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Das Ende der rosa Zeiten: Warum eine Zeitung starb

War sie nun pink oder lachsfarben, die deutsche Financial Times? Jedenfalls nie schwarz. Eine viertel Million Euro oder eine halbe hat das Blatt in den Sand gesetzt. Wie kann man eigentlich dem Rest der Welt Lektionen über Wirtschaft erteilen wollen, aber selbst nichts davon verstehen? Man kann, als Journalisten, weil dies der Berufsstand mit besonderem Recht auf das Paradoxe ist.

Paradox ist die Wehmut der Lachsfarbenen. Es hat sie jener Neoliberalismus gerichtet, zu dessen Lob und Preis die Rosa Gang angetreten war. Christoph Keese hatte aus allen Redaktionen Journalisten zusammengekauft, wenn sie denn nur plietsch genug waren. Die Tempel dieser Frischen standen in der City und der Wall Street. Die Deutschland AG roch nach Muff. Die Plietschen wollten ein Blatt für den Casino-Kapitalismus. Der ist aber, welch eine Neuheit, zyklisch. Im Moment sind wir unten, ganz unten. Und Schuld haben, wen wundert es, die anderen.

Bei Barbie sitzt eine larmoyante Schar geschasster Journalisten. Sie nennen Barbie nicht bei ihrem Spitznamen, sondern sagen brav Karin. Die Fischküche um die Ecke von Gruner & Jahr ist in zwei Jahrzehnten zu einem Medientreff geworden; das gekachelte Restaurant mit dem Charme einer Aufbahrungshalle hat die FTD von Kindertagen an erlebt. Damals konnten die Herrschaften vom rosa Blatt vor Kraft nicht gehen und rissen Witzchen über die Inhaberin, die mit einem Fischrestaurantmogul aus dem Hafen in Verbindung gebracht wurde. Heute ist die „Schülerzeitung“ (Karin über das Blatt ihrer Gäste) platt, und die als Barbie verspöttelte Karin gibt der Fischküche selbstbewusst ihren Nachnamen. Willkommen in Brahms Restaurant, Kajen 12 am Binnenhafen.

Im Schein der roten Lampions, mit denen Brahm die Leichenhalle anheimelig zu gestalten sucht, werden die Wangen der Gescheiterten rot. Die Industrie habe versagt, weil sie nicht hinreichend Anzeigen geschaltet habe und nicht massenhaft Abos gezeichnet. Das habe sie jetzt davon, die Industrie. Ich sitze nicht zum ersten Mal hier und wundere mich. Die jetzt der mangelnden Unterstützung gescholtenen Unternehmen waren früher eigentlich immer nur die Arschlöcher, denen man es schon zeigen werde. Und deren Pressesprecher die Oberdeppen.

Einer der Gründungschefredakteure hat den Plan jetzt noch mal in einem Nachruf bekräftigt. Man habe nicht mit Pressesprechern reden wollen, sondern nur direkt mit den Vorstandsvorsitzenden, referiert Christoph Keese in der WELT. Und sein Redakteur Smolka leckte im eigenen Blatt die Wunden: Eine diktatorische Medienpolitik der PR-Leute habe sie gar nicht an die Vorstände rangelassen. Wohl wahr, als Ersatz gingen dann einschlägige Spin-Doctoren beim späteren Chef Klusmann ein und aus. Statt stolzem Angeln von Lachsen wurde dann im Trüben gefischt. Nicht immer, nicht von allen, aber doch allzu oft. Wir, die stigmatisierten Pressesprecher, wissen, wer bei der FTD platzieren durfte; nicht die Gentlemen der Branche.

Auch der aus London entliehene Andrew Gowers, Chefredakteur in Hamburg und in Southwark, rief nach. Dem SPIEGEL vertraute er an, dass der deutsche Wirtschaftsjournalismus verschnarcht gewesen sei, bevor die FTD ihn revolutionierte. Für Keese ist dieser journalistische Erfolg unzweifelhaft. Beide stellen am offenen Grab fest, dass sie den Journalismus neu erfunden haben. Zum Beispiel, weil sie keine Waschzettel abgekupfert haben, sondern nur auf Scoops gegangen sind. Das mag für einzelne FTD-Journalisten gelten, etwa für den in Köln, aber dem Blatt hat man das nicht angemerkt. Auch hier kam Hochmut vor dem Fall.

Keese sagt, sie hätten sich nur den Aktionären der Unternehmen gegenüber verantwortlich gefühlt, nicht dem Management oder der Belegschaft. Gowers feiert das Blatt als Fanfare des Shareholder Value. Hier liegt die bittere Wahrheit. Der Tunnelblick galt der Börse. Kultur hieß hier Aktionärskultur. Die FTD war, die Herren räumen das noch immer freimütig ein, ein Spekulantenblatt. Shareholder Value ist das Mantra eines entfesselten Finanzkapitalismus; richtiger gesagt: war das Mantra. Tempi passati.

Wo ging Andrew Gowers nach seiner Zeit als Chefredakteur der FT hin? Als PR-Chef zu Lehman Bros., ja, der berühmt-berüchtigten Investmentbank, deren Pleite die internationale Finanzkrise auslöste. Dann zu BP. Ja, Deepwater Horizon… Und Christoph Keese, das Talent von Bertelsmann, ist heute Public-Affairs-Manager bei Springer, ja, bei Axel Springer. Das erscheint nun den Arbeitslosen in Barbies Fischküche wie ein Menetekel.

Die FTD ist nicht journalistisch gescheitert, nun gut, aber sie hat sich journalistisch auf Kreise und auf Zeiten abonniert, die vorbei sind. Und dafür tragen nicht Schicksalsschläge die Schuld, sondern eben jene Helden, zu deren Verehrung Gowers und Keese angetreten sind. Tragisch. Karin bringt noch eine Runde billigen Grauburgunders. Der zu kalte Wein wird gestürzt. Der Abend, sage ich voraus, wird auf der Reeperbahn enden. Genau, böse enden, sagt Barbie. Und die kennt sich aus. Denn sie ist wirklich plietsch.

 

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6 Gedanken zu “Das Ende der rosa Zeiten: Warum eine Zeitung starb;”

  1. avatar

    @Klaus Kocks

    stimmt der Grauburgunder ist billig , EK unter 10 Euro.

    Was mich aber wundert, dass Sie die Fischbratküche so häufig frequentiert haben dass Sie Karin Barbie nennen.

    Aber vielleicht lag es am Hamburger Pannfisch mit Bratkartoffeln und Senfsauce für 14,90

    Dennoch HH hat doch bessere Fischrestaurants als diese Fischbratküche für darbende Journalisten.

  2. avatar

    Auch wer am Ende der Welt lebt – na, ja, zumindest „wo nichts los ist“ (nur Baeume, Autos, Wasser, auch paar Menschen aber keine unter 70 …) – weiss das man ueber Wirtschaft, Finanzen, und Maerkte nichts in „Zeitungen“ lernen kann! Dazu braucht man auch keinen „degree in economics“. Jeder einigermassen wache „Erwachsene“ (das sind die ueber 50 !) – kann sich das doch alles selbst ausrechnen und kalkulieren. Wer wirklich Geld „machen“ will – muss zu den „insiders“ gehoeren – denn wenn „das in der Zeitung steht“ – haben die schon abkassiert. Manchmal hilft es auch wenn man „wie links“ denken kann: Ende 1990ziger – konnte doch ersehen werden das Alan Greenspan seinen „Leuten“ die Megaspekulation erleichterte durch irrsinnige Zinsraten . Das war die Zeit zur Vorbereitung zum Absprung aus Aktien. Aber weil solche wie Greenspan immer wieder auf Aeste kriechen welche dann abbrechen – drehte die Megaspekulation mit fortwaehrenden Greenspan-Irrsinnszins auf Inmobilienspekulation. Da konnte auch der kleine Mann zunaechst mitspielen – aber musste dann die Weisheit besitzen auf die Hochaeuser zu blicken und zu kalkulieren: „So viele Leute welche $ 1 Million fuer ein Apartment am Strand ausgeben koennen – gibt es doch gar nicht!“ Der Zeitpunkt was 2006. Die schmerzloseste Einlage in den letzten Jahren – fuer KLEINE Leute – waren „tips“ funds – „Treasury Inflation-Protected Securities“ – rein und raus wenn man will, und jedes Jahr bisher 5%+. Aber sobald die Zinsraten in der naechsten Welle steigen – kommt es darauf an wie der Fund die „expiration dates“ angelegt hat. Aber mit solchen „Kleingeldkram“ befassen sich die „big shots“ wie FT nicht, ergo der „Leser auf der Strasse“ zieht keinen praktischen Nutzen von den „Nachrichten vom Wall Street“ gestern…

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