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„Forever young“: die Lebenslüge einer altersblöden Gesellschaft

Der stark parfümierte Wolfgang Joop sagt, er und Jil Sander, das seien die Marika Rökk und der Jopi Heesters der Mode. Der Ruf, ja die Sehnsucht nach den Alten sei unüberhörbar. Er kokettiert, der unwürdige Greis. Man hat Mühe, höflich zu bleiben gegenüber den ewigjungen Botox-Monstern. Man vermisst Würde, die doch eine Königstugend des Alters sein soll.

Zu den peinlicheren Erlebnissen meiner Laufbahn als Kavalier der alten Schule gehört, dass ich der Mutter von Jil Sander ein Kompliment machen wollte. Sie saß im Flieger neben mir, Hamburg, Düsseldorf, New York. Ich musste in Düsseldorf aussteigen und vertraute der Dame, die neben mir saß, noch an, dass ich ihre Tochter zwar nicht persönlich kenne, aber ihre Arbeit als Modeschöpferin sehr schätze. Das frische und fröhliche Gesicht von Jil Sander kannte ich von hundert Plakaten. Nun, es war nicht ihre Mutter. Sie war es selbst.Heute ist sie 68 und beginnt ihre Karriere noch mal von vorne.

Ewige Jugend gibt es nicht nur unter Hanseaten, auch Potsdam weiß da einiges zu bieten. Über eine dieser Ikonen, nämlich Wolfgang Joop, hat mal jemand gesagt, er gleiche Leni Riefenstahl; das ist gemein, aber nicht ganz falsch. Und Karl Lagerfeld trägt Handschuhe ohne Finger, sodass nur ein Schelm fragen kann, auf welches Lebensalter wohl seine Handrücken schließen lassen.

Otto Rehagel ist gefühlte 120, aber fitter als jener Supermann von Schalke, der zwischen Pils und Zigarre und nach der Liaison mit einer peinlichen Tatortkommissarin jetzt unser Mitgefühl verdient. Nur der Christian aus Hannover, der darf mit 52 gehen, zu spät für die Ehre, zu früh für die Rente. Ratschläge erhält er noch im Abgang von Helmut Schmidt, der die 100 voll machen will, als praeceptor germaniae, Sittenwächter und Vordenker der Deutschen. Zu aktiven Zeiten hat seine Partei ihn gehasst, als kaltschnäuzigen Technokraten aus Bergedorf.

Wie halten wir es mit dem Alter? Die sogenannte demographische Entwicklung wirft alte Konzepte der Lebensplanung und der Lebenswahrnehmung über den Haufen. Wir sterben später. Und ein Menschenalter hat plötzlich zwei Teile.

Von der ersten Hälfte des Jahrhunderts, das heute ein Leben dauern kann, wissen wir viel zu sagen. Wir unterteilen es in Phasen und Zyklen. Die zweiten 50 Jahre sind uns geschenkt, ohne dass wir ein Verhältnis zu ihnen hätten. Terra incognita, ein unbekanntes Land, in dessen imaginierten Dunkel wir nun Jahre um Jahre fristen, ohne auch nur Abschnitte benennen zu können.

Eine „Anti-Aging“-Industrie will ein Jugendbild verwerten, das Züge der Bulemie oder des Lolitatums zu kapitalisieren sucht. Botox mit 22, das ist pervers. Und Falten mit 80 sind nicht hässlich. Da muss es sich Brigitte Nielsen (48) gefallen lassen, im Dschungel-Camp Wolfgang Joop (67) genannt zu werden. Na ja, Mädchen unter sich. Belanglos, albern. Was also ist mit der Würde des Alters?

Der Stammesälteste hatte bei den Indianern das Sagen, habe ich in früher Jugend gelesen. Das war ein weiser Mann, der seine Altersweisheit im klugen Kriegsrat mit der Kraft und der Kühnheit der jungen Krieger paarte. Und in dieser Kombination hatten die Feinde keine Chance. Erfahrung und Mut waren Weltbeherrscher. Jugendfantasien. Alter verbinden wir heute mit Alzheimer, mit lästigen Deppen, die an unseren Nerven zerren. Sie bevölkern die Altersheime über Jahrzehnte; Abschiebe-Anstalten für Sterbeunwillige.

Dass man Vater und Mutter ehren soll, ist den Ewigjungen unserer Tage ein Ruf aus einer fernen Zeit; es steht irgendwo unter den Zehn Geboten, aber da steht ja auch, dass man nicht seines Nächsten Hab und Gut begehren soll: wie unzeitgemäß.

Das große Indianerehrenwort der Karl-May-Festspiele hat keine Bedeutung mehr in einer virilen und juvenilen Welt. Vielleicht war es schon immer verlogen.  Wir wissen von den Wilden ja nur, was die Zivilisierten über sie berichtet haben, also die Mythen der Kulkturnationen über die Naturvölker. Das Altenteil in ländlichen Regionen war jedenfalls kein Paradies. Vielleicht ein warmer Platz am Ofen, vielleicht ein dünne Suppe für die, die nicht mehr arbeiten mussten, also auch kein Brot verdienten. Warten auf’s Sterben.

Was gar nicht hilft, sind die Sprüche der Beschönigung: „best ager“, im idealen Lebensalter. Wofür? Wer Wissen und Erfahrung sichern will, also Grauhaarige einstellt, stößt an die falschen Strukturen unserer Lohn- und Gehaltssysteme. Je älter der Arbeitnehmer, desto teurer ist er. Umgekehrt würde ein Schuh draus. Das Geld brauchen junge Familien, nicht ausgesteuerte Rentner. Hier sind die Tarifparteien gefordert.

Arbeit gibt es genug; es ist halt nur nicht immer Erwerbstätigkeit. Pensionäre in die Ehrenämter! Wer liest in den Kindergärten und Schulen vor? Wer organisiert das Vereinsleben? Wer verhilft Migranten zu passablem Deutsch? Der Staat muss jene Bereiche fördern, in denen er nichts zu suchen hat. Und sei es nur Versicherungsschutz für die Freiwilligen. Wer hat Zeit für Politik? Warum soll es keine Revolutionen geben, wenn die Revoluzzer Rollator fahren?

Und eine Kulturrevolution: Das Altern muss von seiner biologischen Bindung befreit werden. Ich kenne Greise, die Mitte Vierzig sind (und Beamte). Ich kenne helle Köpfe, denen die Haare ausgehen. Ich kenne minderjährige Hooligans und senile, die ihren Altersstarrsinn zelebrieren. Eine Kultur der Gelassenheit, des Ausprobierens, des bürgerschaftlichen Engagements fehlt diesem Land. Und ein immer größerer Teil der Bevölkerung hätte dazu Zeit, Muße und Mittel.

Ich erinnere mich mit warmen Herzen an den zahnlosen Matrosen im Hafen von Lynmouth, Devon, der zu sagen pflegte: „Old fishermen don’t die; they just smell like it.“

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8 Gedanken zu “„Forever young“: die Lebenslüge einer altersblöden Gesellschaft;”

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    Wo sind die Weisen in unserer heutigen Zeit, wo die weisen alten Menschen, die unseren Kindern und Enkel in seelischen und geistigen Fragen beistehen sollen. Sie sind wahrscheinlich gerade im Urlaub, im Fitnessstudio, bei der Gartenarbeit, beim Fernsehen, beim Masseur oder beim Grundkurs für Computereinsteiger bei der Volkshochschule.

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    Herr Klock, der akute Antisemitismus hat mich abgehalten. Ihr Beitrag ist das Beste, was ich seit langem gelesen habe. Akut und den Daumen am rechten Fleck. Chapeau.

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    „Forever young“ – Der Ponce Leon kam 1523 nach Florida weil er glaubte dass dort das Land der „Ewigen Jugend“ waere – und die Indianer haben dann gleich dafuer gesorgt, dass er nicht alt wurde!– Auch die „Alten“ der „Ureinwohner“ verenden meist elend – im Urwald kann man nur ueberleben wenn man noch aktiv bleibt. Die Suruwaha in Brasilien hatten sogar den Glauben, dass man als junger Mensch Selbstmord begehen sollte um dann in der anderen Welt als junger Mensch zu leben. Alte Menschen wurden von den Suruwaha beleidigt: „Der Trottel hat sich alt werden lassen!“ Der Selbstmord wird durch Verzehr eine giftigen Pflanze vollzogen. (Sieh Domumentar HAKANI LEVEND BEGRAVEN ). — Es gibt aber Kulturen in welchen „Alte“ sehr lebenslustig und aktiv bleiben, in Lateinamerika. Joseito Mateo, Jahrgang 1920, war schon ein bekannter Merengue-Saenger in der Dominikanischen Republik, als man fuer ihn „Negrito del Batey“ komponierte – 1942. Er singt das noch heute – hier 2009 sieh youtube Video „EL NEGRITO BATEY JOSEITO MATEO“. Und mit drei anderen 80+ Saengern in youtube Video „CANA DULCE CANA BRAVA“. Armando Manzanero, ein mexikanischer Maya-Indianer, Jahrgang 1935, hier mit seiner Komposition „Meine“ sieh youtube Video „ARMANDO MANZANERO BIG BAND JAZZ MIA“. Under die Brasilianerin Beth Carvalho, hier mit ihrer Enkelin in „Kleines schoenes Ding des Vatis“ sieh youtube Video „BETH CARVALHO O COISINHA“. —

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    Junge laufen schneller als die Alten

    Die Alten kennen aber die Abkuerzung

    Ein Spruch meines 98jaehrigen deutschen Onkel

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