht farbig, wäre er längst in Nixon’schen Schwierigkeiten.

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    @ Lyoner

    Nope. Parisien ist beschäftigt. (Manchmal auch mit Sonnen). Florentiner isst er nicht mal. Lyoner übrigens auch nicht.
    Zum comment von Posener: Nichts anderes erwartet. Der Spiegel ist hier die richtigere Lektüre. Sicher ist er aus amerikanischer Sicht ein Verräter. Dennoch liegt er ethisch richtig. Wenn man bedenkt, dass nur noch drastische Aktionen verkehrte Verläufe stoppen können, sieht man, dass die „Demokratie“ am Ende ist. Demokratie wäre, dass solche Verläufe in Parlamenten heftigst diskutiert, bzw. vom Kongress zuerst aufgebracht würden.

  33. avatar

    Um der “ Deinformationspolitik “ von Alan Posener etwas entgegen zu setzen und “ open data “ zu praktizieren:

    Aside from how obviously menacing and even creepy it is to have a state collect all forms of human communication – to have the explicit policy that literally no electronic communication can ever be free of US collection and monitoring – there’s no legal authority for the NSA to do this. Therefore:

    [E]ven his defenders say Alexander’s aggressiveness has sometimes taken him to the outer edge of his legal authority.“

    „The outer edge of his legal authority“: that’s official-Washington-speak for „breaking the law“, at least when it comes to talking about powerful DC officials (in Washington, only the powerless are said to have broken the law, which is why so many media figures so freely call Edward Snowden a criminal for having told his fellow citizens about all this, but would never dare use the same language for James Clapper for having lied to Congress about all of this, which is a felony). That the NSA’s „collect it all“ approach to surveillance has no legal authority is clear:

    „One Democrat who confronted Alexander at a congressional hearing last month accused the NSA of crossing a line by collecting the cellphone records of millions of Americans.

    ‚What authorization gave you the grounds for acquiring my cellphone data?‘ demanded Sen. Jeff Merkley (D-Ore.), waving his mobile phone at the four-star general

    aus:
    http://www.guardian.co.uk/comm.....ect-it-all

    „US military blocks entire Guardian website for troops stationed abroad“

    aus:

    http://www.guardian.co.uk/worl.....ian-troops
    http://www.guardian.co.uk/worl.....ian-troops

    P.S. Ist Manning auch ein Verräter?

    https://en.wikipedia.org/wiki/Bradley_Manning

  34. avatar

    Wenn sie das so genau wissen, dann benennen Sie doch bitte das genaue Gesetz, nach dem alle Bürger Amerikas abgehört werden dürfen.

    Können Sie nicht? Vermutlich, weil es nicht existiert. Und würde es existieren wäre es verfassungswidrig, falls Ihnen klar ist, was das ist.

    Ich kann auch auf ein Blatt Papier schreiben: 1=2. Das Papier wird nicht schreien. Genauso kann man auch in die Verfassung schreiben: kein amerikanischer Bürger darf abgehört werden und wenn man dann ein anderes Gesetz erlässt, dass besagt: alle Bürger abhören, ist das andere Gesetz verfassungswidrig!

  35. avatar

    Lieber Herr Posener,

    wie vereinart sich eigentlich Ihre (Staats-) Gläubigkeit mit Ihrem Atheismus und Ihrem Liberalismus.

    Diese Fundsache aus:

    http://www.dradio.de/dkultur/s.....n/2177442/

    „Der Staat schafft traditionelle Ordnungsmuster ab, er dereguliert. Ungezügelter Neoliberalismus weitet sich aus, moralisch-religiöser Fundamentalismus bildet unheilvolle Allianzen. Alte Institutionen wie Kirche und Familie bauen sich ab. Konfliktherde entstehen, ja blutige Gewalt.

    Und dann wird interveniert: vorgeblich aus Notwehr, aus humanitären Gründen, auch um Demokratie und Selbstbestimmung willen werden Völker mit Kriegen überzogen. Beides, Strukturwandel sowie Waffengewalt, führt zu enormer globaler Unsicherheit, die rechtsstaatlich nicht mehr eingrenzbar ist. So entsteht der Sicherheitsstaat, der Bürgerrechte einschränkt, ohne das Leben sicherer zu machen.“

    „Der Geist hat die Flasche längst verlassen hat und treibt nun sein Unheil. Immer neue Formen und Methoden der Überwachung werden entwickelt, um schon im Ansatz und flächendeckend Risiken zu bekämpfen. Feinde werden ausgemacht und von vornherein ausgegliedert, Gefährdungslagen beschrieben und vorsorgend bekämpft. Soziale Kontrolle beherrscht die Gesellschaft.“

    Abere vielleicht liegt es daran, dass Sie immer noch in der Web 0.1 Welt leben 🙂

    Und wenn Sie schon den Spiegel zitieren, dann vielleicht auch einmal:

    http://www.spiegel.de/netzwelt.....11312.html

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    @ Christian Winterhager
    Polemik als Ersatz für Argumente mag für manche Menschen ausreichen, jedoch scheinen mir die Teilnehmer an diesem Forum aufgrund ihrer Intelligenz und Menschenkenntnis dafür ein schlechter Adressat. Sie werden es alle durchschaut haben.

    Zu dem Artikel noch zwei Anmerkungen: Wieder ein Spot auf einen im Grunde irrelevanten Aspekt des Gesamt-Disasters.

    Snowden erfolgreich als Verräter zu klassifizieren, damit wird folgende Wirkung erhofft: Snowden ist (wahlweise) unedel, kriminell, unglaubwürdig, gefährlich für die Menschheit. Also vergesst mal ganz schnell, was er gesagt hat, denn dass muss folgerichig auch schlecht, schädlich, übertrieben, unwahr sein.

    Außerdem – und das sage ich mit einem Augenzwinkern – mögen es viele Leute gar nicht, wenn über andere besonders wertschätzend gerede wird. Wenn schon Held, dann wär’s halt netter, man wäre es selbst.

    2. Punkt: Wirklich gefährlich ist es, mit seinen Überlegungen bei der Bespitzelung zu verharren. Diese kostspielige Strategie kann niemand ernsthaft als zum Schutz von „irgendjemandem“ installiert haben. Während gleichzeitig das amerikanische Volk ins Abseits gedrängt wird.

    Ich möchte hier nicht spekulieren, ob, wie, wann und welche Eliten dahinterstecken mögen. Eines aber ist sicher: Niemand, der sich für ihre Methoden einsetzt, wird je zu ihnen gehören. Sondern zu allen anderen, die auf der Strecke bleiben. Ich wage sogar zu sagen, selbst eine Frau Merkel und ein Mr. Obama werden zu den Verlierern zählen. Dankbarkeit ist nicht zu erwarten und tragfähige Garantien kann es nicht geben.

    Vieles, was ich jahrelang für blanke Verschwörungstheorie und Paranoia, vielleicht auch Wichtigtuerei angesehen habe, erweist sich jetzt als real. Sinnvoll, auch die übrigen Theorien – nein, nicht zu glauben – sondern diese mit wissenschaftlicher Gründlichkeit zu durchleuchten und ihre Inhalte gegen erwiesene Fakten abzugleichen.

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    @ florentiner

    ich bin mir nicht ganz sicher, ob meine Vermutung richtig ist. Wenn ja, sage ich zu Ihnen nach Ihrem Umzug von Paris nach Florenz: Welcome back! Dort ist ja z.Z. auch eine sehr gute Zeit für Deutsche. Ich gönne Mario Gomez den herzlichen Empfang.

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    @ KJN

    Wenn Sie den Disclaimer von Stevanovic lesen, wissen Sie, wie wir in unserer Zivilleligion zu beten haben und zu verfluchen haben. Haben Sie übersehen, in welchem Kreis der „Freundschaft“ die Bundesrepublik gezählt wird; wenn Sie Posener aufmerksam lesen, wissen Sie, wie die Freundschaftsringe angesteckt werden. Nicht von der Hand zu weisen ist doch der Hinweis Roland Zieglers über das Verhältnis von Dollar zu Euro? Mal abgesehen von den hier auch diskutierten Fragen der Bürgerrechte, der informationellen Freiheit und Privatheit; täusche ich mich, oder sind Sie nicht ansonsten ein entschiedener Gegner von Paternalismus und Bevormundung? Wenn man noch hinzuzählt, dass unsere Kanzlerin, leider nicht Ex, wie derblondehans immer hofft, die Staatsräson eines anderen Staates als deutsche Staatsräson verankern will, da sind wir doch nicht weit von einem Vasallen-Status entfernt, oder nicht?

    Ist das Antiamerikanismus?
    http://www.youtube.com/watch?v=ML3qYHWRIZk

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    Ok, denken wir doch die Geschichte anders herum.

    Die NSA Erfolge im Kampf gegen den Terror wird ein Provider in Boston unter youdobullshit.com bestimmt bald veröffentlichen. Auch die Erfolge der Wirtschaftsspionage kann man im Airbus-Werk in Toulouse oder Hamburg besichtigen. Haken wir doch die beiden Punkte getrost ab. Hand aufs Herz, da ist nicht viel passiert. Wenn nicht alles Verschwörung ist, hätte der almighty Rechnungshof das Ding doch schon wegen Ineffizienz längst zu gemacht. Wirtschaft und Terror sind nicht der Knackpunkt. Was überwacht die NSA dann eigentlich?

    Da wären Russen, Chinesen, Iran, Nordkorea, Saudi Arabien, Syrien… die Liste geht ja noch ewig weiter. Nach dem Kalten Krieg, in einer Welt voller Freunde und Partner, brauchte man einen Grund um Milliarden in neue Überwachungstechnik zu stecken. War on Terror! Klingt besser als cold war on China. Für die Sauerlandgruppe braucht man nicht tausende von Mitarbeitern in der Überwachung, für die Chinesischen Institutionen schon. Im Kriegsfall will der Iran die Straße von Hormus sperren. Die Pläne zu haben wäre ja nicht doof. Die Chinesen rüsten ja auch nicht gegen die USA, sie rüsten gegen „jemanden“. Und schießen einen Satelliten nach dem anderen ins All. Und die sind ja zur Kommunikation da. Wobei wieder die NSA ins Spiel kommt. Wo sind die pakistanischen Sprengköpfe? Müsste man halt abhören, wo die LKWs so hinfahren. Also wieder NSA.

    Demnach hätte Snowden nicht unsere Bürgerrechte gerettet, sondern er hätte unseren Vorsprung im Cyberkrieg gegen China und Russland ruiniert. Pakistan kann seine Bomben verteilen, der Iran eine effektivere Taktik entwickeln, wenn der Mahdi vorbeischaut. Womit Snowden kein Held für Bürgerrechte, sondern ein narzisstisches Frettchen wäre, das für 15 minutes of fame unsere Sicherheit an Leute verraten hat, die Schwulen und Punks gerne mal die Niere rausprügeln, was sie definitiv nicht zu neutralen Dritten, sondern zu unseren Feinden macht (ihr erinnert euch, uns geht es ja um Bürgerrechte).

    So könnte die Sache Sinn machen.

  40. avatar

    Das ist ja lustig. Das ehemalige K-Gruppen-Mitglied Posener ist also auf facebook schwer beleidigt, wenn man schreibt, dass ein ehemaliges K-Gruppen-Mitglied ja nicht nur wisse, wer ein Verräter sei, sondern auch wisse, wie man mit Verrätern umzugehen habe und benimmt sich nicht anders als die von ihm zu einem früheren Zeitpunkt kritisierten Achsen-„Stalinisten“ (fast-O-Ton Posener).
    Die DDR nannte sich übrigens auch „demokratisch“ und lies Wahlen durchführen.
    Aber machen Sie sich die Welt ruhig weiterhin genauso einfach wie früher, nur dass die Guten eben heute auf der anderen Seite des Atlantik sitzen und es weder Chile 1973, Guantanamo, Mittelamerika in den 1980er Jahren nie gegeben und die Ausspionierung der EU nur zu unserer Sicherheit vor Terroranschlägen erfolgt.
    So einfach und übersichtlich kann in der ideologischen Schwarz-Weiß-Choreografie die Welt sein.

  41. avatar

    Herr Posener,

    Sie schreiben:

    „Hingegen hat noch niemand auch nur einen Fall aufdecken können, wo konkret die Persönlichkeitsrechte eines Menschen aufgrund dieser Programme verletzt wurden. Kein Fall, der etwa vergleichbar wäre mit den Skandalen um Traube und Kießling, der vorsorglichen Beobachtung von Mitgliedern der Linkspartei, der Verwendung von V-Leuten, die ihrerseits zu rassistischer Gewalt aufrufen usw. usf.“

    Da die amerikanische Regierung nicht einmal ihren befreundeten Regierungen Auskunft darüber erteilt, was sie denn genau alles sammelt, sollte man sich zunächst anhören, was Herr Snowden erzählt und dies auf seine Schlüssigkeit prüfen.

    Herr Snowden hat in seinem Interview z.B. gesagt, dass es ihm als Systemadministrator technisch möglich gewesen sei, praktisch jede E-Mail, zu lesen, die er hätte lesen wollen. Das klingt beängstigend, und ich hätte erwartet, dass die US-Regierung Beweise vorlegt, dass dies nicht der Fall ist. Stattdessen wirft man Snowden vor, er habe Geheimnisse verraten. Also schlussfolgere ich, dass das was er sagt, wohl eher der Wahrheit entspricht.

    Die aktuellen haushaltsrechtlichen Planungen der NSA lassen die Behauptung, PRISM sei darauf angelegt, sämtliche Daten zu speichern, auch als eher wahrscheinlich erscheinen.

    Wer sich mit der Abhör-Thematik ein wenig beschäftigt hat, weiß, dass seit dem Ende des 2. Weltkriegs systematisch die Briefpost zwischen dem Ost- und dem Weststeil Deutschlands von den westlichen Geheimdiensten geöffnet, gelesen und zu einem großen Teil vernichtet worden ist.

    Aus meiner Sicht ist schon allein dieser Fall ein größerer Skandal als Traube, Kießling und das Ausschnüffeln der Linkspartei zusammen.

    http://www.spiegel.de/spiegel/.....59003.html

    http://www.heise.de/tp/artikel/30/30461/1.html

    http://www.youtube.com/watch?v=6mJtA4pQfow

    Wenn Sie behaupten, das auch von deutschem Boden – z.B. in Bad Aiblingen – operierende Programm ECHELON, bei dem gezielt die Telefonkommunikation in Europa abgehört und – da es mittlerweile technisch möglich ist – auch wohl gespeichert wird, sei einzig und allein darauf ausgerichtet, in 5 Jahren 45 angedachte Terroranschläge zu verhindern, machen Sie sich lächerlich.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Echelon

    Gegen diese Schnüffelei ist der Fall Kiesling ein Witz.

    Schon vor 12 Jahren ging das Europäische Parlament davon aus, dass ECHELON auch für Wirtschaftsspionage genutzt wird. Seit 2001 hat sich die Speicherkapazität eines einfachen Festplattenlaufwerks inzwischen um den Faktor 20 verbessert. Daher kann man davon ausgehen, dass heute die Überwachung und Bespitzelung noch effektiver und für unsere Gesellschaft immer mehr zum Problem werden kann.

    Als Rechtsanwalt muss ich mittlerweile davon ausgehen, dass meine gesamte Korrespondenz mit meinen Mandaten potentiell gespeichert, analysiert, gelesen und im schlimmsten Fall für Dinge genutzt werden, die entweder mir oder meinem Mandanten schaden können. Um gleich bei Herrn Snowden zu bleiben. Auch er hat ein Recht, dass er über sein Telefon, ein Faxgerät oder mittels verschlüsselter E-Mail mit seinem Anwalt bespricht, um z.B. einen Asylantrag zu stellen. Das geht aber in Ihrer schönen neuen Welt nicht mehr, da niemand weiß, wie PRISM funktioniert und ob bzw. wie dort sichergestellt wird, dass die Korrespondenz zwischen Verdächtigem und Anwalt aber auch zwischen Journalisten und Informanten gesichert werden kann.

    Sowohl in der EU als auch in den USA haben die Pressefreiheit und das Recht auf ein faires Verfahren Verfassungsrang. Einfachgesetzliche Regelungen, die diese Rechte unverhältnismäßig einschränken sind entweder verfassungskonform auszulegen oder nicht anzuwenden. PRISM ist, wenn es weiter betrieben wird, so wie es Snowden beschreibt, das Ende der freien Gesellschaft.

    Wenn Sie das wirklich wollen, Herr Posener, sind Sie nicht nur ein schlechter Journalist, sondern auch ein schlechter Demokrat.

    Vielleicht würde es sich auch lohnen nachzudenken, was mit Ihrem Vater, Ihrem Onkel und den anderen jüdischen Verwandten passiert wäre, wenn PRISM, TEMPORA und ECHOLON vom Innenminister der Weimarer Republik installiert worden wäre. Jetzt sagen Sie nicht, das wäre unwahrscheinlich, das so etwas noch einmal passiert, ähnliches passierte unter der Obhut Ihrer Freunde von der CIA in den 70er und 80er Jahren in Lateinamerika.

    Glauben Sie, damals wären noch mehr Oppositionelle verschleppt worden, wenn man bessere und umfassendere Informationen über die jungen Sozialisten gehabt hätte?

    http://de.wikipedia.org/wiki/Desaparecidos

    Denken Sie, es wäre ein Beitrag für die Sicherheit der BRD in den 60er oder 70er Jahren gewesen, wenn man Sie zusammen mit Rudi Dutschke und Jürgen Horlemann über der Ostsee aus einem Flugzeug geworfen hätte? Oder Sie bei einem Waldspaziergang mit einer Drohne abgeschossen hätte?

    Sie Herr Posener hätten in der Zeit, über die Sie in den letzten Tagen hier berichtet haben, genau in das aktuelle „Beuteschema“ der NSA gepasst. Damals hatten Sie Glück, dass die technischen Mittel noch nicht so weit entwickelt waren und dass man Sie für weniger wichtig erachtet hat, als die KPD/AO sich selbst.

    Vielleicht denken Sie darüber einmal nach, schlafen ein oder zwei Nächte darüber und schreiben erst dann etwas darüber oder – schweigen für eine Weile. Das hat Ihnen nach eigenem Bekunden ja schon einmal geholfen.

    Mit bestem Gruß

  42. avatar

    Moin, moin, Herr Posener,

    ah, endlich, eine Stimme der Vernunft im Meer von Hysterie! Klar, Snowden ist ein Verräter. Ich hoffe, dass die Amis ihn über kurz oder lang erwischen. Im Falle Osama hat es ja auch ein paar Jährchen gedauert. Interessant ist ja auch , dass die ganze NSA, BND, MI5 (oder ist es MI6?) Sache in der Bevölkerung eher mit Gelassenheit gesehen wird. Keine Demo, nirgends. Das ist mehr eine mediale Hysterie cum Antiamerikanismus. Die bösen Amis! Das perfide Albion! In Frankreich oder Polen regt sich (fast)kein Mensch darüber auf. Wessen Grundrechte sind eigentlich wann konkret verletzt worden? NSA & Co. interessieren sich doch nicht für Tante Herthas obszöne Mails, oder ob Onkel Herbert SM-Seiten im Netz besucht. Die deutsche Journaille (und so mancher Kommentator hier) nimmt sich mal wieder viel zu wichtig. Übrigens, ich halte die GEZ für gefährlicher.
    Ach ja, Herr Posener, es gibt kein FBI-Gefängnis. Pollard sitzt in einem Federal Prison= Bundesgefängnis (vs. State Prison).

    Tschüssi,
    JB

  43. avatar

    Alan Posener schreibt:

    „Es [i.e. PRISM] hat eine klare gesetzliche Grundlage, und dessen Anwendung wird durch Gerichte kontrolliert.“

    Das ist in beiden Teilen zweifelhaft. Das Gesetz enthält keinen Abschnitt explizit zu PRISM (etc.). Die Auslegung der gesetzlichen Grundlage erfolgt durch ein geheim tagendes Gericht, das offenbar zumindest teilweise auch jeder instanzlichen Kontrolle entzogen ist, namentlich also auch dem Supreme Court. De facto ist die Kontrolle also reduziert auf die Exekutive, ein Geheimgericht, und einen Kongress-Ausschuss.

    Die entscheidende Frage ist, ob man eine solche Einschränkung rechtsstaatlicher Grundsätze hinnehmen mag. Es mag tragfähige Gründe geben, dass man hergebrachtermaßen geheimdienstliche Aktivitäten nur begrenzt den sonst geltenden rechtsstaatlichen Institutionen unterwirft und ganz allgemein der öffentlichen Debatte zu entziehen versucht.

    Das ist aber auch eine Frage des Umfangs dieser Aktivitäten und – mehr noch – der Macht, die sie durch neue technische Gegebenheiten bieten. Es ist ein Unterschied, ob nur das Bundeskanzleramt abgehört wird, oder ob flächendeckend Kommunikation kontrolliert, gefiltert und z.T. (Meta-Daten wie Inhalte) sogar gespeichert wird. Das Missbrauchspotential liegt auf der Hand und beschränkt sich nicht nur auf institutionellen Missbrauch, sondern liegt eben auch in der Hand von Einzeltätern im Apparat (siehe Edward Snowden).

    Es ist frappierend, wenn manche sich in Amerika verwundert äußern, dass Teile der Bevölkerung der Regierung und dem FISC-Gericht in dieser Sache nicht vertrauen. Rechtsstaatlichkeit ist keine Frage des Vertrauens, sondern ersetzt Vertrauen (und die möglichen Enttäuschungen) gerade durch institutionalisierte Kontrollmechanismen.

    Angesichts dieser schwierigen und nicht eindeutigen Fragen finde ich die Hagiographie von Edward Snowden durch weite Teile der Presse nicht nur sekundär, sondern enttäuschend.

  44. avatar

    Bin schockiert über diesen Kommentar. Der Autor wird sicher am lautesten aufschreien, wenn Bürger ihn und seine gesamte Familie ausspionieren würden. In Deutschland gelten DEUTSCHE GESETZE. Gesetze, von denen sie profitieren und sie schützen. Der Autor sollte nach China oder Russland auswandern, er dürfte sich dort wohler fühlen. In einem Zeit-interview vom März 2000 gab der ehemalige CIA-Chef James Woolsey zu, dass die amerikanischen Dienste europäische Unternehmen ausspionierten und man diese Tradition fortgesetzen werde. Der Autor hat mit solchen Dingen kein Problem, ist ja nur Wirtschaftsspionage. Verachtenswert. PS: Wann dürfen wir Bürger denn anfangen ihre Kinder und Familie auszuspionieren? Wie, ist das jetzt zu persöhnlich? Willkommen im Club.

  45. avatar

    …um die Frage gleich selber zu beantworten: Dann muss man versuchen, alles Verborgene ans Licht zu befördern, z.B. indem man einen „Verräter“ findet, der das, was vorher nur Geraune war, in den Bereich der Fakten hebt – oder eben in Luft auflöst.
    Hätte man vor einem Jahr von dieser flächendeckenden Überwachung geraunt, hätten Sie doch den Verdacht genauso zurückgewiesen, wie Sie den jetzigen Verdacht zurückweisen?
    Da bleibt doch nur eins: Aufklären. Sicherheitsbedenken hinten anstellen. Nachher könnte man sagen, dass man sich in einem weiteren Bereich wirklich substanziell von Diktaturen unterscheidet – das wäre doch auch nicht schlecht.

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    @Alan Posener: Sie sagen, die Kritiker sollen annehmen, die Programme dienten wirklich nur der Terrorabwehr und, so muss man doch ergänzen, würden von niemandem zweckentfremdet oder umfunktioniert und alles wäre genau so, wie es verlautbart wird. Alles liefe nach Plan. – Nach meiner Meinung ist das die falsche Grundlage; man sollte das genaue Gegenteil tun: Man sollte sich vorstellen, unter welchen Umständen es NICHT so funktionieren würde wie angegeben, unnd wie das dann aussähe. Was man dann erzählt bekommen würde. Man sollte davon ausgehen, dass vieles schiefläuft, von dem man nichts erfährt, weil man es tunlichst vertuscht; dass es interne Kriminalität und Korruption gibt, so wie es in jeder staatlichen Organisation (denken Sie an die öffentlichen Sender) Seilschaften, Dysfunktionalitäten, Ineffizienzen und Intrigen gibt. Was dann? Das ist doch die viel interessantere und auch wichtigere Frage.

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