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Linke Antisemiten: Zur „Kritischen Theorie des Zionismus“

Obwohl Linke nach eigenem Selbstverständnis Antirassisten und Internationalisten sind, also „gar nicht antisemitisch sein können“, gab es innerhalb der Linken immer schon eine starke antisemitische Strömung.

Die Traditionslinie reicht von Karl Marx, der den Wucher als Wesen des Judentums ausmachte und die kapitalistische Gesellschaft darum als „jüdisch“ bezeichnete – eine nicht sehr originelle Idee, die er von Martin Luther geklaut hatte – über die 68er, deren antisemitisch-antizionistische Verstrickungen etwa Götz Aly und Wolfgang Kraushaar bloßgelegt haben, bis hin zu Teilen der Linkspartei, der Grünen und der SPD in unseren Tagen.

Besonders Henryk Broder hat – beginnend mit seiner Kampfschrift gegen „Linke Tabus“ schon 1976 – den Antisemitismus der so genannten „Neuen Linken“ immer wieder angegriffen und gezeigt, dass der Antizionismus eine – vielleicht die gegenwärtig bedrohlichste – Form des Antisemitismus darstellt. Auch dafür hat ihm die Deutsch-Israelische Gesellschaft 2011 mit ihrem „Ehrenpreis“ ausgezeichnet; was in meinen Augen die DIG – deren Ortsgruppen oft eher ein betulicher Honoratiorenverein sind als ein aktiver Anwalt Israels in Deutschland – sehr aufgewertet hat.

Umso erstaunter war ich, als ich auf der Internetseite der Hochschulgruppe der DIG in Rostock die Ankündigung eines Schulungsseminars entdeckte, bei dem es um die Aneignung einer „kritischen Theorie des Zionismus“ geht; also um die Kritik des Zionismus:

 

http://dighochschulgruppe.wordpress.com/2013/05/21/kritik-des-antisemitismus-kritische-theorie-des-zionismus/

 

Wer sich durch das Elaborat quält, stellt fest, dass es sich um eine Zusammenfassung der Theorie der „Antideutschen“ (mit denen ich mich gelegentlich auch hier befasst habe, so etwa im Beitrag „Bahamas goes Bananas“) zu Israel handelt. Die Antideutschen haben nicht nur einige Orts- und Hochschulgruppen der DIG gekapert und zu Schulungs- und Agitationsplattformen umfunktioniert; sie beziehen sich zuweilen auch auf den DIG-Preisträger Henryk Broder, völlig zu Unrecht; denn obwohl sich die Sekte dezidiert, ja geradezu martialisch pro-israelisch gibt, stellt sie in Wirklichkeit nur eine neue Verkleidung jenes „beständigen Gefühls“ (Broder) dar: eine neue Ausprägung des Antizionismus, also des Antisemitismus. Schauen wir, wie Stephan Grigat seine „kritische Theorie des Zionismus ableitet“:

 

„Soll der Antisemitismus nicht als ein bloßes Vorurteil verharmlost werden, sondern im ideologiekritischen Sinne als wahnhafte Projektion dechiffriert werden, so gilt es, sich den Begriff der „antisemitischen Gesellschaft“ zu vergegenwärtigen, der von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer entwickelt wurde. Was sind die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen die beschädigten Subjekte sich immer wieder für das Ausagieren des antisemitischen Hasses entscheiden? Und inwiefern kann angesichts eines fremdbestimmten gesellschaftlichen Daseins überhaupt von einer freien Entscheidung gesprochen werden?“

 

Das ist der Kern der antideutschen Ideologie: Im Verblendungszusammenhang kann der einzelne nichts für seinen Antisemitismus, für den er sich ja nicht frei entscheiden kann. Er ist nicht ein „Ressentiment“, wie Broder das beschrieb, sondern nur ein Symptom. Die Gesellschaft ist schuld, die Subjekte sind „beschädigt“. Erst andere „gesellschaftliche Bedingungen“, also eine andere Gesellschaft, würde keinen Antisemitismus mehr hervorbringen.

Eine nicht sehr originelle Idee, der alle Linke huldigen: Um das „falsche Bewusstsein“ aufzuheben – Religion, Nationalismus, Egoismus, Misogynie, you name it – muss die Gesellschaft „aufgehoben“ werden.

In der Praxis bedeutet das: die Antideutschen müssen überall „Antisemiten“ entdecken, um zu beweisen, dass es sich in Deutschland tatsächlich um eine „antisemitische Gesellschaft“ im Sinne ihrer Hausheiligen Adorno und Horkheimer handelt. Da ganz gewöhnliche Antisemiten ein wenig rar geworden sind, obwohl nicht so rar, wie manche meinen, verfielen die Antideutschen vor etwa zehn Jahren auf den Clou, den Antizionismus anzugreifen. Ihr Prozionismus ist also nur eine Verkleidung; es geht ihnen eigentlich und immer nur darum, das Vorhandensein der „antisemitischen Gesellschaft“ und damit die Notwendigkeit einer Fundamentalrevolution nachzuweisen.

 

Doch damit kommen die Antideutschen wiederum in theoretische Schwierigkeiten.

 

„Der Zionismus ist die unmittelbare Antwort sowohl auf den europäischen als auch auf den arabischen und islamischen Antisemitismus. In ihm existiert zwangsläufig ein Spannungsverhältnis zwischen universalistischem Emanzipationsanspruch und notwendigerweise partikularer Organisation in Form eines Nationalstaates. Wie ist der Zionismus als nationale Befreiungsbewegung der Juden und Jüdinnen vor dem Hintergrund einer kritischen Theorie der Gesellschaft zu begreifen?“

 

Nun, „vor dem Hintergrund“ der Kritischen Theorie ist der Zionismus gar nicht zu begreifen. Er ist eben nicht die „unmittelbare Antwort“ auf den europäischen (und schon gar nicht auf den „arabischen und islamischen“) Antisemitismus, und er ist auch keine „nationale Befreiungsbewegung“.

Der Zionismus hat eine lange Geschichte, die Jahrhunderte zurückreicht. Immer wieder sind Juden – aus religiöser Sehnsucht heraus – nach Zion aufgebrochen. Jerusalem war unter den Osmanen eine Stadt, deren Bevölkerung mehrheitlich jüdisch war. Der moderne Zionismus Theodor Herzls war viel mehr als eine Antwort auf den Antisemitismus. Er war eine Kritik an der Daseinsform des Diaspora-Juden. Erst die Bildung eines „Judenstaats“ würde die Selbstemanzipation der Juden von dieser Diaspora-Existenz ermöglichen.

Übrigens hatte Herzl die Situation der Juden in den arabischen Ländern gar nicht im Blick; und er hätte wohl kaum vorgeschlagen, dass jener Judenstaat unter den Auspizien des türkischen Sultans und des Kalifats errichtet wird, wenn er wegen des islamischen Antisemitismus besorgt gewesen wäre.

Der Zionismus ist also weit mehr als eine Antwort auf den Antisemitismus. Weit mehr als eine Notmaßnahme. Er ist das Programm der Schaffung eines neuen jüdischen Menschen. Und was die Bezeichnung als „nationale Befreiungsbewegung“ angeht: Die Unterstellung, die Juden in der Diaspora seien eine eigene Nation, die etwas anderes sei als das „Wirtsvolk“, ist ein bevorzugtes Argument der Antisemiten aller Länder, die damit die Loyalität der jüdischen Staatsbürger in Frage stellen.

Entscheidend ist aber die Kritik der Antideutschen, im Zionismus existiere ein „Spannungsverhältnis zwischen universalistischem Emanzipationsanspruch und partikularer Organisation in Form eines Nationalstaates (sic)“.   Quatsch. In der Kritischen Theorie existiert dieses „Spannungsverhältnis“, sprich: Widerspruch.  In der Kritischen Theorie wäre es am besten, die Gesellschaft wäre derart „universalistisch emanzipiert“, dass es weder Antisemiten noch Zionisten gebe. Im Zionismus exisitiert dieser Widerspruch nicht. Im Zionismus ist die nationale Organisation, die Konstituierung zum Staat vielmehr Voraussetzung der Emanzipation. Wer das nicht kapiert, begreift den Staat Israel nicht und kann schlechterdings das Anliegen dieses Staats in Deutschland nicht vermitteln.

 

Das haben die Antideutschen auch nicht vor. Nach dem Mittagessen geht es auf der Schulungssitzung wie folgt weiter:

 

„Der kategorische Imperativ nach Auschwitz. Über die Geschichte des Zionismus und die aktuelle Bedrohung Israels. Adorno formulierte einen neuen kategorischen Imperativ: alles Handeln und Denken im Stande der Unfreiheit so einzurichten, dass Auschwitz sich nicht wiederholen kann. Der Zionismus hat versucht, diesem Imperativ auf seine Weise gerecht zu werden, indem sich die israelische Armee konsequent gegen jeden Vernichtungsversuch zur Wehr setzte und setzt – mitunter präventiv und aggressiv. Was waren dabei die entscheidenden Situationen in der israelischen Geschichte von der Staatsgründung bis zur gegenwärtigen Konfrontation mit dem iranischen Regime? Was ändert sich durch den arabischen „Frühling“ für Israel? Und wie ist die globale Delegitimierungskampagne gegen Israel einzuschätzen?“

Adorno wieder. „Im Stande der Unfreiheit“, also in der noch unerlösten Gesellschaft, müsse man vor allem eine Wiederholung von Auschwitz verhindern. Und zwar müsse „alles Handeln und Denken“ diesem Ziel dienen. Adorno meinte damit, wenn wir ihn einmal ernst nehmen wollen, dass der demokratische Rechtsstaat verteidigt werden müsse, sozusagen als zweitbeste Lösung gegenüber der umfassenden Erlösung des Menschen aus jeder Unterdrückung. Die Antideutschen aber weigern sich, die Bundesrepublik als demokratischen Rechtsstaat und darum als verteidigungswürdig anzuerkennen. Für sie besteht die Umsetzung des Adorno’schen Imperativs in der unablässigen Schnüffelei nach Belegen für die Existenz der „antisemitischen Gesellschaft“. Dabei bedienen sie sich einer zirkularen Logik. Weil die deutsche Gesellschaft antisemitisch ist, muss es Israel geben. Dass es Israel gibt, belegt den antisemitischen Charakter der deutschen Gesellschaft.

Typisch ist überdies, dass sich die Antideutschen für die konkreten Ergebnisse des Zionismus, für das real existierende Israel auch gar nicht interessieren. Nichts findet man bei ihnen etwa über die Kibbuzim, das einzige freiwillige kommunistische Experiment der neueren Geschichte; denn es kann ja laut Adorno „kein richtiges leben im Falschen“ geben, und das „partikularistische“ Israel ist ja letztlich Teil des Falschen. Nichts findet man bei ihnen über die Umwandlung des Staats und der Gesellschaft unter den Likud-Regierungen und besonders unter der Ägide von Binjamin Netanjahu von einer Kommandowirtschaft mit starken sozialistischen Elementen zu einer kapitalistischen Markt- und Konsumwirtschaft; denn das wäre ja nach Adorno ein Zurückfallen in der Entwicklung, kein Fortschritt. Weder findet man dort etwas über die Entwicklung Israels zu einer multikulturellen und hedonistischen Gesellschaft noch zu den Konflikten innerhalb der Gesellschaft zwischen europäischen und orientalischen Juden, religiösen und säkularen Juden, arabischen und jüdischen Israelis  usw. usf.; kurzum nichts über das, was Israel heute ausmacht und die heutigen Israelis interessiert und sicher sehr viele Deutsche interessieren würde und jedenfalls interessieren sollte.

Stattdessen wird die ganze Geschichte des Staates Israel reduziert auf die Erfüllung von Adornos „kategorischem Imperativ“, bei dessen Vollzug Israels Armee „mitunter präventiv und aggressiv“ vorgehe. Dass es zwischen Prävention (1967 etwa der Schlag gegen die ägyptische Luftwaffe, 1980 die Zerstörung des irakischen Atomreaktors bei Osirak, 2007 des syrischen Atomreaktors) und Aggression einen Wesensunterschied gibt, wird durch das „und“ unterschlagen. So wird die  angebliche„Aggressivität“ der israelischen Armee zum Bestandteil einer Schulung unter dem Deckmantel der DIG. Sich da unschuldig zu fragen, was „die globale Delegitimierungskampagne gegen Israel“ zu bedeuten habe, zeugt von, sagen wir: Chuzpe.

 

„Die antideutsche Kritik solidarisiert sich mit Israel aus der Erkenntnis, dass die Welt, so wie sie heute eingerichtet ist, den Antisemitismus immer aufs Neue hervorbringt.“ So brachte Stephan Grigat schon vor Jahren das Bekenntnis der Antideutschen auf den Begriff. Die Welt muss also „anders eingerichtet“ werden, darunter tun diese Linksradikalen es nicht, und nur darum geht es diesen Leuten, nicht um Israel. Ich habe eine Weile gedacht, die Antideutschen stellten gegenüber dem dumpfen Antiimperialismus der traditionellen Linken, die regelmäßig Israel als „aggressiv“ brandmarkt, einen gewissen Fortschritt dar; mittlerweile sehe ich das anders. Es sind falsche Freunde Israels, die unter dem Deckmantel der Israelsolidarität eine perfide, dogmatische Ideologie propagieren, die Israel, ein bewundernswertes Land, und die Israelis, ein liebenswertes Volk, auf eine imaginierte Rolle als  Exekutoren eines „kategorischen Imperativs“ des Heiligen Theodor reduzieren. Die Antideutschen schaden Israel, sie schaden der deutsch-israelischen Freundschaft, und sie stellen damit, auch wenn sie – wie alle Antisemiten – behaupten, nur Israels Bestes zu wollen, objektiv nur eine besonders skurrile Spielart des linken Antizionismus dar.

 

 

Zum Nachlesen:

https://starke-meinungen.de/blog/2012/08/07/bahamas-goes-bananas/

 

http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article116823078/Falsche-Israelfreunde.html

 

http://freie.welt.de/2012/09/03/der-adorno-preis-und-die-wirrungen-der-dialektik/

 

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212 Gedanken zu “Linke Antisemiten: Zur „Kritischen Theorie des Zionismus“;”

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    „“Zerrissenheit als Einheit” – das ist keine Dialektik, sondern eine sog. “contradictio in adjecto”. Entweder etwas ist zerissen oder nicht; dann ist es ganz.“
    Es handelt sich um eine contradictio in subjecto. Hegel notierte mal: „Ein geflickter Strumpf [ist] besser als ein zerrissener; nicht so das Selbstbewußtsein“(HW2 557)So wie das Selbstbewußtsein kein Ding ist, ist es auch nicht Zivilisation. Wobei ich mich hüte Kultur oder Zivilisation überhaupt im Plural zu sehen, außer es sind Schimmelkulturen gemeint.
    Die Menschheit ist einmal entstanden und sie bildet auch in verstreuerter Form immer noch eine Einheit, nicht nur biologisch als Art, einem System innerhalb dessen die Individuen untereinander fruchtbare Nachkommen zeugen zu können, wobei dazu Sex und nicht Gender notwendig ist.
    Adorno hat an Freud ja auch gepriesen, daß er die Zerrissenheit nicht glättet:

    „Die Größe Freuds besteht wie die aller radikalen bürgerlichen Denker darin, daß er solche Widersprüche unaufgelöst stehen läßt und es verschmäht, systematische Harmonie zu prätendieren, wo die Sache selber in sich zerrissen ist. Er macht den antagonistischen Charakter der gesellschaftlichen Realität offenbar, soweit innerhalb der vorgezeichneten Arbeitsteilung seine Theorie und Praxis reicht. Die Unsicherheit des eigentlichen Zwecks der Anpassung, die Unvernunft vernünftigen Handelns also, die die Psychoanalyse aufdeckt, spiegelt etwas von objektiver Unvernunft wider. Sie wird zur Anklage der Zivilisation.“

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    Als mein offspring alt genug war, habe ich mir genau überlegt, wo wir hinfahren, und das war Buchenwald. Ich habe ihnen aber durchaus erzählt, dass es bedeutend schlimmere K-Lager als Buchenwald gab. Die Reihenfolge haben wir auch genau durchdacht. Erst Buchenwald, dann Schiller und Goethe, Goethes Garten als Trost. Sie waren schockiert genug. Wenn die Schule nach Auschwitz gefahren wäre, hätte ich sie abgemeldet. Man sollte dieses Langzeitgeschäftsmodell, wofür man Tote, Ermordete missbraucht und womit man Jugendliche überaus schockiert und ratlos stehen lässt, nicht unterstützen. Und ehrlich gesagt würde ich nie wagen, das zu äußern, wenn nicht der oft sehr vernünftige Autor, dessen Mutter dort fast gestorben wäre, ebenfalls diese Sinnlosigkeit erkannt hätte: Henryk Broder.
    Eine Klatsche ins Gesicht von unschuldigen Schülern, die erschüttert zurückbleiben. Alternativ im Café abhängen. Und oft gar nicht wissen, dass das zwar das Schlimmste war, aber nicht das Einzige, die blanke Gesichter kriegen, wenn man Armenien/Ruanda/Pol Pot/Idi Amin/Mao/Stalin/Herero/Burenkriege oder auch Wounded Knee sagt, die vermittelt kriegen: Der Deutsche ist schlecht, nicht etwa: Der Mensch ist schlecht, was könnte ich dagegen tun?
    Dafür haben wir zuhause Dokumentationen und Filme wie „Schindler’s List“ und „Der Pianist“ angesehen und über „Die Weiße Rose“ gesprochen, was bedeutet: Ja, man kann etwas (wenig) tun, aber es kostet viel Mut. Warschauer Ghetto allerdings: Der Mut der Opfer.
    Muslimische Schüler in Auschwitz?: Würde nichts ändern. Sie wollen (Einzelne) Israel dort weg haben. Sie würden anführen, das alles hätte nichts mit den Palästinensern zu tun. Sie würden anführen, die Pal’s wären erst sekundär zu Tätern geworden, während die Nazis Primärtäter waren. Keine Chance.

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    @ Edmund Jestadt

    Weil es natürlich einen breiten und starken, 2000 Jahre alten Antisemitismus in Europa gibt und damit seinen modernen Komplementär, den überdrehten Philosemitismus. Wobei die Überintellektualisierung, nach meiner Meinung, als Nebelwand vor den Emotionen dient. Wie auch Herr B. in seiner sympathischen Wendung zum Eigentlichen es beschreibt, zuerst war da die Emotion. Mit der Erkenntnis, dass Opa weniger Held, als mehr Arschloch war, damit muss man erst mal umgehen. Gilt nicht nur für Deutsche, es gilt für viele Europäer im 19/20 Jahrhundert. Und dann kommen die fröhlichen Israelis, die sich nichts vorzuwerfen haben….

    Dazu kommen verschiedene Lehren aus dem NS. In Europa kommt Nation aus der Mode, in Israel will sie stark sein. Das führt zu Dissonanzen in der Wahrnehmung von Entwicklungen. Israel übernimmt dabei die Rolle des Europäers, der nicht lernen will. Die Europäer, die Nation nicht aufgeben wollen (die Opa nicht für ein Arschloch halten), kommen sich natürlich benachteiligt vor. Das schürt Emotionen, diese Haltung ist aber nicht immer antisemitisch.

    Zudem gibt es den Bayern München Effekt. Jeder hat eine Meinung zu Bayern, weil jeden Tag etwas in der Zeitung steht. Der kritische, äquidistanzierte Journalismus trägt dazu bei, dass wir Vereine wie die Hisbollah, in einen großen Kontext stellen, in dem sie auf einmal ihre Berechtigung haben. Medienschelte.

    Das wissen sie bestimmt alles, worauf wollen sie hinaus?

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    @ Lyoner: Auserwählung die Wurzel des Übels

    Mal abgesehen davon, was unter „Auserwähltheit“ genau zu verstehen ist bzw. verstanden wird – Sie wiederholen das inzwischen zum x-ten Male – glauben Sie das im Ernst?

    Es gibt Völker, die bezeichnen sich – und das, bitte, um sich von Ihnen und mir und jedermann zu unterscheiden – als „Menschen“. Ist Ihnen bekannt, dass das jemals der Grund für Völkermord war? Hat es je eine deutsche Expedition in Richtung Nordpol oder in Richtung Afrika gegeben, um diesen absolut diskriminierenden Exklusivitätsanspruch zu eliminieren? Wurde dergleichen evtl. für „nach dem Endsieg“ geplant? Oder können Sie sich, umgekehrt, einen Reim darauf machen, warum das keinen Hitler und keinen Himmler je interessiert hat?

    Zugegeben, die Frage ist ein bisschen lächerlich. Fällt von dieser Lächerlichkeit nicht aber auch ein gutes Stück für Ihre Auserwähltheits-Konkurrenz ab? Welche Religion oder Konfession oder sonstige Kollektiv-Identität erheben keinen vergleichbaren Exklusivitätsanspruch?

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    @ Martin Blumentritt

    Britische Militärs sind sympathisch. Das ist kein Punkt. Britischen Militärs merkt man im Leben nichts an, während man einen deutschen Major oft schon von weitem erkennen kann.
    Aber ich habe mich mal länger mit einem unterhalten, und zwar in Arromanches, das mich sehr berührt hat, die vielen Gräber von jungen Männerm. Ich war kurz davor, mich verbal selbst zu vernichten, und er sagte, sie hätten auch ihre Sünden und deren viele, und es sei gut, dass wir heute befreundet seien, und man sollte die Jungen nicht damit belasten usw.
    Und ich sage Ihnen, dass jeder vernünftige Deutsche, Engländer und Franzose genauso denkt, und die Italiener sind froh, dass kaum einer über sie geredet hat, weil sie nicht ganz so schlimm waren, und wenn die Griechen Kriegsschuld auspacken, weil sie Zaster wollen bzw. Schuldenerlass, ist das marode. Vorher waren sie froh, dass wir alle gern nach Kreta kamen und Moussaka und Kleftiko liebten.
    Sie würden kaum einen englischen General finden, der mit Ihnen mitgeht. Die sind nicht so neurotisch wie wir hier.
    Was Katrin Himmler (Großnichte) gemacht hat, ist fein, aber hier steht etwas Wichtiges: Es ist auch Selbsttherapie:
    „Katrin’s book is admirably level-headed, a meticulous memoir of an extraordinary family, and the author never resorts to histrionics, preferring to let the facts speak for themselves. Originally written as self-therapy, the book stands as a testament to the enduring legacy of guilt the Nazis left behind for future generations.“
    https://en.wikipedia.org/wiki/Katrin_Himmler

    Die Jüngeren aber verdienen, von der Geschichte losgelassen zu werden, ganz einfach. Sie können nichts daran ändern und noch was: Sie sind so weit davon entfernt, dass sie nicht einmal therapeutisch sich das abschreiben können, was Sie hier anscheinend auch versuchen.

    Und ich muss zufügen: Es erscheint mir sinnlos, wenn Michelle mit so jungen Töchtern auf dieser Schuldspur herumwandert. Wir haben auch bessere Geschichte. Wir haben auch sans/ci.
    N’est-ce-pas, Lyoner?

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    @ Stvanovic

    Sie beschreiben Gründe und Funktion der Über-Intellektualisierung. Aber welche hat die Über- Emotionalisierung, die immer wieder beim Thema „Israel“ zu bemerken ist. Fällt das Stichwort „Israel“, wird der Ton sofort scharf und die Wellen schlagen hoch. Warum fordert der Palästina-Konflikt die Empathie mit der einen oder anderen Seite so sehr viel stärker heraus, als es z.B. der Nordirland-Konflikt jemals tun konnte?

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    Herr Blumentritt: „Zerrissenheit als Einheit“ – das ist keine Dialektik, sondern eine sog. „contradictio in adjecto“. Entweder etwas ist zerissen oder nicht; dann ist es ganz. Etwas kann nicht (gleichzeitig und in derselben Hinsicht) zerissen und ganz sein. Die Zivilisation, die damals im Krieg kämpfte, war zerrissen. Es sind daraus zwei verschiedene Zivilisationen geworden.

    Ansonsten finde ich Ihre abschließenden subjektiv-biografische Erläuterungen wesentlich sympathischer. Ich bin weit entfernt davon, die deutsche Generation „3.Reich“ freisprechen zu wollen. Im Gegenteil: Hier haben sich viele mit Schuld beladen, was man aber nur sehen kann, wenn man die Unschuld anderer Menschen – darunter sämtlicher Kinder! – und Generationen gleichermaßen anerkennt.

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    @Roland Ziegler: „denken Sie einfach nochmal über Ihre “Einheit in der Mannigfaltigkeit” nach. Es gab einen Weltkrieg, wie er größer und schlimmer nie war. So einheitlich kann die Mannigfaltigkeit deshalb nicht gewesen sein.“
    Was gint es mehr an Einheit als im Stande des Krieges? Bei Auseinandersetzungen ist man ja auch auch beisammen. Auch im heute stattfindenden 3. Weltkrieg, der oft sogar als Krieg verleugnet wird, weil man gar keinen Begriff vom modernen Krieg mehr hat. (Öffentlicher) Freund und Feind sind ja nicht das, was sie sind, getrennt, sondern nur in der Einheit des Kriegs, als die Gewalt dieses Zusammenhangs.
    Die Zivilisation ist zerissen, diese Zerrissenheit als Einheit auch zu BEGREIFEN, war eines der Ergebnisse der „Dialektik der Aufklärung“, die ja in der Erstellung sich anders entwickelte als geplant, eben weil sich die Wirklichkeit anders entwickelte. Daß die Zivilisation in Form der Allierten des Weltkriegs, sich gegen die Zivilisation in ihrer extremsten Form des Nationalsozialismus(Europa) und Ummasozialismus (Arabien) wandte, war so selbstverständlich nicht zu erwarten, aber es geschah, als Adorno und Horkheimer gerade (ohne Weil und Pollock) Gretel Adorno die Kapitel des Werks diktierten. Angesichts der Barbarei, die nicht mehr drohte und heute nicht mehr droht, sondern in die die WELT versunken ist, gab es also unerwartet doch ein Moment, das in der realen Hölle zu atmen versprach. Angesichts der Barbarei wandte man sich auch gegen die Barbarei im eigenen Lande.
    Wie Rosa Luxemburg kann man nicht mehr eine Alternative aufstellen: Sozialismus oder Barbarei, eben weil der Rückfall in die Barbarei stattgefunden hat. Der Gegensatz von Zivilisation und Barbarei wurde negativ aufgehoben, dadurch, daß alle Welt auf eine verwilderte Selbsterhaltung reduziert wurde, die bis zur Suspension der Selbsterhaltung (wir kennen diese Nazibarbarei heute auch im Selbstmordattentat, wie es in Israel schon begriffen ward, bevor die Intifada zum Zeitpunkt 9/11 des Jahres 2001 schließlich als global potentiell von allen durchschaubar geworden ist. Daß es Prototypen gab, schon in den 60er 70er Jahren, Attentate, Massaker wie die bei der Müncher Olympiade usw. ist heute kaum noch abweisbar.
    Der Aufruf zur Umkehr, wie sie schon die jüdischen Heiligen Schriften formulierten: Abschaffung des Menschenopfer und die Symbolisierung dieses Sachverhalts in der Knabenbeschneidung, war auch der Anfang von Weltzivilisation, gegen die von Anfang an Krieg geführt wurde. Noch Hitler hielt das Gewissen für eine jüdische Erfindung, die ausgetrieben werden müsse und anders als durch die Vernichtung aller Juden war ihm das nicht denkbar. Athen sollte über Jerusalem siegen, was christlich schon im stellvertretenden Menschenopfer antezipiert war und in grauenhafter Weise im Djihad praktiziert wird, in der Form wie Hasan al-Bannas Todesindustrie als arabische Variante des Nazismus in die Welt kam. „Ihr liebt das Leben, wir den Tod.“ ist das dictum, das letzlich den Zivilisationsbruch adäquat zum Ausdruck bringt.
    Als es einst hieß: „Es sind genug Bomben gefallen, wer noch lebt ist selber schuld.“ wußte der Autor vielleicht noch nicht wie recht er hatte. Als Nachkriegskind mußte ich feststellen, daß man sich eigentlich gern nur an die Bombenangriffe erinnerte und man mußte sich von Deutschen (von meinen Eltern habe ich es nie gehört) anhören, wenn man kritische Fragen stellte: „Du hast noch nicht mal in die Windeln geschissen, als wir in Stalingrad in der Scheisse waren.“
    Beim Lesen von Sir Arthur Harris – und den Anmerkungen seiner Tochter – wurde er mir (und das obwohl ich nun wirklich überhaupt nicht begeistert bin von Militär und militärischen Dingen) durchaus sympathisch, weil er ohne Euphemismus redete und wußte, was er tat, ohne auch nur ein Funken ein brutaler Mensch zu sein. Als er wegen Geschwindigkeitsübertretung bei der Fahrt zu einer Konferenz gestoppt wurde, fragte der Bobby, ob er jemanden umbringen wolle. Er sagte nur, das muß ich täglich tausendfach tun.
    Ein Verteidigungsminister der BRD wagte es mal in Afghanistan von Krieg zu sprechen, weswegen man entrüstet war, da deutsche Soldaten mit Krieg in Verbindung zu bringen ein Tabu ist und man lieber von „friedenserwzingenden Maßnahmen“ spricht. Dabei könnte man von Bombenkrieg der Allierten mit viel mehr Recht von friedenserzwingenden Maßnahmen reden, ohne zu leugnen, daß das auch Krieg ist, eben ein Akt der Gewalt, um dem Gegner den Willen aufzuzwingen, in dem Fall den zum Frieden.

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    @ Lyoner

    Unter den Photoserien, Flotus, Besuchsprogramm.
    Das Kind gehört in den Berliner Zoo und zum Shoppen auf den Kuh’Damm. Armes Kind. Sasha allein zu Haus wäre auch eine Idee gewesen. Ansonsten hätten wir noch einige gute Museen.

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    @ Lyoner

    Na ja, das weiß ich jetzt nicht. Ich hätte denen ja laufend widersprochen und mich geweigert (hoffentlich!), meine Mitbürger auszuspionieren, dargelegt, dass Marx doch wohl nicht meinte, dass man gegeneinander geht, auch noch heimlich, sondern eher miteinander. Ich wäre eher wie Vera Lengsfeld gelandet, die ich übrigens sehr schätze. Ich wünschte, man könnte Abgeordnete einzeln wählen. Innenminister Friedrich würde ich nicht wählen. Ich wäre heute nicht statt Merkel Kanzler, weil ich mich nicht angepasst hätte. Man sollte Erfolgreiche tatsächlich mit Reptilien vergleichen, weil sie sich permanent häuten. Wenn sie sich nicht häuten, werden sie gehäutet. Bei .ba.. wieß keiner, ob er den Leuten was vorgemacht hat oder ein Häutungsprodukt ist. Ich wurde nie Oberarzt, weil ich dem Chef zu oft widersprach. N.Finkelstein: Ich mag ihn nicht besonders. Andererseits finde ich es nicht gut, wenn jemand seine Stelle verliert, weil er eine Meinung hat, die nicht in den Konsens passt.
    So würde ich sagen, dass es gut ist, dass ich nichts Elitäres geworden bin, und dass dieser blog existiert, dankeschön.
    In der Klasse eines meiner Söhne sind die Widerspruchs-Spezialisten die besten Schüler(innen), das lässt hoffen. Hoffentlich wird ihnen der Widerspruch nicht später ausgetrieben. Sonst käme ich noch zum bedingungslosen Grundeinkommen, das ich nicht finanzierbar finde, nur damit Leute zu Hause hocken und widersprechen können. Prism ist die größte Gefahr für die freie Meinung neben den einschlägigen Fraktionen innerhalb der Religion, die sich gern besser sähe. Herzlich

    P.S. Gucken Sie sich das Bild von Sasha zwischen den Stelen an (Spiegel). Ist der da nur schlecht von Berliner Bratwurst plus Eis, oder weil sie jetzt denkt, wir wären alle Monster? Er hätte sie lieber mit in die Kennedy-Schule nehmen sollen. Mit 12 ist man zu klein für sowas.

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    Sind Philosemitismus und Selbsthass das Ergebnis der kritischen Theorie oder wählt man Adorno aus Selbsthass und Philosemitismus?

    Ein Merkmal der Szene ist Empathielosigkeit. Gegenüber den Arabern, gegenüber den Opfern von Dresden, gegenüber anderen Staaten und besonders gegenüber unsicheren Menschen. In Sachfragen zeigt sich das in den gestellten Forderungen, zum Beispiel dem Iran. Wie Ziegler sagte, ein Angriff der IDF könnte schwere Folgen haben, technischer Natur. Dazu hat Adorno wahrscheinlich nichts geschrieben. Nun reagiert die Szene auf technische Einwände mit der kritischen Theorie und entlarvt sie als antisemitische Ideologie. In den Publikationen finde ich selten technische Einlassungen, die geeignet wären, die Einwände zu entkräften. So bleibt in dieser Publizistik immer der Vorwurf, hinter der Kritik an der IDF verberge sich nicht die Unsicherheit einer verängstigten Bevölkerung vor einem großen Knall (nicht nur unserer, auch der Menschen im NO), sondern Antisemitismus. Mehr steht da nicht. So auch Herr B. Antwort auf Ziegler: Ziegler meint Technik, B. zieht es auf die ideologische Ebene (Realsatire). Die gleiche Logik hat eine geschiedene Frau, die sich von ihren Kindern nichts anhören will, bevor nicht zuerst der Vater kritisiert wurde und so jede Kommunikation mit ihnen erstickt. Das nennt sich dann kritische Theorie in der Praxis. Wer israelische Medien verfolgt weiß, dass in Israel die Debatte viel, sehr viel, differenzierter geführt wird, als hier. Eigentlich wird so gut wie jede Debatte differenzierter geführt.

    Zusammenfassend kann man sagen, dass hinter der überintellektualisierten Fassade ein Hooligan steht, der immer für seine Mannschaft ist, egal was die Jungs auf dem Spielfeld machen. Wie jedem gutem Hooligan, ist ihnen das Spiel an sich eigentlich egal.

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    Lyoner: … wobei Christen & Juden siamesische Zwillinge sind, dass die monotheistische Gottesvergiftung verbunden mit dem toxischen Topos eines metaphysischen Privilegs, der Auserwählung die Wurzel des Übels ist, das im Nationalsozialismus einen Climax gefunden hat. Der Nationalsozialismus wurde so giftig wie er war dadurch, dass sein partikulare Ambition universell werden wollte, eine schlechte imitatio Judaeorum, “es kann keine zwei auserwählten Völker geben” – so Hitler. … dem Abendland wäre viel Übel erspart geblieben, wenn die siamesischen Zwillinge Judentum & Christentum vor Ort geblieben wären.

    Gott hat Schuld? … Lyoner – Sie irren.

    … zitiere Paulus: ‚Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden … Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich für unsere Sünden hingegeben hat, um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu befreien, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters.

    Ihm sei Ehre in alle Ewigkeit. Amen.‘

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    Zu Bomber Harris: Wie kann man den feiern, die toten Kinder und Frauen zu Erfolgen erklären, und ihn gleichzeitig, als Vertreter der abendländischen Streitmacht, zum Mitschuldigen – Mitgefangenen im gemeinsamen Verblendungszusammenhang – erklären? Hätte er dann nicht gleich nach seiner Rückkehr England ebenfalls bombardieren müssen?

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    Die besagte „Verantwortlichkeit im Grundsätzlichen“ besteht nach meiner Meinung darin, nicht nur zu überlegen, was alles nicht richtig oder nicht gut ist, sondern auch, was stattdessen richtig oder gut sein könnte. Nicht nur die bestehende Perspektive der Leute abzureißen ud sie ansonsten ihrem Schicksal zu überlassen, sondern zugleich zu sagen, oder besser: als Vorschlag zur Diskussion zu stellen, wie man es denn anders und besser machen könnte.

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    Es gibt schon eine „Dialektik der Aufklärung“; die wurde in der Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies – mit dem Essen vom Baum der Erkenntnis – bildlich dargestellt. Die Aufklärung ist im Kern „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Dieser Satz korreliert sehr gut mit dem Paradiesbild, nur sind die Wertungen umgekehrt. Die Erkenntnis ist im Paradiesbild etwas Schlechtes, was man besser vermieden hätte (aber nun nicht mehr zurückdrehen kann); in der Aufklärung ist sie „gut“. Die Wahrheit über die Dinge herauszufinden, ist (spätestens) ab jetzt gut und erstrebenswert.

    Natürlich birgt die Aufklärung alle möglichen Risiken und Nebenwirkungen. Sie zerstört sicher geglaubte vermeintliche Wahrheiten und hinterlässt mitunter schmerzhaft ein Loch, das mit allem Möglichen – auch sehr Unerfreulichem – aufgefüllt werden kann. Die Aufklärung kann zweckentfremdet und missverstanden werden.

    Auf dem Umstand, dass das Christentum über den Wahrheitsanspruch der Aufklärung – d.h. mangels Glaubwürdigkeit – in vielen Teilen der Bevölkerung ausgehebelt wurde, konnten die Nazis, auch Stalin und andere ihre Reiche gründen.

    Daraus – eigentlich aber aus ihrer Zerstörung vormaliger Wahrheiten – erwächst der Aufklärung eine Verantwortlichkeit im Grundsätzlichen, aber nicht die Verantwortung oder die Schuld für die Verbrechen, die die Nazis (oder auch Stalin) in ihrem Namen begangen haben. Sie haben den Namen der Aufklärung auf oberflächliche Weise zu „false-flag-operations“, wie man heute sagen würde, missbraucht; ihre Projekte haben mit der Aufklärung herzlich wenig zu tun. Wenn man ihre Projekte mit dem Wahrheitsanspruch der Aufklärung ins Auge fasst, fallen sie und ihre Begründungen wie Kartenhäuser um. Es sind Mogelpackungen, billige Imitationen, Pseudo, Mimikri. Wie man noch heute darauf hereinfallen kann, ist mir ein Rätsel.

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    @ Parisien

    Nun, ein origineller und kreativer Kopf sind Sie, da schadet es auch nicht, wenn Sie nicht ganz so diszipliniert sind wie z.B. ich. Dafür überblicken Sie mehr Schauplätze, sind kosmopolitischer. In der DDR hätte man Sie als eine umfassend ausgebildete sozialistische Persönlichkeit geehrt.

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    @ Martin Blumentritt

    „Das Schreckliche am Nationalsozialismus ist nicht, daß er so anders, so außergewöhnlich, ein Sonderweg bloß war, sondern wie sehr er der abendländischen Kultur entsprungen ist.“

    Sie tun ja so, als nicht das Jüdische (zusammen mit seinem Sprößling, dem Christemtum), das was Sie als Pol Jerusalem bezeichnen, ein besonders formativer und penetrativer Teil dessen ist, was man abendländische Kultur nennt. Überspitzt scheinen Sie in dem Pol Athen die Wurzel des Übels zu sehen, eine verdorbene Frucht, von der man Heilung nur durch den Pol Jerusalem erwarten darf. – Ich neige ja häufig zu der konträren Sichtweise, dass die geistige Überwältigung und Vergewaltigung Europas durch die fanatischen Gottesanbeter aus dem Nahen Osten, wobei Christen & Juden siamesische Zwillinge sind, dass die monotheistische Gottesvergiftung verbunden mit dem toxischen Topos eines metaphysischen Privilegs, der Auserwählung die Wurzel des Übels ist, das im Nationalsozialismus einen Climax gefunden hat. Der Nationalsozialismus wurde so giftig wie er war dadurch, dass sein partikulare Ambition universell werden wollte, eine schlechte imitatio Judaeorum, „es kann keine zwei auserwählten Völker geben“ – so Hitler. Die Behauptung Broders, dass Antisemitismus, Antizionismus nichts mit Juden und ihrem Verhalten zu habe, reine Phantasterei, Projektion sei, ist von zu grobem Zuschnitt, um richtig und nützlich zu sein; auf jeden Fall hat er mit Reaktionen auf den Pol Jerusalem zu tun. Kontrafaktisch: dem Abendland wäre viel Übel erspart geblieben, wenn die siamesischen Zwillinge Judentum & Christentum vor Ort geblieben wären.

    Um nochmals auf Dresden und Auschwitz zu sprechen zu kommen: ich habe nie verstanden, wie man mit Empathie um „Fremde“ trauern kann, wenn die Trauer um „Eigene“ als schändlich diffamiert wird, ihr das Gewicht abgesprochen ist, wenn Sie und Ihresgleichen kommen, um in Dresden Trauernde zu diffamieren, zu verhöhnen und zu grölen „Bomber Harris do it again“. Zu Ihrer Moral: hier vertreten Sie den Standpunkt „Der Zweck heiligt die Mittel“ – zu dieser moralischen Höhe haben sich auch die Nazis aufschwingen können.

    Es gibt keine Anerkennung ohne Reziprozität. Der Herr fürchtet immer, dass der Knecht auf seinen Tod hofft (die Dialektik ist jedoch komplizierter). Auf Israel angewendet: Wenn die Politik der Annexion und „Erlösung des Bodens“ weitergeführt wird, wie wir es bei der Trias Netanyahu, Lieberman, Bennett (mit dem Feigenblatt Livni) erwarten kann, steht Israel vor der Wahl, entweder die Palistinenser in den „Gebieten“ als volle Staatbürger anzuerkennen (das will man doch nicht, sondern eine Anerkennung als jüdischer Staat?), oder ihnen in einem Apartheid-Staat in Palistans Scheinautonomie zu gewähren, oder sie zu vertreiben; der vornehme Ausdruck ist Transfer und sehr vornehme Gemüter, wollen ihnen das mit Geldzahlungen schmackhaft machen. Ich glaube, dafür müßten wir Deutsche aufkommen. Dafür wären Sie doch zu haben, oder sehen Sie einen anderen Weg? – Noch wollen die Herrschaften diesen Moment der Wahrheit hinauszögern und mit dem „Status quo“ die Front meterweise und quadradmeterweise weiterzuschieben. Der Welt gaukelt man vor, dass man prinzipiell für den Feieden sei und alles dafür tue, dieser im Heiligen Land wegen den bösen Palis nicht ausbrechen konnte. Ich schlage Ihnen vor, sich nicht über die radikale fundamentalistische nationalreligiöse Agenda Israels zu täuschen.

    Was meinen Nickname hier angeht; wer ich bin und wie ich heiße, ist den treuen Kommentatoren hier bekannt. So wie Google tickt und die Freunde Israels ticken, will ich vermeiden, dass Google Vorschläge macht „xy Antisemit“ wie bei Bettina Wulff „Bettina Wulff Rotlicht“.

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    Her Blumentritt, man darf die Hoffnung nie aufgeben; denken Sie einfach nochmal über Ihre „Einheit in der Mannigfaltigkeit“ nach. Es gab einen Weltkrieg, wie er größer und schlimmer nie war. So einheitlich kann die Mannigfaltigkeit deshalb nicht gewesen sein. Ich kann mir im Gegenteil wenig denken, das weniger einheitlich ist als diese Zivilisation, durch die sich eine Front zog; Nazis mit einer barbarischen (nicht-egalistischen) Moral auf der einen, Alliierte mit einer völlig anderen (egalistischen) Moral auf der anderen Seite. Auf Unterschiede im Interesse eines Gesamtzusammenhanges keinen Wert legen ist ja partiell in Ordnung. Aber DIESEN schroffen Gegensatz zu nivellieren und bei der Gelegenheit unter der Hand auch die Schuld so weit auszudehnen, dass alle gleichermaßen – auch die Gegner – schuldig werden, mache ich nicht mit.

    Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich deshalb die Lust an unserer Diskussion verliere. Ich habe mich nach Kräften bemüht, aber in dieser Hinsicht werden Sie mir bestimmt zustimmen: Meine Kräfte reichen für Sie nicht aus.

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    @ Blumentritt

    „Zivilisationen“ sind klein. Zehn, vielleicht zwanzig Prozent. Der Rest ist glotzendes Schaf. Nehmen Sie einen Verrückten wie Aolf Hitler, noch einen Verrückten wie Joseph Goebbels, gleichgeschaltete Medien und bringen vorher die zehn bis zwanzig Prozent um oder treiben sie ins Ausland, haben Sie schnell das gewünschte Ergebnis. Passivität macht’s möglich.
    Gerade gibt es ein Musterbeispiel: Kleine Zivilisation auf dem Taksim-Platz. Dann fährt Erogan Masse auf und protzt mit seiner Schafsherde. Diktator protzt, die Herde glotzt, so isses doch.
    Keinen Hund würden Sie dazu kriegen, selektiv Juden zu beißen. Also ist der Mensch, wenn er sich nicht über sich selbst erhebt, wozu entweder Religion oder Humanismus und Philosophie dienen können, ein niedriges Wesen, dass irgendein Schwachkopf einst mit Waffen ausgestattet hat.
    Sie haben hier Widerspruch von vier verschiedenen Leuten und kapieren’s nicht. Selektives Feindbild gegen Deutsche, ganz einfach. Nix zu machen. Kaum ein Brite würe Harris verteidigen.

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    Überschneidet sich etwas weil ich den Zusatz erst jetzt erhalten habe.
    „Wie kommen Sie auf Außerirdische; ich habe doch extra geschrieben: “Der Nazionalsozialismus fußt auf einer bestimmten Art von Zivilisation, ja.”

    Er fußt darauf, er tritt sie nieder. Jede Zivilisation ist vielfältig und in sich widersprüchlich. Entscheidende Teile wurden niedergetreten. Das wollen Sie nicht erkennen und zugeben; warum, weiß ich nicht.“
    Mit einem Konzepte von Ganzen und Teilen reicht man an das Problem gar nicht heran. So ist Zivilisation nicht zu begreifen. Wobei ein spezifisch Deutsches, das sich gegen den Begriff Zivilisation sperrt, zumal ja zwei Weltkriege im Namen der Zivilisation gegen es geführt wurden, worauf die systematischen Kapitel der Zivilisationstheorie von Elias reflektiert. Diese Trennung in Zwei Kulturen oder Kultur und Zivilisation und die ganz andere konträre oder kontrakdiktische Bedeutung von culture und civilisation in anderen Sprachen macht die Sache ja ohnehin komplizierter. Und ein Problem ist auch die Hierarchisierung von Kultur, nach der es dann eine höhere und niedere gäbe. Eine widersprüchliche Zivilisation – da mit Widerspruch nicht ein dialektische gemeint sein kann, der auflösbar ist, in diesem Kontext – wäre oder ist Irrsinn und fungibel.
    Zivilisation ist ja nicht ein Ding mit vielen Eigenschaften und Elementen, sondern das, was die Einheit einer Mannigfaltigkeit in einer bestimmten, historisch spezifischen Weise, ist. Den Begriffe sieht man etymologisch ja noch an, daß einst von cultura im Sinne von Ackerbau die Rede war, während Kultur dann später eine andere Bedeutung eine Färbung in Sinne von Geisteskultur bekommen hat; und Zivilisation war auch ursprünglich nicht materielle Kultur, sondern designierte das ganze Bereich der Menschheit. Geschweige der Gegensatz von Zivilen und Militärischen, der ja auch immer noch mitschwingt. Und bei Dante, der allein deswegen schon ein bedeutender Theoretiker ist, ist menschliche Zivilität auf ein Telos: das glückliche Leben angelegt. Anders wird dann im 19.Jh. im Zusammenhang des Bevölkerungswachstums und Industrialisierung von civilisation gesprochen, verknüpft mit der Verstädterung und Massengesellschaft, also dem Typus des modernen Höhlenmenschen, wovon O.Spengler sprach, dem wurde dann die Kultur als das Höhere entgegengesetzt. Das steht heute – nach Auschwitz – wohl kaum an, weil das gescheitert ist.
    Bei Freud weisen Kultur und Zivilisation jedenfalls, ähnlich wie sie bis dahin seit Kant beides nachdrücklich verbunden war, nicht auseinander:
    „Die menschliche Kultur – ich meine all das, worin sich das menschliche Leben über seine animalischen Bedingungen erhoben hat und worin es sich vom Leben der Tiere unterscheidet – und ich verschmähe es, Kultur und Zivilisation zu trennen – zeigt dem Beobachter bekanntlich zwei Seiten. Sie umfaßt einerseits all das Wissen und Können, das die Menschen erworben haben, um die Kräfte der Natur zu beherrschen und ihr Güter zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse abzugewinnen, anderseits alle die Einrichtungen, die notwendig sind, um die Beziehungen der Menschen zueinander, und besonders die Verteilung der erreichbaren Güter zu regeln. Die beiden Richtungen der Kultur sind nicht unabhängig voneinander, erstens, weil die gegenseitigen Beziehungen der Menschen durch das Maß der Triebbefriedigung, das die vorhandenen Güter ermöglichen, tiefgreifend beeinflußt werden, zweitens, weil der einzelne Mensch selbst zu einem anderen in die Beziehung eines Gutes treten kann, insofern dieser seine Arbeitskraft benützt oder ihn zum Sexualobjekt nimmt, drittens aber, weil jeder Einzelne virtuell ein Feind der Kultur ist, die doch ein allgemeinmenschliches Interesse sein soll. Es ist merkwürdig, daß die Menschen, so wenig sie auch in der Vereinzelung existieren können, doch die Opfer, welche ihnen von der Kultur zugemutet werden, um ein Zusammenleben zu ermöglichen, als schwer drückend empfinden. Die Kultur muß also gegen den Einzelnen verteidigt werden und ihre Einrichtungen, Institutionen und Gebote stellen sich in den Dienst dieser Aufgabe; sie bezwecken nicht nur, eine gewisse Güterverteilung herzustellen, sondern auch diese aufrechtzuhalten, ja sie müssen gegen die feindseligen Regungen der Menschen all das beschützen, was der Bezwingung der Natur und der Erzeugung von Gütern dient. Menschliche Schöpfungen sind leicht zu zerstören und Wissenschaft und Technik, die sie aufgebaut haben, können auch zu ihrer Vernichtung verwendet werden.“Freud, Zukunft einer Illusion

    Das destruktive Potential, das untrennbar ist von der Zivilisation dürfte vielleich so etwas verständlicher sein.

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    „Ich begreife nicht, wie Sie diesen Anspruch der Nazis mitmachen können. Die Nazis unterlaufen jede Philosophie und ersetzen sie durch ein lächerliches Blut-und-Boden-Elaborat; sie hebeln den menschlichen Geist aus und werfen ihn auf den Müll.

    Heidegger ist in seiner Eitelkeit ein Thema für sich, aber mit Sicherheit kein “Beispiel”, sondern einen Ausnahme in jeder Hinsicht. (Und ein überschätzter Philosoph, dessen Sätze meist weit über der Sinnschwelle liegen, aber das nur nebenbei.) Bessere Beispiele liefert Parisien, Beispiele für viele, die fliehen mussten oder umgebracht wurden.“
    Auch Heidegger kommt so ganz und gar nicht eine Ausnahme, zu der er sich gern selbst stilisiert. Da sind so manche, wie auch der Lehrer von Habermas Rothacker am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten.
    Es waren ja nicht zuletzt Horkheimer, Adorno, Marcuse, Benjamin die das Land verlassen mußten und von denen die besten Feindanalysen Deutschlands stammen. Diese Leute allerdings waren in der Lage das ganze in der Basis der Zivilisation selbst zu verorten. Wie von außen hätte das denn auch kommen sollen, woher? Das Seinsgeraune Heideggers findet man in fast wörtlichen Übereinstimmungen auch bei einigen Neukantianern und bei Fichte ist einiges vorgebildet, bis hin, den Juden die Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen. Das war da schon Deutsche Ideologie. Auch in der französischen Aufklärung kann man Antisemitismus noch noch verorten.
    Das Schreckliche am Nationalsozialismus ist nicht, daß er so anders, so außergewöhnlich, ein Sondernweg bloß war, sondern wie sehr er der abendländischen Kultur entsprungen ist. (Die Mehrdeutigkeit des „Entspringen“ ist hierbei mitzudenken, also die Dialektik von Kontinuität und Bruch.
    Beides nicht zusammen denken zu können, ist nun mal das Problem, daß Kritische Theorie immer gar nicht erst verstanden wird. „Grenzen der Aufklärung“ ist ein bedeutendes Kapitel der „Dialektik der Aufklärung“, denn seit Kant ist eine Reflexion auf solche Grenzen Kritsche Theorie. Ein Buch über Antisemitismus von D.Claussen heißt dann ja auch später „Grenzen der Aufklärung“.
    Ein Zurück zum abendländischen Rationalismus kann es nicht geben, denn man kann schlecht dort wieder beginnen, wo es doch daraus hervorgegangen ist. Man würde revozieren, was an Kritik notwendig ist.
    „In dieser Auseinandersetzung hat das Abendland und sein befreiendes Denken gesiegt. Wir sollten froh darüber sein und das freie Denken weiterhin praktizieren.“
    Das liefe auf den postnazistischen Versuch heraus, noch einmal sich ohnmächtig gegenüber dem National- bzw. Ummasozialismus zu verhalten und das Alte noch einmal zu wiederholen. Positivistische Wissenschaft war immer Mittel der unheilvollen Tendenz gewesen, mit ihrer Illusion der Wertfreiheit. Die Fungibilität und Instrumentalisierbarkeit für alles war ja das Problem, warum das, was geschah – und heute noch geschieht, wenn man die islamischen Länder anguckt – geschehen konnte. Die jüdische Zivilisation war da ja nie an Bord, sondern wurde verworfen, um einen neuen säkularen oder religiösen Opferkultus zu begründen, sei es den Rosenbergs, Hitlers oder Heideggers sei es den von Hasan al-Banna oder Haj Amin al-Husseini. Und um solches gegen Kritik zu immunisieren haben die Islamisten den Islamophobievorwurf erfunden, auf den die unreflektierte Aufklärung so gern reinfällt.
    Ein Zurück zu dem Denken, das den Nationalsozialismus ermöglichte (auch hier wiederum als notwendige Bedingung, nicht zureichender Grund, wie das gern immer mistverstanden wird), empfinde ich als unsittliches Angebot.

    Und ein anderes Mistverständnis ist, daß Kritik „Verwerfen“ sei oder daß dann eine Konzeptualisierung die andere „überwinde“. Darüber war sich schon Adorno klar, daß dabei nur herauskommt, daß die Überwindung noch schlimmer ist als das Überwundene. Schon Ludwig Feuerbach schrieb ja, daß Religionskritik nicht das Verwerfen der Religion sei, sondern die Scheidung des Wahren und Falschen an ihr. Kritik der politischen Ökonomie bei Marx war ja auch nicht Verwerfung der Politischen Ökonomie, sondern dessen erweiterte Selbstreflexion, wenn auch nicht eine Kritische Politische Ökonomie, sondern die Kritik daran mittels der Politischen Ökonomie. Eine Kritische Theorie der Zivilisation oder Dialektik der Aufklärung ist ja auch keine Verwerfung der Zivilisation, sondern deren kritisches Selbstbewußtsein. Als der gute alte Hegel über das Verhältnis von Philosophie und Philosophien, also Einheit und Verschiedenheit der Philosophien reflektierte, wies er zurecht ab ein Verständnis, das wir heute etwa von Popper kennen, der sich die Geschichte so vorstellt, daß man sich – wie Marquard mal sagte – emporirrt. „Die philosophische Erkenntnis dessen was Wahrheit und Philosophie ist, läßt diese Verschiedenheit selbst also solche noch in einem ganz anderen Sinne erkennen als nach dem abstrakten Gegensatz von Wahrheit und Irrtum.“(Hegel) Und genau auf Basis dieser Erkenntnis argumentiert eine Kritik der Zivilisation, die in Verkennung ihrer Grenzen in ihr Gegenteil umschlägt. Da die Zivilisation keine aparte Person ist führt sie weder gegen andere noch gegen sich irgendwelche Kämpfe, um noch ein Mistverständnis abzuweisen. Nach und nach erscheinen die – vielleicht leichter verständlichen als die Hauptschriften – Vorlesungen Adornos. Da hat er nicht etwas ganz anderes, sondern die Tradition von der Antike bis Hegel und die Neueren gelehrt und immanent nachvollziehbar gemacht, aber auch auf die immanten Grenzen und Probleme hingewiesen. Nach der Lektüre wird man nicht über die Exilierten, zu denen ja gerade diese dialektischen Denker gehören, Aussagen machen, sie hätten einfach nur das alte Denken weiterbetrieben. Nein, sie haben dieses in eine zweite Reflexion getrieben und auf die gesellschaftlichen Bedingungen reflektiert, die den Umschlag der rationalistischen Tradition in pure Irrationalität bedingen. Bei aller Pluralität, von der die Rede ist, besteht nämlich eine Einheit des Zeitgeistes, die wie in membra disjecta zerfallen ist und den Irrsinn, den wir täglich erleben, hervorbringt.

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    @Martin Blumentritt: Wie kommen Sie auf Außerirdische; ich habe doch extra geschrieben: „Der Nazionalsozialismus fußt auf einer bestimmten Art von Zivilisation, ja.“

    Er fußt darauf, er tritt sie nieder. Jede Zivilisation ist vielfältig und in sich widersprüchlich. Entscheidende Teile wurden niedergetreten. Das wollen Sie nicht erkennen und zugeben; warum, weiß ich nicht.

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    @Roland Ziegler: „Viel eher war es doch so, dass das Dritte Reich sich von der gemeinsamen Zivilisation im Gegenteil losgesagt hat, z.B. indem als es die abendländische Kunst als “entartet” aussortierte und vernichtete. Im weiteren Verlauf hat es den Holocaust und einen furchtbaren Weltkrieg angezettelt. Kämpfte hier die abendländische Zivilisation gegen sich selbst? Wozu? Und wer hat da gesiegt?“
    Und woher kommt das Dritte Reich? Kamen da Außerirdische und brachten Hitler und Co.? Doch wohl kaum. Nein, das Dritte Reich steht in der Kontinuität europäischer Geschichte. Nur den Bruch zu denken, verklärt es zu einem Rätsel.
    „Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.“
    Damit beginnt die „Dialektik der Aufklärung“. Und dies zu erklären war immer das Desiderat, wenn man über die Bedingungen von Auschwitz etwas wissen wollte. Das Unheil stellt das ganze abendländische Denken in Frage, die affirmative Metaphysik wie den Positivismus.
    Wenn der Historismus behauptet, alle Epochen stehen gleich zu Gott, was dem postmodernen „Diskurs“ ja letzlich auch entspricht, der nur noch Widerstreit, aber keinen Widerspruch und dessen idelle und reale Auflösung kennt. Die Geschichte des Denkens, wie die Philosophie es grundlegend formuliert, ist kein Behälter von Meinungen, sondern ein kontinuierlicher Zusammenhang, der aber nicht nur auf die subjektive Seite oder den Kopf sich herstellt, sondern immer schon von der historisch-gesellschaftlichen Praxis, der Realgeschichte bestimmt ist, durch die Realgeschichte auch da noch vermittelt ist, wo man diese unmittelbar gar nicht mehr in den Abstraktionen der Philosophie erkennt. Das Dritte Reich veränderte nicht nur Deutschland oder Europa, sondern die ganze Welt. Heute erscheint dies auch deutlicher, wenn in New York an der Börse gehustet wird, holt man sich in Frankfurt einen Schnupfen. Geschichte war immer Geschichte der produktiven Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur, die die Geschichte des Denken übergriff, so daß diese nie bloß subjektiv war, sondern immer schon objektiv vermittelt. So spiegeln selbst abstrakte Denkgesetze wie die der Logik Realgeschichte, genauso, wie sie diese auch produktiv bestimmen.
    Auch das Dritte Reich kam nicht in der Zivilisation wie aus der Pistole geschossen, sondern entstand aus ihr selbst, nicht aus dem Nichts. Die Neuen Ontologen oder Existenzphilsophen, die Existenz als „Herausragen aus dem Nichts“ verstehen und verstanden, mit ihrer objektlosen Innerlichkeit, befanden sich schon immer auf dem Glatteis.

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    Viel eher war es doch so, dass das Ditte Reich sich von der gemeinsamen Zivilisation im Gegenteil losgesagt hat, z.B. indem als es die abendländische Kunst als „entartet“ aussortierte und vernichtete. Im weiteren Verlauf hat es den Holocaust und einen furchtbaren Weltkrieg angezettelt. Kämpfte hier die abendländische Zivilisation gegen sich selbst? Wozu? Und wer hat da gesiegt?

    Das führt direkt in einen offenkundigen Unsinn. Nein, die Alliierten und ihre rationalistische Kultur kann man unter den Begriff der abendländischen Zivilisation fassen und das Dritte Reich davon als eine bewusste Abschnürung abzugrenzen. Als eine willentliche Abkehr, weg aus dem Abendland und den gemeinsamen Werten, hinein in eine neue, gefühlsduselige, billig zusammengesponnene, furchtbare „Anti-Welt“. In dieser Auseinandersetzung hat das Abendland und sein befreiendes Denken gesiegt. Wir sollten froh darüber sein und das freie Denken weiterhin praktizieren.

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    @Martin Blumentritt: Der Nazionalsozialismus fußt auf einer bestimmten Art von Zivilisation, ja. Diese Zivilisation hat aber mehrere Facetten. Bei Ihnen wird alles gleichermaßen für schuldig erklärt und zu einem Brei verrührt. Nicht nur die Soldaten sind schuldig, auch deren Frauen und Kinder, Stumpf und Stiel; nicht nur die Menschen, auch ihre Kultur, die komplette Zivilisation. Sie verwerfen das abendländische Denken in seiner Gänze und erklären sich selber zu einem Gegenrationalisten. D.h. auch der Rationalismus der Exilierten, der Alliierten, also des weitaus größeren Teils der abendländischen Kultur, die Kultur der Befreier – alles das ist gleichermaßen schuldig. Oder verstehe ich Sie falsch? Halten Sie z.B. Bertrand Russell für einen Vertreter des Rationalismus, der zu Auschwitz führt? Oder war der, ohne es selber zu wissen – und ohne es, hätten Sie es ihm gesagt, akzeptieren zu können – ein „Gegenrationalist“?

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    Martin B.: … daß plötzlich Salonnaziblätter wie JF verlinkt werden, Argumente aus rechtsradikalen Schmieden, wie Adorno mit de Gnostik zui identifizieren usw., sehe ich ja schon, daß bei bestimmten Themen alle plötzlich die Hose runterlassen.
    Im Übrigen, sobald die Deutschen mal normal sein sollten, werden sie auch ein Harris-Denkmal akzeptieren, auch wird man nicht mehr mit Fälschungen von Zahlen aus dem Goebbelsminsterien argumentieren.
    Im Verhör waren die Leute aber ehrlicher:

    … werter M.B., wenn Ihnen Argumente nicht passen – sind alle ‚Salonnazis‘. Das ist nicht neu. Auch meine ich, dass die Deutschen völlig normal sind. Die meisten jedenfalls. Inhaltlich stimmt der von mir verlinkte Artikel in der JF, die ich nicht als ‚Naziblatt‘ erkenne, (das sollten Sie übrigens begründen, vielleicht kann ich ja von Ihnen lernen,) mit den von mir verlinkten Artikel in SPON etwa überein. … und … SPON auch Nazi? … meinetwegen.

    Das ‚Goebbelsministerium‘ ist hier von niemanden zitiert worden. Zu der von Ihnen im Verhör ‚erkannten‘ Ehrlichkeit, schreiben die Briten selber … ff

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    @Lyoner: Sie argumentieren naiv oder heucheln. Daß ich Leibowitz kenne, aber auch den Film, der eine alte Talmudweisheit verkürzt im Titel hat: Töte zuerst (bevor der andere Dich töten kann) schon mehrmals gesehen habe, davon können Sie ausgehen. Und auch davon, daß ich immer unter meinem Namen agiere und mich nicht hinter Pseudonymen verstecken muß.
    Natürlich ist Israel dazu berechtigt und zum Glück fähig, die Feinde zu erledigen, bevor diese die Bevölkerung Israels liquidieren, was ja bekanntlich die erklärte und publizierte Absicht von Hamas, PLO, Djihad usw. ist.
    Rechtfertigung von Gewalt steht auch schon im Strafrecht, sei es Notwehr, sei es Freiheitsberaubung durch die Justiz. Und auch ein Staat, der im Falle Israels ja eine Notstandsmaßnahme gegen die antisemitische Raserei bereits war, kann selber legitim sein, wie man das an Israel ja sieht. Herzl sah es richtig: Sie werden uns nicht in Ruhe lassen. Und deswegen ist der Staat Israel eine notwendige Bedingung der Selbsterhaltung aller Juden, nicht nur der Einwohner Israels. Wenn ich es hier so beobachte, daß plötzlich Salonnaziblätter wie JF verlinkt werden, Argumente aus rechtsradikalen Schmieden, wie Adorno mit de Gnostik zui identifizieren usw., sehe ich ja schon, daß bei bestimmten Themen alle plötzlich die Hose runterlassen.
    Im Übrigen, sobald die Deutschen mal normal sein sollten, werden sie auch ein Harris-Denkmal akzeptieren, auch wird man nicht mehr mit Fälschungen von Zahlen aus dem Goebbelsminsterien argumentieren.
    Im Verhör waren die Leute aber ehrlicher:
    „Frage: In welchem Maße wurden die militärischen Operationen durch die Luftangriffe beeinträchtigt?
    Antwort: (…) Während der Soldat vorher glaubte, dass er durch den Kampf an der Front seine Heimat, seine Frau und seine Kinder beschützte, wurde dieser Faktor völlig eliminiert und durch die Erkenntnis ersetzt: ‚Ich kann so viel durchhalten, wie ich will, aber meine Frau und meine Kinder gehen trotzdem vor die Hunde.‘
    Frage: Hat sich das auf seine Kampffähigkeit an der Front ausgewirkt?
    Antwort: Ganz gewiss, das ließ sich aus vielen Frontberichten erkennen. Zum Beispiel gab es da eine Division aus Hamburg. Plötzlich traf 1943 die Meldung von den schweren Angriffen ein und sorgte für große Unruhe.
    Frage: Wie kam diese Sorge bei den Truppen zum Ausdruck?
    Antwort: Durch einen nachlassenden Widerstandswillen. (…) Parallel dazu gab es Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Rüstungsarbeiter.“
    (Generaloberst Alfred Jodl, in: Richard Overy, Verhöre. Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945, S:274 u.277f)

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    Offenkundig soll nun Hitler an allem schuld gewesen sein, aber ein Volk hat den Führer, den es verdient.
    Daß erstmals mit dem Bombenkrieg, den im übrigen nicht Harris zu verantworten hat, bevor er das Bombercommand übernahm. Sein großes Verdienst war, die Opferzahlen unter den Bomberbesatzungen zu mindern. Aber dazu habe ich mich des Öfteren geäußert: http://www.comlink.de/cl-hh/m......esdenl.pdf
    Psychologisch ist der Argumentation auch nicht beizukommen, auch dann nicht, wenn General G.Blumentritt, der wohl zum Umkreis des 20. Juli gehörte und nur am Leben blieb, weil Hitler es ihm nicht zutraute, schon vom Alter her, nicht mit mir verwandt ist. Und besser man informiert sich nicht bei Mythologen und Demagogen wie Jörg Friedrich, sondern bei seriösen Historikern wie F.Taylor oder Richard Overy.
    Was Aristoles‘ Jedem das Seine angeht, spiegelt diese Ethik – also nicht Moralphilsophie – eine hierarchische Ordnung wieder und kann für eine bürgerliche Gesellschaft keine Legitimität besitzen.
    Der Nationalsozialismus war eben kein Zufall, sondern stand auf dem Boden einer Zivilisation. Man kann mit Leo Strauss fragen Athen oder Jerusalem und letzteres wohl als ds Avanciertere begreifen. Wie einst Maimonides Aristoteles schätzte und weiterentwickelte, so schätze sei es Marx sei es Adorno auch Aristoteles. Aber das hat nun nichts mit Gedanken zu tun, die es bei Platon oder Aristoteles gab und die von Philosophieprofs des Dritten Reichs in einem bestimmten Sinne gedeutet wurde, die allerdings dem Geist der Antike widersprach. Diesem zu entsprechen maßte sich ja selbst Heidegger an.
    Und natürlich befürworte ich den Krieg der Alliierten gegen Deutschland. Er konnte beim Stande der Destruktivkräfte auch nicht anders geführt werden können.
    Harris glaubte – da gibt es genug Aussagen – auch nicht am Moral Bombing, weil er einerseits den Deutschen die Moral absprach und ihre Neigung zu German Angst kannte. Wenn man weiß, daß die ganze Industrie qua Arbeitsteilung an der Kriegsindustrie beteiligt war – und auch am Massenmord – kommt man auch nicht auf die Idee zu bestreiten, daß Fabriken wie Wohnstätten der Arbeiter ein legitimes Kriegsziel waren, nicht nur Waffenfabriken im engeren Sinne. Von Schrauben bis Pappe benötigt man alles auch bei Kriegsinstrumenten. Und das bombardieren einer Flugzeugfabrik bedeutete nur, daß die Fabrik sehr schnell von den überlebenden Arbeiter wieder aufgebaut werden konnte.

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    Zusatz an Martin Blumentritt:

    Es wäre ein gravierender Fehler, Bomber Harris ein Denkmal zu setzen. Und ein fehlender Protest würde für falsche Lehren aus der Geschichte sprechen. Die deutsche Zivilbevölkerung ist ebfs. später Opfer von Hitler geworden. Ostpreußen ist da sehr aussagekräftig. Er sperrte sie am Ende dort ein als Kanonenfutter und Bollwerk gegen die Russen. Nach der Niederlage bei Stalingrad, die eigentlich den Krieg hätte beenden müssen, wurden die Deutschen zunehmend mit Opfer. Im Sportpalast bei der Rede von Goebbels waren fast nur Claqueure.
    Wenn man die Briten ehren wollte, weil es eine Befreiung war, würde sich symbolisch der Vater von Queen Elizabeth anbieten, den Deutschen inzwischen gut bekannt aus „The King’s Speech“.

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    Noch zu Harris:

    ‚Er, Churchill, setzte stattdessen auf das Bomber Command, dessen Leitung er im Februar 1942 dem routinierten Luftkrieger Harris übertrug. Dessen Kameraden, Männer fürs Grobe, hatten in Kolonialkriegen wie im Sudan (1916), in Afghanistan (1919) oder Iran (1920) Volksaufstände niedergebombt – bisweilen so brutal, dass, etwa 1923 im Irak, sogar ein Generalstabsoffizier namens Lionel Charlton das „blinde Bombenwerfen auf die Bevölkerung“ als „sinnloses Massaker“ anprangerte.‘

    Quelle

    … no comment …

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    Für Hahnentritt, der irgendwie nicht merkt, wo er hinkt (Rechtfertigung von Gewalttaten an Zivilbevölkerung):

    „The RAF commander who ordered the controversial fire-bombing of Dresden which killed an estimated 25,000 civilians during World War II said he would do it again in a long lost interview filmed 30 years after the end of the conflict.

    Former marshal of the Royal Air Force, Sir Arthur ‚Bomber‘ Harris, gave the green light for the 1945 bombing which reduced the city in Saxony, Germany, to rubble.“
    http://www.dailymail.co.uk/new.....r-Two.html

    Unter seiner Führung wurden von der RAF zahlreiche deutsche Städte schwer zerstört,…
    Bei den Flächenbombardements wurde neben den im Stadtgebiet befindlichen Industrieanlagen die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur der Stadt primäres Ziel der Angriffe. Seiner Meinung nach sollten ganz bewusst zivile Ziele angegriffen werden, um die Moral und den Widerstandswillen der deutschen Bevölkerung zu brechen (so genanntes Moral Bombing).
    http://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Harris

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    Dieser Spruch, „Jedem das Seine“, oben am Venrichtungslager, ist vergleichbar mit einem Kopf, den man auf ein Bajonett gespießt hat bzw. mit dem man Fußball spielt. Wie auch immer man das einschätzen mag, rational ist das mit Sicherheit nicht. Die Nazis wollten die artistotelische Ethik vernichten und haben sich ein Erinnerungsstück aufbewahrt, das sie höhnisch präsentieren. Aristoteles wäre ein Feind der Nazis; er hätte sie und diese zynische Umfunktionierung/räuberische Aneigung eines Satzes aus seiner Ethik mit allen Mitteln bekämpft.

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    @ Martin Blumentritt

    Sie sind ein ausgesprochener Langeweiler. Eine der verdammten Seelen, die dazu verurteilt sind, immer wieder die Weisheiten wiederzukäuen, die sie sich sich einst mühsam eingetrichtert haben; mir scheint, im Haus Ihrer Sprache ist kein Ziegelstein von Ihnen selbst (http://www.comlink.de/cl-hh/m......ex3int.htm). Versuchen Sie mal, ihren pseudoanalytischen Mist als Beschreibung Ihrer Seelenlandschaft zu lesen.

    Zählen Sie mal die deutschen (antideutschen) Hanseln zusammen, die als Ausdruck höchster Moralität Bomber Harris ein Denkmal in Dresden zu setzen. Sie dürfen annehmen, dass alle anderen Sie als einen profunden anus mundi, vulgo A … loch ansehen. Ihre volkspädagogischen Akte können Sie sich insofern sparen, lost labours love. – Natürlich wäre das etwas ganz anderes, wenn man postulieren würde, dass es Ausdruck höchster Moral wäre, wenn die Juden Adolf Hitler in Auschwitz ein Denkmal setzen?

    Wenn Sie Lordsiegelbewahrer des Zionismus wären, Ihre Sichtweisen TINA: there is no alternative, würde ich mich nicht scheuen, Antizionist und Antisemit zu sein. Vielleicht können Sie doch noch, ohne wieder wie eine Sandwortdüne zu extemporieren, mit ein paar präzisen Worten auf die Frage antworten, die ich weiter oben gestellt habe:

    “Ich glaube, die Nagelprobe für den Zionismus, seine universelle Anerkennung, liegt in der Interpretation eines Diktums von Jeshayahu Leibowitz, ich zitiere aus dem Kopf, dass das Wesen des Zionismus darin bestünde, dass die Juden die Schnauze voll hätten, von Goyim regiert zu werden – und das unabhängig von der Qualität deren Herrschaft. Interpretiert man das als partikularistisches Projekt oder kann das die Grundlage der Anerkennung der Ambition einer anderen Nation, nicht von Juden beherrscht zu werden, sein? Vollzieht sich die jüdische Emanzipation gegen und auf dem Rücken einer anderen Emanzipation oder wird die jüdische Emanzipation sich zusammen mit der Emanzipation jener Population, der Posener noch vor kurzem ihre nationale Grundlage abgesprochen hat, vollziehen?“

    Wir wissen aus ihren Ausführungen, dass Gewalt das Falsche ist, mithin auch der Staat falsch, dass dies aber bei Israel etwas ganz anderes ist, dass hier die Gewalt, die von Israel ausgeübt wird, universalistisch legitimiert ist; dass wir gegenüber diesem Phänomen nur neidisch sein können. Wir stehen davor und staunen: hier ist einer, der die Gewaltherrschaft legitimiert und auch dann legitimieren würde, wenn

    „Eine Legitimation aus der irrationalen Gewalt der Staaten heraus, die historisch ja tatsächlich den Untergang der Betroffenen bedeuteten, ist Israel durchaus möglich.“

    Dazu haben in der Dokumentation „The Gatekeepers“ (deutsch: Töte zuerst) 6 ehemalige Chefs des Shin Bet Stellung genommen. Ich schlage Ihnen vor, aus Ihrer prästabilisierten platonischen Höhle zu treten und Empirie zu betreiben und den Film zu sehen: http://vimeo.com/62026407

    Wissen Sie, wir haben viele Gewaltregimes auf der Welt, die wir mehr oder weniger akzeptieren, zulassen, nicht eingreifen, aber ich kenne kein anderes, das Apologeten gefunden hat, die seine Gewalt als Ausdruck universeller Rationalität legitimieren (na ja, vielleicht Helmut Schmidt für den Tianammen oder ein paar unverbesserliche Stalinisten). Hier ist die Position Israels einzigartig.

    @ Edmund Jestadt

    Als köllscher katholischer Jeck, wahrscheinlich einer von den desperate christians, die zwar nicht mehr an ihren Erlöser glauben können, aber nicht darauf verzichten wollen, dass das Licht der Welt von den Hügeln Judäas und Samarias leuchtet, müßten Sie doch wissen, warum der „Frosch“ so weltpolitisch aufgeblasen ist (Jacques Derrida „Der Krieg um die „Aneignung von Jerusalem“ ist heute der Weltkrieg“); dazu zählen auch die 200 Atombomben, über die man nicht spricht, die aber genügend Gewicht haben. Ich wundere mich immer, dass Israel diese Pfunde nicht ins Spiel bringt in der Art, wir wollen einen atomwaffenfreien Nahen Osten, bieten an, in einem bestimmten Zeitraum abzurüsten, wenn im Gegenzug auf eine atomare Aufrüstung verzichtet wird.

  34. avatar

    …vielleicht könnte man sagen, dass ein Teil der vorhandenen Rationalität – der, der opportunistisch genug war – von den Nazis zweckentfremdet wurde. Unter ihre Moralmaschine geschraubt, damit die schneller arbeitet. Dadurch wurde die Rationalität zu destruktiver Zweckrationalität gegen den Menschen ausgerichtet und dabei gleichsam umgedreht, aufgehängt. In jedem Fall steht sie in schroffem Gegensatz zu allem, was zeitgleich anderswo in der Welt gedacht und geschaffen wurde.

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    Zur „Verteidigung“: Es heißt ja: Angriff ist die beste Verteidigung. Vereteidigung gegen einen Angriff, der potentiell ist, d.h. in der Zukunft liegt, aber gegen den sich bereits jetzt, in der Gegenwart, verteidigt werden soll. Am Ende sind überall die Leute tot, aber: Es wurde sich ja nur verteidigt…

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    @Martin Blumentritt: Aristoteles kann nichts dafür, dass man einen Satz von ihm über ein KZ gehängt hat, um ihn zu verspotten. Hätt eman seiner lebendig habhaft werden können, hätte man ihn umgebracht.

    Ich begreife nicht, wie Sie diesen Anspruch der Nazis mitmachen können. Die Nazis unterlaufen jede Philosophie und ersetzen sie durch ein lächerliches Blut-und-Boden-Elaborat; sie hebeln den menschlichen Geist aus und werfen ihn auf den Müll.

    Heidegger ist in seiner Eitelkeit ein Thema für sich, aber mit Sicherheit kein „Beispiel“, sondern einen Ausnahme in jeder Hinsicht. (Und ein überschätzter Philosoph, dessen Sätze meist weit über der Sinnschwelle liegen, aber das nur nebenbei.) Bessere Beispiele liefert Parisien, Beispiele für viele, die fliehen mussten oder umgebracht wurden.

    Die Rationalität „schlug nicht aus inneren Gründen um“. Das sagt zwar Adorno, aber es stimmt nicht. Die Rationalität, zumindest die der Wissenschaftler, wurde abgetötet. Nicht überall, nicht als irgendwie notwendiger geschichtlicher Prozess, sondern nur in Nazideutschland. Anderswo entwickelte sie sich prächtig weiter, und wir hier haben nach Kriegsende von dieser weiterentwickelten Rationalität profitiert. Sie ist es, die uns anschließend ein venrünftiges Grundgesetz gegeben hat, welches künftige Wiederholungen des Holocaust ausschließt und einen Imperativ überflüssig macht, solange diese – antimperativische, d.h. liberale – Staatsform besteht.

    Ein freundlicher Rat zum Ferienanfang: Klappen Sie einfach mal Ihren Adorno zu, machen Sie den Kopf dicht und denken Sie in Ruhe und mit allen Zweifeln, die Sie finden können, selbständig nach. Ohne Betriebsanleitung.

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    @Roland Ziegler: „Dass ein Angriffsplan auf den Iran mindestens genauso potentiell mörderisch sein könnte, wird nicht akzeptiert, da es ja da nur um Verteidigung geht. Können Verteidigung, Präventivschläge, Interventionen nicht ebenfalls potentiell mörderisch sein?“
    Das erinnert mich ein wenig an die Realsatire, als der Focus titelte: Israel droht mit Selbstverteidigung.
    Israel geht es da so wie dem harmlosen Mieter, dessen Nachbar bei der Hausverwaltung sich beschwerte: „Mein Nachbar schreckte mich nachts um 4:30 Uhr mit Sturmklingen auf. Das hat mich derart erschreckt, daß mir die laufende Schlagbohrmaschine aus der Hand gefallen wäre.“

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    Im Bett soll man nicht schreiben, bin aus versehen mit dem Pad auf den Sende-Buttom gekommen. (Fortsetzung)
    Natürlich kann man auch die unterschiedlichen Nationsberiffe(Nationalismen) in England, Frankreich und Deutschland (als Idealtypen im Sinne Webers) verantwortlich machen für die deutsche Entwicklung, englisch wäre dann territorial-individualistisch, französisch territorial-holistisch und Deutschland ethnisisch-holistisch (einige Mischungen und konkurrierende Bewegungen gibt es domineren aber nicht). Die unterschiedlichen Nationalismen führen zu dne unterschiedlichen Typen von Nation, was die von B.Anderson eingeführte Begriffstbestimmung als „vorgestellte Gemeinschaft“ differenziert, wobei das Gemeinschaftliche hierbei auch gerade kontrafaktisch ist, weil durch eine antagonistische Gesellschaft konterkariert. Der deutsche Typus (gibt es auch anderswo) hatte dann zur Gemeinschaftsbildung (durch ein Verhältnis von Freund und Feind) den Antisemitismus, der für eine innere und äußere Feinbestimmung geeignet war. Der englische und französische Typus hatte das wg. territorialer Bestimmung nicht nötig, da waren die Feinde schon andersweitig bestimmt. Der Nationalismus (Bildung des Begriffs der „Nation“) hatte also unterschiedliche Ausprägungen, aber der deutsche Typus war vor allem antisemitisch geprägt, schon als „Nation“ noch Erwartungsbegeriff war.Für den sekundären Nationalismus, bei schon gegründeten „Nationen“, also Staaten, gilt, daß diese oft nur als Übersteigertes Nationalbewußtsein intepretiert werden und der Nationalismusbegriff darauf reduziert wird. Mit dieser terminologischen Entscheidung (Sekundärer Nationalismus) gelingt es Anderson und Stefan Breuers konzeptualisierung des Nationalismus zusammenzubringen und die Einsicht Gellners, daß Nation Nationalismus zur Voraussetzung habe, beizubehalten. Bei Gelegenheit eines Buches über Nation und Nationalismus werde ich das mal näher ausführen.
    Nun deutscher Widerstand, eine resistance die den Namen verdeint, leugne ich in der Tat. Dann hätte es kein Auschwitz gegeben. Bei der Analyse von Gesellschaften, hat man es ja auch von der Sache her mit Kollektiven zu tun, die handeln. Und manchmal könnte man es ja auch bei Frankreich bestreiten, wo hinterher jeder im Widerstand gewesen sein will.
    Wenn man Nationalismus oder Rassismus kritierte war ja schon in den 80er 90er Jahre die Fremdzuschreibung: Antideutscher. Zeitweise haben einige dies auch als Selbstbeschreibung übernommen, so wie die Dreyfusards, die es in der deutschen Berichterstattung nicht gab, sich dann Intellektuelle nannen, obgleich es als Schimpfwort mit antisemitischen Konnotation seither umläuft.

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    Ad Parisien:
    Ich habe mich auf das Buch von Dietz Bering, Die Intellektuellen (hatte falsch Der Intellektuelle geschrieben, weil ich das Buch gerade nicht parat hatte). Das ist eine Geschichte über Intellektueller als Schimpfwort, die fast 500 Seiten hat und eingestanderweise teilweise verwirrend diffenziert ist. Auch hatte ich mich auf Antisemitismus im weitesten Sinne bezogen (abgesehen hatte ich von frühem antiken Judenhaß, sondern mehr die christliche Tradition eingebzogen). Ausgerechnet diejenigen Ausnahmen, die allerdings ohnmächtig waren und wirkunslos gemacht wurden als Gegenargument zu nehmen, halte ich für falsch. Die deutsche Entwicklung hat bekanntlich zur Kulmination in einen eliminatorischen Antisemitismus geführt, erklärungsbedürftig ist dann schon warum nicht Frankreich, sondern Deutschland, was mit Frankophilie nichts zu tun hat, wenn man mit Bering darauf hinweist, daß wohl doch eines der Gründe dafür ist, daß Deutschland und nicht Frankreich für den Massenmord an den europäischen Juden verantwortlich ist. Das Wort Intellektueller kam – so Bering – mit der Dreyfus-Affaire in die Sprache. Hierbei kommen dann auch einige wie Thomas Mann, Tucholsky gar nicht so gut weg. Und gleich als Schimpfwort. „Die Gescholtenen wichen..Angriffen nicht aus, sondern parierten mit genau demselben Wort, das gegen die gerichtet war: ‚Intellektuelle‘ – das seinen sie tatsächlich und zwar mit Stolz!“
    Nun zeigt dann Berit auch: „Das traurige Gegenbild bietet die deutsche Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ Die Merkmale „abstrakt-instinklos“, „jüdisch“, „krankhaft“ teilte de deutsche und franz. Antiintellektualismus. Der Hitlerismus, so Bering weiter, ersetzte aber den unangetasten Intellekt durch das schlimme Wort „gesunder Menschenverstand“.

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    @ M. Blumentritt
    Stimmt gar nicht, ganz und gar nicht:

    „Der Antisemitismus (in F) war lauter, hatte aber auch entsprechende Gegner. In Deutschland war er tiefer, aber leiser und kaum widersprochen.“

    Die einen wanderten rechtzeitig aus und verstummten aus Not wie Kurt Tucholsky.
    Die nächsten suchten im letzten Moment, gewarnt, Asyl, wie Thomas Mann.
    Andere wurden frühzeitig ermordet, wie Erich Mühsam und Fritz Gerlich.
    Alle waren gewarnt seit der Bücherverbrennung.

    Stimmt ganz und gar nicht, was Sie da in Ihrer Frankophilie behaupten. Und Sie können nicht die Affäre Dreyfus mit der Hitlerzeit vergleichen. Sie sind ein Antideutscher, richtig? Sollte man Sie kennen? Ich kannte Sie nicht. Antideutsche interessieren mich genauso wenig wie Antisemiten. Deutscher Widerstand war nie existent, nicht wahr, das würde nicht ins Bild passen. Im Namen von Erich Mühsam, Fritz Gerlich, Thomas Mann, Kurt Tucholsky und Weiteren danke ich Ihnen für diese Einschätzung. Ganz besonders im Namen von Mühsam. Oder meinen Sie, das war kein Deutscher?

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    … ooops … Korrektur

    M.Blumentritt: Und die Juden wurden ja auch nicht umgebracht, weil sie es in deren Augen verdienen – das bildete sich einst der christliche Antijudaismus ein mit Gottesmordvorwürfen, Hostienschändung und dergl. – eher, weil sie verdienen, d.h. das tun, was man im Kapitalismus zum Überleben tun muß. Es reichte aus, *daß* sie Juden sind, das WAS sie sind, interessierte die Deutschen nicht. Zu Sklaven wurden sie im KZ, aber wurden schlimmer behandelt als die antiken Sklaven, die ja ein wertvolles Gut zur Schaffung von Reichtum waren, das man einigermaßen pfleglich behandelte, wenn kein Überfluß an ihnen bestand.

    … werter M.B. Sie pauschalieren Judenfeindschaft auf die Deutschen und auf die Christen. Das ist ebenso falsch wie die Pauschalierung ‚Gottesmord‘ auf die Juden.

    Die Deutschen haben auch kein KZ ‚betrieben‘. Das waren sozialistische Lager. Vor ’45 rechte, nach ’45 linke Sozialisten.

    Aber das hatten wir hier im Blog schon mal. Antisemitismus ist ein Terminus der in der Neuzeit ‚geschaffen’ wurde. Auch gibt es in den Evangelien kein Antijudaismus, Antisemitismus, Rassismus.

    Im Übrigen kommt Antisemitismus auch ohne Nichtjuden aus. Marx sei ‘Dank’.
    O-Ton Marx: ‘The classes and the races, too weak to master the new conditions of life. They must give way […] They must ‘perish in the revolutionary holocaust’.

    Judenfeindschaft gab es schon Jahrhunderte vor Jesus Christus.

    Und es gibt auch keine deutsche Ideologie. Auch dann nicht, wenn Marx [sic!] dazu anders über Feuerbach schreibt.

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    M.Blumentritt: Und die Juden wurden ja auch nicht umgebracht, weil sie es in deren Augen verdienen – das bildete sich einst der christliche Antijudaismus ein mit Gottesmordvorwürfen, Hostienschändung und dergl. – eher, weil sie verdienen, d.h. das tun, was man im Kapitalismus zum Überleben tun muß. Es reichte aus, *daß* sie Juden sind, das WAS sie sind, interessierte die Deutschen nicht. Zu Sklaven wurden sie im KZ, aber wurden schlimmer behandelt als die antiken Sklaven, die ja ein wertvolles Gut zur Schaffung von Reichtum waren, das man einigermaßen pfleglich behandelte, wenn kein Überfluß an ihnen bestand.

    … werter M.B. Sie pauschalieren Judenfeindschaft auf die Deutschen und auf dieChristen. Das ist ebenso falsch wie die Pauschalierung ‚Gottesmord‘ auf die Juden.

    Die Deutschen haben auch kein KZ ‚betrieben‘. Das waren sozialistische Lager. Vor ’45 rechte, nach ’45 linke Sozialisten.

    Aber das hatten wir hier im Blog schon mal. Antisemitismus ist ein Terminus der in der Neuzeit ‚geschaffen’ wurde. Auch gibt es in den Evangelien gibt kein Antijudaismus, Antisemitismus, Rassismus. Im Übrigen kommt Antisemitismus auch ohne Nichtjuden aus. Marx sei ‘Dank’.
    O-Ton Marx: ‘The classes and the races, too weak to master the new conditions of life. They must give way […] They must ‘perish in the revolutionary holocaust’.

    Judenfeindschaft gab es schon Jahrhunderte vor Jesus Christus.

    Übrigens gibt es auch keine ‚deutsche‘ Ideologie. Auch dann nicht, wenn Marx dazu anders über Feuerbach schreibt.

  43. avatar

    Das wäre übrigens auch der Vorwurf, den man Augstein und Grass tatsächlich machen kann: dass es unverantwortlich ist, was sie gesagt haben. Das klingt aber den Empörten viel zu schwach. Das reicht nicht, ist nicht verletzend, nicht „treffend“ genug. Es muss schon „antisemitisch“ genannt werden, wenn man die aktuelle Außenpolitik Israels derart scharf und verzerrend kritisiert; „potentiell mörderisch“. Darunter geht es nicht. Dass ein Angriffsplan auf den Iran mindestens genauso potentiell mörderisch sein könnte, wird nicht akzeptiert, da es ja da nur um Verteidigung geht. Können Verteidigung, Präventivschläge, Interventionen nicht ebenfalls potentiell mörderisch sein?

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    „Die Nazis haben nicht “abendländisches Denken” betrieben oder gar vollendet, sondern es im Gegenteil vernichtet.“
    Die Vollendung der Philosophie oder des abendländischen Denkens hatte eher Hegel versucht und Marx hatte sie als Aufhebung der Philosophie durch ihre Verwirklichung zum Programm erhoben.
    Das Diktum der Aristotelischen Ethik Suum cuique (Jedem das Seine) thronte über dem KZ Buchenwald und das Helm ab zum Gedicht (Ernst Jünger) war auch schon im 1. WK ein Element. Die Philosophen waren damals kein Fremdkörper und führten wie z.B. Heidegger den Nationalsozialismus in die Philosophie ein. Daß jemand, der Duns Scotus und Thomas von Erfurt miteinander verwechselt und lange nachdem das aufgedeckt wurde, den Unsinn noch einmal ohne Veränderung veröffentlicht, mag zwar dafür sprechen, daß da jemand nicht gedacht hat und man könnte von Wunder sprechen, daß nicht die scietific community ihn nicht exkommuniziert hat, bevor er Karriere machen konnte.
    Nur war das Ganze kein Ausrutscher, sondern stand als Bruch in der Kontinuität der abendländischen Kultur – wobei das jüdische Denken weitgehend auszunehmen ist, weil es gerade ein Stachel dagegen war von Moses Maimonides bis Leo Strauss.
    Die Rationalität schlug aus sich heraus, aus inneren Gründen um in die Barbarei. Und Adorno und Horkheimer waren die Wenigen, die das überhaupt begriffen und verarbeiteten. Das macht das Adorno-Bashing ja auch derart skandalös und erbärmlich.
    Als die Hundesteuer erhoben wurde, rief jemand aus, „Armer Hund, wird behandelt wie ein Mensch.“ Das mag ja sein. Aber die Tierliebe hindert ja auch den Tierlieben nicht daran, Kakerlaken zu zertreten, Ratten zu vergiften und Schmeißfliegen zu klatschen. Als Lebewesen hatten auch die Deutschen die Juden angesehen, wenn schon nicht als Menschen und eben so behandelt wie man es bei Tieren tut, wozu auch Ratten und Fliegen offenkundig gehören.
    Und die Juden wurden ja auch nicht umgebracht, weil sie es in deren Augen verdienen – das bildete sich einst der christliche Antijudaismus ein mit Gottesmordvorwürfen, Hostienschändung und dergl. – eher, weil sie verdienen, d.h. das tun, was man im Kapitalismus zum Überleben tun muß. Es reichte aus, *daß* sie Juden sind, das WAS sie sind, interessierte die Deutschen nicht. Zu Sklaven wurden sie im KZ, aber wurden schlimmer behandelt als die antiken Sklaven, die ja ein wertvolles Gut zur Schaffung von Reichtum waren, das man einigermaßen pfleglich behandelte, wenn kein Überfluß an ihnen bestand. Wenn die Rechtfertigung der Sklaverei in der Antike auch widersprüchlich war, das was Menschen von Tieren schied, die Vernunft hatte man den Sklaven ja zugesprochen, um zu erklären, wieso sie überhaupt Befehle entgegennehmen können sollen, wenn sie keine Menschen sind. Der Anti-Intellektualismus der Deutschen, wie ihn Dietz Bering untersuchte, unterschied sich – wie er anhand der Affaire Dreyfus zeigte – vom französichen intellektuellen Klima wesentlich. Würde man einen jüdischen Zionisten aus der damaligen Zeit wiedererwecken können und etwas vom Massenmord an den europäischen Juden erzählen, würde er wohl sagen: Ja, die Franzosen sind so schlimm. Aber wie Bering zeigt, gab es im damaligen Frankreich nicht nur Antisemiten, Anti-Dreyfusards, sondern auch Dreyfusarts und der Antisemitismus war umstritten bis zur Saalschlacht. Der Antisemitismus war lauter, hatte aber auch entsprechende Gegner. In Deutschland war er tiefer, aber leiser und kaum widersprochen.
    Irrational waren die Pogrome, der christliche Antijudaismus, die totale Auslöschung der Juden das war, wie Hitler wahr log: „Antisemitismus der Vernunft“. Die Vernunft war gänzlich in das Ressentiment eingespannt. Was Weber bürokratische Herrschaft nannte, die moderne Rationalität des Anstaltsstaates, war Signum der Zeit. Bis zur Verwaltung der Bahn, die dafür sorgte, daß jeder zu Vernichtende auch eine Fahrkarte bezahlen mußte, gab es keine Verwaltungsorganisation, die nicht direkt oder indirekt beteiligt am Massenmord war. Daher ist ja, das paradox anmuttende Wort Gegenrationalität so treffend.
    Das mag man nicht ertragen können, weil man die Folgen einer verwilderten Rationalität kennt, aber genau das war Motiv von Adorno et al. die Vernunftskritik nach Kant und dem Deutschen Idealismus zu erneuern.

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    Martin Blumentritt: Der Bombenkrieg – damals eine junge Erscheinung – der bei den britischen Bomberbesatzungen viele Leben kostete war eines der legitimen Mittel des Sieges über das Deutsche Unrechtsregime. Das Bomber Command zu ehren, ist bei der Queen wohl selbstverständlich. Ein Ausdruck höchster Moralität wäre es, wenn es in Deutschland geschähe. Wenn Arthur Harris – sagen wir in Dresden – ein Denkmal bekäme oder zumindestens die Deutschen dagegen keine Einwände dagegen hätten, dann könnte man sagen, daß sie von einem guten Stück Irrsinn befreit wären.

    … offene Worte, allerdings mir unverständlich. Ich denke anders. Wer Verbrechen mit Verbrechen vergilt, ist selber ein Verbrecher.

    Es gibt andere Meinungen als Ihre. Zeit zum Nachdenken.

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    Die Existenz von Gewalt, also eines Falschen wie einem Staat, bedarf einer Legitimation. Darum hat die bürgerliche Staatsdiskussion seit mindestens Hobbes ja auch danach getrachtet, diese irrationale Gewalt des Staates zu rationalisieren. Eine Legitimation aus der irrationalen Gewalt der Staaten heraus, die historisch ja tatsächlich den Untergang der Betroffenen bedeuteten, ist Israel durchaus möglich. Aufgrund der „Verdrängung der Souveränität“, insbesondere hierzulande, für die Hobbes schon ein gigantischer Fortschritt wäre, wird alle Gewalt, die am eigenen Staat gar nicht wahrgenommen wird, auf Israel projiziert. Diesen Mythos zu zerstören, ist durchaus wichtig.
    „Grenzen von 1967“? naja, etwas anderes als Waffenstillstandslinien aus den vorherigen Kriegen gab es da nicht und es wäre schon eine Absurdität, zu etwas zurückzukehren, was es nie gab. Wenn man sich die Siedlungen anguckt, vor allem wo sie gebaut werden – allein schon aus Sicherheitsgründen – doch wohl gar nicht dort, wo schon andere siedeln, sondern z.B. auf Felsen, wo gar nichts ist, um sich schützen zu können. Die Vorstellung von „Landdiebstahl“ gehört ja auch zu den primitivsten Mythen. Wozu auch? Der Reichtum, wie einst mal Hannah Arendt sagte, ist vor allem von den Siedlern selber erarbeitet worden. Und wie Kanst Formulierung war, gehört Land ja ursprünglich ohnehin niemanden. Die Rede von „Besatzung“ ist ja auch rechtlich blödsinnig, und das doppelt, weil diejenigen ja einen eigenen Staat verweigert haben, von Anfang an und heute schwerlich einen haben wollen. Von EU oder UNO Geld lebt es sich einfacher.

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    @Martin Blumentritt: Natürlich, Verantwortung für die Zukunft. Das ist jetzt aber keine so sensationelle Erkenntnis Adornos, eher eine sprachliche Selbstverständlichkeit, die uns allen gehört.

    Für mich bedeutet das übriges auch, sehr vorsichtig zu sein, bevor ich jemanden „potentiell mörderisch“ nenne. Dafür brauche ich handfeste Kriterien und nicht ominöse Tendenzen & Strukturen, die irgendwie auf unbekannten Wegen zu einem völlig formlosen Holocaust der Zukunft führen könnten. Wir alle sind potentielle Mörder; wer glaubt, selber keiner zu sein und in geläutertem Bewusstsein mit dem Finger auf andere zeigen zu können, unterliegt einer nicht potentiellen, sondern höchst aktuellen Selbsttäuschung.

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    @Roland Ziegler: „Vielleicht können wir uns ja darauf einigen: Der Holocaust begründet für jeden Menschen gleichermaßen die Verantwortung, darauf zu achten, dass sich so etwas Schreckliches in der Zukunft nicht wiederholt.

    Das würde ich unterschreiben. Der Satz sieht aber schon wesentlich angenehmer aus – viel weniger umfassend, großkotzig, abstrakt, gebieterisch – als der von Adorno u. Co.“
    Dagegen hätte Adorno wohl nichts, selbst wenn er vielleicht eine Abneigung gegen das Wort Verantwortung gehabt haben könnte. Nur interessiert den Leser eines anspruchsvollen Buches ja nun gerade, wie dies möglich ist und wie das welthistorische Denken sich entwickeln müßte, damit des dann auch realisiert werden kann.
    und: „Potentiell, sagen, Sie, nicht aktuell, müsse jeder Gedanke den Test von Adorno bestehen. Was soll das heißen? Wir prüfen de facto nicht, aber WENN wir prüfen würden, dann sollte jeder Denkende hoffen, den Test zu bestehen und nicht in Richtung Holocaust gedacht zu haben? Welchem Holocasut – dem echten der Vergangenheit, an dem nichts zu ändern ist, oder einem imaginären Holocaust in der Zukunft? Wird man so – durch potentiell falsches Denken – an einem Verbechen schuldig, das in der Zukunft erst noch stattfindet? -“
    Nun, wenn doch von Verantwortung bei Ihnen die Rede ist, dann doch wohl auch für die Zukunft. Die Frage an sich zu richten, ob eine öffentliche Äußerung möglicherweise, die Bedingung dafür ist, daraus jemanden einen Strick zu drehen, an dem er aufgehängt wird, wird doch so schwierig auch nicht sein. Äußerungen wie die eines Grass oder Augsteins, die zur Deligitimierung oder Dämonisierung des Juden unter den Staaten führt, als potentiell mörderisch zu qualifizieren ist ja so schwer auch nicht. Und wenn man das Mörderische nicht ausschließen kann und keine Ahnung hat, da half ja nach einem Diktum Nuhrs, ja auch vielleicht bei manchem das „Klappe halten“ gegen die intellektuelle Inkontinenz.

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    @Martin Blumentritt: Wenn Sie alles menschliche Handeln als Rationalität verstehen (wie Sie das soeben dargelegt haben), dann allerdings ist auch Massenvernichtung rational. Dann gibt es aber auch keine Unterscheide mehr (bzw. man kann nur noch den Alternativbegriff „Vernunft“ nutzen). Ich denke aber, dass das der normalen Bedeutung von „Rational“ zuwiderläuft. In Ihrem Verständnis gibt es dann gar keine irrationale Handlung mehr; der Begriff hebt sich damit selber auf. –

    Geschenkt, ich will mich nicht um Worte streiten. Zwei Dinge sind mir aber wichtig zu betonen:

    1.) Die Nazis haben nicht „abendländisches Denken“ betrieben oder gar vollendet, sondern es im Gegenteil vernichtet. Wer von den abendländischen Denkern u. Künstlern nicht auswandern konnte, wurde ermordet. Oder halten Sie die paar nationalsozialistischen Fatzkes für die Spitze/Vollendung unserer Kultur? Da gab es dann „deutsche Mathematik“, „deutsche Physik“ – gucken Sie sich das mal an; das ist pseudowissenschaftlicher Humbug vom Bräsigsten.

    2.) Die Juden wurden nicht behandelt wie Tiere, das wäre ein Euphemismus. Sklaven werden behandelt wie Tiere. Juden wurden gezielt gesucht und ausgerottet; sie wurden damit schlechter behandelt als Ungeziefer (die“schlechteste“ Kategorie der Tiere). Der „schlechte Mensch“ wurde – anders als in der Sklaverei – EXTREM abgewertet. Ebendies macht die krasse Irrationalität (d.i. das Gegenteil der Rationalität) – meinetwegen Unvernunft – der Nazis aus.

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