Die Sprache der Jugend, der Jargon des Internets, halbseidene Modewörter erreichen die bürgerlichen Medien; auch ein Effekt der allgemeinen Piraten-Liebe. Die junge Partei hat sich, so die Selbstauskunft, einen geilen Vorstand gewählt. Nun denn.
Was also ist in diesen Zeiten geil? Offensichtlich ist damit nicht mehr sexuelle Erregung und entsprechende Kopulationswilligkeit gemeint. Der Begriff hat sich nicht nur im Inhalt verändert, sondern auch eine soziale Karriere gemacht. Ursprünglich gehört er der Gossensprache an; und dort dem männlichen Sprachgebrauch.
Eine Dame hätte nicht von sich bekannt, jedenfalls nicht in diesen Worten, geil zu sein. Und bei einem Parteivorstand hätte man nach dem Vorbild des französischen Fast-Präsidenten DSK vielleicht einen solchen Zustand annehmen können, aber längst leben wir in Mutti-Land. Angie ist alles, aber sicher nicht geil.
Das böse Wort für die Wollust kommt sprachgeschichtlich von einer Zustandsbeschreibung des Gährens. Der Norweger nennt ein aufschäumendes Bier so. Daraus wurde dann das Lustige und das Lüsterne. Damit setzte die Hochwertung ein: kraftvoll, üppig, fröhlich, stattlich, all das war bald geil.
Wundern muss das nicht. Schon die Psychoanalyse des Sigmund Freud hatte die Sexualität zum Grundmuster allen Strebens erklärt. Mit unschönen Anleihen an antike Gepflogenheiten. Angeblich will der Mensch, jedenfalls der Mann, mit seiner Mutter schlafen und seinen Vater erschlagen. Ödipus lässt grüßen.
Im Nachkriegsdeutschland brachte ein Report amerikanischer Sozialforscher die ersten Wellen zerbrechender Bigotterie. Das Ehepaar Kinsey hatte ZeitgenossInnen befragt, wie sie es so im Schlafzimmer halten, respektive treiben. In die Vorstadtkinos zog ein Oswald Kolle ein, der das Thema Verkehr in offenen Umlauf brachte.
Wer den ideologischen Fehlleitungen von Kirche und Staat entgehen will, war schon immer in der empirischen Sozialforschung gut aufgehoben. Allerdings darf man dann nicht, wie die Damen aus Allensbach, minderjährige Mädchen im Beisein ihrer Eltern nach den Onaniergewohnheiten fragen. Die Wahrheit kommt erst ans Licht, wenn man unter die Bettdecken der Nation schaut. Transparenz.
Nichts ermöglicht dies besser als das Internet. Hier werden Millionen und Milliarden Daten offenbar, die nicht mehr lügen können. Man kann heute wissen, was die Menschen wirklich anschauen. Ja, wir reden von Pornos. Denn dass die geil sein sollten, steht ja wohl außer Frage.
Der Neurowissenschaftler Ogi Ogas hat mit seinem Kollegen Sai Gaddam dazu jetzt eine Studie vorgelegt (“Klick! Mich! An! Der große Online-Sex-Report“ im Verlag blanvalet). Kein Witz: siehe Welt am Sonntag, Seite 69 (auch kein Witz). Der wesentliche Befund ist so neu nicht: Männer und Frauen passen nicht zusammen. Überhaupt nicht. Normalos und schwule Jungs unterscheiden sich im Objekt der Begierde, aber ansonsten eher nicht. Was gar nicht geil ist, sind Paare. Getrenntgeschlechtliche Paare.
Beim Mann fallen die seelische und die körperliche Erregung zusammen und sind spontaner Natur. Flash! Auch gerne anonym. Frauen haben dagegen echt Zeit und einschlägige Koordinationsprobleme zwischen Hirn und Hüfte. Männer lieben Bilder, Frauen Geschichten. Frauen gucken Pornos immer bis zum Schluss, weil sie wissen möchten, ob die kopulierenden Paare dann auch wirklich heiraten. Kein Witz.
Hören wir den Orgasmusexperten: „ Aus genetischer Sicht liegt es immer im Interesse des Mannes, Sex zu haben. Sein notwendiger Anteil an der Fortpflanzung ist relativ gering. Frauen dagegen müssen vorsichtiger sein, weil daraus möglicherweise eine neunmonatige Schwangerschaft und mehrere Jahre der Kinderversorgung folgen. Sie brauchen mehr als einen physischen Impuls, um mit einem Mann ins Bett zu gehen.“ Schon klar: Geschichten.
Was lernen wir daraus aber nun für die Familienpolitik? Frau Schröder, Ihr Auftritt. Nun, hier die exklusive Ankündigung, noch bevor die Bundespressekonferenz es erfährt. Es ist ein Betreuungsgeld zu erwarten für Männer, die nicht aushäusig…na, Sie wissen schon, sondern daheim… Und die Frauen kriegen die Verkehrszeiten in der Altersversorgung angerechnet, als Arbeitszeit. Das ist echt geil.
jan z. Volens: Und die Karibikerin sagt einem: “Morgen musst du nicht arbeiten, dann koennen wir jetzt die ganze Nacht durchmachen!”
… na ja, in Deutschland ‚macht auch durch‘ – wer am nächsten Tag arbeiten muss. 😉
Die Bedeutung der Woerter aendern sich auch in anderen Sprachen. Z. B. „gay“ 1950 in USA war „heiter“ und nicht wie heute homosexuell, und „cool“ war natuerlich frisch-kuehl und nicht wie heute „mit der Mode von heute“. Neu ist jedoch die Sexualitaet der Frau – durch die fortschrittliche von den „Roten“ geschuerte Gleichberechtigung, und die Moeglichkeit fuer die Schwangerschaftsverhuetung. 1950 war es die sittliche Pflicht der U.S. Amerikanerin immer zu sagen: „Heute nicht! Ich habe Kopfschmerzen.“ Heute scheint dass der U.S. Mann die Kopfschmerzen hat (von Drogen) oder „gay“ ist, und so manche Jaegerin sucht sich einen „Soul brother“ (nur die Reklamebranche hat das offen bemerkt!), oder wird lesbisch. Eine Karikatur ueber die U.S. Amerikanerin 1950: Das Paar liegt im Bett und sie fragt ihn: „Bist du sicher dass der Hund unten im ersten Stock ist?“ Lateinamerika ist eine ganz andere Welt: Was in Europa als „sexuelle Belaestigung“ beschimpft wird und in USA als „sexual harassment“ (Sexuelle Verfolgung) zu einem Justizverfahren leitet, wird in Lateinamerika belaechelt. Wie eine Pyschologin in Brasilien erklaerte: „Ich werde anfangen mich zu sorgen wenn die Maenner mir nichts mehr zufluestern!“. Und die Karibikerin sagt einem: „Morgen musst du nicht arbeiten, dann koennen wir jetzt die ganze Nacht durchmachen!“
Ja, Schreibfehler: Gären. (Günther Drosdowski, Paul Grebe, Duden, Etymologie,Mannheim 1963, S.205).KK
und:
„Das böse Wort für die Wollust kommt sprachgeschichtlich von einer Zustandsbeschreibung des Gährens“
muss es nicht heissen Gaeren von Gaerprozess??
„Ursprünglich gehört er der Gossensprache an; und dort dem männlichen Sprachgebrauch.“
Beim deutschen wikipedia finde ich eine andere Erklaerung:
Das Adjektiv geil und das davon abgeleitete Substantiv Geilheit gehen wahrscheinlich auf eine indogermanische Wurzel mit der Bedeutung „aufschäumend, heftig, übermütig, ausgelassen, lustig“ zurück. Im Althochdeutschen (seit dem 8. Jahrhundert) wurde geil im Sinne von „übermütig“, „überheblich“ verwendet. Im Mittelhochdeutschen (seit dem 12. Jahrhundert) stand es für „kraftvoll, mutwillig, üppig, lustig, froh, fröhlich oder schön“.
Seit dem 15. Jahrhundert wird „Geilheit“ vorrangig synonym für oder als Anspielung auf Lüsternheit oder sexuelle Begierde (vgl. Wollust) verwendet, „Geilheit“ und mehr noch die Adjektivform „geil“ stellen in diesem Zusammenhang populäre umgangssprachliche Ausdrücke dar, deren Gebrauch in offiziellen Zusammenhängen allerdings als vulgär gilt