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Ende der Ideologien? Schön wär’s

Es geht nichts über Beständigkeit gekoppelt mit Biegsamkeit. Der Politikwissenschaftler Torben Lütjen zum Beispiel schreibt seit Jahren immer wieder Aufsätze in verschiedenen Medien zum gleichen Thema: „Ende der Ideologien?“
Das ist Beständigkeit.
Je nach Laune beantwortet er die Frage mit Ja oder Nein. Das ist Biegsamkeit.
2009 etwa begründete Lütjen in der Zeitschrift „Universitas“, warum ein „Ende der Ideologien“ eine schlichte Unmöglichkeit darstelle. Hinter jeder politischen Handlung und Aussage verbergen sich letztlich Wertprämissen und moralische Urteile. Ohne Ideologien, die den politischen Entscheidungsrahmen setzen, wäre politisches Handeln daher gar nicht möglich.“Francis Fukuyamas Prognose vom Sieg des liberalen Kapitalismus im Wettstreit der Systeme und damit von einem „Ende der Geschichte“ bezeichnete Lütjen in dem Aufsatz als „Paradebeispiel eines historischen Treppenwitzes, der die naive Selbstüberschätzung des Westens nach 1989 illustriert.“
Jetzt, in einem Artikel für die FAZ („Ende der Ideologien?“ 2. Februar 2012, S.7, leider nicht online abrufbar), polemisiert Lütjen gegen den „inflationären Gebrauch“ des Begriffs Ideologie durch „die Gegner der Idee, dass das Ende der Ideologien gekommen sein könnte“. Die „eigentlich triviale Einsicht“, dass Ideologien einen Beginn haben, lege auch die Frage nach deren Ende nahe.
Im Weiteren legt Lütjen schlüssig (und ohne Bezug auf seine früheren Einlassungen zum Thema) dar, weshalb wir seiner Meinung nach vom Ende der Ideologien sprechen müssen. Diese seien gebunden, erstens, an die Vorstellung, die Gesellschaft verstehen und verändern zu können, zweitens an eine große Erzählung (man denke an die Heilsgeschichte des Marxismus). Beide Voraussetzungen seien aber zusammen mit dem „Fortschrittsoptimismus“ verloren gegangen.
„Verschwunden ist auch das dritte unabdingbare Element aller langfristig stabilen Ideologien: die Verwurzelung in klar identifizierbaren Lebenswelten.“ Darum sei „das Wort vom Ende der Ideologien … eine durchaus treffende Beschreibung des gegenwärtigen Zustands der Politik in den europäischen Demokratien.“ Künftig würden die Parteien daher einander ähnlicher werden und zugleich an Akzeptanz verlieren; profitieren werde der „Typus des populistischen Empörungspolitikers“, der aber weder über ein Projekt noch über eine Erzählung verfüge.
Hier bedient sich Lütjen (ohne das anzuerkennen) beim verachteten Francis Fukuyama, der am „Ende der Geschichte“, womit er das Ende der ideologiegetriebenen Geschichte meinte, und das er in der Europäischen Union ansatzweise verwirklicht glaubte, die Gefahr von „Bewegungen des Ressentiments“ aufdämmern sah.
Nun hat Lütjen so gut wie irgendeiner das Recht, seine Meinung zu ändern (auch wenn man es sich wünschten würde, dass er seinen Positionswechsel und seine Gründe kenntlich machen würde). Vielleicht hat er inzwischen Fukuyamas Buch gelesen.
Er hat aber Unrecht.
Und zwar deshalb, weil seine Perspektive allzu beengt ist. Sein Blick – hier vermutlich geschärft durch den Parteienforscher Franz Walter, der seit Jahren mit diesem Thema in den Medien präsent ist – ist allzu einseitig auf die traditionellen europäischen Parteien der Arbeiterschaft einerseits und des Katholizismus andererseits gerichtet. Dass deren Projekte und Erzählungen zusammen mit ihren Milieus und Werten zerbröckelt sind, ist unabweisbar.
Allerdings ist das kein neuer Trend, sondern beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen des Faschismus, der ja Kleinbürgertum und Arbeiterschaft, Nationalismus und Sozialismus vereinigt, und setzt sich nach dem zweiten Weltkrieg mit der Amerikanisierung Westeuropas fort. Doch waren die Jahre des Kalten Krieges gerade Jahre eines bis dahin unvorstellbar heftigen, die Gesellschaft durchdringenden ideologischen Kampfes.
Im Westen einigte der Antikommunismus, der ein klares historisches Projekt darstellte und in Gestalt der Totalitarismustheorie eine klare Erzählung besaß, Sozial- und Christdemokraten, Arbeiter, Unternehmer und Kleinbürger, überwand also (wie zuvor der Faschismus) die angeblich „unabdingbare“ Verwurzelung in einer bestimmten Lebenswelt. Im Osten war die staatlich verordnete Ideologie des Kommunismus zwar erheblich weniger populär, aber – wie wir heute erkennen – in mancher Hinsicht nachhaltiger.
Denn mit dem Ende des Kommunismus in Europa verlor der Antikommunismus sein raison d’etre, während die Zerfallsprodukte des Kommunismus – Antikapitalismus, Antiimperialismus, Etatismus, Sehnsucht nach Bindung, Autorität, Übersicht usw. – in der Welt der neuen Unsicherheit nach 1989 eine neue Attraktivität gewannen.
Es kam etwas anderes hinzu: Waren Kommunismus und Faschismus – und gewisser Weise auch Antikommunismus und Antitotalitarismus – Religionsersatz, führte deren Kollaps am Ende des Kalten Kriegs zum Wiederaufstieg der Religion als politischer Ideologie. Betrachteten die USA etwa die afghanischen Mudschaheddin zunächst unter dem Blickwinkel der Systemrivalität mit der Sowjetunion einfach als verbündete Antikommunisten, so mussten sie nach 1989 erkennen, dass im politischen Islam eine neue Ideologie entstanden war, die keineswegs vorhatte, sich weiterhin vom Westen instrumentalisieren zu lassen.
Gilt Papst Johannes Paul II  zu Recht als historische Gestalt, weil er mit der Unterstützung der Solidarnosc wesentlich zum Zusammenbruch des Kommunismus beitrug, so muss man heute erkennen, dass der politische Katholizismus, wie er insbesondere durch seinen Nachfolger Benedikt XVI formuliert wird – seiner Ideologie habe ich ja ein ganzes Buch gewidmet – keineswegs das Ende der Geschichte mit dem Sieg der kapitalistischen Demokratie gekommen sieht, sondern diese Gesellschaft im Gegenteil als materialistische „Kultur des Todes“ betrachtet und in seiner Kritik am „Werterelativismus“ der Moderne viele Berührungspunkte mit dem politischen Islam erkennt.
Politischer Katholizismus und Islamismus stützen sich zudem auf jene von Lütjen als unabdingbar bezeichneten  „Lebenswelten“,  in denen eine Ideologie gedeihen kann, weil und wenn sie die kulturellen Prägungen, die Werte, die Ängste und die Hoffnungen der Menschen aufgreift. Der Islamismus findet sie nicht nur in seinen Herkunftsländern, sondern mittlerweile auch in Europa vor.
Schließlich ist als Reaktion auf den Islamismus eine radikale Gegenbewegung entstanden, die sich – anders als etwa der Neokonservatismus, der sich auf Fukuyama bezog und im Grunde genommen eine Wiederbelebung des Wilsonianismus ist, des Kant’schen Traums von einem Weltbund freier Republiken – nicht mit der Verteidigung und Ausweitung der offenen Gesellschaft begnügt, sondern – in einem sich radikalisierenden Spektrum von „P.I.“ über Geerd Wilders, die FPÖ und Co., bis hin zur NPD, zu Anders Breivik und der NSU – dabei ist, aus populistischen Ressentiments eine geschlossene Ideologie zu basteln, die islamophob, anti-europäisch und nationalistisch ist.
Die Unterschiede – etwa im Verhältnis zu den USA, zu Israel und den Juden, im Grad des Antisemitismus und in der Einstellung zur Gewalt – sind bedeutend, aber die Gemeinsamkeiten sind größer, vor allem der Hass auf die linksliberalen „Gutmenschen“, die ja auch das Ziel der Terrorangriffe Breiviks wurden. Im Übrigen hatte der Faschismus, der sich hier neu konstituiert, historisch schon immer eine viel größere Frustrationstoleranz gegenüber inneren Widersprüchen als der Kommunismus. Nicht zuletzt darin besteht seine Stärke. Auch diese Bewegung findet relativ stabile Milieus vor, etwa unter den männlichen Verlieren der Gesellschaft, und schafft sich neue.
Islamismus, politischer Katholizismus (in den USA auch der politisierte Evangelikalismus) und Neue Rechte widerlegen nicht nur die These vom „Ende der Ideologien“. Sie gefährden die liberale Demokratie. Wenn sich auf der anderen Seite ein zunehmender autoritärer Paternalismus breitmacht, der ganze Politikbereiche – nach der Europa- und der Geldpolitik nun auch etwa die Fiskalpolitik – dem Zugriff des Souveräns entzieht, besteht ernsthafter Grund zur Sorge.
Vielleicht liest der biegsame Herr Lütjen diesen Beitrag und revidiert noch einmal seine Meinung. Ideologien sind noch wirkmächtig, deren Kritik tut Not.
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42 Gedanken zu “Ende der Ideologien? Schön wär’s;”

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    @ derblondehans
    1. True ignorance is not the absence of knowledge, but the refusal to acquire it.
    2. When I speak of reason or rationalism, all I mean is the conviction that we can learn through criticism of our mistakes and errors, especially through criticism by others, and eventually also through self-criticism.

    Beide Zitate von Karl Popper. Sie sollen sich nicht auf Muslime beziehen, sondern auf Beleidigungen.

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    @KJN

    Herzlichen Dank für ihre Ausführungen.

    Fische aus dem Potomac kommen immer noch auf unseren Tisch 🙂

    „Trotzdem werden Unsummen z.B. in Kläranlagen gesteckt, um z.B. den Phosphorgehalt zu senken“

    Wenn sie sich anschauen, wie die Rohstoffe sind im Preis entwickelt haben, lohnt es sich sicherlich bald das Phosphat aus den Klaeranlagen zu gewinnen.
    Vielleicht sind die Deutschen wieder einmal forerunner 🙂

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    @J.L.L.
    Ihr Anglerfreund scheint sich ja gut auszukennen. Danke für die Links. Sie haben vollkommen recht, das ist ein heißes Eisen, aber schon seit längerem. Die Beeinflussung der Ökosysteme im Potomac-River durch östrogenähnliche Stoffe gilt als typisches Beispiel. Da die Wasserwirtschaft der USA (übrigens weitgehend kommunalisiert) vorwiegend Oberflächenwasser aufbereitet, wurde in dieser Richtung dort viel untersucht. In dem von Ihnen angegebenen ES&T –Artikel wurde nicht unerhebliche Aktivität von hormonaktiven Substanzen in Galle und Nieren von Forellen gefunden, die in Wasser gehalten wurden, das aus Abläufen von Kläranlagen stammt. Eine Vergleichsprobe von Forellen wurde in Leitungswasser gehalten, das offensichtlich also keine Hormone enthielt. Bitte mich nicht falsch verstehen: Es ist ein Problem, aber es ist auch nicht so, als wenn diese Stoffe nicht auf natürlichem Wege abgebaut würden. Es werden eben immer welche nachgeliefert. Anders ist das bei DDT, PCBs, u.a., also Stoffen, die aus chlorhaltigen organischen Molekülen bestehen.
    Ehrlich gesagt: In Deutschland reden wir über ein Luxusproblem, denn über 60% des Trinkwassers kommt in D aus Grundwasser und bei der Bodenpassage (Regenwasser versickert) bauen Bakterien alles organisch-chemische ab. Trotzdem werden Unsummen z.B. in Kläranlagen gesteckt, um z.B. den Phosphorgehalt zu senken, weil Flüsse im Sommer nicht mehr veralgen sollen. Schön, daß man wieder in Rhein und Mosel baden kann, aber jetzt stellt man überall Schilder auf, daß das Baden gefährlich und/oder verboten ist.. Das ist die Mentalität hier: Man reguliert und versichert sich depressiv. Reine Ideologie übrigens und damit frei von jeder abwägenden Vernunft. (Abwassergebühren bis über 10 Euro/Kubikmeter.)
    So gut das vor ca. 30 Jahren war, dass sich Behörden und Wasserwirtschaft des Themas Umweltschutz annahmen – es mussten erst mal Analysemethoden entwickelt werden, die empfindlich genug waren (ich selber war auch daran beteiligt) – und dies durchzusetzen war nicht möglich ohne eine gewisse Ideologie, so gut wäre es nun endlich, die ideologische Sichtweise durch eine abwägende unideologische zu ersetzen. Ich stehe jedenfalls nicht dafür, den letzten Rest lokaler Landwirtschaft zu gefährden, um das letzte Nanogramm Pestizid vom Grundwasser fern zu halten.

    @Hans Schmidt
    Wenn man jetzt alle Wohnungen aus Geld-, Energie- und Klimaschutzgründen so wenig heizt und dicht macht, wie Nordkorea, muß man sich nicht wundern, wenn der Dauermief sich an den kalten Wänden abscheidet und irgendwann schimmelt..

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    M.E. passt das (Posener):
    Islamismus, politischer Katholizismus (in den USA auch der politisierte Evangelikalismus) und Neue Rechte widerlegen nicht nur die These vom „Ende der Ideologien“. Sie gefährden die liberale Demokratie. Wenn sich auf der anderen Seite ein zunehmender autoritärer Paternalismus breitmacht, der ganze Politikbereiche – nach der Europa- und der Geldpolitik nun auch etwa die Fiskalpolitik – dem Zugriff des Souveräns entzieht, besteht ernsthafter Grund zur Sorge.

    und das (Zitat Sloterdijk von Lyoner):
    Was den spekulativen Kapitalismus als abstraktes, invasives Erfolgsprogramm angeht, so wird man seine aktuellen Exegeten auffordern müssen zu beweisen, dass sie keine Anhänger einer global operierenden Sekte sind; der Verdacht gegen den “Kapitalismus als Religion” ist ausgesprochen und wartet auf Klärung. Die Lebensform “demokratische Nation” überlebt nur, wenn Sie die Semantik des Eigeninteresses und der Selbstpräferenz mit der Semantik der Freiheit für anderes und des Etwas-zu-geben-Habens zum Ausgleich bringt.”

    durchaus zusammen, wobei das Sloterdijk-Zitat die Lösung beinhaltet. Die Lösung kann nicht darin liegen, Kulturen und Grenzen völlig aufzulösen, sondern ist in einem Kompromiss zwischen gesundem Patriotismus mit Kulturbewusstsein und Öffnung nach außen zu suchen. Wenn man es genau nimmt, hat der Konflikt zwischen amerikanischen bzw. westlichen Interessen und aggressivem Islamismus die Erkenntnis der Notwendigkeit dieses Kompromisses erst bewirkt. ObL’s Terroranschlag auf WTC und Pentagon lassen sich so lesen: „Wir wollen das so nicht.“ Daraus entstand eine Ablehnung des Islam als Ganzes unter der politischen Führung der USA. Wenn man aber alle Muslime in die andere Feldhälfte schiebt, verhindert man die Entwicklung demokratischer Kräfte. Demokratische Kräfte können nur entstehen, wenn die Angesprochenen nicht ihre Kulturen und Nationen als Ganzes in Frage gestellt sehen.
    Bei uns in Europa entwickelt sich dasselbe. Da die Mainstreampolitiker abgeschottet und taub wirken, kommen rechte Parteien auf. Es ist also ihr ureigener Denkfehler, die Tatsache, dass sie Pläne, die ein Großteil der weltweiten Bevölkerungen so nicht befürwortet, nicht revidieren wollen.
    Ich stelle die These auf, dass es sich verhält wie mit Nachbarn: Irgendwo ist die Grenze der Wohnung oder des Gartens, aber am Gartenzaun wird meist freundlich geratscht. Der Mensch braucht eine klar erkennbare Grenze und Identität, bevor er mit anderen Kulturen verhandeln kann. Er darf nicht dazu gezwungen werden, im Namen von Wirtschaftswachstum und Energieinteressen seine Identität auszulöschen. Dieses Bewusstsein nimmt zu.
    Schade, dass keiner sich zu dem interessanten Zitat äußert.

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    @KJN

    Mein Anglerfreund hat mir noch diese Studie vorgelegt:

    http://groups.exeter.ac.uk/eab.....05bile.pdf

    http://www.pnas.org/content/10.....type=HWCIT

    Ob dies noch…… Das sind homöopathsche Dosen und ich glaube nicht an Homöopathie – allerdings daran, daß vor allem die hormonähnlichen Substanzen relativ schnell im Wasser abgebaut werden…..

    sind???

    Fuer uns Menschen noch nicht, aber ist dies nicht auch ein Indikator, oder ein Warnzeichen??

    Ich vermute, wenn wir heute die Bodenqualitaet der Friedhoefe untersuchen, muessten wir den Boden dort entkontaminieren 🙂

    Hier ein Artikel aus einer deutschen Zeitung:

    http://www.taz.de/!86313/

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    @ derblondehans:
    Synapsen sollten wie gut geschmierte Gleise sein und Weichen besitzen. Herrn Schirrmachers Gehirn ist so, wenn er zwischenzeitlich mal fragt „Hatte die Linke doch Recht?“ oder über die Gefahren für Demokratie sinniert.
    Ayaan Hisi Alis Brain ist wohl nicht so. In deren Gehirn gibt es keine Weichen, im Gegensatz zu dem von Nekla Kelek, die zweifellos klüger und menschlicher ist. Offen gestanden brauchen wir Christen keine Atheistin, die sich in die Niederlande gelogen hat und drei Kindern ihren Vater weggenommen hat, um auf solche Missstände aufmerksam zu machen. Wir brauchen Politiker, die bereit sind, aus Denkschemata auszubrechen wie Wolfgang Schäuble, der einst vorschlug, verfolgten Christen bevorzugt Asyl zu geben. Es gibt zwei Arten von Menschen: Die mit den Weichen, die abwägen, und die, die voller Ehrgeiz sind und sich alles nehmen, auch den berühmten, gestandenen Vater von drei Kindern. Sie sind ja vermutlich noch jung. Es ist noch Zeit, zum ersten Teil zu wandern.

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    @ Jean-Luc:
    Wie kann man nur solche Hässlichkeiten an eine so schöne Küste bauen?
    http://www.spiegel.de/fotostre.....78475.html
    Aber ich will Sie keineswegs provozieren. Erstens sieht es in New England viel besser aus, zweitens in manchen spanischen Orten auch nicht schöner.

    @ Lyoner:
    Das sind legitime Überlegungen, weit verbreitet. Hier Ihr Slooterdijk-Zitat:
    Was den spekulativen Kapitalismus als abstraktes, invasives Erfolgsprogramm angeht, so wird man seine aktuellen Exegeten auffordern müssen zu beweisen, dass sie keine Anhänger einer global operierenden Sekte sind; der Verdacht gegen den “Kapitalismus als Religion” ist ausgesprochen und wartet auf Klärung. Die Lebensform “demokratische Nation” überlebt nur, wenn Sie die Semantik des Eigeninteresses und der Selbstpräferenz mit der Semantik der Freiheit für anderes und des Etwas-zu-geben-Habens zum Ausgleich bringt.”

    Sie hätten es leichter, wenn Sie Israel einfach außen vor lassen würden. Israel lässt sich nicht mit anderen Ländern vergleichen. Es befindet sich in einer ausgefallenen Situation. Außen herum nur Feinde, politische wie religiöse Feinde. Ich bin der Ansicht, dass wir darüber nicht befinden sollten, wir Europäer, nicht wegen der Schuld allein, sondern weil wir untereinander Frieden haben und unsere Situation nicht auf die von Israel übertragen sollten. Das könnten wir lediglich dann tun, wenn wir Israel ein neues Land hier in Europa gäben. Normalerweise schlage ich nicht wie Broder ein ganzes Bundesland vor, sondern zwei halbe. Aber eins ist sicher: Die griechischen Probleme wären schnell zu Ende, wenn Griechenland die Israelis aufnähme. Bitte als Scherz verstehen.

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    Ideologien der Gruender-Einwanderer der USA erklaeren die eigenartigen politischen Ereignisse in der Geschichte der USA und die seltsamen Verhaltensweisen in den verschiedenen Regionen. „American Nations“ Subtitel: „A History of The Eleven Rival Regional Cultures of North America“ von Colin Woodard (2011), ein Historiker, Schriftsteller und Journalist. UNBEDINGT LESEN! Auch fuer wer die USA hautnah und schon seit Jahrzehnten erlebt hat, entdeckt endlich das GEHEIMNIS „on what makes ‚mericans tick“: Politisch, geopolitisch, sozial, religioes, gesellschaftlich. Und es zeigt wie das Wirken dieser Indeologien auch heute in USA ihre Macht ausuebt. —Woodard meint: Die ethnisch-kulturellen Ideologien der urspruenglichen Einwanderergruppen im 17ten und 18ten Jahrhundert, fundamentierten das gesellschafts-politische Denken in USA, welches von spaeteren Einwandererwellen (nach 1830) im Prozess der Integration adoptiert wurde. Er beschreibt die 11 urspruenglichen Gruender-Einwanderer-Ethnien, ihre urspruengliche Gruenderzone, und wie ihre jeweiliger Einfluss dann endlang bestimmten Korridoren westlich vorgestossen wurde. Die Puritaner von England, „Yankeedom“ im Nordosten (New England), die aristokratischen Kapitalanleger Englands an der Zentral-Ost-Kueste „Tidewater“ (Virginia etc.), die zweiten Soehne von englischen Zuckerplantagenherren in Barbados, welche von Charleston die von Sklaven bearbeitete Plantagenwirtschat im „Deep South“ entwickelten, „Midland“ – von Pennsylvania die englischen Quaker und die deutschen Protestantensekten, in den Gebieten in und hinter der „Appalachia“ Gebirge – die armen presbyterianischen Scotsh-Irish von Nordirland. Im Suedwesten „El Norte“ die von mexikanischen Mestizen getragene nordmexikanische Kultur (seit 17ten Jahrhundert), San Francisco und noerdlich bis Vancouver/Kanada, die „Left Coast“ (weil links auf der Landkarte) – als Gemisch zwischen Yankeedom und Midland, „Far West“ die Rocky-Mountain Staaten und hohen Wuesten – gepraegt von den Bergbau- und Eisenbahngesellschaften. Im Nordosten Kanadas (Quebec) „New France“ (auch New Orleans). New York City – urspruenglich „Neuiw Amsterdam“ – ein internationaler Handelshafen mit freisinniger Ideologie – „New Netherlands“.Im Norden Kanadas – im Kommen „First Nations“ (riesige, rohstoffreiche Gebiete under Kontrolle von Indigenen).

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    @Parisien

    P.S. Mir ist übrigens schon öfter aufgefallen, dass naturversessene, körnerverliebte, Pharmaziephobiker etwas blass und depressiv aussehen.

    Wie gross war die Stichprobe ???

    Dann muss man auch bedenken, dass geistige Arbeiter oft schlank sind, aber nicht so viele Kinder kriegen im Schnitt

    So ist das mit den Korrelationen cher Parisien:

    Der Rüeckgang der Rueckgang der Geburteniffern im Elsass korrelierte einen zeitlang mit dem Rueckgang der Storeche !!

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    @J.L.L
    „Liegt es vielleicht daran, dass unser Trinkwasser immer mehr durch Medikamente verunreinigt ist?“
    Die Studie vom Bayrischen Umweltamt ist relativ differenziert und bewertet die toxikologische Wirkung (hier von Nonylphenol) auf Fische höher als die endokrine (hormonell wirksame). Allerdings in einem Bereich von 1 Mikrogramm/Liter, was schon viel ist, wenn man bedenkt, daß das Zeug in Wasser auch abgebaut wird. Pharamazeutika (Blutdrucksenker, Antibiotika, Ethinylestradiol) werden in geringeren Konzentrationen (<0,01 Mikrogramm/Liter) in Oberflächenwasser gefunden. (Im Grundwasser, soweit ich weiß, nicht.) Das sind homöopathsche Dosen und ich glaube nicht an Homöopathie – allerdings daran, daß vor allem die hormonähnlichen Substanzen relativ schnell im Wasser abgebaut werden.
    Ich bin kein Ökotoxikologe, die in diesem Zusammenhang gerne schon mal "synergetische" Wirkungen eines "Chemikaliencocktails" bei unwirksamen Einzelstoffen in der aquatische Umwelt postulieren.
    Wenn es eine Wirkung gibt, dann wohl am ehesten über die Atemluft bei flüchtigen Stoffen (Phenole, Weichmacher etc.), denn die Konzentrationen im Körper können bei Aufnahme über die Schleimhäute höher sein und die Stoffe gehen sofort in die Blutbahn. Ich selber mache mir übrigens keine besonderen Sorgen, Bewegung an frischer Luft wird allemal besser sein, als alle Wandbeläge und laminierten Böden herauszureißen.

    Allerdings, @Parisien, meine ich, die zunehmende Gynäkomastie bei pubertierenden Jungen gibt Anlass zur Sorge. Uns reifere semisportliche Herren betrifft das sicher nicht mehr.
    „Mir ist übrigens schon öfter aufgefallen, dass naturversessene, körnerverliebte, Pharmaziephobiker etwas blass und depressiv aussehen.“
    Die gehen ja auch nicht in die Sonne wg. der bösen UV-Strahlung.

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    Nachtrag:
    Wen das Thema interessiert, sucht im Netz am besten nach „Endokrine Disruptoren“ oder „endokrin wirksame Substanzen“ u.Ä. und stößt schnell auf die von mir skizzierten Zusammenhänge.
    Ansonsten schätze ich bei ähnlichen Fragen die unideologische Sichtweise eines Udo Pollmer, der auch z.B. auf achgut.de schreibt.
    Ansonsten, @Parisien, verzeihen Sie mir sicher das kleine Experiment mit diesem Thema hier (das sich bei dem Thema „Dicke Kinder“ anbot), um mal zu sehen, wie ideologisch hier so reagiert wird. Ich fand das völlig in Ordnung, wie Sie darauf reagierten nach dem Motto: Kann ich mir nicht vorstellen. Ob allerdings die FDA oder das Umweltbundesamt das abschließend beurteilen kann, bezweifle ich. Mit solchen Unsicherheiten müssen wir wohl leben.
    Ideologien aber sind so ähnlich wie Vorurteile (Roland Ziegler wies bereits darauf hin): Hilfreich und notwendig für ein schnelles Urteil und sie simulieren eine gewisse Sicherheit aber unbrauchbar für sachliche Erörterung. Schön, wenn man da hin und her schalten kann.

    Was Dicke Kinder betrifft: Die ursächlichen „Umweltchemikalien“ dafür (@J.L.L.) scheinen auch mir Cola, Chips & World of Warcraft zu sein, aber ich könnte mir vorstellen, daß auch östrogenähnliche Substanzen, vorwiegend via Atemluft, eine Rolle spielen.

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    @ KJN
    Also gut, habe einige links dazu gelesen. Wenn das über die Außenluft oder z.B. Waschmittel oder Kosmetika käme, müsste das jeder/jede haben. Nach dem, was ich gelesen habe, ist der Verdacht einer relativen Zunahme von Östrogen relativ neu. Also müssen große Statistiken dazu gemacht werden mit Angaben darüber, was die Probanden vor allem essen und welche Medikamente sie nehmen oder genommen haben. Außerdem, ob sie sich bewegen oder Sport treiben.
    Was Männer betrifft – viele Ältere sind große Wurst-und Fleischkonsumenten (Fettanteil!).
    Auf jeden Fall fehlen Untersuchungen darüber. Im Prinzip glaube ich nicht so ganz an diese Kausalkette. Wer zu dick ist, wenn man mal genau nachfragt, sitzt viel, trinkt auch ein bisschen oder ein bisschen zu viel und isst falsch und zu viel.
    Ich hatte immer schlanke Haustiere. Markenfutter. Habe eine Katze, die frisst den ganzen Tag und ist gertenschlank. Und das mit Hochglanzfarbe.
    Dann muss man auch bedenken, dass geistige Arbeiter oft schlank sind, aber nicht so viele Kinder kriegen im Schnitt, außer einer Ministerin. Das spielt auch in diese Phänomene hinein.

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    @ KJN:
    „scheint eben die spezifische Fettanlagerung und körperliche Verweiblichung von Männern in Industriestaaten ein Problem zu sein.“

    Sie meinen doch am ehesten den leichten Brustansatz bei Älteren. Bevor Sie davon fest überzeugt sind, dass es sich um einen hormonellen Effekt handelt, muss ich Ihnen zu bedenken geben, dass der Großteil der weiblichen Mamma lediglich aus Fett besteht. Der kleinere Teil, die Drüse, ist der Teil, der auf Hormone anspricht. Daher stellt sich die Frage, ob die von Ihnen beschrieben Veränderungen bei Männern lediglich im Rahmen von Adipositas zu sehen sind. Hinzu kommen natürlich diverse Medikamente, hier z.B. eine längere Einnahme von Steroiden, die bei diversen Erkrankungen notwendig sind.
    Da die Menschheit älter wird, bleiben Krankheiten, Medizin und ihre Auswirkungen auf das Erscheinungsbild nicht aus.
    Was chemische Verbindungen und pharmakologische Errungenschaften betrifft, finde ich eher, sie haben die Menschheit insgesamt gesünder gemacht. Z.B. hatte meine Mutter als Kind mal Spulwürmer. Wir hörten uns das mit Grausen an. Bandwurmbefall war auch ein herbes Schicksal.
    Meine eine Tante ist an Tbc gestorben, eine zweite an Glomerulonephritis, einer Folgeentzündung der Nieren nach unbehandeltem Streptokokkeninfekt. Problematisch bei gezielter Antibiose nach Erregerbestimmung ist, dass die Patienten zu oft das Antibioticum zu früh absetzen. Die Packungen sind oft zu klein, der Patient hat keine Lust, nochmal zum Arzt zu gehen. Das ist es, was die Resistenzen hervorbringt. Ein kleiner Teil der Bakterien überlebt, wenn zu früh abgesetzt wird.
    Eine gewisse Skepsis ist ja ganz angebracht, aber nicht zu übertrieben.
    Was DDT betrifft: Es ist nun mal ein effizientes Mittel gegen Insekten wie die Anophelesmücke.
    Unsere Wandfarbe bleibt dran! Was ich mehr fürchte, ist die übliche winterliche Depression bei Lichtarmut.
    P.S. Mir ist übrigens schon öfter aufgefallen, dass naturversessene, körnerverliebte, Pharmaziephobiker etwas blass und depressiv aussehen.

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    @Parisien
    „Ich kann Ihnen versichern, dass Sie da eine unsinnige Kausalkette erstellen.“
    Mit Verlaub, aber das genau können Sie bestimmt nicht, so wie Sie argumentieren (Hochglanzweiß in der Wohnung usw.). (Sollten Sie auch nicht, könnte teuer werden, nicht bei mir jetzt..)
    Aber schon recht: Erstens rede auch ich besonders gerne über Themen, von denen ich keine Ahnung habe und zweitens ist die Angst vor chemischen Verbindungen selber sicher ein wesentlicher (psychischer) Krankmacher. Darum geht’s mir aber nicht. In Verbindung mit dem geringen Kalorienverbrauch (-> Beitrag J.L.L.) scheint eben die spezifische Fettanlagerung und körperliche Verweiblichung von Männern in Industriestaaten ein Problem zu sein. Und leider machen Östrogene eben vorwiegend Männer dick – und das auch noch an den falschen Stellen.
    Was FDA & Co. angeht, können die die erforderlichen Langzeitstudien gar nicht durchführen. Die Verwendung von neuen Stoffen bleibt immer ein persönliches Risiko und das ist auch gut so. Wertvoll sind aber genau deswegen z.B. Aussagen darüber, welche quantitative Bedeutung gefundene Effekte (hier Östrogenoide) haben; wie ernst muß man sie nehmen. (Auch beim Klimawandel gilt Ähnliches.) Vorgefasstes Denken (= Ideologie?) hilft hier niemandem.
    (Aufgrund des Zeitmangels setze ich keine referenziellen Links, ich kann das bei Bedarf nachholen.)

    @J.L.L.
    Ihr Link bezüglich Bier hat mich natürlich sofort überzeugt, ich behaupte von nun an das Gegenteil 🙂

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    @ derblondehans, Alan Posener

    Lieber ´Ans und lieber APo, ein ceterum censeo:

    Sie haben – war es dreist? – einen israelischen Grundsatzentscheid, den der designierte Gerichtspräsident Asher Dan Grunis auf den Punkt brachte: „Menschenrechte verordnen keinen nationalen Selbstmord.“ als vorbildlich in die Diskussion gebracht. Nun hat uns Alan Posener nicht nur einmal darüber belehrt, dass Anhänger des Nationalismus „in Wirklichkeit wurzellose Gesellen sind, Produkte der Afterphilosophie des 19. Jahrhunderts“. Wenn Ihnen Alan Posener jetzt entgegenhält „Leute wie Sie [und er vergleicht Sie mit keinem geringeren als Adolf Hitler] lernen immer das falsche von den Juden.“, meint er dann, dass die die Israelis mit ihrer nationalistischen Definition Israels das „falsche“ getan haben, wir uns das „falsche“ nicht zum Vorbild nehmen sollten? – Dem CDU Politiker Pöttering hat Alan Posener an anderer Stelle (http://www.welt.de/kultur/arti.....ichte.html) vorgehalten, dass er nicht die „richtigen“ Lehren aus der Geschichte ziehe:

    „Warum benutzte er die auch von Palästinensern benutzte Formel von „einem Staat Israel in sicheren Grenzen und einem Staat Palästina in sicheren Grenzen“ – und nicht die israelische Formel, der zufolge der Staat Israel ein jüdischer Staat sein muss?“

    Offenbar ist die „israelische Formel, derzufolge der Staat Israel ein jüdischer Staat sein muss“ nicht „falsch“, sondern die „richtige Lehre“. Ich vermute, dass für Posener der jüdische Nationalstaat Israel kein Produkt der Afterphilosphie des 19. Jahrhundert ist, sondern etwas exemplarisch anderes, ein Modell, das jedoch, falls wir es zum Vorbild nehmen würden, wieder gänzlich „falsch“ wäre; die Formel, dass Deutschland ein deutscher Staat sein muß“ wäre wohl eine Ausgeburt jener Afterphilosophie. Alan Posener bejaht hier einen Partikularismus, den er ansonsten in der Frontstellung des Weltbürgerkrieges des 20. Jahrhundert (Universalismus vs. Lokalismus, Partikularismus) mit heißem Herzen bekämpft. Ich gehe davon aus, dass Alan Posener weder unaufrichtig noch inkohärent ist, und uns sicherlich über eine viktimologische Begründung, die Parisien ins Spiel gebracht hat, hinaus darstellen kann, warum man hier Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann.

    Generell, meine ich, ist die Frontstellung, an der wir hier herumbeissen, „liberale Demokratie“ (man sollte jedoch all die schönen Formeln Poseners, the American Dream, an der real existierenden Zitadelle der liberalen Demokratie, dem amerikanischen Alptraum messen) vs. illiberale Ideologien einem profund manichäischen Geschichtsbild geschuldet. M.E. gibt es aus dieser Frontstellung einen Ausweg, den Peter Sloterdijk im Schlußkapitel von „Im Weltinnenraum des Kapitals“ so skizziert und zu bedenken gegeben hat:

    „Somit taucht aus dem entfalteten Begriff des Lokalen eine Gruppe von Merkmalen auf, die den Abstrakt-Progressiven die Röte ins Gesicht treibt. Was unter dem Druck des konfusen Universalismus durch Gegendruck geklärt in Sicht kommt …, ist das Ausgedehnte des erfolgreich geführten Lebens, das nicht wird, wie es werden kann, ohne immun, selbstpräferentiell, exklusiv, selektiv, asymmetrisch, protektionistisch, unkomprimierbar und irreversibel zu sein. Dieser Katalog klingt wie die Zusammenfassung eines rechtsradikalen Parteiprogramms; in Wahrheit bietet er die Liste der Charakteristika, die der Infrastruktur des Werdens in realen Humansphären inhärieren. Sie gehören zu den Merkmalen des endlichen, konkreten, eingebetteten und überlieferungsfähigen Daseins. Um noch einmal die Redeweise der Ontologie zu bemühen: Das Ausgedehntsein am eigenen Ort ist die gute Gewohnheit zu sein. …

    Von den Werten der alternativen Liste, genauer von den Forderungen nach einem Metaleben, dessen Weltbezug immunitätsvergessen, fremdpräferentiell, inklusiv, unselektiv, symmetrisch, zollfrei sowie beliebig kompressibel und reversibel wäre, lassen sich hin und wieder einige Aspekte im Realen verwirklichen, jedoch nur diejenigen, die von der ersten Liste mitgetragen werden. Gäbe es die zweite Liste nicht, könnten wir nie jene „Luft von anderem Planeten“ atmen, ohne die den Kulturträgern des Westens das Dasein als ein andauerndes Ersticken erschiene. Ja, vielleicht ist es das Merkmal der Hochkultur, dass sie der Einpflanzung des Unmöglichen ins Reale Vorschub leistet. … Die aspektweise Öffnung der ersten Liste auf die zweite bezeichnet den Elan der Zivilisation, die sich erhält, indem sie sich erweitert, steigert, differenziert – allein die aufmerksame Rückbindung der zweiten an die erste verhindert aber die Gespensterherrschaft. …

    Was den spekulativen Kapitalismus als abstraktes, invasives Erfolgsprogramm angeht, so wird man seine aktuellen Exegeten auffordern müssen zu beweisen, dass sie keine Anhänger einer global operierenden Sekte sind; der Verdacht gegen den „Kapitalismus als Religion“ ist ausgesprochen und wartet auf Klärung. Die Lebensform „demokratische Nation“ überlebt nur, wenn Sie die Semantik des Eigeninteresses und der Selbstpräferenz mit der Semantik der Freiheit für anderes und des Etwas-zu-geben-Habens zum Ausgleich bringt.“

    Ist diese Skizze reaktionär? Alan Posener, kommen Sie mal mit Ihren Ressentiments raus aus Ihrem Bunker und denunzieren Sie nicht jeden Widerstand gegen Ihre Schöne Neue Welt als Widerstand von ressentimentgeladenen Verlieren und hinterwäldlerischen Ideologen. Bekommen Sie mal ein Gefühl für Maß und Achtung.

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    Herr Posener, ich frage mich, wo Sie hier stehen:
    „Entscheidend ist letztlich allein der Wille des Volkes. Und die Griechen scheinen keineswegs bereit und in der Lage zu sein, für die Stabilität der gemeinsamen Währung Einschnitte hinzunehmen, die weit über das hinausgehen, was wir hierzulande jemals an Sparmaßnahmen kennengelernt haben.“

    Ich stehe bei den Bürgern. Da ich oft bei den Bürgern stehe, könnte ich heute nicht in der Politik sein.

    http://www.welt.de/debatte/kom.....schen.html

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    @ KJN:
    Ich habe schon jahrelang alles immer mit Hochglanzweiß gestrichen, damit das Licht reflektiert. Auch sonst hatten wir nie Angst vor chemischen Verbindungen. Man muss sich dabei etwas auf die FDA oder ähnliche Kontrollinstanzen verlassen. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie da eine unsinnige Kausalkette erstellen.
    Haustiere sind überfüttert, weil Füttern mit artgerechter Zuwendung verwechselt wird, Menschen sind i.d.R. übergewichtig, weil sie zu viel futtern.
    Die Alligatoren in den Everglades haben vor allem ein Problem: Sie werden von Pythons verspeist, die sich dort zu sehr vermehrt haben.
    Östrogene machen nicht dick. Dann müssten ja alle, die die Pille nehmen, fett sein. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass viele Frauen in der sechten Lebensdekade, wenn das Östrogen wegfällt, dick werden?
    Zurück zu den Haustieren: Wenn die zusätzlich zu der Menge, die von den Futtermittelherstellern angegeben werden, Essensreste, Kekse etc. bekommen, werden die zwangsläufig dick, ganz östrogenfrei.
    Vergessen Sie bitte diese wilde These! Außerdem werden die Dicken auch alt.

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    @KJN

    „Den moppeligen Nachwuchs und unsere sonstigen king size Hausgenossen betreffend“

    Unsere Cro-Magnon Vorfahren bewegten sich noch 8km am Tag. Heute sind es maximal nur noch 800m.

    Und wieviel Kalorien benoetigte, ein Bergmann vor 100 Jahren >4000 und heute maximal nur noch 1800.

    Sorry aber was das Bier betrifft:

    http://www.google.de/imgres?im.....38;dur=653

    Und wieviel Kalorien hat eine coke und die beruehmten chips ??

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    @Alan Posener
    „Denn was Liberalismus und Marxismus gemeinsma haben, ist die Ablehnung aller überkommenen Privilegien und der Strukturen, in denen Privilegien zu heiliger Ordnung gerinnen.“
    Und das ist auch der Grund, warum wir auch weiterhin Ideologien brauchen. Wenn man nur damit anfangen könnte, sie als Arbeitshypothesen und nicht als Religionsersatz zu verstehen.
    Die größten Ideologiekritiker sind – gleichermaßen, aber spiegelbildlich dazu – z.B. wahrheitsgläubige religöse Fanatiker (Ihren Hinweis auf den derzeitigen Stellvertreter Gottes auf Erden kann man tatsächlich kaum vermeiden..), aber auch wissenschaftsgläubige, die die Methodik dessen, an was sie glauben ganz offensichtlich nicht verstanden haben.

    Den moppeligen Nachwuchs und unsere sonstigen king size Hausgenossen betreffend, hege ich seit längerem folgenden Verdacht: Die Aligatoren in den Everglades-Sümfen (Florida) zeigten durch den verständlichen Einsatz von DDT gegen Malariamücken mangelnde Fertilität bis hin zur Zwitterbildung. DDT ist zwar keine in der Natur vorkommende Substanz, wirkt aber trotzdem wie Östrogene. Ich nenne diese Stoffe Östrogenoide. Es gibt viele Stoffe, die so wirken, so wie es viele Stoffe gibt, sie süß schmecken. Unser Lebensumfeld hat sich seit den 1970er jahren erheblich geändert; gerade in dieser Zeit sind viele neue Kunststoffe, Beschichtungen, Lacke, Phenole etc. dauerhaft in unser Wohnumfeld gelangt, die Stoffe in die Atemluft freisetzen, die Potential haben, östrogenoid zu wirken. Die Brustansätze unserer Jungen sprechen Bände. Und daß Östrogene Fetteinlagerung befördern, ist auch nichts neues.
    Beweisen kann man da natürlich nichts, aber ich vermute, die Datenlage ist ungleich signifikanter als die von Herrn Sarrazin für seine Thesen.

    Daher: Unbehandelte Holzmöbel, gekalkte Wände, viel draußen sein und nur Weizenbier (kein Hopfen) ist das beste Förderprogramm für Fertilität und gesicherte Renten..

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    @ derblondehans:
    Was meinen Sie denn hierzu? „Gesunder Menschenverstand?“

    Nicolas Sarkozy hatte Guéants Bemerkungen bereits am Montag am Rande seines Interviews mit Angela Merkel als Ausdruck des „gesunden Menschenverstandes“ verteidigt. Der stellvertretende UMP-Vorsitzende Brice Hortefeux nannte Guéants Position „beinah eine Selbstverständlichkeit“, Letchimys Äußerungen hingegen eine „inakzeptable Übertreibung“.

    Angesichts der schlechten Umfragewerte Sarkozys ist davon auszugehen, dass das Regierungslager in den kommenden Wochen häufiger beinahe selbstverständliche Thesen vertreten wird.
    http://www.welt.de/politik/aus.....f-auf.html

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    @ derblondehans: oder?

    Warum heißen manche Juden Goldberg oder Silverstein? Weil ihnen nichts anders übrig blieb. Warum gibt es hier so viele Müller oder Schneider? Weil das Zünfte waren. Von diesen waren die Juden ausgeschlossen. Sie machten dann etwas anderes. Wenn sie darin erfolgreich wurden, begann der Neid wie auch die Unterstellung. Dann folgten Pogrome. Auf ihren zunehmenden Erfolg im Mittelstand zu Beginn des 20. Jh. folgte der Holocaust. (Götz Alys Ausführungen sind hier intereressant).
    Der Antisemitismus im Nahen Osten ist nicht einen Deut besser. Sobald der Staat gegründet war, folgte der erste Krieg. Wenn Araber und Juden in einem einzigen Staat leben würden, wären Juden längst zu Menschen zweiter Klasse deklariert worden. Sie brauchen also einen Staat für sich.
    Sie vergleichen das mit Deutschland. Wer greift Sie denn an? Sind Sie je Menschen zweiter Klasse gewesen? Hat Ihnen je jemand versagt, einen bestimmten Beruf zu machen? Hat Ihre Familie Pogrome erlitten? Unterlagen wir einem Holocaust?
    Ihr Vergleich ist beschissen, sorry.

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    @APo

    … ich habe von Israel – nicht von Juden geschrieben.

    Wenn ich Juden zitieren möchte, dann nehme ich (u.a. gern) Paulus: Hebr. 5, 12 Denn obwohl ihr der Zeit nach schon Lehrer sein müsstet, braucht ihr von neuem einen, der euch die Anfangsgründe der Lehre von der Offenbarung Gottes beibringt; Milch habt ihr nötig, nicht feste Speise.

    … also: … wer lesen kann, ist klar im Vorteil 😉

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    @ Jean-Luc: In D auch:
    http://www.spiegel.de/wissensc.....94,00.html

    @ APo: Ich vergesse nie, dass ich ein Produkt einer solchen Einstellung bin: Großeltern und Urgroßeltern Bauern und Schneider. Dazu kam ein großartiger Lehrer, ein Lehrertalent, ein kultivierter Getriebener, der nicht Wissen vermitteln wollte, sondern Begeisterung für Wissen und Neugier auf Literatur, ein absoluter Glücksfall. Er hatte einen Spruch drauf: „Früher wurden die Schlechteren Ärzte; die Guten wurden Lehrer und Professoren.“ Das erklärt einiges. Auch bei Ihnen.

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    @ Derblondehans: Schon Hitler meinte, von den Juden könne man lernen, wie man die Rasse rein hält. Leute wie Sie lernen immer das Falsche von den Juden.

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    @derblondehans

    Wollen Sie in Deutschland auch alle Türen schließen?

    Dann müßten meine belgische Nachbarn in Aachen auch wieder zurück nach Eupen, und meine holländische Kollegen wieder zurück nach Maastrich. Und müßte logisch auch mein Haus in Lüttich aufgeben??

    Und was machen Sie denn mit den Polen, die in Vorpommern einwandern??

    Oder was wollen Sie mit dem Satz aussagen:

    Von Israel lernen – heißt siegen lernen. Oder?

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    @ Paisien: Sie werden richtig klassenkämpferisch. Gefällt mir. Denn was Liberalismus und Marxismus gemeinsma haben, ist die Ablehnung aller überkommenen Privilegien und der Strukturen, in denen Privilegien zu heiliger Ordnung gerinnen. Und sie hassen das nicht aus Ressentiment heraus, sondern aus der Bewunderung für diejenigen, die nach oben wollen, die für sich und ihre Kinder Besseres wollen, als die Gegenwart bieten will.

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    Weiter in Anschluss an den letzten thread (und hier geht es auch um eine Ideologie), mein Kommentar dazu darunter:

    Di Fabio: Also, wenn sie das unbedingt in dieser marxistischen Terminologie sehen wollen, dann könnte ich noch eins drauf setzen und sagen: Die rüsten ihre Kinder aus, um dieses Land zu verlassen, wenn hier alles den Bach runtergeht. Wenn die Kosten der demographischen Entwicklung zu hoch werden, wenn die Wirtschaftsstrukturen dann vielleicht doch nicht mehr so prosperieren, wie sie das heute noch tun. Dann sind unsere Kinder jedenfalls schon mal fit, um irgendwo auf dem Globus, wo es dann gut ist, ihre Arbeit zu finden.

    Die Solidargemeinschaft Deutschland ist dann aufgelöst. Vielleicht rüsten sie schon dafür. Aber das ist nicht mein Ansatz, das zu skandalisieren, sondern ich würde sagen, wenn man überraschende Lösungen sucht, dann ist Platz für Gedanken, der auch bei mir unfertig im Kopf ist, aber ich nennen das manchmal, wir bräuchten einer Edukations-Offensive in unserem Land, damit diese Stimmung der 60er-Jahre, was den Bildungsaufstieg angeht, wieder zurückkommt.
    http://www.welt.de/politik/deu.....chaft.html

    Was Di Fabio hier sagt, stimmt nicht so genau, wie er das vorträgt.
    Es gibt (möglicherweise genetisch bedingt! – olà – schlechte Schüler von – olà – reichen Eltern, ja, sogar von überaus reichen Eltern). Das darf nicht sein. Sie werden auf einer dieser Privat – äh – schulen untergebracht. Ja, gibt es. Dort werden auch die ersten Connections geknüpft, die später dann zu den bekannten Missständen führen, die wir seit Weihnachten beinahe täglich bewundern.
    Abgesehen davon aber gibt es gute Schüler, die nebenbei auch noch gern zu Hause sind, allenfalls ein Auslandsjahr machen und in D in übervollen! Unis studieren. Das Problem ist, dass die in der Wirtschaft und bei den Medien und auch in den Naturwissenschaften inclusive Medizin oft keinen Platz kriegen, wenn sie nicht im Ausland waren.
    Herr Friedman oder Herr di Fabio, sollten Sie das lesen, glauben Sie mir, bis auf diese mental manchmal mickrig ausgestatteten Fabrikantensöhnchen sind die meisten hier normal. Und sie würden auch normal bleiben, wenn sie ohne eine Angeberschleife in den USA wenigstens ein Vorstellungsgespräch bekämen, denn manche davon – und mit drei Kindern kennt man viele – sind gut, kreativ und sozial, vom Charakter gut, intelligenzmäßig gut ausgestattet und oft ziemlich fleißig. Das deutsche Abi ist schwerer als A-Level oder der flachbrüstige amerikanische Highschool-Abschluss.
    Erziehen Sie mal die Arbeitgeber! Und malen Sie mal wiederkehrende auffallende Nachnamen rot an. Da ist mehr Vitamin B in der Anstellungspraktik als Vitamin C in zehn Margheritas. MfG

  28. avatar

    Wir haben es auf allen Seiten mit Vereinfachungen zu tun. Sei es religiöser Fundamentalismus, dem nicht nur der Islamismus angehört, sondern auch der Islam als globale Armutsbewegung mit revisionistischen Zielen; die gefährliche evangelikale Rechte, aber eben auch die „Gutmenschen“, eine Gruppe meist besser gestellter Moralisten, die unabhängig von Marktzwängen meist mit Staatssalär irgendwelche emanzipatorischen Thesen vertreten dürfen, ohne deren Kosten zu tragen. Grüne schicken ihre Kinder in der Regel nicht in Schulen mit hohem Migrantenanteil. Aber Ideologisierung gehört zum Menschsein in hyperkomplexen Settings wohl als evolutionsbiologische Überlebensstrategie dazu. Ein gewissensbasierter kantischer Liberalismus für die Mehrheit ist eben Illusion – leider

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    Ich glaube auch, dass von einem „Ende der Ideologien“ keine Rede sein kann. Solange es Ideen gibt, wird es auch Ideologien geben, die aus den Ideen eine Lehre machen und sie dabei aushöhlen. Seien wir froh, dass es sie gibt, und versuchen wir, sie unschädlich zu halten.

    Darüber hinaus glaube ich sowieso nicht an das „Ende“ – weder von Ideologien noch von Medien und schon gar nicht von der Geschichte. Jede Ideologie taucht in verwandelter Form wieder auf, manchmal wird sie durch die Verwandlung harmlos oder gar brauchbar.

    Außerdem entsteht die Frage, was eine Ideologie von, sagen wir, einer Beschreibung des Wesentlichen unterscheidet. Ist es die Zutat der Polemik, d.h. unsere oppositionelle Einstellung? Oder die der massenhaften Verbreitung (Populismus)? Ist die Behauptung, dass es keine Ideologien mehr gibt, gleichbedeutetnd mit dem Satz „Wir können nicht beurteilen, wie die Dinge sich entwickeln und könenn sie also nicht steuern“?

  30. avatar

    Zu keiner anderen Zeit wurden Christen wegen ihres Glaubens so zahlreich verfolgt wie heute … alle drei Minuten wird ein Christ wegen seines Glaubens getötet …

    Werter APo: der Katholizismus ist eine friedliche, aber keine pazifistische Religion.

    Und weiter geht ’s …

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    „Wenn sich auf der anderen Seite ein zunehmender autoritärer Paternalismus breitmacht, der ganze Politikbereiche – nach der Europa- und der Geldpolitik nun auch etwa die Fiskalpolitik – dem Zugriff des Souveräns entzieht, besteht ernsthafter Grund zur Sorge.“

    Ja.
    Guter Artikel.

  32. avatar

    Zustimmung und Danke für den Hinweis auf den Beitrag von ihm in „Universitas“. Aktuell lese ich gerade über Carl Joachim Friedrich, der in Havard die Totalitarismustheorie einerseits befördert und der das Konzept der Verfassungsstaatlichkeit andererseits ausgearbeitet hatte. Wenn man herausarbeiten möchte, was der „Westen“ ist, kommt man daran nicht vorbei.

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