avatar

Noch einmal: Joachim Gauck, der Holocaust, Israel und Europa

Mittlerweile hat die Diskussion über das Geschichtsverständnis Joachim Gaucks, die in der Blogosphäre begann, die wichtigen Printmedien der Republik erreicht. Götz Aly kritisierte in der linksliberalen „Zeit“ die „infamen Vorwürfe“ gegen Gauck, Harry Nutt kritisierte in der linksliberalen „Frankfurter Rundschau“ unter der Überschrift „Starke Meinungen“ (!) den „Furor“, der Gauck-Kritiker wie Yücel, Posener und Hasgall umtreibe.

http://www.zeit.de/2012/10/Gauck-Holocaust

http://www.fr-online.de/meinung/analyse-starke-meinungen,1472602,11762502.html

War es Josef Joffe, der einmal sagte, heute müsse man sich nicht dafür rechtfertigen, den Holocaust zu relativieren, mittlerweile sei es so, dass man sich rechtfertigen müsse, wenn man das kritisiert? Nun, wer auch immer das sagte, da ist was dran. Interessanterweise wurde Götz Alys Kritik der Gauck-Kritiker zustimmend auf der „Achse des Guten“ zitiert.

Dass Gauck, der in seiner Friedenspreis-Laudatio für David Grossmann vor zwei Jahren sagte, der israelische Autor habe den Preis bekommen, weil er sich „unverdrossen weigert, Teil einer Vergeltungsmechanik zu sein“, womit er bewusst ein antisemitisches Klischee der „Israel-Kritik“ bediente (Israel folge der „alttestamentarischen Vergeltungslogik“ des Aug um Auge, Zahn um Zahn) – dass Gauck also bei der nach eigenem Selbstverständnis pro-israelischen „Achse“ so gut wegkommt, kann man sich eigentlich nur damit erklären, dass er in Sachen Hauptwiderspruch (Wir gegen den Islam) mit seinem Lob des „Muts“, den Thilo Sarrazin bewiesen habe, indem er auf eine Minderheit eindrosch, Kurs hält, weshalb man in Sachen Nebenwidersprüche (Holocaustrelativierung, Israelkritik) gnädige Nachsicht walten lässt.

Eine Ausnahme freilich bildet – wie immer – Hannes Stein, dessen fulminante Kritik der Totalitarismus-Theorie sich implizit gegen Gaucks Positionen wendet (und auch einigen Achsen-Mitgliedern zu denken geben müsste, die wie Michael Miersch bis 1989 die DDR für das bessere Deutschland hielten und nun im Kampf gegen den „Klimatotalitarismus“ und den „Ökototalitarismus“ das damals Versäumte tapfer nachholen):

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/verspaetete_anmerkungen_zur_totalitarismustheorie/

Ich sollte hier vielleicht betonen, dass sich meine Vorwürfe allein gegen bestimmte Positionen Gaucks richten, nicht gegen die Person Gauck. Seine historischen Verdienste sollen ebenso wenig in Abrede gestellt werden wie sein guter Wille. Die Positionen kann er ja, guter Wille vorausgesetzt, als Bundespräsident korrigieren. Wenn nicht, hat Deutschland ein Problem.

Welcher Art dieses Problem ist, habe ich auf „Starke Meinungen“ in einer Reihe von Beiträgen in den letzten Wochen klarzumachen versucht. Mein Freund und Kollege Henryk Broder meint zwar provokativ: „Vergesst Auschwitz!“ – er meint damit, dass die heutigen Juden, von denen sechs Millionen in Israel leben, die wohlfeilen politisch korrekten deutschen Erinnerungsfeiern gern eintauschen würden gegen nicht so wohlfeile, dafür aber wirksame Verhinderungsmaßnahmen gegen den Iran und andere eliminatorische Israel-Feinde wie Hamas und Hisbollah.

Doch bei allem Verständnis für diese Position halte ich es eher mit meinem Freund, dem US-Historiker Jeffrey Herf, der gerade aus der Erinnerung an die deutsche Geschichte, einschließlich des Exports des eliminatorischen Rassenantisemitismus in den arabischen Raum durch die Nazis, eine besondere Verantwortung der Deutschen ableitet, den heutigen Antizionismus, sei er arabisch-nationalistisch oder islamisch begründet, zu bekämpfen. (Was man nicht tut, indem man Israel eine „Vergeltungsmechanik“ unterstellt, wie Gauck es tut, oder ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag das Recht auf Israel-Kritik betont, wie Hans-Gert Pöttering von der Konrad-Adenauer-Stiftung.)

Warum auch der „Anti-Totalitarismus“ in der unreflektierten, ich möchte sagen: unhistorischen Art, wie sie von Gauck vertreten wird, nicht nur theoretisch falsch ist, wie Hannes Stein brillant nachweist, sondern auch politisch problematisch ist, will ich hier nur andeuten. Gauck ist Erstunterzeichner der so genannten „Prager Erklärung“, über deren geschichtspolitische und aktuelle Hintergründe Shimon Samuels vom Simon Wiesenthal Center wie folgt urteilt:

http://www.wiesenthal.com/site/apps/s/content.asp?c=lsKWLbPJLnF&b=4442915&ct=7548759

Man muss Samuels nicht in allem folgen. Aber man sollte sich einmal fragen: Wovon ist Europa heute vor allem bedroht? Gibt es eine reale Bedrohung durch einen wieder erstarkten Kommunismus? So sehr man sich ärgern mag über Sahra Wagenknecht und Co. oder einen eingebildeten „Ökototalitarismus“ oder eine herbeihalluzinierte „Diktatur des Relativismus“: Längst haben wir es in Europa mit einer beängstigenden Renaissance des Nationalismus, der Eugenik, des Rassismus, der Xenophobie und des Antisemitismus zu tun.

Wobei selbstverständlich Islamofaschismus und islamischer Antisemitismus ebenso in diese Reihe gehören wie Islamophobie (oder wie auch immer man das nennen will, OK, ihr Wortklauber?), linker Antizionismus und der antieuropäische Nativismus eines Geert Wilders, der „Wahren Finnen“, FPÖ, Jobbik und Co. Die Massaker Breiviks und der NSU sind ebenso Weckrufe wie die Mordanschläge auf Mohammed-Karikaturisten oder auf die Übersetzer und Verleger der „Satanischen Verse“. Diese antihumanistischen Kräfte sind es, die den Nationalsozialismus hervorbrachten, und wie Bertolt Brecht sagte: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Wie es der Zufall will, erfahre ich heute, dass der jüdische Autor Akos Kertesz in Kanada um Asyl gebeten hat, weil er in seiner Heimat Ungarn, einem Mitglied der Europäischen Union, seines Lebens nicht mehr sicher ist. Ich kann gar nicht sagen, wie beschämt und traurig ich als Europäer bin.

http://www.tagesspiegel.de/kultur/ungarischer-autor-akos-kertesz-bittet-kanada-um-asyl/6285684.html

 

 

 

 

 

 

 

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

235 Gedanken zu “Noch einmal: Joachim Gauck, der Holocaust, Israel und Europa;”

  1. avatar

    @ Katrin Kemmler: Ich sehe die Gefahr nicht nur für den Liberalismus, sondern für die deutsche Demokratie

    Ich teile Ihr (unbegründetes) Urteil nicht, dass die Gefahr von links ausgeht. Aber Ihre Unterscheidung zwischen Liberalismus und Demokratie halte ich für wichtig. Demokratie ist nicht identisch mit Liberalismus. (Ich bin nicht sicher, ob Alan Posener in bzw. mit seiner Frage das Gegenteil unterstellt.)

    Wenn man zwischen Demokratie und Liberalismus unterscheidet, kann man in der gegenwärtigen Situation mit einigem Recht behaupten, dass die größte Gefahr nicht nur für den Liberalismus, sondern vor allem auch für die Demokratie vom Liberalismus ausgeht.

  2. avatar

    So was hat man wohl noch von keinem jüdischen Deutschen gehört:
    „The article, published by Amerikai Nepszava, a Hungarian-language newspaper in the United States, described wartime Hungarians as „genetically inferior“ for their role in the Holocaust and slams them for failing to admit responsibility for the deaths of more than 400,000 Hungarian Jews.

    Since Hungary „did not apologise, it will not receive absolution,“ he wrote.

    He also likened Hungarians to pigs who „like to wallow in the mud without worrying about the butcher who will soon slit their throats.“ Akos Kertesz

    pigs, genetically inferior. Die Realität ist wohl, dass Der Antisemitismus fast in jedem Land in Mauerritzen sitzt. Aber man kann ihn auch provozieren.

  3. avatar

    @Parisien: Also das ist schon ein verwunderlicher Gedankengang. Entscheiden es die gewählten Volksvertreter, ist es „undemokratisch“; stimmt man direkt ab, ist es „von der Presse manipuliert“. Wie hätten Sie’s denn gern? Ohne Presse? Aber woher wissen Sie, was Sie zu wissen glauben? Oder hätten Sie es am liebsten, wie Sie es für richtig halten? Sollen wir als Entscheidungskriterium also einfach Ihre Meinung übernehmen, nach dem Motto: Das wird schon stimmen?

  4. avatar

    Nein, Scrutograph, Kertesz hat ausprobiert, wie viel Wahrheit die ungarische Mehrheitsgersellschaft (Ihr Wort) verträgt.

  5. avatar

    Alan Posener:
    @ Alle: Mich würde die Antwort auf die Frage interessieren, die ich zum Schluss stelle: droht die Hauptgefahr für den Liberalismus von links oder von rechts?

    Geht es Ihnen wirklich nur um den Liberalismus? Der wurde in Deutschland vor allem durch Berufspolitiker zerstört, was ich aus nächster Nähe miterleben durfte. Seither bin ich für das Mehrheitswahlrecht, das würde die wenig politisch aktiven Bürger besser gegen dieses Phänomen bündeln. Außerdem wären extreme Ränder aus allen Himmelsrichtungen eingebunden. Und Großbritannien hat mit Thatcher und Blair mehr Liberalismus zustande gebracht, als eine FDP im letzten Jahrzehnt.

    Die anhaltenden Verortungsversuche auf der eindimensionalen Achse Rot-Braun oder Links-Rechts halte ich nicht nur für veraltet, sondern gefährlich. Weniger für den Liberalismus als für die Demokratie.

    Nehmen wir den Antisemitismus – ein Phänomen, das historisch immer Demokratien gefährdet bzw. verhindert hat. Der ist längst in der bürgerlichen Mitte angekommen, eine Fokussierung auf die Nationalsozialisten dient letzten Endes nur einer falschen Entlastung der Verdächtigen. Schlimmer noch, Vertreter der extremen Linken, die die Demokratie und den Kapitalismus für etwas ‚Besseres‘ (wofür wohl?) überwinden wollen, nutzen ihren vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus als Tarnweste.

    Schlussendlich werde ich mich nicht um eine Antwort drücken und trotz aller Bedenken auf Ihr Verortungs-System einlassen. Von links. Ich habe Ihre Frage gelesen, kurz nachdem sie online war. Und seither darüber nachgedacht. Ich sehe die Gefahr nicht nur für den Liberalismus, sondern für die deutsche Demokratie, in der aktuellen Situation von links. Dabei spielen auch die Medien eine Rolle.

  6. avatar

    Jetzt fällt mir ein Fehler auf, der Satz: Israel ist heute dieser Nationalstaat. gehörte nicht mehr zum Zitat aus Richard Rhodes Buch „Die deutschen Mörder“. Also der Satz ist von mir.

  7. avatar

    @Lyoner: In welcher Kneipe können Sie Ihren Lokalpatriotismus in den Zeiten der Globalisierung am besten feiern? Den Bayern hat die deutsche Einheit kulturell nichts ausgemacht; ihr Oktoberfest, ihre Gaudi und ihre Weißwürschte gibt es nach wie vor. Dass die EU neben einem konservierenden Liberalismus auch nivellierende Tendenzen hat (Stichwort Überregulierung), ist sicher richtig, aber hier lässt sich gegensteuern, ohne dass man in den vermeintlich sicheren Hafen des Nationalstaats zurückfahren muss. Die so schön gemütlich vor sich hindämmernden Trinker in den Hafenkneipen können sehr ungemütlich werden, wenn sie erwachen.

  8. avatar

    Kerstin: Musste Joschka Fischer nicht auch Widerstände überwinden?

    … das glaub‘ ich nicht … der hat keine Seele. Er, der Taxifahrer, nimmt Auschwitz als Begründung und bombardierte den Kosovo.

  9. avatar

    @ Roland Ziegler
    „Dem Ergebnis eines solchen Votums in Deutschland sollten wir aber nicht vorgreifen; ich könnte mir gut vorstellen, dass die Deutschen für Europa abstimmen würden.“

    Die Mehrheit der Deutschen sind mainstream-pressehörig. Man würde ihnen das also richtig verkaufen. Da ich finde, dass das nur Zukünftige betrifft, sollte man über 70Jährige von der Wahl ausschließen. Sie haben uns schon genug vererbt: Ihre Vergangenheit mit ihren Nazieltern, ihre Rentenlast, weil sie zugelassen haben, dass man mit ihren Renten macht, was man will, ihre Europahhörigkeit, ihre Glotzenabhängigkeit, Schulden. Mal sehen, wie das dann ausginge, denn die Jüngeren lesen mehr online.

    Das ist vollkommen abhängig von den Medien generell. Wenn die Medien den Deutschen reinen Wein einschenken und ihnen wahrheitsgetreu sagen, dass wir für griechische Bootsbesitzer und Banken arbeiten und daneben noch voll für die Franzosen, und dass die griechische Bevölkerung wenig von unseren Bürgschaften hat, dann ginge das wohl anders aus. Denn theoretisch können sich einige Deutsche ein paar griechische Patenfamilien suchen und gingen dabei finanziell günstiger ‚raus. Wenn die Medien den Waffen-Milliardendeal von Griechenland groß aufmachen würden, würden die Deutschen nicht für Europa stimmen. Derblondehans würde hierfür gar nicht gebraucht.
    Und Bayern zahlt nicht gern für Berlin. Die Strafe für gutes Regieren ist heute, dass man an die zahlt, die das vermasseln. Die Strafe für gute Wirtschaftsleistung ist dieselbe bei stagnierendem Gehalt der Angestellten. Das ist wie eine Aufforderung an die Deutschen: Kommt, macht mal’ne Fuffzehn. Und wenn ein paar Immigranten angeben, sie wollten gleich auf Hartz 4 hinarbeiten, ist das gar nicht so dumm.

  10. avatar

    @ Lyoner
    Trotz Ihrer Israelkritik und Ihres Antizionismus, der aber kein Antisemitismus ist, jedoch von Posener so interpretiert wird, kommen Sie manchmal als der Vernünftigere ‚rüber. Inzwischen ist mir aufgegangen, dass Posener mich ebfs. auf seine Antisemitenliste gesetzt hat, nämlich mit der Bemerkung mit Henning Mankell. Es ist sicher keinem Staat Israel und keinem Juden gedient, wenn einige narzisstische Rechthaberschreiberlinge ganz normale Leute in die Antisemitenecke schieben.

  11. avatar

    @Lyoner: Die europäische Einigung ist anders, als Sie es hier darstellen. Es geht nicht um die Aufgabe oder Überwindung von „begrenzten, lokalen Strukturen“, sondern im Gegenteil darum, diese Strukturen in eine höhere Stufe der Organisation einzubetten, die ihr Überleben garantiert. Im 20. Jahrhundert haben wir gesehen, dass Nationalstaaten, die nicht politisch vereinheitlicht und in einer höheren Organisation eingebunden sind, dazu tendieren, sich gegenseitig zu bekriegen. Diese Tendenz kennen wir auch schon aus der deutschen Kleinstaaterei. In Deutschland hat die Idee des Föderalismus für eine Beruhigung dieses Konfliktpotentials gesorgt. Die Bayern zahlen für die Preußen, wer hätte das vor ein paar Jahrhunderten gedacht. Die europäische Einigung versucht nun, im Zeitalter der Globalisierung eine entsprechende Struktur zu schaffen.

    Eine föderale Vereinigung ist nur mit einer prinzipiell egalitären Moral möglich, hier haben Sie recht. Der Weg zurück zum Nationalistaat ist aber, anders als Sie es hier darstellen, auch mit einer egalitären Moral denkbar, zumindest was die Moral innerhalb der Grenzen des jeweiligen Nationalstaates angeht. Hier unterliegen Sie einem Irrtum.

    Wir Deutschen profitieren bereits von einem innerstaatlichen Föderalismus und könnten auch von einem entsprechend ausgebauten euopäischen Föderalismus profitieren. De facto profitieren gerade wir bereits jetzt, in der ökonomischen Krise, in erheblichen Maß davon. Trotzdem glaube auch ich, dass die weitere föderale Integration nicht ohne explizite demokratische Legitimierung weitergehen sollte. Und wenn die Nationen per Votum auf die Vorteile der Vernetzung verzichten und den Gefahren neo-nationaler Konfrontationen ins Auge sehen wollen, dann ist es eben so. Dem Ergebnis eines solchen Votums in Deutschland sollten wir aber nicht vorgreifen; ich könnte mir gut vorstellen, dass die Deutschen für Europa abstimmen würden. Dann wäre z.B. dem Protestgeschrei unseres blonden Hans der Boden entzogen.

  12. avatar

    Noch einmal zur Rede von Gauck. Die Überschrift seiner Rede hieß: Welche Erinnerungen braucht Europa? Sein Fokus liegt mir zu sehr auf den Bemühungen der Aufklärung über den Kommunismus und dessen Verbrechen, sicher auch seiner persönlichen Geschichte geschuldet. Gleichzeitig frage ich mich, ob Herr Gauck die Aufklärung über den Nationalsozialismus in der „alten“ BRD nicht idealisiert. Hat sich Aufarbeitung der Verstrickungen und Schuld im Nationalsozialismus nicht auch erst nach Beendigung des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des Ostblockes forciert? Musste Joschka Fischer nicht auch Widerstände überwinden? Erst 2005 setzte Fischer als Außenminister eine Historikerkommission ein. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Täter, Mitläufer und Zeitzeugen bereits gestorben oder politisch nicht mehr aktiv.

    Erhalten wir heute Akteneinsicht in die Archive der Nachkriegsgeschichte der „alten“ Bundesrepublik?

    Schuld bedingt in unserem Bewusstsein immer Strafe, wie soll dann Aufklärung möglich sein. Das Stasi-Unterlagengesetz unterteilt sehr stark nach Tätern, Begünstigten und Betroffenen, so einfach ist die Lebenswirklichkeit nicht.

    Noch einmal will ich auch etwas zum Satz „wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird“ (Gauck- Rede) schreiben. Wenn man sich das Protokoll der Wannenseekonferenz http://www.dhm.de/lemo/html/do.....index.html ansieht, kann man die genauen Planungen der Nationalsozialisten begreifen. 11 Millionen Menschen sollten ermordet werden, weil sie Juden waren. In seiner Posener Rede vom 4. Oktober 1943 bestätigt Himmler die Vernichtung der Juden als Parteiprogramm.

    Und ein weiterer Punkt aus der Gauck-Rede: Käme nicht zum dominierenden Erinnerungsgut ´Großer Vaterländischer Krieg´, zu den Opfern, die er forderte, und dem Sieg über den Feind ein Schwerpunkt hinzu, der die so notwendige Bearbeitung der Schuld an 70 Jahren Staatsterror unterminieren würde? (Gauck Rede)

    Waren Juden nicht auch Opfer des, wie er es nennt, 70 Jahre Staatsterrors, auch auf Grund ihrer Religion? War es den Ausreisewilligen möglich nach Gründung Israels auszuwandern? War es den Überlebenden möglich ihren jüdischen Ermordeten zu Gedenken?

    Nach dem Krieg wurde die besondere Situation des russischen Judentums von der Sowjetmacht nicht anerkannt. Man hüllte sich in Schweigen über die Verfolgungen und verdrängte jede Erinnerung daran. (Quelle: Gerhart M. Riegner: Niemals verzweifeln)

    Bei der Beschäftigung mit dem Holocaust musste ich feststellen, dass das Versagen ein Gesamteuropäisches, ja auch ein Versagen der gesamten Welt war.

    Richard Rhodes schreibt dazu in seinem Buch „Die deutschen Mörder“: Für die Nationalsozialisten waren die Juden eine eigene Nation, für die übrige Welt aber waren die west- und osteuropäischen Juden Menschen verschiedener Nationalität, Bürger fremder Staaten. … Die jüdischen Opfer – Bürger eines anderen Staates und somit dessen Problem – fielen in die anarchischen Lücken des Nationalstaatensystems. Israel ist heute dieser Nationalstaat.

  13. avatar

    @ Lyoner
    „Natürlich kommt die Hauptgefahr nicht von links, ist doch das Europa-Projekt, so hat es uns Posener gelehrt, zwar ein Elite- bzw. Avantgardeprojekt, aber ein unbestreitbar linkes Projekt (z.B. Vereinheitlichungen der Standards durch Brüssel, Käseverordnung für alle, finanzielle Transfers = Umverteilungen); Widerstand kann nur von einer rechten Position formuliert werden. Dafür, dass “Liberalismus” (bzw. der liberale Kapitalismus) strukturell “links” ist, steht in Persona Alan Posener, die Fleisch gewordene Kontinuität vom linkem Weltrevoluzzer zum neoliberalen Weltrevoluzzer;“

    Und jetzt machen Sie mal ein Experiment, das vielleicht Sloterdijk auch schon gemacht hat: Fragen Sie sich mal, ob „liberaler“ europäischer Kapitalismus wirklich „links“ ist oder viel eher faschistoid-reaktionär, auch in der Form, wie Gesetze verordnet werden von Nichtgewählten, aufgezwungen werden von außen, Gesetze, die fast kein Staat will, gegen die sich nur GB und die Tschechei zur Wehr setzen, während unsere Marionetten tanzen und zahlen. Außerdem, ob man jegliches Aufbegehren dagegen eindeutig als „rechts“ bezeichnen kann, vor allem, wenn das Aufbegehren den Erhalt freier Meinungsäußerung und von Individualität beinhaltet. Ob Quoten wirklich links sind, wenn sie im Endeffekt dazu führen, dass der Erfolgsstandard zwangsläufig erniedrigt wird, ist auch eine Frage, und, davon abhängig, ob ein Versorgungsfeminismus, der nicht mal einen wirklichen Pool im Hintergrund hat (weil viele Frauen gar nicht in Top-Positionen in die Wirtschaft wollen), etwas Reaktionäres in sich trägt, denn eigentlich können die meisten Frauen auch allein hoch, wenn sie denn wollen. Zum Leidwesen der sog. Sekten, einer Art Vereinheitlichungsdogmatiker, wollen sie aber oft Geisteswissenschaften oder Sprachen studieren und Teilzeit arbeiten. Alles, was von oben ungefragt aufgedrückt wird, ist doch fern von links, es sei denn, man würde unter links nur soziokommunistische Vereinheitlichung verstehen. Das wäre aber dann nur der Ersatz ehemaliger royaler Eliten durch Polit- und Wirtschaftseliten. Der Rest liefe unter ferner liefen. Alles schon gehabt. Und die Erkenntnis, dass man nicht mehr zählt, ist schon längst da, wie auch ein wachsender Groll. Die meisten haben keine Lust, sich für Aktionäre aus Indien oder Mexico den A…. aufzureißen. Dann schon lieber Königshäuser. Alan Posener hält sich vermutlich für moderne Elite und macht das mit. Wenn Modernität und Neuerung alles sind, das zählt, und somit den Ausgangspunkt jeglicher Beurteilung bilden, entsteht eine Gesichtsfeldeinschränkung. Aber bitte, die Masse hält Twitter heute für bedeutender als Goethe, obwohl man bei Goethe echte Gedanken liest, bei Twitter dagegen aus dem Zusammenhang Kopiertes und dann Verfälschtes.

  14. avatar

    @ APo:
    Ich habe die Einlassung mit „free gaza ship“-Mankell bewusst überlesen.

    Dies hier finde ich putzig:
    @ Parisien und die Achsen-Crew: Vielleicht dämpft das hier Ihre Gauck-Begeisterung:
    usw.

    Sie sind keine Migranten und dieses Innen hinten dran ist typisch für diese Sorte Frau. Westdeutschland hat meistens auf Wiedervereinigung hingearbeitet, und beide sprechen deutsch. So wie Serdar übrigens. Das ist vermutlich auch kein Migrant mehr. Das sind alles stinknormale Deutsche, aber Katrin Göring-Eckardt scheint das nicht zu reichen, und Gauck nimmt die Bemerkung dankbar auf. Man merkt, er ist jetzt fast ein Politiker. Und das ist beinahe gleichbedeutend mit …… Wie wir alle wissen.
    Übrigens bestehen wesentliche Unterschiede zwischen Migrantinnen und Migranten – die üblichen Unterschiede bei den Geschlechtern in der Mord- und Kriminalitätsstatistik. Das Wort MigrantInnen ist daher für Muslimas ehrverletzend, denn meistens wird es in Zusammenhang mit kriminellen Entgleisungen verwendet. Ansonsten sagt man gelassen Türken oder auch Muslime. Es ist so ein „zu heiß zum Anfassen“-Wort.

  15. avatar

    Die Stammgäste wissen, dass sie von dem Barmixer der unheimlichen Herberge „Wohlwollendes Imperium“ zuverlässig Zaubertränke bekommen, zuletzt die einzigrichtige Version von Holocaust, von deren Rezeptur abzuweichen Relativierung, also Anathema ist, oder die Diätvariante des Zionismus als „letzte Zuflucht“, für die Posener jetzt in Akos Kertesz (http://de.wikipedia.org/wiki/%.....rt%C3%A9sz) den passenden Kronzeugen gefunden hat.

    Heiliger Bimmbamm, jetzt wird „Gauck, der Holocaust, Israel und Europa“ zusammengeschüttet und gerüttelt. Es rumpelt und pumpelt in dem Bauch. Ich gehe jedoch nach wie vor gerne in diese Bar, weil ich einen robusten Magen habe und mich so schnell kein Cocktail umhaut.

    Gerne versuche ich den Bestandteil herauszukosten und zu schmecken, auf den der Mixer besonders stolz ist

    „Aber man sollte sich einmal fragen: Wovon ist Europa heute vor allem bedroht?“
    „Mich würde die Antwort auf die Frage interessieren, die ich zum Schluss stelle: droht die Hauptgefahr für den Liberalismus von links oder von rechts? Eine Entscheidungshilfe:
    http://www.welt.de/print/die_w…..oepfe.html“.

    Ich bin mir sehr wohl dabei bewußt, dass ich in Gefahr gerate, mich mit rechten Mordbuben gemein zu machen, wenn ich die Frage nicht mit Poseners „Entscheidungshilfe“ richtig beantworte. Könnte man dem Mixer besser und schematischer antworten als Roland Ziegler, der Theoretiker einer egalitären Moral?

    „@Alan Posener: Nach meiner Meinung haben Sie diese Frage völlig richtig beantwortet; sie droht von rechts, als nationalistische Reaktion auf den europäischen Vereinigungsprozess.“

    („europäischer Vereinigungsprozess“ und „Liberalismus“ sind egalitär, nationalistische Reaktion antiegalitär)

    Ich atme tief durch, gebe mir einen Ruck und wage dieses Schema zu „relativieren“. Seine Prämisse ist, dass die Bewertung apriori ganz klar ist, dass „Liberalismus“ und „europäische Einigung“ per se das Summum Bonum sind, „nationalistische Reaktion“ dagegen des Teufels, wer wagt dies denn noch zu bezweifeln? Natürlich kommt die Hauptgefahr nicht von links, ist doch das Europa-Projekt, so hat es uns Posener gelehrt, zwar ein Elite- bzw. Avantgardeprojekt, aber ein unbestreitbar linkes Projekt (z.B. Vereinheitlichungen der Standards durch Brüssel, Käseverordnung für alle, finanzielle Transfers = Umverteilungen); Widerstand kann nur von einer rechten Position formuliert werden. Dafür, dass „Liberalismus“ (bzw. der liberale Kapitalismus) strukturell „links“ ist, steht in Persona Alan Posener, die Fleisch gewordene Kontinuität vom linkem Weltrevoluzzer zum neoliberalen Weltrevoluzzer; und Roland Ziegler sekundiert

    „Inzwischen können wir erkennen, dass eine (rationalistische) Staatsform, die die egalitäre Moral umsetzen kann, nicht die Diktatur des Proletariats o.ä., sondern die plurale, liberale Demokratie ist.“ (http://starke-meinungen.de/blo.....ment-12587)

    Es wird Zeit, an die Interpretationsvorschläge Ernst Noltes zu erinnern; ich verkürze hier radikal: Die „Linke“ steht für eine Transzendenz, einen radikalen Egalitarismus verbunden mit einer Fortschritssideologie und einer radikalen Feindschaft gegen das „Reaktionäre“ und das „Überlebte“, die „Rechte“ für einen radikalisierten Konservatismus. Im Weltbürgerkrieg des 20. Jahrhunderts ist der Exzess des Nationalsozialismus, der Exzess des Holocaust auch als Reaktion auf den Vernichtungswillen, den roten Terror und die radikalen Segnungen der Lenin, Stalin, Trotzky, Kamenew, Sinowjew u.v.m. (Nolte hat auf die Verzerrung im Begriff „jüdischer Bolschewismus“ hingewiesen).

    „Der Schoß ist fruchtbar noch“, raunt Alan Posener, „Längst haben wir es in Europa mit einer beängstigenden Renaissance des Nationalismus, der Eugenik, des Rassismus, der Xenophobie und des Antisemitismus zu tun.“

    Bei allen Unterschieden zwischen einem Posener und einem Bolschewiken in der Zeit der Revolution scheint mir ein Gemeinsames in dem mangelnden Verständnis, ja in der Verachtung gegenüber begrenzten, lokalen Strukturen, lange gewachsenen, traditionellen Zugehörigkeiten, kollektiven Differenzen zu liegen (das Stammpublikum erinnert sich sicher an diverse Auseinandersetzungen auf diesem Blog).

    Sicher liegen der „nationalistischen Reaktion“ Fehlinterpretionen im Bedrohungsszenario und Lösungsmöglichkeiten zugrunde, ich möchte jedoch vorschlagen, darin auch Stresssymptome und allergische Reaktionen gegen sich beschleunigende Veränderungsprozesse, die man als fremdbestimmt erlebt, die man nicht mehr kontrollieren kann, durch die man entfremdet wird, an die man sich nur schlecht adaptieren kann etc. zu sehen.

    Ich denke, man sollte jedoch in der Abwehr, wenn man will: „Reaktion“, das Feld nicht den Extremisten überlassen, die das gerne übernehmen, wenn sie im Mainstream vernachlässigt wird. Ich habe hier vor kurzem in einer ähnlichen Diskussion auf Peter Sloterdijks Diskurs der „asymmetrischen Ausdehnung“, des „Lokalismus“ verwiesen, glaube, dass dieser nützlich für eine Neuvermessung des Geländes sein kann:

    „Politisch ist das örtliche Kraftfeld nicht, sofern in ihm Kollektivaffekte zirkulieren – sonst wäre die Politik nur die Emanation von lokalen Unruhen und Perfidien; es ist politisch, sofern das Gemeinwesen, die Stadt oder die Nation (oder auch die Nationengruppe), die Realisierung eines an seinem Ort verkörperten Willens ist, mittels der ausgestrittenen Differenz von Meinungen und Leidenschaften erkannte Aufgaben zu lösen und gefundene Lösungen der Nachprüfung zu unterziehen. dies gelingt nur, wenn der politische Ort sich lokalegoistisch und lokalenthusiastisch zugleich in die Zukunft projeziert – das heißt, wenn der Ort stärker ist als die Ideologien und bürgerliche Kommune attraktiver bleibt als die multinationalen Sekten, die nach dem Staat greifen. Wenn ich nicht provinziell empfinden kann, kommt Politik als Beruf für mich nicht in Frage. Die res publica funktioniert nur als ein Parlament der Prtsgeister. Bürgergesellschaften verwahrlosen schnell, wenn sie durchreisenden Ideologen und Sektenführern in die Hände fallen (…) Die totalitären Konzeptpolitiker des 20. Jahrhunderts haben demonstriert, bis wohin die Machtübernahme phantomhafter Programme auf Kosten der polis-basierten Immunkräfte und bürgerlichen Ortsgeister binnen weniger Jahre führen kann.“ (Im Weltinnenraum des Kapitals, Kap. 41)

    Kein Wunder, dass die Totalitarismustheorie dem einen oder anderen nicht schmeckt.

    @ Parisien

    Ich kann Ihnen bezüglich Grossman nur Recht geben. Sein Buch „Der Gelbe Wind“ aus dem Jahr 1988 trägt m.E. immer noch am meisten zum Verständnis des israelisch-palästinensischen Konflikts bei. Ob der Leser Posener mit seinen Abwehrreflexen Grossman Lagebeschreibung versteht, halte ich für fraglich.

  16. avatar

    @Torsten Zeiß: Ein interessanter Artikel, den Sie da verlinkt haben. Da stehen alle Stickwörter drin, die wir hier mühsam zusammentragen. Geschrieben von einem Theologen. Auch Herr Gauck ist ein Theologe (oder jedenfalls ein Pfarrer). Es ist auffällig, dass die Forderung, den Holocaust nicht metaphysisch zu deuten, ausgerechnet von Theologen aufgestellt wird. Ich frage ich, ob sie damit nicht sich selber meinen, denn wer deutet denn die Dinge normalerweise metaphysisch-eschatologisch? Doch wohl die Theologen.
    Ich würde Herrn Gauck vorschlagen: OK, keine metaphysische Überhöhung, also lasst uns die Theologie vergessen und stattdessen unsere Rationalität einsetzen, gerne auch in ihrer Zweckrationalitätsvariante, denn die hat die Prügel einstecken müssen, die sich die Theologie verdient hat.

    @Scrutograph: Politisch hat der Nationalismus in seiner autoritären Form bei uns keine Chance, das glaube ich auch. Gefahr droht aber trotzdem, insb. den Minderheiten, von unangenehmer Stimmungsmache bis zu offener Gewalt. Die NSU-Zelle ist nur die Spitze eines Eisbergs, sie erfreut sich tragender Strukturen in der Bevölkerung. Was uns politisch droht ist eine Rückwärtsbewegung, von Europa „back to the roots“ zum Nationalstaat, und in dieser Bewegung kann es sein, dass sehr unangenehme Emporkömmlinge in Form einer Rechtsaußen-Partei auf der Bildfläche erscheinen. Aufgrund der erfreulichen Stümperhaftigkeit dieser Kräfte und der besonderen Sensiblität von Deutschland ist dies bisher noch nicht geschehen, aber das kann sich bald ändern.

  17. avatar

    – Es gab in den Kirchen einen Kristallisationspunkt des Widerstands, der im Glauben selbst beschlossen liegt: Wer, wie Joachim Gauck und viele andere eben auch, im Christentum eine höhere Autorität als eine staatliche erlebt und lebt, ist womöglich dem ideologischen Zugriff einer politischen Religion entzogen, deren Rituale und Versprechungen sich tagtäglich an den Tatsachen ihres realen Versagens messen müssen. Und noch einen Vorteil hatte die protestantische Kirche der DDR anzubieten: Hier durfte selbst an Gott und seiner Gnade gezweifelt werden. Für alle politischen Religionen des 20. Jahrhunderts hingegen ist Zweifel Anathema. Zumindest ihrem Gründungsvater Karl Marx war das bekannt, als er bei Gelegenheit bemerkte, er selbst sei kein Marxist. Ein genialer Rechthaber war er allerdings doch.

    Es lohnt sich, nach all den Jahren heute noch aus einer Predigt Gaucks auf dem Rostocker Kirchentag von 1988 zu zitieren, da sie den Geist und die Aufbruchsstimmung der DDR in den letzten Jahren ihrer unseligen Existenz zur Sprache brachte: „Wenn Hoffnung echt ist, riskiert sie etwas. Nicht Idylle, sondern Veränderung umgibt sie. Eine Schwester von ihr heißt Unruhe. Bitte erschrecken wir nicht, sondern bedenken wir, wohin uns die Ruhe gegenüber allem Unrecht geführt hat! Die etablierte Christen- und Bürgergemeinschaft muss wohl lernen, ihren Unruhestiftern zu danken. Sie lehren uns: Finde dich nicht ab mit dem, was du vorfindest!“

    http://www.faz.net/aktuell/feu.....55213.html

  18. avatar

    @Ziegler

    Eine Reaktion ist aber kein Vordringen. Handelt sich beim Rechtsterrorismus nicht eher um Verzweiflungsschläge eines defensiven Nationalismus, der seine Felle davonschwimmen sieht? Die NSU-Zelle überlegte die Auswanderung und suizidierte sich. Das spricht nicht dafür, dass man von dieser Seite eine große Zukunft für sich sieht.

  19. avatar

    Herr Posener, Sie versuchen ihre Meinung mit einer bekannten Argumentation durchzusetzen. Die tatsächlich vorhandene Fremdenfeindlichkeit (wobei der Begriff auch einer Überprüfung bedarf, wie der Rest der von Ihnen gebrauchten Begriffe), die nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Israel vorhanden ist, wird nicht auf ihre Gründe hin analysiert sondern die verbreitete Kritik am real existierenden Fehlverhalten Fremder als Nationalismus, Rassismus, Xenophobie, Antisemitismus, Antizionismus und Nativismus bezeichnet. Die Massaker Breiviks und der NSU sind dann noch das i-Tüpfelchen als Beleg, dass „der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem das kroch.“ Der Schoß, der zum Holocaust führte? Es ging in der Debatte, daran sei erinnert, um die Frage, ob Gauck den Holocaust relativiert habe, als er diesen mit den Verbrechen des Kommunismus in eine Reihe stellte.

    „Die antihumanistischen Kräfte, die den Nationalsozialismus hervorbrachten“ sind nicht wiederbelebbar, da die Bedingungen für die Entstehung des Nationalsozialismus entfallen sind. Dieser war, das sei zur Erinnerung angefügt, auch angetreten, um die Nahrungsgrundlage und Rohstoffbasis durch einen Kolonialkrieg Richtung Ukraine sicherzustellen.

  20. avatar

    @ Alan Posener
    Nach Lesen des links:
    Wir Westdeutschen haben manchmal ein Problem: Wir spalten sowas wie Chemnitz ab – das ist igitt, hat nicht mit uns zu tun und ist ein Folgeschaden der DDR, die wenig Aufarbeitung betrieben hat, weil ja die Kommunisten auch eingesessen hatten und daher unschuldig waren. Wir verdrängen das und betrachten solche Sachen eher als Nester und weniger als generellen Trend. Und ehrlich gesagt, ist dieser Trend auch im Westen weniger ausgeprägt. Natürlich gibt einem das zu denken.
    Falls Sie denken (Selbstverleugnung!), das sei von achgut geprägt,vergessen Sie’s. Es steht reichlich auf achgut, womit ich nicht immer einverstanden bin. Aber ich nehme Broder da ‚raus, denn Broder hat diese Seite, die Hansjörg Müller gestern beschrieb: Harte Schale, weicher Kern. Das habe ich einst in fünf Minuten erfasst. Und er ist klug, klüger als ich, vielleicht klüger als Sie. Er ist ein Logiker. Wenn man ihm widerspricht, kommt er mit seiner unbestechlichen Logik. Ich sah bei jener Lesung eine antiamerikanische Frau voll bei ihm auflaufen. Er hatte Argumente en masse und sie nicht. Und außerdem hat er ein relativ gutes Gefühl für Personalien. Er hat Gauck immer schriftlich gestützt. Das hat mehr mit Individualismus und Freiheit zu tun als mit Ihrem gefürchteten Feindbild rechts. Auch Geert Wilders ist m.E. nicht ganz so rechts wie es scheint. Wenn er ander Regierung wäre, würde er Abstriche machen. Geert Wilders ist kein Genie im Diskurs. Viel armseliger als z.B. Hitler, der ein Rattenfänger war, was wir heute zu oft unterschätzen.

  21. avatar

    @ Alan Posener
    Die Frage:
    @ Alle: Mich würde die Antwort auf die Frage interessieren, die ich zum Schluss stelle: droht die Hauptgefahr für den Liberalismus von links oder von rechts?

    Erstmal ohne den link: Zunächst von links, wenn man den Nanny-State, der für alle alles regeln will mit Mitteln der Unterdrückung wie Einschränkung der Meinungsfreiheit, als links ansieht. Von links auch, wenn man Brüssel so betrachtet. Die Antwort darauf ist ein Anwachsen rechts, was man seit Jahren in Nachbarländern beobachten kann. Links oder rechts, das war auch nach 1918 die Frage. Von 1949 bis 1989 war dies ein mehr oder minder in der Mitte orientierter Staat, während unser Stichwortgeber nach dem Krieg, die USA, vorübergehend schwere Schlagseite nach rechts hatten (McCarthy). Ich sehe die Gefahr grundsätzlich von beiden Seiten, weil eins das andere fördert. So wie Torsten Zeiß beschreibt:
    „Er erhielt Unterstützung durch den französischen Historiker François Furet, der in einem Brief an Nolte zustimmend feststellte: „Die faschistische Bewegung hat sich vom Antikommunismus genährt und die kommunistische Bewegung vom Antifaschismus.“ Diese spiegelbildliche Links-Rechts-Gegnerschaft lässt sich auch heute noch beobachten.“

    Sich auf eine Gefahr zu konzentrieren hieße die andere negieren, die dann entsprechend anwächst. Zu rechts: Wenn man alle Maßnahmen, die die USA nach 9/11 ergriffen haben inclusive Überwachung der eigenen Bevölkerung und Nacktscanner und Datensammlungen als rechts betrachtet, ist das vielleicht die größere Gefahr, aber auch nur, solange es nicht direkt vor der Haustür knallt. Und da hatten wir in Deutschland bisher Glück.

    Selbstverleugnung? Nein. Ich habe mich entschlossen, daran zu glauben, dass Gauck ein guter Präsident wird. Glaubensfrage. Lesen Sie Roland Z. unter Herrn Kocks. RZ bringt es auf „alles besser als das“ (Wulff). Und das ist doch wohl wahr. So etwas Seichtes und Egozentrisches hatten wir selten in der Politik. Keine Antennen für dezente Entscheidungen. Dann, wie gesagt, Entschluss. Genauso, wie ich mich eines Tages entschloss, wohl wissend, dass der Staat nicht perfekt ist, proisraelisch zu sein, u.a., weil ich eine Deutsche bin. M.E. obliegt das der freien Willensentscheidung, da keine der beiden Seiten ganz Engel ist und keine aktuell ganz Opfer. Nur wird die eine Seite seit Munich und Entebbe und Achille Lauro beständig selektiert, und das macht Herzschmerzen. Wem das nicht auf den Senkel geht, oder wer antiisraelischen Terrorismus gut redet, ist zwangsläufig ein Antisemit.

  22. avatar

    @ Parisien und die Achsen-Crew: Vielleicht dämpft das hier Ihre Gauck-Begeisterung:
    „Gauck bedauert seine Äußerungen zu Sarrazin und betont: „Es gibt weder in meinem Herzen, noch in meinem Kopf Ressentiments gegen die, die anders sind.“ Die Thüringerin Katrin Göring-Eckardt erinnert den Mecklenburger daran, dass auch er und sie MigrantInnen seien. MigrantInnen in ein anderes Land und in ein anderes System. Gauck gefällt die Formulierung. „Die übernehme ich sofort.““
    http://www.gruene-bundestag.de.....ktion.html
    Ich finde das gut. Vielleicht bedauert und korrigiert er auch seine Ausführungen zum Holocaust und zum Totalitarismus.

  23. avatar

    APo: Alle: Mich würde die Antwort auf die Frage interessieren, die ich zum Schluss stelle: droht die Hauptgefahr für den Liberalismus von links oder von rechts?
    … tja, einige sind da schon weiter. ‚Links‘ und ‚rechts‘ finden sich im Mohammedanismus wieder. Beispiele in Vergangenheit und Gegenwart zuhauf.

    Oder meinen Sie, die Mohammedaner begnügen sich mit Israel? Da ist selbst Serdar schon weiter.

    Einfach mal ein Comic lesen, wenn Ihnen die Offenbarungen, sowohl des Jesaja oder des Johannes, oder die eigenen Gedanken nicht passen. (Das soll keine Beleidigung sein.)

  24. avatar

    @Alan Posener:
    Es ist selbstverständlich falsch, den nationalsozialistischen Terror als eine berechtigte Antwort auf den kommunistischen Terror hinzustellen. Diesem Vorwurf setzt sich Nolte aus, wie ich ja geschrieben habe. Die beiden Ideologien aber in Beziehung zu setzen, ist absolut notwendig, da unter Umständen nur aus ihrer leidenschaftlichen Konfrontation ein bis dahin beispielloses Ausmaß an menschlicher Gewalt erklärlich ist. Der Liberalismus der Weimarer Republik ist zwischen zwei gleichermaßen demokratiefeindlichen und antiliberalen Strömungen zerrieben worden. Als Antwort auf Ihre Frage an alle würde ich antworten, dass wir auch heute bei der Verteidigung des Liberalismus weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind sein sollten.

    @Roland Ziegler:
    Sich auf paradoxe Weise die Sicht der Nationalsozialisten zu eigen zu machen heißt, den Völkermord gewissermaßen zu „theologisieren“, indem man ihm einen metaphysischen Mehrwert zuschreibt. Diese Deutung, welche sich auf René Girards Theorie beruft, stammt von Eckhard Nordhofen, der in der Auseinandersetzung mit unserem schwierigen Erbe die Tendenz zur „Inversion der Heilsgeschichte zur Unheilsgeschichte“ erkennt. Ich empfehle diesen Text, der am 3.3.1995 in der ZEIT erschien, da er dieser sensiblen Materie besser gerecht wird, als ich es hier in wenigen Zeilen leisten kann:
    http://www.text-und-zeit.de/kult/verg003.html

    Wenn ein Marsmensch nach Deutschland käme, müsste er angesichts der Inbrunst des ritualisierten Gedenkens zweifellos den Eindruck gewinnen, dass wir selbst die Opfer und nicht etwa die Täter gewesen sind. Oder wie Henryk M. Broder meint: Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird offenbar umso stärker, „je länger das Dritte Reich im Abgrund der Geschichte ruht.“
    http://www.spiegel.de/kultur/g.....19,00.html

  25. avatar

    @ Alle: Interessant Micha Brumliks Kritk an Gaucks Totalitarismusbegriff:
    http://www.taz.de/!88441/
    @ Serdar: Der Anteil muslimischer Zuwanderer in Deutschland beträgt zurzeit etwa fünf Prozent, mit und ohne deutschen Pass. Ich würde also an Ihrer Stelle nicht Phobien wecken, indem ein zukünftiges Deutschland beschworen wird, das „zu einem großen Teil aus Migranten besteht“. Das wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Aber das nur nebenbei. Es muss ganz klar gesagt werden: Deutsche, die die „Gnade der späten Geburt“ genießen (Helmut Kohl), sind genau so viel oder so wenig vom Holocaust betroffen wie etwa türkische Zuwanderer. Es mag nicht Teil der türkischen Staatsräson sein, Israel zu schützen, weil die Türkei anders als die Bundesrepublik Deutschland nicht Nachfolgestaat des Dritten Reichs ist, aber erstens übernimmt jeder, der die deutsche Staatsbürgerschaft übernimmt, auch diese Verantwortung, und zweitens ist der Holocaust eben von exemplarischer Bedeutung. Junge Türken mögen sich überlegen, wie es wäre, wenn nicht „nur“ die NSU-Terroristen ihnen nach dem Leben trachten würden, sondern wenn es der Staat selbst wäre, der sich als Mordbande geriert. Sie mögen sich auch fragen, warum wir in Deutschland so offen mit diesen Verbrechen umgehen, während etwa der Völkermord an den Armeniern in der Türkei immer noch geleugnet wird. Und sie mögen überlegen, warum die Juden (nicht anders als die Armenier) nach ihren Erfahrungen einen eigenen Staat brauchen. Schließlich können sie aber auch stolz sein, dass Juden, die vor den Nazis flohen, in der Türkei Aufnahme fanden, ebenso wie Juden, die nach 1492 vor den Christen aus Spanien flohen. Nichts wäre schlimmer als die Relativierung des Holocausts dergestalt, dass sie vielleicht für ethnische Deutsche (und Juden) wichtig sei, dass aber andere Völker andere Prioritäten hätten. Das behauptet ja Gauck, und ich finde es großartig, dass es ein Deutscher türkischer Herkunft war, Denis Yücel, der als einer der ersten Gauck wegen der Relativierung des Holocausts in seiner Bosch-Rede angegriffen hat.

  26. avatar

    @Alan Posener: Nach meiner Meinung haben Sie diese Frage völlig richtig beantwortet; sie droht von rechts, als nationalistische Reaktion auf den europäischen Vereinigungsprozess.

  27. avatar

    @Alan Posener

    Herr Posener, was mich schon seit längerem beschäftigt, wie soll das Gedenken und die Erinnerung an Auschwitz in Zukunft sein, wenn die Bevölkerung in Deutschland zu einem großen Teil aus Migranten bestehen wird?

    Ich meine es ist eine Sache an einen Völkermord zu gedenken, in dem man sich darüber informiert und betroffen ist, aber doch eine anderes Sache, wenn man selbst im kollektiven Gedächtnis dieses Ereignis nicht parat hat. Die deutsche Bevölkerung ist sozusagen auch selbst in dieses Geschehen involviert.

    Ich denke, die „Universalität“ ist auch daran geknüpft, ob es auch Leute gibt, die diesem Ereignis diese Eigenschaft zuschreiben. Sonst ist dieser Völkermord nur einer von vielen.

  28. avatar

    @Torsten Zeiß: Sie fragen: „Macht man sich nicht auf paradoxe Weise die Sicht der Nationalsozialisten zu eigen, wenn man dem Völkermord an den Juden mit jenem „heiligen Schrecken“ begegnet…?“

    Nein. Der Schrecken ist eine völlig normale und angemessene Reaktion. Und was heißt „auf paradoxe Weise eine Sicht aneignen“? Etwa: sich die gegenteilige Sicht aneignen? Genau diese Gegen-Sicht sollte man sich auch aneignen. Nur ist die Gegensicht zu den Nationalsozialisten nicht der kommunistische Entwurf einer Diktatur des Proletariats, sondern die liberale Demokratie. Das Gegenteil zu Diktatur.

  29. avatar

    Parisien: Hääte nicht Gauck, sondern, sagen wir, Henning Mankell, Grossman – den ich bewundere – dafür gelobt, dass er nicht Teil einer „Vergeltungsmechanik“ sein wolle, und dafür, dass er beständig sein eigenes Land kritisiere, Sie hätten es richtig einzuordnen gewusst. Aber es ist eben Gauck, und da sind Sie bereit, bis zur intellektuellen Selbstverleugnung zu gehen. Es ist geradezu peinlich, Ihnen dabei zuzusehen.
    @ Torsten Zeiß: Nolte hat nicht nur den „kausalen Nexus“ erfunden, demzufolge der Nationalsozialismus als eine Art Notwehr gegen die Weltrevolution gedeutet wird, sondern er hat den „jüdischen“ Charakter dieser Weltrevolution betont, um den Holocaust als Präventivschlag faktisch zu rechtfertigen:
    http://starke-meinungen.de/blo.....orurteils/
    @ Kerstin: So isses. Je mehr man über den Holocaust erfährt, desto mehr erschrickt man.
    @ Alle: Mich würde die Antwort auf die Frage interessieren, die ich zum Schluss stelle: droht die Hauptgefahr für den Liberalismus von links oder von rechts? Eine Entscheidungshilfe:
    http://www.welt.de/print/die_w.....oepfe.html

  30. avatar

    @Kerstin: „Für mich ist es andersherum: Die Analyse und das Verstehen des Holocaust zeigt mir seine Einzigartigkeit.“ Sehr gut auf den Punkt gebracht, genauso ist es.

  31. avatar

    „Jedes wahrhaft große Gefühl kann edel und fruchtbar sein, der Hass geradeso wie die Liebe, er muss nur frei sein von den unsauberen Elementen der Selbstsucht, des Neides, der Rachsucht und der Feigheit.“

    Zitat von Arthur Schnitzler

  32. avatar

    @Kerstin: In der Tat ein wichtiger Aspekt. Laut Churchill war ‚Mein Kampf‘ schwer zu lesen, ein schottischer Journalist hat ihn dazu genötigt. Danach war Churchill völlig klar, was Hitler mit den Juden vorhatte, er hat ihn auch darauf angesprochen. Leider waren zu diesem Zeitpunkt andere an der Macht.

    Der iranische Präsident und die Ayatollahs haben ebenso unmissverständlich ihre Position zu Israel bekannt gegeben, Holocaust-Leugnung inclusive. Auch an iranischen Ansprüchen als führende Macht der Region kann kein Zweifel bestehen, wenn man sich mit dem Libanon, Irak und Syrien beschäftigt. Spätestens die Wahlen in Ägypten haben bewiesen, dass im gesamten arabischen Raum ein Machtkampf zwischen dem Iran und Saudi-Arabien stattfindet.

    Es ist gespenstisch, wie effizient die Fokussierung auf den Konflikt Israel-Palästinenser von dieser wirklich gefährlichen Entwicklung abgelenkt hat. Allein der tragische Kampf im Libanon, in dem alles in die Luft gejagt wurde, was demokratische oder kritische Ansätze zeigte, kann einem die Luft nehmen.

  33. avatar

    Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich anzusprechen für wichtig halte. In seinem Buch „Mein Kampf“ und später in seinen Reden hat Hitler seinem Hass gegen die Juden Ausdruck verliehen. War das ein angekündigter Mordplan? Es gab Menschen, die die Gefahr für die Juden erkennen konnten, anderen waren gleichgültig und viele konnten sich so etwas nicht vorstellen. Trotzdem wurde er an die Macht gebracht, man glaubte ihn beherrschen zu können. Hitler hat lange die Welt getäuscht und die Welt ließ sich täuschen.

    Wie aber sieht es mit dem Konflikt zwischen Israel und dem Iran aus? Natürlich kann ich sagen: Warum soll Iran keine friedliche Nutzung der Atomkraft haben? Grundsätzlich bin ich sowieso gegen Atomkraftwerke, solange sie sich vermeiden lassen. Hat der Iran nicht genug Öl? Ist es nur ein Prestigeprojekt? Dabei stellt sich die Frage: Wie gefährlich ist der Iran?

    Nach Hitler, Auschwitz und den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki gibt es nichts mehr, das ich mir nicht vorstellen kann, was Menschen machen können.

  34. avatar

    Viel interessanter als die von Hannes Stein diskutierte Frage, welche der beiden Ideologien denn nun schlimmer war: Nationalsozialismus oder Stalinismus, ist meiner Ansicht nach die Beobachtung, dass die beiden Ideologien nicht nur Ähnlichkeiten aufweisen, sondern sich regelrecht aufeinander bezogen haben. Aus René Girards anthropologischer Perspektive handelte es sich um „feindliche Brüder“, die füreinander gleichzeitig Schreck- und Vorbild waren. Der Historiker Ernst Nolte hat diesen Sachverhalt detailliert in seinem Werk „Der europäische Bürgerkrieg 1917 – 1945“ herausgearbeitet. Er erhielt Unterstützung durch den französischen Historiker François Furet, der in einem Brief an Nolte zustimmend feststellte: „Die faschistische Bewegung hat sich vom Antikommunismus genährt und die kommunistische Bewegung vom Antifaschismus.“ Diese spiegelbildliche Links-Rechts-Gegnerschaft lässt sich auch heute noch beobachten. Allerdings hat Nolte zu stark betont, dass der kommunistische Terror zuerst da war und sich dadurch dem Verdacht ausgesetzt, er wolle die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren. Für René Girard ist die Frage, wer angefangen hat, mythischer Natur und dient nur dazu, die wahren Mechanismen der Gewalt zu verschleiern.

    Joachim Gauck hat Recht, wenn er meint, dass die religiöse Überhöhung des Holocaust einen rationalen Zugang zu den geschichtlichen Ereignissen, den Historiker wie Nolte und Furet oder die anthropologische Theorie René Girards eröffnen, blockiert. Macht man sich nicht auf paradoxe Weise die Sicht der Nationalsozialisten zu eigen, wenn man dem Völkermord an den Juden mit jenem „heiligen Schrecken“ begegnet, der aus so vielen zeitgenössischen TV-Dokumentationen spricht und der unter der Devise „Nie wieder Auschwitz“ als Begründung für alles Mögliche herhalten muss: vom Diktum, nach Auschwitz ließe sich kein Gedicht mehr schreiben bis zur Rechtfertigung der deutschen Beteiligung am NATO-Einsatz gegen Serbien? Die aufgeregte Diskussion um die Rede Joachim Gaucks erinnert mich an den Jenninger-Skandal der 80er Jahre, den ich unter dasrettende.wordpress.com vor dem Hintergrund der Erkenntnisse René Girards diskutiere:
    http://dasrettende.wordpress.c.....tgelehrten

  35. avatar

    Nachtrag: Das vorige Zitat, entnommen weltonline, ist aus dem Vorabdruck aus dem Buch „Vergesst Auschwitz“ von Henryk M. Broder.

    Dem Titel füge ich meinen persönlichen Untertitel hinzu: „Vergesst Euren degoutanten Sühnenarzissmus, verschafft Euch eine neue Identität, und kümmert Euch um die aktuellen Probleme der Juden!“

  36. avatar

    Und hier der Spezialist. Und Recht hat er:
    – „Der moderne Antisemit benutzt die „Auschwitz-Keule“, um sie den Juden/Israelis um die Ohren zu hauen: „Ihr seid auch nicht besser, also hört endlich damit auf, uns Vorwürfe zu machen!“ Eine verständliche und nachvollziehbare Strategie, um das eigene Gewissen zu beruhigen. Schon deswegen wäre es sinnvoll, Auschwitz zu vergessen. Noch besser wäre es, das Lager dem Erdboden gleichzumachen, statt Unsummen auszugeben, um diesen Rummelplatz des Schreckens zu sanieren und zu konservieren.

    Allein die Bundesrepublik hat 60 Millionen Euro zugesagt, derweil die letzten Überlebenden des Holocaust in Polen mit weniger auskommen müssen als ein von der UNRWA versorgter Palästinenser in Gaza. Eine Sprecherin des Außenamtes erklärte Anfang 2009 gegenüber der dpa: „Wir betrachten es weiterhin als eine Kernaufgabe Deutschlands, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Wir werden weiterhin zu der historischen Verantwortung Deutschlands stehen.“
    http://www.welt.de/politik/aus.....Frage.html

  37. avatar

    Mechanik ist kein Wort, vor dem man gleich erschrecken muss. Überhaupt lebe ich in einem Land, in dem wohlmeinende Linksintellektuelle und ihre Anhänger, auf der Achse gern LRGP genannt, was wie Rizinusöl gemeint ist, vor jedem zweiten Wort zusammenzucken. Bei Mechanik muss man an ein Uhrwerk denken oder an Opel (Ohne Panne ewig laufen) oder an eine alte Dampflok. Mechanik mit Regelmäigkeit ersetzen und nicht gleich erschrecken. Tatsächlich ist David Grossman kein Teil von so etwas, sondern ein Nachdenklicher. Achgut zu unterstellen, es gäbe dort nur ein Motiv, Gauck zu unterstützen, ist Dünnbrettbohrerei. Loyalität und Kritik sind bei David Grossman kein Widerspruch, da hatte Gauck Recht.

    2010: – Joachim Gauck hob im Verlauf seiner Rede immer wieder hervor, wie Grossman als Schriftsteller und politischer Intellektueller unter Beweis gestellt hat, dass Loyalität zu seinem Land und eine Kritik an dessen Politik kein Gegensatz ist. Grossman erhalte den Friedenspreis dafür, dass er sich unverdrossen weigere, Teil einer Vergeltungsmechanik zu sein und zugleich die Verantwortung für sein Land selbst in trüben Zeiten trage. Er habe gelernt, bekannte David Grossman am Schluss seiner Rede, dass es Situationen gebe, „in denen die einzige Freiheit, die einem bleibt, die des Beschreibens ist. Die Freiheit, mit eigenen Worten das Schicksal zu beschreiben, das über einen verhängt ist. Manchmal kann dies auch der Weg sein, aus seinem Opfer-Dasein herauszukommen.“
    http://www.berliner-zeitung.de.....47928.html

    Wenn ich gefragt würde, ob ich einen Christianophoben kenne, würden mir spontan zwei einfallen.

  38. avatar

    „Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist.“ (Zitat Gauck Rede)

    Für mich ist es andersherum: Die Analyse und das Verstehen des Holocaust, zeigt mir seine Einzigartigkeit. Wenn ich aber im Ausgangspunkt meines Bemühens, den Versuch der Gleichsetzung (Nationalsozialismus – Stalinismus) habe, kann ich die entscheidenden Unterschiede übersehen.

    Und, darf ich nach dem ich diese Erkenntnis habe, nicht sagen, dass ich so denke?

    Worin liegt für mich die Einzigartigkeit? Ich versuche eine Zusammenfassung:

    1. Justiz und Recht Nürnberger Gesetze http://www.bpb.de/themen/R4ZTS.....Kraft.html haben nicht nur die Ausgrenzung nach rassistischen Kriterien (Religion spielte keine Rolle) möglich gemacht, sondern auch die Rettung von Juden verhindert z. B. Einwanderungsgesetzen in der gesamten Welt

    2. Die geplante Ermordung von Menschen mit industriellen Methoden Auschwitz, Majdanek,Chelmno, Belzec,Sobibor und Treblinka, nicht ausschließlich damit http://www.dhm.de/lemo/html/wk.....auschwitz/ .

    3. Die Vorbereitung und Ausbildung von Einsatztruppen, die die Morde durchführen sollte http://www.hagalil.com/archiv/98/06/einsatz.htm .

    4. die Verwertung von Menschen nicht nur als Arbeitskräfte (Sklaverei, Tod durch Arbeit), sondern auch als Forschungsobjekte http://schule.judentum.de/projekt/NS-Medexp.htm und der Toten (Zahngold usw.)

    5. die absolute Tötungsabsicht auch nach den Niederlagen an der Ostfront, als Beispiel will ich hier Ungarn nennen http://www.dhm.de/lemo/html/wk.....index.html.

    6. Die Propaganda im Nahen Osten und deren Nachwirkungen http://www.welt.de/kultur/arti.....n-auf.html .

    (Liste ist nicht vollständig)

  39. avatar

    Der Holocaust ist ein bisher einzigartiger Massenmord, der sich durch einige Besonderheiten auszeichnet.
    Aber steht er mit seine einzigartigen Besonderheit allein da? Haben die Nazis singulär und die Kommunisten ordinär gemordet? Haben die Verbrechen der Kommunisten keine spezifischen Besonderheiten aufzuweisen?
    War etwa die Verfolgung der Brillenträger durch die Roten Khmer nicht auch einzigartig?

  40. avatar

    @ Miriam Kranz: ich habe nichts gleichgesetzt, und mir ist es egal, wie man die Sache nennt. Ich bitte Sie, keine Diskussion um Wörter zu beginnen, zumal die Sache nebensächlich ist. Mir geht es darum, dass die Hauptgefahr in Europa heute nicht von einhem irgendwie gearteten linken Totalitarismus ausgeht, wie „Sergeant Pepper“ immer noch glaubt, sondern von militanten Identitätspolitikern, darunter Islamisten und Islamfeinde. Allesamt sind sie auch Antisemiten.
    @ Katrin Kemmler: Nun, immerhin sind Sie erschrocken. Wie ich. Ich meine jedoch, diese „Nachricht“ (das Zitat ist ja bekannt) gehört in den Zusammenhang, den ich skizziere.
    @ Sgt. Pepper: Sie wissen sogar, was Pastor Gauck in einem Paralleluniversum gewesen wäre. Brillant. Wissen Sie aber, was seine Eltern in dieser Welt waren? Und wie er damit umgeht?

  41. avatar

    Also, mit der Kritik an Herrn Gauck bin ich voll d’accord – aber eine Nebenkritik: Nicht einverstanden bin ich mit der Gleichsetzung von Islamofaschismus und dem Begriffungetüm „Islamophobie“, welche er seinerseits auch in trennunscharfer Weise vornimmt – sowohl qualitativ und vor allem quantitativ liegt der Unterschied; in islam.-arab. Ländern, Medien wird bis in die Schulbücher hinein Antihumanität, Rassismus und Antijudaismus ganz offiziell verbreitet, gepredigt, wo bitte ist das Pendant in unseren „Breitengraden“ dazu, dieser falsche Begriff will hysterisieren und Wahnbilder schaffen. Für denkende Menschen ist das unwürdig.
    Und weil der Islam nach eigener Aussage „über alles“ steht, eine Monokultur und Gewalt als Mittel der Durchsetzung und Einschüchterung bejaht, sind die Parallelen zum deutschen Nazismus mehr als offenkundig – so bin ich eben naziphob, und solange die wichtigsten Einflussgrößen im Islam keine reformerische Besinnung und Entschuldigung bei den Terroropfern beweisen, solange bin ich eben auch „islamophob“.
    Dieser Suffix „phob“ bedeutet ja nicht feindlich-dagegen, sondern ängstlich-sorgenvoll.
    Eine rein gefühlsneutral-mechanische Kritik und Wahrnehmung an und von faschistischen Gespenstern widerspricht der menschlichen Natur: Letztgültig wird evolutionär-biologisch erst durch ein Gefühl der Angst und Sorge vor Gefahren ein Antrieb geboren!

  42. avatar

    Worum geht es Ihnen wirklich?

    Die eigentliche Nachricht haben Sie so nebenbei erwähnt. Ich bin angesichts der „Vergeltungsmechanik“ zum ersten Mal über Gauck erschrocken. Das klingt wirklich nach unappetitlicher christlicher Israel-Perspektive. Und damit hätte Deutschland in der Tat ein Problem.

    Nur scheint mir fragwürdig, wie Sie mit dieser Entdeckung umgehen. Vor lauter zitierten Freunden geht dieses Zitat unter, ich lese alle Links und bleibe dabei:
    Auch wenn Hannes Stein sehr schön Differenzen ausarbeitet, möchte ich hier keine russischen Zustände bei Wahlen. Oder gar in den Medien.

  43. avatar

    „Wie es der Zufall will, erfahre ich heute, dass der jüdische Autor Akos Kertesz in Kanada um Asyl gebeten hat, weil er in seiner Heimat Ungarn, einem Mitglied der Europäischen Union, seines Lebens nicht mehr sicher ist. Ich kann gar nicht sagen, wie beschämt und traurig ich als Europäer bin.“
    Ganz ohne Zufall und ohne staatlichen Schutz , verließ Hirsi Ali schon 2006 die Niederlande, weil dort Islamkritiker gerne mal ermordet werden. Da war nicht nur ich beschämt und traurig als Mensch.

  44. avatar

    In der links“liberalen“ Zeit und FR wird derzeit verstärkt und ungehemmt, Israel als potentieller Aggressor auf die Rampe geschoben. Der „liberale“ Friedensnobelpreisträger Barrack Obama kämpft derweil für eine friedliche Lösung, verrät aber nicht wie er das dem iranischen Adolf Hiltler überzeugend vermitteln kann. In einem SZ Interview äußerte am Samstag Harry Belafonte, wahrlich kein Gegner vom Obama Heilsbringer: Er hat Guantanamo nicht geschlossen, sondern schlimmer gemacht. Er hat das Home Security Gesetz nicht einkassiert und die Rechtsstaatlichkeit Amerikas auf die Rechststaatlichkeit der Ukraine gebracht. Heute erst erklärte ein US Minister:“ Wir dürfen morden!“

    Der wirklich brillante Artikel von Henryk M. Broder in der letzten WamS zum Thema : Endlösung der Israelfrage, der ist nicht provokant wie der alerte Alan Posener das meint. Er ist einfach wahr. Die Geschichte der Kirchen in zwei deutschen Diktaturen wurde bisher leider nie gründlich untersucht. Ebensowenig wie die Nazi-SED Geschichte der Geisteswissenschaften oder des deutschen Journalismus und seine Verlagshäuser. Nimmt man, was Joachim Gauck betrifft, seine protestantische Einstellung und politische Überzeugung und ordnet das ein in die Historie der evangelischen Kirche, dann darf man sagen, Joachim Gauck wäre in der Nazi Zeit sicher nicht bei den Deutschen Christen des Nazi-Reichsbischofs Müller gewesen, er wäre auf Seiten der Bekennenden Kirche gewesen. So wie er in der DDR Diktatur auf Seiten der anständigen Pastoren war und kein IM Kerze-Pastor. Dietrich Bohnhoeffer predigte vor seiner Ermordung durch die Nazis: “ Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“ Joachim Gauck dürfte singen, in den meisten deutschen Verlagshäusern und Fernsehsendern müsste es stumm bleiben. Und man sollte als deutscher Journalist des Axel Springer Verlages stolz darauf sein, dass hier seit Gründung des Verlages durch Axel Springer immer für die Juden „geschrien“ oder geschrieben wurde. Und nicht immer in zehn mal größere links-illiberale antisemitische Verlagshäuser voller Bewunderung schauen. Die übrigens auch den von ihnen so verhassten Thilo Sarrazin verlegen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top