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Der Kern des Organspendeskandals ist der Schwarzmarkt

Mehr Kontrollen also. Das ist die Schlussfolgerung, die Ärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery aus dem Organspende-Skandal zieht. Sorry, Herr Präsident, aber das ist armselig.

Schon jetzt ist der Gesundheitssektor reguliert bis zum geht nicht mehr. Das gilt auch für die Organspende, bei der zudem mehrere Organisationen zusammenarbeiten. Es ist keine Frage, dass kriminelle Ärzte wie diejenigen, die vermutlich in Göttingen und Regensburg am Werk waren, hart bestraft werden müssen.

Aber der Kern des Organspende-Skandals ist ein anderer. Es ist der Schwarzmarkt, der unweigerlich entsteht, wenn der Staat regulierend – und natürlich immer in „bester Absicht“ – eingreift und dadurch knappe Güter noch knapper macht. Ob Alkohol in den Jahren der Prohibition in den USA, Drogen weltweit oder auch Organe:  Es wird immer Menschen geben, die bereit und in der Lage sind, aberwitzige Summen für den Besitz dieser Dinge auszugeben. Und Menschen, die verzweifelt genug sind, eigene lebenswichtige Organe zu verkaufen – oftmals nicht wissend, in welche Gefahr sie sich begeben.

Was es aber nicht geben muss – und genau das ist der eigentliche Skandal – sind die abkassierenden Mittelsmänner, die sich diese Zwangslage  zu nutzen machen. Sie können ihrem schmutzigen Geschäft nur nachgehen, weil der Staat den offenen – und in diesem Falle durchaus und zu Recht schärfstens regulierten Handel – verbietet.

In dem Moment, wo Drogen oder Organe offen gehandelt werden könnten, wären die kriminellen Mittelsmänner aus dem Geschäft. Statt einem verzweifelten Inder 300 Euro für eine Niere hinzuwerfen und sie dann für 90 000 Euro in der westlichen Welt einem verzweifelten Kranken zu verkaufen, gäbe es bei einem regulierten Handel wahrscheinlich allenfalls Aufwandsentschädigungen statt derart obszönen Gewinnspannen.

Der verzweifelte Inder bekäme wahrscheinlich in etwa das Hundertfache, der verzweifelt Kranke würde ein Drittel bezahlen, der Vermittler bekäme allenfalls noch ein Hunderstel seines früher möglichen Gewinns. So wären allen kriminellen Elemente von heute auf morgen aus dem Geschäft: Denn nun ist es nicht mehr attraktiv.

Wirtschaftswissenschaftler haben diese Argumentation immer wieder vorgebracht, Ethiker haben sie immer wieder auseinandergenommen mit dem Argument, Organe dürften nicht gehandelt werden. Das mag seine Richtigkeit haben, ist aber in der Praxis einfach obsolet: Organe werden gehandelt. Siehe die Geschichte des „Spiegels“ diese Woche aus dem Kosovo. Siehe wahrscheinlich Göttingen und Regensburg. Siehe unzählige Kliniken in Osteuropa, Asien und wo sonst noch.

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20 Gedanken zu “Der Kern des Organspendeskandals ist der Schwarzmarkt;”

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    @Parisien
    @KJN

    1082: Patent

    http://tinyurl.com/8o7a3ys

    1992: Patent

    http://tinyurl.com/8apgfkj

    2010:

    http://tinyurl.com/9nmaw98

    http://tinyurl.com/93k2hcz

    2012:

    http://tinyurl.com/d44gn8a

    Warum und weswegen der Innovationsprozess (mehr als 30) Jahre)so lange dauert, man rechnet mit den ersten klinischen Tests um 2017,geht aus dieser Veröffentlichung hervor:

    The confluence of an increasing prevalence of end-stage renal disease (ESRD), clinical trial data suggestive of benefit from quotidian dialysis, and ongoing cost/benefit reanalysis of healthcare spending have stimulated interest in technological improvements in provision of ESRD care. For the last decade, our group has focused on enabling technologies that would permit a paradigm shift in dialysis care similar to that brought by implantable defibrillators to arrhythmia management. Two significant barriers to wearable or implantable dialysis persist: package size of the dialyzer and water requirements for preparation of dialysate. Decades of independent research into highly efficient membranes and cell-based bioreactors culminated in a team effort to develop an implantable version of the University of Michigan Renal Assist Device. In this review, the rationale for the design of the implantable artificial kidney is described.

    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20017839

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    Und noch mal etwas anderes: Wenn es möglich ist, auf den Mars zu fliegen, ferngesteuerte Drohnen zu bedienen und den ersten klotzigen Computer schließlich auf das Format eines i-phone’s zu reduzieren, sollte es doch möglich sein, eine kleine künstliche Niere zu entwickeln, die im Körper eingepflanzt werden kann.
    Ist die Medizin vielleicht stehen geblieben?

  3. avatar

    Man stelle sich vor, alle Länder würden die Organspende verbieten und lediglich die Lebendspende von Verwandten erlauben. Man würde den Empfänger ebfs. empfindlich bestrafen. Jetzt mal Argumente dagegen.
    Das erste bringe ich selbst. Es ist von EJ:
    „Kam endlich eine Zeit, wo alles, was die Menschen bisher als unveräußerlich betrachtet hatten, Gegenstand des Schachers, veräußert, wurde. Es ist dies die Zeit, wo selbst Dinge, die bis dahin mitgeteilt wurden, aber nie ausgetauscht, gegeben, aber nie verkauft, erworben, aber nie gekauft: Tugend, Liebe, Überzeugungen, Wissen, Gewissen usw., wo mit einem Wort alles Sache des Handels wurde. Es ist die Zeit der allgemeinen Korruption, der universellen Käuflichkeit…« (Karl Marx, Das Elend der Philosophie).“

    Riesengeschäft, EJ deutet es an. Alles Caritative ist zynisch geworden. Krösus spendet für Afrika, aber kauft sich ein Organ von einem Inder. In den Geschichtsbüchern werden wir stehen als egomanisch verroht.

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    Nach der Vorhaut kommen jetzt die anderen „Organe“ an die Reihe…? In mir keimt die Frage: ´Wovon` soll Mensch in seinem Denken abgelenkt werden?

  5. avatar

    @EJ

    Eine Fundsache von Karl Marx:

    Kam endlich eine Zeit, wo alles, was die Menschen bisher als unveräußerlich betrachtet hatten, Gegenstand des Schachers, veräußert, wurde. Es ist dies die Zeit, wo selbst Dinge, die bis dahin mitgeteilt wurden, aber nie ausgetauscht, gegeben, aber nie verkauft, erworben, aber nie gekauft: Tugend, Liebe, Überzeugungen, Wissen, Gewissen usw., wo mit einem Wort alles Sache des Handels wurde. Es ist die Zeit der allgemeinen Korruption, der universellen Käuflichkeit…« (Karl Marx, Das Elend der Philosophie)

    Es grüßt Sie herzlich Ihr

    Küchenökonom

  6. avatar

    @EJ
    willkommen im Club der anständigen Preise und der unständigen Nachfrage

    Während bei den ehemaligen hardliner des Neoliberalismus wie Straubhaar und Snower eine kritische Bestandaufnahmevon supply and demand beginnt ist diese Botschaft :
    http://www.youtube.com/watch?v=cLPlATKEdtM

    bei Frau Heckel noch nicht angekommen.

    Long-life learning sollte doch auch für Journalisten und Publizisten gelten

  7. avatar

    @EJ: Der Markt ist nicht „die“ Ordnung, aber ein System, in dem monetäre Werte ausgehandelt werden. Wenn man den Markt für Organe bzw. Drogen verbietet, treibt man die Preise in die Höhe. Als Folge davon entsteht z.B. Beschaffungskriminalität. Weil man keine Beschaffungskriminalität haben will, ist es schon sinnvoll, das Verbot zu hinterfragen. Dennoch sollte man im Blick behalten, was der Sinn des Verbots ist, nämlich die Anzahl der verbotenen Handlungen zu beschränken. Diesen positiven Effekt sollte man mit dem negativen Effekt vergleichen, der bei den kriminalisierten Resthandlungen verursacht wird (z.B. Beschaffungskriminalität). Je nachdem, was überwiegt, sollte man weiterhin verbieten bzw. legalisieren (natürlich auch abhängig davon, wie wichtig die Unterdrückung der zu kriminalisierenden bzw. legalisierenden unerwünschten Handlung ist).

  8. avatar

    1. wir wollen Organverpflanzungen um das Leben einzelner zu verlängern.
    2. wir wollen weiterhin, daß lebende Menschen nicht unter Druck geraten, ihre Organe abzugeben (wo bleibt eigentlich hier der vernehmliche Schrei nach „körperlicher Unversehrtheit“, Frau Heckel???)
    => Also darf es hier keinen Markt geben.
    Da der Markt verschwindet, wenn es genügend Organe gibt, sollten die Krankenkassen verpflichtet werden, einem Organspender die (einfache) Erdbestattung zu zahlen. (Was kostet derzeit eine Niere?)

  9. avatar

    @ Roland Ziegler: Schwarzmarkt … Legalisierter Markt

    Sie folgen Frau Heckel darin, das alles seinen „anständigen“ Preis haben und handelbar sein müsse, der Markt also die Ordnung sei?

  10. avatar

    Das Argument ist seltsam: Weil Organhandel (oder Drogenhandel u.ä.) in jedem Fall stattfindet, sollte er legalisiert werden, um den Schwarzmarkt zu bekämpfen. Dieses Argument führt dazu, dass man nur noch solche Handlungen als kriminell einstufen dürfte, die niemand macht.
    Verbote werden ausgesprochen, um die Anzahl unerwünschter/schlechter Handlungen zu minimieren. Wenn der Schwarzmarkt ein geringeres Volumen hat als es ein legalisierter Markt hätte, dann hat das Verbot seinen Sinn.

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    Und als Nachtrag:

    Liebe Frau Heckel,

    es gibt auchg andere Branchen mit obzönen Gewinnspannen:

    Siehe Textil und Primark:

    In einer Berliner Zeitung gefunden:

    http://www.berliner-zeitung.de.....35048.html

    Und eine Bitte:

    Holen Sie nicht Ihr suppy and demand Modell aus Ihrer Schublade, sondern erklären Sie uns Küchenökonomen doch einmal was für pragmatische Lösungen Sie in diesem Fall hätten.

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    @Margret Heckel

    Es ist der Schwarzmarkt, der unweigerlich entsteht, wenn der Staat regulierend – und natürlich immer in „bester Absicht“ – eingreift und dadurch knappe Güter noch knapper macht.

    Bitte erklären Sie mir, einem Küchenökonom, warum der “ Liborschwarzmarkt “ entstehen konnte, ohne dass der Staat regulierend eingriff.

    Der Markt reguliert leider nicht alles …
    Nachzulesen bei Dennis Snower und Thomas Straubhaar.

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    Liebe Frau Heckel, sehe ich genauso.
    Was die Fallbeschreibung im Spiegel betrifft: Man konnte absolut nicht nachvollziehen,warum nicht jemand aus der Familie gespendet hat.
    Andererseits sehe ich auch hier den stark verbreiteten Moralverlust. Man sollte sich als älterer Mensch gut überlegen, ob man von einem jungen armen Inder/Chinesen/Afrikaner/Südamerikaner ein Organ im Körper haben möchte. Mutig wäre doch das: Herr A., ca. 70, sucht sich einen Spender. Wenn er ihn hat, schickt er ihm einen Scheck mit den Zeilen: Du kannst Deine Niere behalten. Das Geld schenke ich Dir. Geh gut damit um. Ich trete lieber ab.

  14. avatar

    Organhandelte kriminelle Aerzte nicht nur im „ordentlichen“ Deutschland, sondern auch im Entwicklungsland China. „Telesur“ berichtet dass in China 137 Organhaendler verhaftet wurden, darunter 18 Aerzte. Die Spender wurden im Internet gefunden. In China benoetigen 1.5 Millionen eine Organtransplantation, aber nur 10,000 werden bisher im Jahr vollzogen.

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