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Europa: Eine Supermacht, kein Superstaat

Klaus Kocks hat hier in einem Pfingst-Beitrag Visionen für Europa eingefordert. Der Aufforderung möchte ich mich nicht entziehen. Zumal ich darüber 2007 in meinem Buch „Imperium der Zukunft“ etwas geschrieben habe. Hier ist die Einleitung aus jenem Buch, in dem ich eine Begegnung mit dem damaligen Erweiterungskommissar Olli Rehn schildere:

Der Kommissar entwirft gerade eine Zukunft für Europas schmuddeligen Hinterhof. Wir sitzen in seinem bescheidenen, hellen Büro im zehnten Stock des Berlaymont-Gebäudes in Brüssel, das die Brüsseler „Berlaymonstre“ nennen. In diesem Gebäude am Place Schuman, nicht hübscher und nicht hässlicher als irgendeine andere Firmenzentrale, residiert die Europäische Kommission, die Regierung der europäischen Union. Erweiterungskommissar Olli Rehn spricht über den Balkan.

Der Finne ist ein freundlicher Mittvierziger, dessen Allerweltsgesicht seine formidable Intelligenz nur mühsam kaschiert. Mit bürokratischer Unauffälligkeit verwaltet er einen Prozess von epochaler Bedeutung. Was weder Napoleon, Trotzki noch Hitler geschafft haben, wovon katholische Reaktionäre und 1848er Revolutionäre träumten, das vollzieht sich sozusagen hinter dem Rücken der Geschichte: die Europäisierung Europas, die Einigung des Kontinents. „Das Ziel“, sagt Olli Rehn, „besteht darin, aus dem Balkan einen stinknormalen, langweiligen Ort zu machen, wie der Rest Europas.“

Ein großes Ziel. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt schlachteten sich Serben, Kroaten, Bosniaken und Albaner, Katholiken, Orthodoxe und Muslime gegenseitig ab, starben 300.000 Menschen, wurden zwei Millionen vertrieben, während Europa nach der Devise handelte. Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin.

Jetzt sind die Europäer da. Slowenien ist bereits Teil der Europäischen Union. Kroatien ist Kandidat. Mazedonien wurde von EU-Truppen befriedet. Serbien wird zerlegt: Montenegro, ein potenzielles Ferienparadies an der Adria, durfte sich selbständig machen, das UN-Protektorat Kosovo wird bald folgen, ganz gleich, was die Serben davon halten und ohne Rücksicht auf das Prinzip der territorialen Integrität. „Wir erwarten hier einen gewissen Realismus“, sagt Rehn trocken. Den Serben wird das Ende ihrer Vorherrschaft im Westbalkan schmackhaft gemacht mit der Aussicht auf eine gemeinsame grenzenlose Zukunft in der Europäischen Union. Südtirol ist das Vorbild. Wo vor einem Menschenalter noch die deutschsprachige Mehrheit unter der brutalen Italienisierung litt und heimattreue Terroristen für den Anschluss an Österreich Strommasten sprengten, genießen nun die Gewinner der Europäischen Einigung das Beste beider Welten, fahren zum Einkaufen nach Innsbruck und zum Urlauben ans Mittelmeer und müssen nirgendwo Geld wechseln oder einen Pass zeigen.

„Das Problem Serbien ist lösbar“, sagt Rehn. „Denn die Serben haben ja einen Staatsapparat. Sicher, er ist ja noch durchsetzt von Elementen der alten Ordnung, aber das Problem kennen wir von den osteuropäischen Staaten, und es ist lösbar. Wir wissen inzwischen, wie man eine solche Staatsmaschinerie für unsere Zwecke in Gang setzt und zugleich nach und nach verändert. Aber was machen wir dort, wo es keinen Staatsapparat gibt, der diesen Namen verdient? Was machen wir zum Beispiel mit Bosnien?“

„Bosnien ist doch schlicht und einfach unregierbar“, sage ich. „Im Gegenteil“, schießt Rehn zurück. „Es hat dreizehn Regierungen mit dreizehn Premierministern, drei Präsidenten, 180 Minister, 700 Parlamentarier – und das alles bei nur vier Millionen Einwohnern. Würden Sie das unregierbar nennen?“ Rehn grinst, und seine Sprecherin Krisztina, eine attraktive junge Frau aus Ungarn, seufzt hörbar. Zusammen mit ihrer schwedischen Assistentin muss sie dafür sorgen, dass die öffentlichen Äußerungen des Kommissars mit dem diplomatischen Jargon des Berlaymont kompatibel bleiben. Bei einem Visionär wie Olli Rehn eine unmögliche Aufgabe. Jetzt zum Beispiel überhört er geflissentlich Krisztinas Seufzer: „Sie haben natürlich Recht. Das Zuviel an Regierungen ist ja Ausdruck eines Zuwenig an Staatlichkeit. Das Problem ist folgendes: Bosnien-Herzegowina hat nie als selbständige Nation funktioniert. Es funktionierte immer als Territorium im Rahmen eines Imperiums. Da gab es Rom, die Ottomanen, die Habsburger, das Klein-Imperium Jugoslawien, und jetzt ist es seit über zehn Jahren faktisch ein internationales Protektorat mit einem Hohen Repräsentanten der Europäischen Union, der nach Belieben Gesetze machen und gewählte Politiker absetzen kann. Und danach…“

„Danach wird es eben Teil des europäischen Imperiums“, sage ich. Der Kommissar denkt über die Formulierung nach. „A benevolent Empire“, sagt er. Ein mildes, aufgeklärtes Imperium. Dem Kommissar gefällt die Phrase. „Europa als ‚benevolent empire’ – ja, wenn Sie so wollen.“ Krisztina vergräbt den Kopf in ihre Hände. Im Eurosprech sind solche Gedanken schlicht und einfach nicht vorgesehen. Sie sind zu nah an der Wirklichkeit.

Der Kommissar redet nicht gern von den Europas Grenzen. „Let’s not talk about borders, let’s talk about frontiers“, sagt er. „Frontier“ ist ein Wort, für das es bezeichnenderweise im Deutschen keine eindeutige Entsprechung mehr gibt. Es meint eine bewegliche Grenzzone, die aktuelle Reibefläche zwischen expandierender Zivilisation und Barbarei. Das Heilige Römische Reich verwendete dafür das Wort „Mark“ oder „Grenzmark“.

Im 19. Jahrhundert kämpften britische Truppen an der „North-Western Frontier“ Indiens, um die Zivilisation des Empire gegen die Paschtunen zu verteidigen und nach Afghanistan auszudehnen. Im 21. Jahrhundert kämpfen dort Europäer und Amerikaner in einer Mission, die so unähnlich nicht ist. Amerikas „Frontier“ war der Wilde Westen, zu George Washingtons Zeiten noch das Gebiet unmittelbar hinter den Appalachen. Für Rehn – geboren 1962, als US-Präsident John F. Kennedy mit dem Schlagwort der „New Frontier” ein neues Selbstbewusstsein des Westens verkündete – liegt Europas „Frontier“ heute auf dem westlichen Balkan, morgen aber im Wilden Osten.

Im Berlaymont reden die Beamten unterhalb der Kommissarsebene in Eurosprech von Zieldaten und Rahmenvereinbarungen, von ENP (Europäischen Nachbarschaftspolitik), und SAA (Stabilitäts- und Assoziationsabkommen), von Maastricht, Nizza und Kopenhagen, vom Acqis Communautaire und vom Beitrittsparagraphen 49 – und meinen eine permanente Revolution: „Es geht darum, die europäische Zone des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands auszudehnen – besonders durch den Beitrittsprozess“, sagt Rehn. 2010 könnte Kroatien soweit sein, haben seine Beamten errechnet, 2015 „der Rest des Balkans“, 2020 die Türkei.

„Und dann?“ frage ich. „Hat denn dieses expandierende Europäische Imperium überhaupt eine Grenze?“ Rehn springt auf und läuft zum Bücherregal. Krysztina verzieht das Gesicht. Sie weiß schon, welches Buch er jetzt zitieren wird. Rehn blättert und hat schnell die Stelle gefunden, die er sucht. Er zitiert: „Geographisch hat Europa, wie jeder weiß, keine östliche Grenze. Der Kontinent existiert also ausschließlich als intellektuelles Konstrukt.“ Er schlägt das Buch triumphierend zu. „Eric Hobsbawm“, sagt er.

Ein englischer Marxist als Kronzeuge für Europas expansive Ostpolitik? Es klingt ein wenig surreal. Aber Rehn ist imstande, unvermittelt Sätze zu sagen wie: „Europa ist die Antwort auf den Grundwiderspruch des Kapitalismus, nämlich den zwischen ökonomischem Internationalismus und politischer Abschottung, also zwischen Weltwirtschaft und Nationalstaat.“ Und er ist Mitglied einer Kommission, an deren Spitze der portugiesische Ex-Maoist José Manuel Barroso steht. Brüssel, wo die deutschen Exilanten Karl Marx und Friedrich Engels im Winter 1847/8 das „Kommunistische Manifest“ schrieben, ist wieder zu einer Stadt geworden, in der Revolutionäres gedacht wird. Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Imperiums.

„Die Osterweiterung der Union wird von geopolitischen, weltwirtschaftlichen, zivilisatorischen und ideologischen Bedingungen bestimmt“, sagt Rehn, „vor allem aber von den sich entwickelnden politischen Ambitionen der Europäischen Union“. Er könnte auch sagen. Der Appetit kommt beim Essen. Er sagt: „Deshalb sollten wir Europa funktional, nicht geographisch definieren. Alles andere würde unseren Manövrierspielraum einengen und unseren wohlverstandenen Eigeninteressen schaden.“ Er könnte auch sagen: Wir spielen mit beim geopolitischen Machtpoker, und wir lassen uns nicht in die Karten gucken. Er sagt: „Europas Werte definieren Europas Grenzen. Diskussionen a priori über geographische Grenzen und Aufnahmefähigkeit sind schlicht und einfach theologisch.“ Er könnte auch sagen: Mögen andere uns Grenzen setzen. Wir setzen uns keine.

Wenige Tage zuvor hatte in Jerusalem Israels Außenministerin auf einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung einen ähnlichen Gedanken geäußert. Welches Ziel Israel denn bei seinen Beziehungen zu Europa verfolge, hatte man Tsipi Livni gefragt, und zur Antwort bekommen: „The sky’s the limit.“ Alles ist möglich. Als ich den Kommissar darauf anspreche, ist Krysztinas warnendes Hüsteln unüberhörbar. Pointiert blickt sie auf die Uhr. Unsere Zeit läuft ab. „Wissen Sie, ich bin nur Kommissar bis 2009“, sagt Olli Rehn und steht auf. „Ich kann und will nicht darüber spekulieren, mit welchen Herausforderungen meine Nachfolger es zu tun haben könnten.“ Krysztina nickt zufrieden. So wimmelt man Fragen ab. In der Tür sagt der Kommissar aber noch: „Spekulationen müssen natürlich erlaubt sein. Kann Europa einer demokratischen Ukraine, einem demokratischen Weißrussland die Tür vor der Nase zuschlagen? Wie sieht eine europäische Nachbarschaftspolitik aus, wenn die Türkei Vollmitglied ist? Bekommen wir da nicht zwangsläufig den Kaukasus ins Blickfeld? Aber wie gesagt, darauf kann und darf ich keine Antworten geben.“

Als ich aus dem „Berlaymonstre“ in einen kalten Brüsseler Regen trete, habe ich das Gefühl, aus einer Zeitmaschine auszusteigen. Ja, ich bin in der Gegenwart. Französische Lobbyisten eilen über den Schuman-Platz zu einer Anhörung über Agrarsubventionen. Ich komme mir vor wie in der Vergangenheit.

 

 

So weit das Zitat. Olli Rehn ist inzwischen Wirtschafts- und Währungskommissar. Und obwohl das sein Wunschressort war, wie er mir damals sagte, frage ich mich, ob er wirklich damit glücklich geworden ist. Europa ist in den Jahren seit 2007 der Vision eines „benevolent empire“ nicht gerecht geworden, die Rehn als Erweiterungskommissar entworfen hat.

Wirtschafts- und Währungsfragen haben die Diskussion dominiert. Südeuropa ist in eine tiefe Rezession abgeschmiert. Nordeuropa ist auf Besitzstandswahrung fixiert. Überall in Europa sind europaskeptische Protestparteien entstanden, zuletzt im Kernland Europas, in Deutschland. Links- und Rechtsradikale haben Zulauf. Italien ist faktisch nicht regierbar, ein Drittel der Franzosen haben entweder Marine LePen oder Jean-Luc Mélenchon gewählt. Schuld daran ist die Einheitswährung. Das Korsett ist zu eng. Die Eurozone hyperventiliert.

Oder, um ein anderes Bild zu wählen: Der Euro saugt wie ein schwarzes Loch die Nationen Europas in sich hinein. Aber irgendwann entsteht aus der enorm verdichteten Materie eine Explosion, die alles ringsum zerstört. Die Ideen eines neuen „Lateinischen Empire“ (Giorgio Agamben)  oder eines neuen Nördlichen Hansabunds (Jeremy Clarkson) sind der feuilletonistische Ausdruck dieser drohenden Explosion.

Olli Rehns Vision – die Vorstellung einer europäischen mission civiliatrice, getragen von der Wirtschaftskraft eines geeinten europäischen Markts, der ideellen Kraft der europäischen Rechtsstaatsidee und der militärischen Kraft eines Staatenbunds, der in ihren Reihen immerhin zwei Atommächte hat – verblasst. Die Europäische Union muss zu ihr zurückfinden, und sei es um den Preis, dass Olli Rehn arbeitslos wird, weil die Währungsunion verschwindet.

 

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150 Gedanken zu “Europa: Eine Supermacht, kein Superstaat;”

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    KJ ./. EJ: Wo haben denn – hierzulande – Schwule, Lesben oder Transgender nicht die gleichen Rechte? (Ich meine nicht persönliche Schwierigkeiten, Akzeptanz und Orientierungsfindung, was ein gesellschaftliches Problem ist, das ich auch sehe, aber mittlerweile keins mehr der Legislative.)

    … ja, aber das trifft genau des Pudels Kern. Der Staat, ein Gesetz kann anordnen, dass Schwule, Lesben oder Transgender u.d.gl. gleiche Rechte bekommen, oder sogar als Personen des biologisch anderen Geschlechts gelten und von allen als solche entsprechend zu behandeln sind.

    Aber jetzt kommt ’s Freunde – der Staat, ein Gesetz kann sie/ihn jedoch nicht tatsächlich in eine Person des biologisch anderen Geschlechts umwandeln und die zugehörigen biologischen Funktionen verschaffen, die Chromosomen bleiben, wie sie sind, das staatliche Gesetz ist insoweit schlicht irrelevant. Firlefanz.

    Genau das ist das Problem linker Sozialisten … daher der ständige Frust … muhahaha!

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    @EJ
    „Konservatismus, der bestimmten Menschen keine gleichen Rechte einräumt.“
    Wo haben denn – hierzulande – Schwule, Lesben oder Transgender nicht die gleichen Rechte? (Ich meine nicht persönliche Schwierigkeiten, Akzeptanz und Orientierungsfindung, was ein gesellschaftliches Problem ist, das ich auch sehe, aber mittlerweile keins mehr der Legislative.)
    Die elitäre Problematisierung können Sie z.B. in den zahlreichen sich widersprechenden Erziehungsratgebern, den alle 5-10 Jahre wechselnden pädagogischen Paradigmen, sowie täglich an den Auswirkungen unterschiedlicher orientierungsfreier Erziehungsvorstellungen sogenannter besserer Leute an unseren Gymnasien studieren. Ist klar – alles der Markt schuld. (Die „Zwänge und Möglichkeiten des Marktes“ nehme ich mal als Stichwort mit in die aktuelle Diskussion.)

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    @ KJN: Wo, bitteschön habe ich geschrieben, daß mir irgendwas davon zuwider ist??

    Ich habe nicht geschrieben, dass Ihnen „Hetero, Schwule, Lesben, Transgender, Märklin-Freunde“ oder „irgendwas davon“ zuwider sei. Nicht annähernd.

    Ich habe geschrieben, dass Ihnen gleiches Recht in allem mit allem und für alle: Hetero, Schwule, Lesben, Transgender, Märklin-Freunde zuwider sei. Nicht die Personen(-gruppen), sondern das gleiche Recht für die Personen(-gruppen) ist Ihnen zuwider. Und damit habe ich sie ziemlich genau zitiert.

    Ihre Ablehnung gleicher Rechte [für s.o.] steht im Widerspruch zu dem Individualismus und Liberalismus, den Sie fordern. Was Sie sind, ist mir tatsächlich schnuppe. In der konjunktivischen Formulierung habe ich lediglich das zusammengefasst, was von Ihnen an Argumentation zu mir ‚rüber kommt: Konservatismus, der bestimmten Menschen keine gleichen Rechte einräumt. Individualismus und Liberalismus sind nur falsch aufgeklebte Etiketten.

    Was das Kinderkriegen betrifft: Ich kann mir nicht vorstellen, dass dabei die „Problematisierungen durch selbsternannte intellektuelle Eliten“ eine Rolle spielen. Was sind diese „Problematisierungen“, wer sind die „Eliten“ und wer, bitte, nimmt sie wahr? Allenfalls könnten die „Problematisierungen“ Auswirkungen auf die Zeugungs- und Gebärfreudigkeit eben der „Eliten“ haben, die die „Problematisierungen“ anstellen.

    Ich selbst habe in diesem Zusammenhang noch nie eine irgendwie elitäre Problematisierung gehört. Es geht immer nur darum: Können oder wollen wir uns Kinder leisten? Kinder werden gegen anderes abgewogen: Gegen tatsächliche oder vermeintliche Zwänge, Möglichkeiten, Wünsche. – Kinder müssen mit den Zwängen und Möglichkeiten des Marktes konkurrieren. Ganz trivial.

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    @EJ
    „Hetero, Schwule, Lesben, Transgender, Märklin-Freunde ist Ihnen zuwider.“
    Wo, bitteschön habe ich geschrieben, daß mir irgendwas davon zuwider ist?? Und was spielt es für eine Rolle, was ich bin?? (Konservativ..). Von mir aus bin ich für Sie konservativ, wenn Ihnen solche Kategorien weiterhelfen – für mich zählen nur die Argumentie hier. Ich habe behauptet – auf Ihre These hin, daß hier ausgestorben wird (die ich übrigens nicht unbedingt teile) – daß das daran liegen könnte, daß sich die potentiellen Eltern überfordert fühlen könnten – auch durch Problematisierungen durch selbsternannte intellektuelle Eliten, die mit dem realen Leben der meisten nichts mehr zu tun haben.

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    EJ: Ansonsten und theoretisch bliebe als dritte Möglichkeit nur der suum-cuique-Individualismus. Den meinen Sie aber sicher nicht. Suum-cuique stand über dem Eingang von Buchenwald.

    … genau, als sichtbares Zeichen des Missbrauchs von Recht und Gerechtigkeit durch linke und rechte Sozialisten.

    q.e.d. … ich beglückwünsche meinen Hamster für eine weitere Beweisführung über Gemeinsamkeiten sozialistischer Ideologien rechter und linker Spinner …

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    @ KJN

    Wieso stelle ich Sie in „Ecken“? Ich versuche, etwas wie Ihre Position zu erkennen.

    Sie fordern Individualismus, wenden sich gegen die „Entmündigung des Einzelnen“. Aber gleiches Recht in allem mit allem und für alle: Hetero, Schwule, Lesben, Transgender, Märklin-Freunde ist Ihnen zuwider.

    Sie fixieren irgendeinen, ich weiß nicht, historisch gegebenen oder „natürlichen“ Hetero-Schwule-Lesben-Transgender- Märklin-Freunde-Zustand. Und das soll dann der von Ihnen gewünschte Individualismus und Liberalismus sein. Das macht für mich keinen Sinn.

    Ich könnte Sie leichter verstehen, wenn Sie sagen würden: Ich bin konservativ. Ich hätte gern, dass es so ist, wie es einmal war (oder: wie es natürlich ist).

    (Ansonsten und theoretisch bliebe als dritte Möglichkeit nur der suum-cuique-Individualismus. Den meinen Sie aber sicher nicht. Suum-cuique stand über dem Eingang von Buchenwald. )

  7. avatar

    … M.B. der ‚Bienenzüchter‘ möchte, ebenso wie er als Gottvater aller Bienen es tut, aus Völkern und Nationen lauter kleine Allmenden machen, zusammenkloppen sozuschreiben, die dann in bestimmten Abständen – von wem eigentlich? – geschleudert, um ihre Arbeitsleistung gebracht werden … daher … gääähn, wie langweilig … wie rückschrittlich … wie von gestern …

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    @M.B. „Allmende“ etc.
    Bevor man hier weitermacht, müsste man sich erst mal darüber einigen, was unter „Sozialismus“ überhaupt zu verstehen wäre. Ich für meinen Teil gehe (allzu?) stillschweigend davon aus, daß damit gemeint ist, das begrenzte Ressourcen (darf man auch immateriell verstehen) entweder über Marktkräfte /freies Marktgeschehen sich verteilen oder via Planwirtschaft verteilt werden. Was an Allmende oder Gemeinschaftsaktionen wie Crowdsourcing Sozialismus sein soll, verstehe ich daher nicht.

    @EJ
    Warum immer gleich schwarz – weiß? Ich habe geschrieben: „Gleiches Recht in allem mit allem und für alle..“, bzw. daß das m.E. nicht geht, ohne alle zu überfordern. Deswegen will ich eben kein „Norm-Individuum“. Es ist ein Unterschied, ob man Homosexuelle wie im Iran an Baukränen aufhängt oder ein „Adoptionsrecht“ (es gibt kein „Recht“ auf Adoption) für alle Paare fordert. Ich weiß selber daß 10% aller Populationen (evolutionär bedingt?) homosexuell sind und daß das keine Krankheit ist. Ich selber bin auch irgendwas und kann dadurch nicht irgendwelche Dinge haben oder machen, die andere haben oder tun, die anders sind als ich. Das Leben ist nun mal begrenzt. Es stellt sich allerdings schon die Frage, ob Ihr „konsequentes“ (ich würde sagen ideologisches) s/w-Denken nicht zu einem Norm-Individuum führt: Gestern abend kam mal wieder so eine Radio-Sendung, in der biologische Forschungsergebnisse entsprechend der Gender-Ideologie umfrisiert wurden: Wir sind also keine Frauen und Männer mehr, sondern entstehen aus einem Zwitterwesen, das sich „nur durch einen kleinen Zufall“ „etwas“ ausdifferenziert. Der Rest – klar – natürlich böse gesellschftliche Prägung. Nur weil mir solcherlei wissenschaftlich verbrämte Gehirnwäsche noch auffällt, lasse ich mich nicht in „Ecken“ stellen, sogar von Ihnen nicht, lieber EJ. Wer so Frauen, Männer, Mütter (ogottogott..), Väter dekonstruiert, braucht sich nicht darüber wundern, daß es keine Kinder mehr gibt. Oder muss eben auch hier deligieren. Wie wär’s mit ’ner indischen Leihmutter?

  9. avatar

    @ KJN: Gleiches Recht in allem mit allem und für alle: Hetero, Schwule, Lesben, Transgender, Märklin-Freunde..

    Ähm … Ich dachte immer, das wäre der Individualismus, den Sie zu schützen versuchen.

    Tatsächlich wollen Sie das genormte, das Norm-Individuum – und das auch noch schützen. Ist das nicht, nach Ihren eigenen Maßstäben, zwar sehr verständlich, aber etwas wenig Vision?

  10. avatar

    Lieber KJN,

    Ihre Argumentation ist ein wenig verschwurbelt (um einen Ausdruck unseres dbH zu verwenden:

    „Sozialismus ist ein Geschäftsmodell (wie Greenpeace, Stiftung Warentest usw.), das nur in Verbindung mit Kapitalismus funktioniert, sonst frisst er sich selber auf, weil ihm das Thema abhanden kommt. Anders: Zu Bismarcks Zeiten haben sich Arbeiter solidarisiert, um dem Arbeitsplatzmonopolismus und der Ausbeutung durch die neuen Fabrikherren eigene Solidarität entgegenzusetzen, weil ihnen andere Erwerbsmöglichkeiten abhanden kamen. Das ist absolut verständlich, aber die Idee die dahinter steckt, speist sich allein aus diesem Schutzbedürfnis. Darin steckt schon der Keim für eine Entmündigung des Einzelnen – weil er keine eigene Idee, Vision, was auch immer enthält.“

    Vielleicht lesen Sie doch einmal etwas über die Allmende nach:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Allmende

    Und dann weiter bei Ellinor Ostrom:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Elinor_Ostrom

    Und dann wäre wir wieder bei crowdsourcing…..

    http://de.wikipedia.org/wiki/Crowdsourcing

  11. avatar

    @EJ
    Ich weiß nicht, ob ich dbh verstanden habe, ich hatte ihm ja auch Fragen gestellt. Verstanden habe ich aber irgendwann folgendes, was in einem der Filme mit Liz Taylor und Richard Burton, von dem ich auch nur das behalten habe, wie folgt abgehandelt wurde: Liz Taylor erklärt ihrem Mann/Partner (?): „Du suchst einen guten Angestellten? Nimm‘ einen Sozialisten. Die schimpfen zwar immer, aber die sind am zuverlässigsten bei der Erfüllung ihrer Aufträge..“
    Sozialismus ist ein Geschäftsmodell (wie Greenpeace, Stiftung Warentest usw.), das nur in Verbindung mit Kapitalismus funktioniert, sonst frisst er sich selber auf, weil ihm das Thema abhanden kommt. Anders: Zu Bismarcks Zeiten haben sich Arbeiter solidarisiert, um dem Arbeitsplatzmonopolismus und der Ausbeutung durch die neuen Fabrikherren eigene Solidarität entgegenzusetzen, weil ihnen andere Erwerbsmöglichkeiten abhanden kamen. Das ist absolut verständlich, aber die Idee die dahinter steckt, speist sich allein aus diesem Schutzbedürfnis. Darin steckt schon der Keim für eine Entmündigung des Einzelnen – weil er keine eigene Idee, Vision, was auch immer enthält. Es wird immer nur weiter geschützt, geregelt und (unter Bedingungen!) gefördert. Gleiches Recht in allem mit allem und für alle: Hetero, Schwule, Lesben, Transgender, Märklin-Freunde.. Wir machen uns immer abhängiger von unserem Schutzsystem. Das ist ein kollektiver psychologischer Prozess, der zu kollektiver Überforderung führt. (Und wer die Orientierung verloren hat, überfordert ist, lässt sich auch besser führen).
    Und jetzt zu unserem Lieblingsthema: Kinder….. Das war früher (auch) mal ein Ausdruck von Erwachsenwerden, von Unabhängigkeit, Stärke, Vitalität. In einem Zusammenhang. Welche Bedingungen müssen heutzutage alle erfüllt sein, damit sich sicher gefühlt wird? Bevor sich für ein Kind entschieden wird?

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    EJ ./. KJN: Sie haben recht [@ derblondehans]
    Sie scheinen denblondenhans verstanden zu haben. Ich nicht. Vielleicht können Sie an seiner Stelle etwas genauer erläutern, was Bismarck (einerseits?) und Sozialismus (andererseits?) mit Kinder-/ Bevölkerungsschwund zu tun haben.

    … so so, Sie verstehen nicht wie Kinder gemacht werden. Haben Sie die ‚Seite‘ gewechselt?

  13. avatar

    @ KJN: Sie haben recht [@ derblondehans]

    Sie scheinen denblondenhans verstanden zu haben. Ich nicht. Vielleicht können Sie an seiner Stelle etwas genauer erläutern, was Bismarck (einerseits?) und Sozialismus (andererseits?) mit Kinder-/ Bevölkerungsschwund zu tun haben.

  14. avatar

    KJN: Sie haben recht: Bismarck war ein kluger Mann. Und mit dem, was Sie über Sozialisten schreiben, liegen Sie m.E. wahrscheinlich auch richtig. Aber was wollen Sie? Von einem klugen Mann regiert werden? Hätte Bismarck die Notwendigkeit gesehen, seine klugen (und überfälligen) Sozialgesetze einzuführen ohne die Sozialisten?

    … immerhin haben Sie Ihre Meinung zu Bismarck geändert … ich will Einigkeit und Recht und Freiheit … haben die Deutschen das im eigenen Land?

    … und es gibt auch kluge Frauen. Wer aber Brutto vom Netto nicht unterscheiden kann ist doof und zu allem fähig, nur nicht zum regieren.

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    @dbh „Bismarck“(2)
    Sie haben recht: Bismarck war ein kluger Mann. Und mit dem, was Sie über Sozialisten schreiben, liegen Sie m.E. wahrscheinlich auch richtig. Aber was wollen Sie? Von einem klugen Mann regiert werden? Hätte Bismarck die Notwendigkeit gesehen, seine klugen (und überfälligen) Sozialgesetze einzuführen ohne die Sozialisten?
    Sie werden vielleicht entgegnen: Ein Herrscher der von Jesus Christus geleitet ist, ist klug. Grundsätzlich kann ich mir da Schlimmeres vorstellen und lassen wir das Historische mal weg: Was ist mit den „anderen“ und wer interpretiert Jesus Christus? Für meinen Teil vertraue ich – trotz so vielem – eher auf das Gleichgewicht der Kräfte, als auf noch so kluge und inspirierte Herrscher oder Aristokratien.

    Darüber, wo das Gleichgewicht liegen sollte und ob die „Kräfte“ überhaupt unterschiedlich genug sind, streite ich gerne.

    @M.B.
    Naturwissenschaften ergeben m.E. sowieso nur einen Sinn vor praktischem Hintergrund, aber wenn ich manche Bildungspolitiker reden höre, könnte man meinen, daß Praktiker nicht mehr gebraucht werden.

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    EJ: Napoleon in ähnlicher Situation: “Eine Nacht in Paris!”
    Das waren aber noch die Zeiten, in denen Sex Kinder zeugte.

    … nun müssen Sie nur noch schreiben, wer ‚heute‘ keine Kinder will, haben kann, haben möchte – im Mutterleib mordet – … wenn Sie das heraus gefunden haben, wissen Sie warum die Geburtenrate in Deutschland sinkt … kleiner Tipp von mir: unter anderem Bismarck … ist Ihnen bei den langen Reden (der Sozialisten*, meine Anmerkung …) auch nur eine einzige in Erinnerung, wo auch der leiseste Schatten eines positiven Gedankens, eines Vorschlags über das, was künftig werden soll, nachdem sie das Bestehende in Bresche gelegt haben – ist Ihnen etwas derartiges erinnerlich? Ich wäre dankbar, darauf aufmerksam gemacht zu werden.

    *) zur Erinnerung: Sozialismus ist das verteilen von dem, was den Sozialisten nicht gehört. Einschließlich der Seele. Wobei den ‚Gleicheren‘ unter den Sozialisten, dann das meiste gehört.

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    @ derblondehans Volkszählung am 29. Oktober 1946

    Napoleon in ähnlicher Situation: „Eine Nacht in Paris!“
    Das waren aber noch die Zeiten, in denen Sex Kinder zeugte.

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    EJ: Zensus 2011, 80,2 Millionen Menschen in der Bundesrepublik

    … und? die Volkszählung am 29. Oktober 1946 ‚brachte‘ 65.137.274 Einwohner für Deutschland.

  19. avatar

    Lieber KJN

    „Eine Vision wäre: Techniker und wissenschaftliche Teamarbeiter kommen nach D, Bauern und Handwerker, Manufakturen gehen nach GR.“

    Wer soll Ihnen dann noch die Wasserleitung in .de reparieren?

    Gerade diese Vision hat dazu geführt dass z.B. deutsche Unternehmen trotz der vermeintliche Lohnvorteile aus Ungarn wieder ins Heimatland zurückgekehrt sind, weil die notwendige
    “ Infrastruktur “ hier vorhanden ist.

    Daher lassen Sie bitte die deutschen Handwerker bei uns im Ländle, wer soll dann in nahe Zukunft unsere Brauereianlage reparieren?

    Die Theoretiker mit fehlendem Praxisbezug aus Spanien und Griechenland???

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    @ Lyoner – Habe Ihren Beitrag beinahe übersehen.

    Schauen Sie, was ich oben an Stevanovic geschrieben habe, ab „Aus meiner Sicht“. Ich teile schon Ihre Prämisse nicht. Die „Vaterländer“ werden sich sehr schnell ersetzen lassen. So es sie überhaupt noch gibt. Für mich jedenfalls ist „Vaterland“ keine Größe, mit der ich etwas verbinden kann. – Aus meiner Sicht gibt es nur vertraute und weniger vertraute Regionen, und nicht nur landschaftliche, sondern auch gesellschaftliche, kulturelle, institutionelle usw. usf. Und das Ganze nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Auf eine Formel gebracht: Ich bewege mich – unterschiedlich sicher – in einem komplexen Beziehungsgeflecht.

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    @ Roland Ziegler: Migration folgt auf Spaltung; ohne Spaltung gäbe es keine Dynamik – alles stagnierte.

    Damit haben Sie gesagt, dass Migration Dynamik ist. (Und dabei geht nicht nur um Personen-, sondern um Migrationen aller Art, Ideen-, Technik-, nicht zu vergessen Geld-Migration usw. usf. ) Das wäre Europa, in bestem Sinne. Wenn wir uns endlich mal darauf einließen. – Die europäischen Spaltungen (Niveauunterschiede, Gefälle) sind eine gigantische Energiequelle. Man muss sie nur nutzen.

    @ Jean-Luc

    Sicher, es gibt wahrscheinlich „vernünftige“ Erklärungen, für das, was ich gesehen habe. Trotzdem war es auch die Vision einer überalterten kinderlosen Gesellschaft.

    Wenn Frauen weiterhin so wenige Kinder bekommen wie seit rund 40 Jahren und sich Zuwanderung und der Anstieg der Lebenserwartung auf durchschnittlichem Niveau bewegen, schrumpft Deutschland zwischen 2008 und 2060 um rund 17 Millionen Einwohner. Und die Hälfte der verbleibenden Bevölkerung lebt im Altersheim.

    Übrigens, wer Sinn für’s Komische, vielleicht besonders für’s Tragisch-Komische hat, der kommt in Baden-Baden auf seine Kosten. (Ich kannte Baden-Baden vor meinem kurzen Besuch dort nicht.) Ich habe bedauert, nicht auch einen Blick auf das (wahrscheinlich frühabendlich stattfindende) Nachtleben werfen zu können. Wie komisch und tragisch-komisch sich Geld, oftmals wohl viel Geld, mit Alter und Hinfälligkeit kombinieren kann! Ich hatte gewissermaßen die Altersversion des „Zauberbergs“ vor Augen.

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    Cher EJ,

    in Frankreich gibt es die crèche daher sehen sie auch Freitagnachmittag in Strasbourg keine Kinderwagen !!!

    Und Baden-Baden ist doch ein spa, haben sie in Bad Reichenhall schon einmal viele junge Menschen gesehen??

    (Am Freitag war ich Baden-Baden und Straßburg. Und hatte eine Vision. Im Straßenbild Baden-Badens gehörte ich eindeutig zu dem jüngeren Drittel der Menschen, die die Straßen der Stadt bevölkerten. Ich, mit meinen 62 Jahren! Nachmittags war ich Straßburg. Eine stark belebte Stadt, voller junger Menschen. Im Schnitt 20 Jahre jünger als ich. Ich wollte mich schon des Altersschwachsinns zeihen. Aber: kein einziger Kinderwagen. Kein einziger!)

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    @R.Z.
    „Migration folgt auf Spaltung; ohne Spaltung gäbe es keine Dynamik – alles stagnierte. Das wollen wir ja auch nicht.“
    Soo dumm, phrasenhaft ist das nicht, Sie denken nur halt nach.
    Ich denke, wir müssen aus er eindimensionalen Betrachtungsweise raus (das fiel mir zum Thema Bildung/Ausbildung eben ein): Es gibt nun mal Menschen, die theorielastig sind und andere eher praktisch begabt. Oft auch beides, wenn sie alt genug werden: Erst praktisch, dann zunehmend theoretisch infolge Reflektion. Beides muss möglich sein. Und es ist nicht überhaupt nicht mehr so klar, daß die Büroarbeit oder die im Management überall angestrebt wird. Auch und gerade von intelligenten, leistungsfähigen nicht.
    Ich halte es für nicht notwendig und auch für einen groben Fehler alles technologisch nuvellieren zu wollen. Eine Vision wäre: Techniker und wissenschaftliche Teamarbeiter kommen nach D, Bauern und Handwerker, Manufakturen gehen nach GR. Egal wo sie geboren sind. Wo wäre das Problem – beides wird gleichermaßen gebraucht.

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    @ Stevanovic

    „Auf die Frage, die mich wirklich interessiert, habe ich keine Antwort gefunden: Was jetzt?“

    Ihr Frage- und Zeithorizont ist nicht nur vom Standpunkt einer Existenzialanalyse zu verkürzt. Ich schlage Ihnen den Horizont einer klugen schwäbischen Hausfrau vor: Für was habe ich gestern gesorgt, was mache ich am besten heute und was wird morgen anstehen.

    Was Heinsohn angeht: Wie jeder große Wissenschaftler ist er reduktionistisch; was wäre z.B. die Psychoanalyse ohne Freuds Reduktionen (Es, Ich, Überich). Mit Heinsohns sicherlich sehr einfachen Modell lassen sich jedoch Tendenzen der politökonomischen Entwicklung z.B. im Nahen Osten, in Europa zumindest besser verstehbar machen. In Ihrer konfortablen Lage des Privatgelehrten mögen Ihnen diese Konstrukte vielleicht zu wenig geistig herausfordernd und massierend sein; wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die eine oder andere Schrift eines postmodernen poststrukturalistischen dekonstruktivistischen Denkers empfehlen.

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    @ Roland Ziegler/EJ

    Ich möchte Sie für eine Verschiebung von einer überwiegend qualitativen Analyse (gut/schlecht) zu einer mehr quantitativen Analyse erwärmen. Es kommt auf die Dosis, das Quantum an. Um im Bild des Sloterdijkschen immunologischen Konstrukts zu bleiben, ein gewissen Maß kann wie ein Antidot wirken, den immunologischen Status einer res publica, eines Gemeinwesens verbessern, ein höheres Quantum zu Stress, Überforderung und Zusammenbruch führen. Ich würde mich mißverstanden fühlen, wenn Sie mich so verstehen würden, als ob ich ausschließlich und über allem deutsche Interessen im Blick hätte. Ich versuche, den Status Europas (das Europa der Vaterländer – so schnell werden Sie Identitäten nicht ersetzen können) zu berücksichtigen.

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    @Ziegler

    …irgendwie kommen mir meine Beiträge hier gerade arg dürftig u. phrasenhaft vor

    Das liegt nicht an ihnen, das ist das Format hier

    Für die paar Aktualisierungen bekommen wir schon erstaunlich guten Austausch hin.

    Schöne Brückenfeiertage

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    …irgendwie kommen mir meine Beiträge hier gerade arg dürftig u. phrasenhaft vor; mir fällt auch nichts Gehaltvolles ein. Vielleicht sollten wir (oder jedenfalls ich) das Thema lieber sanft ausblenden? Es ist ja sehr beliebt u. wird sicher bald wieder auf die Tagesordnung gehoben.

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    …anders gesagt: Es kann nicht nur Gewinner geben. Gewinner bedingen Verlierer und umgekehrt. Wenn alle immer und gleichzeitig gewinnen, ist das Spiel aus bzw. hebt sich auf.
    Deshalb ist es auch Quatsch, von allen Ländern gleichzeitig dieselben Hartz-Reformen zu verlangen. Man kann nur seine Position innerhalb des Systems verbessern; dann rutscht aber jemand anderes nach hinten ab. Ein menschenfreundliches System nivelliert die Unterschiede lediglich (und macht die Grenzen passierbar), aber ebnet sie nicht völlig ein.

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    @EJ: Ich habe hier irgendwie direkt ins Nichts getroffen, wie es aussieht. Den „Baindrain“ hatte ich von Parisien übernommen, das „Schrumpfvolk“ von Lyoner; ich selber habe weder Angst vor dem einen noch vor dem anderen u. wollte diese Befürchtungen eigentlich entschärfen (nicht komplett entkräften). Ich stimme Ihnen überall zu. Die Entwicklungsunterschiede können (und sollten) angeglichen werden; sie können aber nicht aufgehoben werden, sondern – wie Lyoner schon sagte: die Spaltung sollte nicht zu krass werden. Migration folgt auf Spaltung; ohne Spaltung gäbe es keine Dynamik – alles stagnierte. Das wollen wir ja auch nicht.

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    @ Roland Ziegler

    Im Geltungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes und der älteren Arbeitnehmerfreizügigkeit kann man formal bzw. juristisch eigentlich überhaupt nicht mehr von Aus- und Einwanderung sprechen. Deshalb bezog sich meine Frage an Sie bzw. meine damit verbundene Verblüffung eher auf das mit dem Begriff und der Tatsache Einwanderung häufig verbundene Ressentiment.

    Meine Vermutung war, dass wir den innereuropäischen bloßen Stellenwechsel (mit Familienmit- bzw. -nachzug)tatsächlich auch auf der Ressentiment-Ebene gar nicht mehr als Aus- und Einwanderung bemerken. Dass demgegenüber aber die Arbeitnehmerfreizügigkeit ohne Job bzw. auf Jobsuche noch ein Problem für uns darstellt. Da gibt’s offenbar noch Ressentiments.

    Insgesamt, das wollte ich sagen, scheint die EU-Wirklichkeit, die EU-Praxis, viel weiter zu sein als die EU. Ihre Kritik an der innereuropäischen Wanderung – „Braindrain, babylonische Sprachverwirrung, Integrationsfähigkeit, Schrumpfvolk“ – wollte ich in diesem Sinne deshalb auch als Kritik an der EU bzw. als „Arbeitsprogramm“ der EU verstanden wissen. Darauf zielten meine Fragen an Sie.

    Um auf das Niveau des „unbemerkten Stellenwechsels“ bzw. (besser:) des unbemerkten, selbstverständlichen Umzugs von EADS-Hamburg nach EADS-Toulouse zu kommen (oder um, realistisch, mindestens in die Nähe dieses Niveaus zu gelangen), müssen in der EU eben noch eine ganze Menge Entwicklungsunterschiede ausgeglichen werden. Dem Braindrain und dem Schrumpfvolk, auch dem Mangel an Integrationsfähigkeit sind nur so zu begegnen.

    Und, selbstverständlich, wir brauchen das Englische als lingua franca. (Und die brauchen wir nicht nur innereuropäisch.) Dass wir das bisher nicht hingekriegt haben, ist eine Affenschande. (Da schließe ich mich Parisien an. Ein gewisser Prozentsatz nicht-synchronisierten Fernsehens muss offenbar sein. KIGA mindestens 50 % unsynchronisiert!) Dass der Bundestag mit Geldentzug droht, weil die EU nicht genug Übersetzungen in’s Deutsche liefert – bodenlos! Nur noch peinlich.

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    …Nachtrag; ich hatte in der Eile (Termine Termine) den Punkt „Armutswanderung“ übersehen – aus Spanien kommen viele arbeitslose Akademiker hierher. Ist das Armutswanderung? Wie soll man das beurteilen: „schlecht“, d.h. als problematischen Braindrain mit Familiendrama dort und Integrationsproblemen hier, oder „gut“, d.h. als große Freiheit, europäischen Traum und Beitrag zur Lösung unserer Probleme? Das Ganze möglichst m.B.a. die USA (dort gibt es ebenfalls Armutswanderung), d.h. mit denselben Bewertungskriterien.

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    @EJ: Solange unterschiedliche Staaten bestehen, handelt es sich um eine Einwanderung, wenn ein arbeitsloser Spanier nach Deutschland umzieht. So wäre jedenfalls mein Verständnis von Einwanderung.
    Und wenn sehr viele Leute aus Spanien/Griechenland/Italien/Portugal/Rumänien/Bulgarien zu uns kommen, entstehen schon auch ein paar Probleme (z.B. hier beim Spracherwerb; dort in Südeuropa bleiben Alte und Kinder zurück). Das Phänomen gibt es auch z.B. in Ostdeutschland oder in den USA („Idaho – the potato state“).

    Wenn innereuropäische Migration für niemanden ein Problem, stattdessen die reine Selbstverständlichkeit darstellt, habe ich tatsächlich offene Türen eingerannt. Ich habe aber Zweifel, ob diese Selbstverständlichkeit wirklich besteht.

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    @ Stevanovic: Nicht alles dreht sich um das liebe Geld (nicht alle Konflikte sind soziale Konflikte).

    OK. Dissens. – Bei aller Scheu vor der damit verbundenen tatsächlichen oder vermeintlichen Primitivität, mit zunehmendem Alter werde ich immer materialistischer. (Heißt: Ich bin zunehmend weniger bereit, mich für dumm verkaufen und mir die Butter vom Brot nehmen zu lassen, oder, besser: ohne Gegenleistung anderen die Butter auf’s Brot zu liefern.) Ideen schweben nicht frei. Sie existieren nicht als solche. Sie existieren nicht l’art pour l’art. Sie sind Ausdruck von Interesse. Sie wollen etwas von mir. Und wenn ich sie „habe“, will ich etwas mit ihnen.

    Aus meiner Sicht: Wenn Volk oder Nation keinen Nutzen oder Vorteil mehr bringt, oder z.B. Europa größeren als sie, ist es vorbei mit Volk oder Nation. Was nicht heißen muss, dass es dann Volk oder Nation (irgendwie) nicht mehr „gibt“. Sie spielen dann nur keine politische Rolle mehr, jedenfalls keine ausschlaggebende.

    (Wie heute „landsmannschaftliche“ Zugehörigkeiten keine, oder nur noch eine folkloristische Rolle spielen, obwohl sie früher unverzichtbar waren. – Als meine Vorfahren um 1780 aus dem alten Reich auswanderten, war das völlig gleichgültig und wurde nirgendwo verzeichnet. Dass sie „aus dem Fuldischen“ kamen, stand aber auf jedem Papier, auch wenn „das Fuldische“ außerhalb des Reiches kaum einer gekannt haben wird. „Das Fuldische“ und „das Bergische“ usw. usf. waren damals, und das seit Jahrhunderten, eben die politisch maßgebenden Größen. „Einheiten“ dieser Art führten Kriege gegeneinander. Schlagartig war’s dann vorbei mit ihnen. Andere Größen formierten sich. Was ist vom „Fuldischen“ und „Bergischen“ noch übrig? Landschaft. Kulturlandschaft, bestenfalls. Ansonsten und politisch? Nada! Nichts!)

    Die jugoslawische Wirtschaft war ineffizient, weil sie so organisiert war.

    Ich meinte mit „europäischer Industriepolitik“ keinesfalls Planwirtschaft. Mir geht darum, dass sich, bezogen auf die südliche Peripherie, Europa nicht in Infrastrukturmaßnahmen erschöpft, sondern die Rahmenbedingungen für Industrieansiedlung schafft. Und sei es mit einer Sonderwirtschaftszone, die das Euro-Problem dieser Länder ganz oder teilweise kompensiert und europäische und außereuropäische Industrieansiedlung lukrativ macht. (Beispielsweise nach irischem Modell – nur eben nicht für Banken.) Dazu würde freilich auch gehören, politischen Druck auf europäische Konzerne auszuüben, etwas mehr europäisch-politische Loyalität zu zeigen. (Und, bitte, VW macht damit keine ganz schlechten Geschäfte.)

    @ Roland Ziegler: zur Einwanderungsfrage

    Rechnen Sie innereuropäische Wanderungen tatsächlich zur Einwanderungsfrage? Wenn ein deutscher Mitarbeiter der EADS, Sitz in Holland, von EADS-Hamburg auf Dauer (oder jedenfalls open end) zu EADS-Toulouse wechselt, ist das für Sie Aus- bzw. Einwanderung? Nicht im Ernst. Oder?

    Sind wir nicht tatsächlich schon so weit, dass wir für einen Großteil Europas innereuropäische Wanderung als völlig selbstverständlich ansehen und uns gar nicht in den Sinn kommt, sie für Ein- oder Auswanderung zu halten? Und ist es nicht so, dass das „nationale“ bzw. Ein-/ Auswanderungs- Problem innereuropäisch nur dann auftaucht, wenn innereuropäische Wanderung mit Armutswanderung identisch ist?

    Wenn ja, welche Schlüsse sollten wir daraus ziehen – für unseren Nationalismus, aber auch für Europa?

    @ Lyoner: eine Katastrophe, die sich ein bißchen mehr Zeit lässt?

    Ja. Auch Zeit. Ich spekuliere mit kontrollierter Zuwanderung aber auch auf ein gewisses Maß an parallel laufenden Eigeninteressen, etwa in der Abwehr unkontrollierter Zuwanderung.

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    @Lyoner

    Danke!

    Eine Scholle, die 5 Mäuler schlecht ernährt, ernährt 8 nicht leichter. Der Sohn, für den nichts bleibt, muss gehen. Hof ohne Sohn, kann nicht leben. Keine Kinder bedeuten keine Enkel. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Zugezogene sind Fremde. Eine Mark kann man nur einmal ausgeben. Was Besseres als den Tod findet man überall?

    Vielleicht habe ich die Tiefe seiner Gedanken ja nicht verstanden. Nur kommt es mir vor, als ob er Binsenweisheiten mit coolen Sachen wie Bürgerkriegskoeffizienten aufgepeppt hat. Das Ganze, nur ohne Bürgerkriegskoeffizienten, hätte mir jeder Bauer in der Eifel verraten können. Was nicht gegen den Bauern, sondern gegen Heinsohn als Wissenschaftler spricht.

    Die einzige Weisheit, die ich für mich mitnehmen konnte ist: Das Leben wird nicht leichter.

    Gegen Heinsohn möchte ich meine eigenen fundierten Studien als Privatgelehrter setzen: Es kommt erstens anders, zweitens als man denkt.

    Nur, ich will nicht ungerecht sein, vielleicht habe ich als passionierter Dünnbrettbohrer etwas übersehen. Auf die Frage, die mich wirklich interessiert, habe ich keine Antwort gefunden: Was jetzt?
    Seine „So wird das nichts“ Erkenntnisse haben leider keinen Nährwert. Zumindest an Figuren wie Waldorf und Statler herrscht kein Mangel.

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    @Parisien/Lyoner: Belege habe ich leider keine. Nur Erinnerungen an Begriffe wie Braindrain, babylonische Sprachverwirrung, Integrationsfähigkeit oder dem Schrumpfvolk mit unaustauschbarer Population. Wenn das alles sich nur auf Afrikaner bezog und Sie mit der innereuropäischen Migration Ihren Frieden gemacht haben (oder es ein Missverständnis gab und Sie damit noch nie ein Problem hatten), können Sie meinen Beitrag getrost als überflüssig ignorieren.

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    @ Roland Ziegler

    Ich habe kein Problem damit, wenn ein Mann (oder eine Frau) aus der Extremadura in Berlin ihr Glück sucht. Ich hoffe jedoch, dass die Spaltungen zwischen „Verlierer-“ und „Gewinner-Regionen“ nicht so krass werden.

    @ EJ

    Ist eine „mildere Katastrophe“ nicht eine Katastrophe, die sich ein bißchen mehr Zeit lässt?

    @ Stevanovic

    Ich finde, Sie haben Witz – und Sie sind mir als Neudeutscher herzlich willkommen. Darf ich Sie fragen, was Sie hier betreiben?

    „Und dann kommt Gunnar und meint, wir hätten ein Problem. Das ist so etwas ähnlich der Situation, in der sie bei einer Panne den ADAC rufen, der ihnen tief in die Augen schaut und mit fachmännischem Brummton meint: Ihr Auto ist kaputt. Ne, echt? Und ihnen gleichzeitig erklärt, dass Reparaturen sich nicht lohnen, weil es in 20 Jahren eh kein Erdöl mehr gibt. Wie würden sie auf den reagieren? Genau, das würde ich Leuten wie Heinsohn auch gerne sagen.“

    Das würde mich interessieren, was Sie Gunnar sagen würden.

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    @ Parisien

    Als ich noch ein junger Mann war, war die Psychoanalyse, insbesondere in der Lacan´schen Variante, für mich ein Stein der Weisen; inzwischen in höherem Alter eher ein nicht ganz uninteressantes witziges Glasperlenspiel.

    Wenn ich die Videos von den Bayern-Feiern sehe, wie ein Schweinsteigr mit dem Pott Polka tanzt und (ich hoffe, ich habe das richtig verstanden) jubelt, endlich das „Scheiß-Ding“ in den Händen zu halten, das er wie Ribery etc. kaum mehr los lassen will, am besten ihn ins Bett nehmen, dann scheint mir die Lacan´sche Theorie des objet petit a nicht ganz falsch zu sein, das begehrenswerte Scheiß-Ding, das Ding überhaupt. Endlich ist er (und Lahm) Chef, nicht Chefchen, erwachsen, d.h. sie beherrschen endlich den Sphinkter, wissen, wie sie mit Druck umgehen können. – Was mir am meisten „gestunken“ hat in den Diskussionen der letzten Wochen, war, dass immer postuliert wurde, dass bei einer Niederlage gegen den BVB die ganze Saison beschissen oder im Arsch sei. Ob er es glaubte oder nicht, richtig war, dass Schweinsteiger gesagt hat, dass er nicht älter würde, später stürbe, wenn er den Titel gewinnenen würde.

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    @ Roland Ziegler
    „Wenn aber jemand die Extremadura verlässt, weil das Geldverdienen dort extrem hart geworden ist, und nach Berlin zieht, um dort auf angenehmere Weise sein Geld zu verdienen, dann wird das als Problem für beide Seiten angesehen.“

    Wird es das? Das müssen Sie aber belegen.

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    …zur Einwanderungsfrage hätte ich auch noch was beizutragen. Wenn jemand keine Lust hat, im „Potatoe State“ Idaho Kartoffeln anzubauen, und stattdessen lieber am Broadway Drehbücher schreibt, dann gilt das als Erfüllung des amerikanischen Traums, als große Freiheit. Wenn aber jemand die Extremadura verlässt, weil das Geldverdienen dort extrem hart geworden ist, und nach Berlin zieht, um dort auf angenehmere Weise sein Geld zu verdienen, dann wird das als Problem für beide Seiten angesehen. Wieso eigentlich? Da wird sich in den nächsten Jahren viel verändern müssen.

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    @ EJ

    Daran bin ich ja verzweifelt – das was sie beschreiben war alles da und wurde, als ob es nichts sei, weggeworfen. Die Erklärungsmuster von der Verführung durch Milosevic kann ich für die Serben klar verneinen, der hat nicht verführt, der ist auf einer Welle geritten.

    EJ: „Die Schaffung “unabhängiger” – genauer: “rational” von Arbeitsleistung abhängiger – Verdienstmöglichkeiten würden die traditionellen Gesellschaftsstrukturen sofort aushebeln und überflüssig machen.“

    Daran zweifle ich eben. Die jugoslawische Wirtschaft war ineffizient, weil sie so organisiert war. Ein Teil wird in Bosnien gefräst, in Kroatien lackiert usw. In der Armee musste jeder am anderen Ende der Republik dienen, Austauschprogramme – das war Multikulti Wunderland. Bis der Bocksgesang anschwoll, der Rest ist ja bekannt.

    Ich wehre mich deswegen gegen die EU als Model für etwas, was die Nationen und Völker überwinden soll. Das wird die EU nicht schaffen. Nicht, weil sie es nicht soll, sondern weil sie es nicht kann. Je mehr wir Geschichtsschulbücher zusammenlegen und kulturelle Eigenheiten (Kruzifix, Beschneidung) versuchen im Namen der Aufklärung (Idealfall) einzuebnen, desto machtvoller wird es an falscher Stelle zurückschlagen. Auf dem Balkan blutiger, in Westeuropa schrulliger, Beispiel: Protest gegen Homo Ehe in Frankreich. Nicht alles dreht sich um das liebe Geld (nicht alle Konflikte sind soziale Konflikte).

    Aber das mit dem Euro, ich glaube, das bekommt Europa geregelt. Da geht es wirklich „nur“ ums Geld.

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    @EJ: Für meine Familie ist es überhaut nicht so einfach zu entscheiden, ob wir Germanen sind. Deshalb würde ich auf die Frage, ob wir denn Germanen sind, mit einem entschiedenen „Jein“ antworten. (Besser gesagt mit einem „Ja, aber…“)

    Es wird hierzulande immer mehr Familien geben, in denen Immigranten mit eigenen historischen Identitäten beheimatet sind. Deshalb begegne ich jeder historischen Idee mit Interesse, aber betrachte sie nicht als definitorisch für Europa, sondern eher als Selbstbildnis einer Person, der auf der Suche nach einer Idee für sich selber ist. Eine immer interessante Suche, an der man aber viel besser teilhaben kann, wenn man von vornherein eben nicht versucht, sich unter einer gemeinsamen Idee zu vereinen (und ggf. damit schmerzhaft scheitert).

    Zur regulativen Idee würde ich sagen, dass neben der Verfassungsgebung, die eine verfahrenstechnische Schwierigkeit darstellt, die von Ihnen zurecht so hervorgehobene Selbstbestimmung auch in der alltäglichen Praxis demokratischer Wahlen (und den sich daran anschließenden Entscheidungen) zum Ausdruck kommt.

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    @ Lyoner wie Sie pragmatisch die Probleme unserer Einwanderungspolitik lösen wollen

    Im Grunde ist Stevanovic (27. Mai 2013 um 09:59) nichts hinzu zu fügen. Allenfalls, dass das Ruder nicht mehr herum zu reißen ist. Wir haben, von den Kindern zu schweigen, 40 bis 50 Jahre Integration versäumt. Unwiederbringlich.

    (Am Freitag war ich Baden-Baden und Straßburg. Und hatte eine Vision. Im Straßenbild Baden-Badens gehörte ich eindeutig zu dem jüngeren Drittel der Menschen, die die Straßen der Stadt bevölkerten. Ich, mit meinen 62 Jahren! Nachmittags war ich Straßburg. Eine stark belebte Stadt, voller junger Menschen. Im Schnitt 20 Jahre jünger als ich. Ich wollte mich schon des Altersschwachsinns zeihen. Aber: kein einziger Kinderwagen. Kein einziger!)

    Wenn ich dennoch – geregelte – Zuwanderung verlange, dann nicht deswegen, weil ich doch noch auf eine grundlegende Änderung hoffe, sondern deswegen, weil ich so auf eine „mildere“ Katastrophe spekuliere.

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    @ Roland Ziegler

    Sie sind mir zu schnell 😉

    Die „historische Idee“ enthält immer auch eine Art Existenzbehauptung in sich: ‚Wir sind Germanen.‘ Diese Idee können sie nur bejahen oder verneinen. Im schlimmsten Falle müssen sie sich um diese Idee prügeln oder um sie Krieg führen. Die regulative Idee kennt eine solche (mit welchem Recht übergestülpte?) implizite Existenz- bzw. Tatsachenbehauptung nicht.

    Bezogen auf Europa: Wenn Politik die regulative Idee Europas ist bzw. sein soll, handelt es sich um die Aufforderung, (europäisch entwicklungsangemessen und aufgeklärt) geradezu spielerisch das Modell „Politik“ zu entwerfen und zu realisieren.

    In der regulativen Idee Europas geht es nicht etwa darum, dass Europa „schon immer“ existiert hat und dass diese und jene Person (oder diese und jene Idee) dazu gehört, diese oder jene aber nicht usw. usf. Vielmehr geht es darum zu entscheiden, was genau denn zu den öffentlichen Angelegenheiten gehören soll, die („in der Polis“) zu gestalten bzw. zu entscheiden sind.

    Mit anderen Worten: Europa ist nicht irgendwie als ein historisches (Groß-)Schicksal zu begreifen, dem wir uns zum Zwecke der Vereinheitlichung zu unterwerfen haben. Es geht um das Gegenteil: Selbstbestimmung. Konkret fände die im Ur-Akt der Verfassungsgebung statt, die das „logische“ gap der demokratischen Verfassungsgebung (nämlich: dass sie sich ihrerseits nicht demokratisch legitimieren kann) in einem (exzeptionellen) Akt der Vernunft überwindet.

    Kurz gesagt: Politik als regulative Idee Europas ermöglichte die Selbst-Stiftung/ Selbst-Gründung Europas ohne allen Rückgriff auf „bestimmende“ und „verfügende“ Transzendenz (ohne allen Rückgriff auch auf säkularisierte Transzendenz wie „Vor-Geschichte“ (heißt: Geschichte!)) oder gar irgendwelche Schicksals-Metaphysik.

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    @ Stevanovic

    Ich denke, dem Balkan, jedenfalls einem großen Teil des Balkans, fehlt es schlicht an wirtschaftlicher Entwicklung. Genauer gesagt, fehlt es ihm an Möglichkeiten, Einkommen „unabhängig“ (und „rational“) zu erwirtschaften. Weil die Voraussetzungen fehlen, eine ausreichende Industrialisierung etwa, wird das lebensnotwendige Einkommen (und, im glücklichen Fall, das „Mehr“) in gesellschaftlichen Strukturen erwirtschaftet, die wir im Westen mit „Korruption“, „Mafia“ und „Basar-Ökonomie“ etc. umschreiben.

    Tatsächlich dürften damit aber durchaus funktionale traditionelle gesellschaftliche Strukturen umschrieben sein, in denen Einkommen etwa auf der Basis von Gruppenzugehörigkeit, Hierarchien und Loyalitäten „erwirtschaftet“ und „verteilt“ wurde – und offenbar – wenn auch weniger funktional? – noch immer wird. Unter solchen traditionellen Umständen findet Konkurrenz etwa auf der Basis der – lebensnotwendigen – Loyalitäten als Gruppen-Konkurrenz und – gegebenenfalls – als Krieg und Mord und Totschlag statt.

    Kurz: Dem Balkan fehlen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Demokratie nach westlichen Maßstäben. Kannst du dein Geld nicht „rational“ – in rationalen Arbeitsabläufen, ohne Ansehen der Person (deiner Stammes-, Clanzugehörigkeit, deines Geschlechts, deines Standes usw.usf.) verdienen, bist du auch nicht frei.

    (Mutatis mutandis ist das unser Problem mit den Rentenökonomien des Orients. Die können nicht zu Demokratien werden, solange Einkommen (aus Öl, oder, im schlechteren Falle, aus Zöllen und Pachten und Schutzgeldern etc.) eher nach uns fremden Kriterien (wie „Ansehen“ und Clanzugehörigkeit etwa) verteilt als erarbeitet werden. Alle „Politik“ wird in diesen Regionen darauf orientiert sein, (jenseits aller Demokratie und allen (individuellen) Eigensinns) einen möglichst starke Gruppenstruktur zu erhalten, um die entsprechenden Lebensmöglichkeiten zu sichern, notfalls mit Gewalt, Krieg und Bürgerkrieg.)

    Trifft halbwegs zu, was ich sage, liegen die bisherigen Versäumnisse der EU (mehr oder weniger für die gesamte südliche Peripherie der EU) zwar auf der Hand. Es wird aber auch ohne weiteres erkennbar, dass die Chancen für den Balkan (und sonstige mehr oder weniger ähnlich verfasste Länder) keineswegs so schlecht sein müssen, wie ihre gegenwärtige Lage den Eindruck erweckt. Industriepolitik in großem Stil ist das Versäumnis der EU. Die Schaffung „unabhängiger“ – genauer: „rational“ von Arbeitsleistung abhängiger – Verdienstmöglichkeiten würden die traditionellen Gesellschaftsstrukturen sofort aushebeln und überflüssig machen.

    (Das heißt aber auch in umgekehrter Richtung: Bekommen wir in Europa keine mächtige Wirtschaftsregierung, die das leisten kann, wird Europa die „labilen Demokratien“ an seiner Peripherie in absehbarer Zeit wieder verlieren. Kann Europa von seiner „neoliberalen“ Ideologie nicht lassen, die dergleichen „chinesische“ Wirtschaftspolitik verbietet, hilft auch keine noch so starke Wirtschaftsregierung.)

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    @Stevanovic

    … werter Genosse Stevanovic. Sie schreiben Quark. Wen interessiert wenn in China ein Sack Reis umfällt?

    Wenn Sie sich die Geburten Deutschlands im Zeitverlauf 1946-2012 anschauen, werden Sie feststellen, dass die Geburtenrate genau dann sinkt, wenn Sozialisten in Deutschland das Bestehende in Bresche gelegt haben, vor 1946 die rechten Sozialisten, ab ’68 die linken Sozialisten. (KJN … Bismarck ein weiser Mann. Oder?)

    Befreien Sie sich von der sozialistischen Ideologie. Wählen Sie die Alternative für Deutschland. Für die Zukunft unserer Kinder.

    (Übrigens besonders schäbig linker Sozialisten ist, nach dem sie im 20. Jahrhundert 150 Millionen Tote verantworten, dieses dann den Nationen, den Völkern unterjubeln.)

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    @Lyoner

    Mir ist keine Gesellschaft bekannt, die auf massenhafte, unregulierte Einwanderung mit einem „Willkommensklima“ reagiert hat. In der Regel versammeln sich die Einheimischen mit Fackeln und Heugabeln. Mir haben ältere Semester von ihren Erfahrungen als aus Polen vertriebene Deutsche im Rheinland der späten 40er, ja bis in die 50er berichtet. Deutsche unter Deutschen, trotzdem herrschte offene Anfeindung. Dagegen läuft es doch jetzt richtig gut. Die Willkommenskultur ist sicherlich nicht das Problem.

    Gottvertrauen ist doch schon mal ein Anfang. Na klar hat Gunnar Heinsohn Recht, nur, was nützt uns diese Erkenntnis? Die Untersuchungen, an die ich mich erinnern kann, zeigen, dass selbst die Exzessive Familienförderung der Nazis keinen Wiederhall in der Geburtenrate hatte. An der Ganztagsbetreuung kann es ja nicht gelegen haben. Wenn selbst das Muttertierkreuz niemanden beeindruckt, dann fällt mir schwer zu formulieren, wie wir die Rolle der Mutter heute aufwerten sollen. Effizient war diese Familienpolitik nicht. Es gab doch letztens diese Studie des Familienministeriums. Und? Überraschung: Geld bringt es nicht. Es gibt Studien aus China, dass die Ein-Kind Politik vollkommen umsonst ist, weil die Menschen eh nicht mehr Kinder wollen. Die Ausschwitz Keule kann es auch nicht sein, die Siegermächte haben die gleichen Probleme. Da ist also was, was bei allen gilt. Und dann kommt Gunnar und meint, wir hätten ein Problem. Das ist so etwas ähnlich der Situation, in der sie bei einer Panne den ADAC rufen, der ihnen tief in die Augen schaut und mit fachmännischem Brummton meint: Ihr Auto ist kaputt. Ne, echt? Und ihnen gleichzeitig erklärt, dass Reparaturen sich nicht lohnen, weil es in 20 Jahren eh kein Erdöl mehr gibt. Wie würden sie auf den reagieren? Genau, das würde ich Leuten wie Heinsohn auch gerne sagen.

    Einwanderung kann man nur steuern, in dem man unter denen auswählt, die kommen wollen. Das sind nicht die Schönen und Erfolgreichen, das muss klar sein. Einwanderung nur mit fließend deutschsprechenden Doktoren der Ingenieurswissenschaften wird es nicht geben. So ist die Welt nicht. Demographie wurde noch in keinem Land erfolgreich gesteuert. Das sollten wir uns beides eingestehen.

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