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Die Euro-Lüge zerstört Europa

„Sieg Heil!“, rief der ältere Herr in gebrochenem Deutsch mit durchgestrecktem Arm. Und mich traf der Blitz. Bis heute kann ich nicht glauben, was im Sommer 1990 in London geschah. Ich traf auf dem ehemaligen Militärflughafen Biggin Hill den Baron of Liddesdale an der Bar, eine Zigarette hing in seinem Mundwinkel.

Ich wusste sofort, wer da angetrunken vor mir stand, the Right Honourable Nicholas Ridley, bis vor kurzem im Kabinett der Eisernen Lady als Umweltminister. Während ich auf meinen Firmenflieger wartete, war er mit einer Regierungsmaschine gelandet und verweilte noch kurz, um einen G&T nachzutanken. Ich kannte ihn aus Oxford und hatte in der Stadt gerade das Magazin Spectator gelesen, in dem eine Karikatur von ihm steckte; er malte Helmut Kohl einen Hitlerbart an.

Margaret Thatcher hatte wenige Wochen zuvor im Landsitz der britischen Regierung eine Historikerkommission empfangen, um über den Fall der Berliner Mauer zu reden und die deutsche Gefahr. Die deutsche Wiedervereinigung erschien der englischen Premierministerin als der blanke Horror. Sie glaubte an Nationalcharaktere und hielt von dem deutschen ganz besonders wenig. Da war es egal, ob es um den Österreicher Hitler oder den Pfälzer Kohl ging.

Der fabelhafte Etonian Ridley, ein gelerntes Militär, hatte die Sache für jedermann auf den Punkt gebracht: Die europäische Finanzunion sei nichts anderes als eine Gaunerei der Deutschen, um ganz Europa zu übernehmen. Deutschland, Deutschland, über alles. Ridley war felsenfest davon überzeugt, dass man mit der Abgabe von Souveränität an Europa das Ganze gleich hätte Hitler überlassen können.

Ich sehe ihn also und bitte den älteren Herrn aus Oxford ironisch um die Erlaubnis, ihn ansprechen zu dürfen, was er mit hochgezogener Augenbraue konzediert (“Permission to speak, Sir?“ „Granted!“). Ob er nicht glaube, dass die Stärke der USA aus dem riesigen Binnenmarkt, der föderalen Struktur und der einheitlichen Währung komme. Er antwortet gar nicht, stürzt seinen Drink, steckte sich eine neue Zigarette an und verlässt den Raum mit dem eingangs erwähnten Gruß.

Da stand ich, 45 Jahre nachdem mein Onkel hier in Kriegsgefangenschaft gegangen war, und sah mich als Nazi gegrüßt. So ein Idiot. Man kann mit dem schwarzen Humor der Engländer leben und weiß um ihr lockeres Verhältnis zu historischen Vergleichen. Aber es wäre töricht, an ihrem Willen zur Unabhängigkeit zu zweifeln. Die „eccentricity“ des Kettenrauchers Ridley verbarg nur eine eiserne Entschlossenheit. Was dieses Inselvolk als englischen oder britischen Nationalcharakter definiert, wird es sich nicht wegvereinigen lassen, schon gar unter dem Regime von „unelected officials“ in Brüssel.

Die Zeiten ändern sich, aber die Wähler nicht ihre Meinung, jedenfalls wenn man nach den tieferen Schichten der Einstellungen fragt, nach dem Bauch oder noch tieferen Organen. Bei den jüngsten Kommunalwahlen in Großbritannien kommen die Europagegner auf deutlich über 20 Prozent.  Die UK Independence Party raubt diese Stimmen dem Mitte-Rechts-Lager.

Ungarische Töne auch an der Themse. EU-Fragen verbinden sich mit Migrationsproblemen zu einem braunen Gemisch, an dem sich der englische Faschismus schon mal hochgehangelt hat. Die Konservativen sehen ihre Regierungsfähigkeit dahinschwinden.

Gleiches könnte Merkel durch die Euro-Gegner in Deutschland passieren. Die sogenannte Alternative für Deutschland mag nicht zwanzig Prozent holen, aber die Mehrheitsverhältnisse sind ja schon prekär genug. Die FDP krebst bei 4 oder vielleicht 5 Prozent. Götterdämmerung: Mutti, die Galionsfigur des attentistischen Populismus,  muss gehen, weil sie ihre Euro-Rettung im eigenen Land nicht überlebt.

Unsere Probleme haben mit Europa nichts zu tun. Wir leiden an den Folgen exzessiver Staatsverschuldung und einer völlig entkoppelten Finanzwirtschaft. Deren Entgleisung war politisch gewollt, zumindest toleriert. Die Verantwortlichen sitzen nicht nur in der City und an der Wall Street, sondern auch im Weißen Haus und Number 10. Ja, auch in der deutschen und der französischen Regierung.

Das wird hinter dem Herumdoktern am Euro versteckt. Dies ist die Krise eines bestimmten Kapitalismus, nicht die Krise Europas. Nur wenn wir den Mut aufbringen, die politischen und ökonomischen Ursachen klar zu benennen und am Modell der Vereinigten Staaten von Europa festhalten, wird die Euro-Lüge nicht Europa zerstören. Wir brauchen, auch wenn wieder der braune Mob zu toben beginnt, mehr Europa, nicht weniger.

 

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5 Gedanken zu “Die Euro-Lüge zerstört Europa;”

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    @Klaus Kocks

    Herzlichen Dank für Ihren heutigen Beitrag im Deutschlandfunk.

    Nebenbei:

    Wie sieht es bei Ihnen mit Wahlwetten aus:

    50% für Merkel

    50% für Rot-Grün ?

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    K.K.: „Sieg Heil!“, rief der ältere Herr in gebrochenem Deutsch mit durchgestrecktem Arm.

    … ahemm … mal so o.t. gefragt: wie hört sich denn „Sieg Heil!“ … in gebrochenem Deutsch an? … was lässt er weg, was hinzu? … was bricht er wo?

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    Lieber Klaus Kocks, „am Modell der Vereinigten Staaten von Europa festhalten“ bedeutet, an einem Modell festhalten, das in Europa niemand will. Nicht nur die Briten nicht; auch die Deutschen wollen das nicht wirklich. Vor allem die Deutschen nicht. Denn sie wollen nicht auf Dauer für die Schulden aufkommen, die andere machen. Schon in Deutschland ist es schwierig genug, den Soli und den Länderfinanzausgleich zu vertreten; in Italien will der Norden nicht für den Mezzogiorno aufkommen; im europäischen Maßstab wäre eine solche Regelung unmöglich. Soli und Finanzausgleich – in welcher Form auch immer – sind aber die Folgen eines Bundesstaats. Der Versuch, ihn durchzusetzen, würde Europa tatsächlich zerreißen. Ist dabei, Europa zu zerreißen.

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    Mehr Europa? Wenn Bänker einen Bonus fürs Versagen verlangen, sind wir alle sauer. Wenn Brüssel fürs Versagen einen dicken Geld- und Machtbonus sich wünscht, dann ist das gut? Das kann nicht sein. Ich will den Euro, ich will Europa, aber der dt. Politikelite traue ich seit einigen Jahren nicht mehr über den Weg wenn sie über die EU und die Währung redet. Die erzählen uns was von Eurorettung und am Ende stelle ich als Bürger fest, die retten wieder nur die sch… Banken. Aktuell würden die Vereinigten Staaten von Europa genauso aus dem Ruder laufen wie die USA, wo Banken das Kommando haben und nicht die Bürger. Bei uns ist es ähnlich, aber noch nicht so schlimm. Brüssel zeigt praktisch jeden Monat, wie schlecht und böse es geworden ist durch Lobbyisten. Nein, mit dieser Politikgeneration will ich auf keinen Fall diesen Superstaat. Mehr Europa bedeutet im Moment leider weniger Demokratie, und da hört der Spaß entgültig auf! Ich wähle AfD im Herbst weil die Ängste und Kritik von Menschen wie mir im Bundestag nicht ernstgenommen werden. Seit dem 2. Weltkrieg wissen wir Deutsche eins, Macht sollte man nie zentral bündeln, aber bei der EU darf man die Geschichte vergessen, oder wie? Ne, so nicht liebe Elite!

  5. avatar

    K.K.: … Dies ist die Krise eines bestimmten Kapitalismus, nicht die Krise Europas. Nur wenn wir den Mut aufbringen, die politischen und ökonomischen Ursachen klar zu benennen und am Modell der Vereinigten Staaten von Europa festhalten, wird die Euro-Lüge nicht Europa zerstören. Wir brauchen, auch wenn wieder der braune Mob zu toben beginnt, mehr Europa, nicht weniger.

    … nicht nur der braune Mob. Der wird nur benutzt. Die Sozialisten – egal ob links, rechts, oben oder unten – zerstören Europa. Schon immer.

    Die Soziaaaaaldemokraten, in Kumpanei mit den ‚Grünen‘ (Kommunisten, Maoisten u.d.g.l.), die Sozis übrigens wie anno ’14, zerstören, haben Europa zerstört.

    Stichworte ‚Kreditderivate‘. Hans Eichel, Sozialdemokraaaaaat. Peeeeeeer, Sozialdemokraaaaaat. Man erinnere sich an: 2002 bis 2007.

    Banken und Fonds standen eine Gesetzeslücke zur Verfügung, durch die sie Milliarden am Fiskus vorbei schleusen konnten, weil sie sich die Kapitalertragssteuer mehrfach vom Staat erstatten lassen durften.

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