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Wenn der Bundespräsident sich entschuldigt

Bundespräsident  Christian Wulff hat endlich sein Thema gefunden: Freundschaft.  „Ich möchte nicht Bundespräsident in einem Land sein, in dem man sich bei Freunden kein Geld leihen kann“, hat er bei seinem gestrigen Interview verkündet.

Klingt logisch, dachte ich mir. In so einem Land möchte ich auch nicht leben, dachte ich weiter. Aber weil ich schon am Denken war, stellt sich eine Gedankenschraube in meinem Gehirn quer.  Alarmglocken läuteten, und auf meinem Display erschien die Frage: „Was erzählt der Mann da? Darum geht es doch gar nicht!“

Es geht darum, dass ein führender Berufspolitiker (Ministerpräsident, Bundespräsident), wenn er sich von Freunden Geld leiht, dies transparent machen muss, statt immer gerade an der Wahrheit vorbei zu schrammen. Aufklären statt tricksen, die Dinge klarstellen statt vernebeln.

Darum geht es. Aber Christian Wulff hat auch für dieses Verhalten eine Erklärung. Er sei noch nicht wirklich Bundespräsident, sondern Bundespräsident-Lehrling.

Diese Behauptung stimmt tatsächlich. Er entspricht immer noch nicht den Anforderungen des höchsten Staatsamtes. Nun ist auch dieses Argument ein Schein-Argument, also wieder Nebel.

Nicht ein politikferner Mensch ist plötzlich ins Schloss Bellevue eingezogen. Der könnte sich vielleicht mit diesem Argument retten. Sondern ein jahrzehntelang erfahrener Berufspolitiker, der immerhin Ministerpräsident  eines wichtigen Bundeslandes war.

Ach ja, bevor ich es vergesse: Christian Wulff hat gestern klargestellt, er steht für die Pressefreiheit. Na sowas, dachte ich mir, welch eine grandiose Aussage. Und entschuldigt habe er sich immerhin auch beim Bild-Chefredakteur.

Er habe sich als Opfer gefühlt. (Nanu, dachte ich mir). Immerhin wollte er doch nur, dass der Bild-Artikel einen Tag verschoben wird. Was muss ich ein paar Stunden später aus der Chefredaktion der größten Tageszeitung Deutschlands erfahren? Wulff hat auf der Mailbox nicht auf einen Tag gekämpft, sondern um das Verschwinden des ganzen Artikels.

Jetzt bin ich also wieder traurig. Hat mein Bundespräsident ein so schlechtes Gedächtnis oder ist er gar ein Lügner?

Andererseits freue ich mich über seine nächsten Fernsehauftritte, wo er wieder mir und der ganzen Welt erklären wird, dass er ein Opfer ist. Völlig missverstanden wird, aber dass er sich bei dieser Gelegenheit für sich und alle die ihn schlecht behandeln, mal wieder entschuldigt.

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283 Gedanken zu “Wenn der Bundespräsident sich entschuldigt;”

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    I’ve been browsing on-line more than three hours nowadays, yet I never discovered any interesting article like yours. It is beautiful value enough for me. In my opinion, if all site owners and bloggers made good content material as you did, the web will be much more helpful than ever before.

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    @Roland Ziegler: Meine Rückschau verlief im Übrigen in verschiedenen Etappen: Da gab es zunächst Abwehr, Ostalgie und schließlich den Versuch das eigene Leben aufzuarbeiten. Hinterher ist man meistens klüger.

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    Noch zwei Diskussionsbeiträge meinerseits, bis auch dieses Thema entgültig hinter den Ereignishorizont rutscht 🙂

    @Moritz Berger: Insb. die erste, „blinde“ Fraktion finde ich bedenklich: Denen ist nur das flüssige Funktionieren des Systems wichtig, der Sinn ist egal. Oder quasi-asiatisch: Beim sicheren Weg ist es egal, wohin er führt; Hauptsache er ist sicher.

    @Kerstin: Wenn das System zusammengebrochen (oder man aus anderen Gründen ausgeschert) ist, stellt man in der Rückschau fest, wie man sich besser hätte verhalten können oder müssen. Außerhalb des Systems ist man klüger. Wie wenn man aufwacht und sich verwundert die Augen reibt.

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    @Roland Ziegler: Nun will ich auch nicht zu sehr auf das System rausreden, in meiner Rückschau hätte es sicher Möglichkeiten gegeben, etwas zu sagen. Ist vielleicht wie mit dem Kinderkriegen, es gibt nicht den günstigsten Augenblick. Es gab auch bei mir eine riesige Portion Opportunismus: erst die Ausbildung, das Relativieren usw.

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    @Roland Ziegler

    „Dem sich zu entziehen und seine Selbständigkeit und Urteilsfähigkeit zu bewahren ist schwierig“

    Eine kurze “ Queranmerkung “ von meiner Seite:

    Ich war in der vergangenen Woche auf einem Seminar. Die Vortragende spulten ich ihre Fachtermini (aus dem Bankenbereich) ab um letztlich Eindruck zuschinden 🙂 Fast alles nur Worthülsen. Keiner der Teilnehmer wagte eine Frage zu stellen ??

    Irgendwann riß mir der Faden …

    und ich fragte einen der Vortragenden: was eigentlich das und das hieße, ich hätte es nicht verstanden.

    Der Vortragende “ eierte herum er wußte es auch nicht 🙂 🙂

    Aufschlußreich war in dem Kontext der Reaktion der Teilnehmer nach dem Meeting:

    1. Fraktion…solche Fragen kann man doch nicht stellen

    2. Fraktion… Sie haben ja vollkommen Recht ich habe es auch nicht verstanden, aber..unausgesprochen..(mich nicht getraut die Frage zu stellen)

    Hier handelt es sich nicht um Zivilcourage, sondern lediglioch darum, einmal aufzustehen und aus der Herde der Lemminge auszubrechen 🙂

    Ich gebe zu auch mir gelingt das nicht immer 🙂

    Aber vielleicht sollten wir häufiger im Leben einmal aufstehen und die Stimme erheben.

    Hier noch dazu eine asiatische Weisheit:

    Die Weisheit des ungesicherten Lebens
    Ja, manchmal wirst du auf deinem Weg straucheln und auf die Nase fallen – na und? Stehst du halt wieder auf. Klopfst dir den Schmutz ab. Und gehst weiter.

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    @Kerstin: Den von Ihnen geschilderten Druck, den ein straffes System erzeugt, würde ich viel eher als „natürlich“ bezeichnen. So wirkt eben ein System auf seine Elemente. Wie eine Naturkraft entfaltet es seine Wirkung. Dem sich zu entziehen und seine Selbständigkeit und Urteilsfähigkeit zu bewahren ist schwierig. Innerhalb eines Unrechtssystems Widerstand gegen ungerechte Regeln zu entwickeln, ohne seine persönlichen Loyalitäten und seinen Selbsterhaltungstrieb aufzugeben, ist ein schwieriger Balanceakt und in der „Natur“ eher die Ausnahme als die Regel.

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    Hier noch eine Anmerkung zum Thema: Teil eines Systems zu sein mit und ohne Aufstieg. Gleichzeitig müssen Sie manchmal Teil des Systems werden, um zu erkennen, wie das Ganze läuft und wo die Fehler liegen. Natürlich bekamen wir die unangenehmen Wahrheiten nicht in der Schule gelehrt. Uns wurde auch nicht mitgeteilt, wie man sich bei Anwerbegesprächen der Stasi wehren kann. Mir hat das tatsächlich mal jemand gesagt: „Da hilft nur Öffentlichkeit.“ Dann habe ich den Anwerbeversuch gegenüber Dritten doch verschwiegen, so lautete ja die Aufforderung des Anwerbers. Es ist eben auch dieses persönliche und gemeinschaftliche Schweigen.
    Wenn sie einem System gedient haben, wer soll Ihnen dann Ihre Meinungsänderung glauben bzw. man kann Ihre alten Entscheidungen gut gegen Sie verwenden, selbst wenn Sie Recht haben. Das Gemeinschaftsgedächtnis und die Selbstgerechtigkeit funktionieren gut, zusätzlich gibt es ja noch Archive.

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    @ Roland Ziegler + @derblondehans: Jetzt versuche ich mal in Ihre Diskussion einzumischen.

    Einen ungerechten Zustand zu beseitigen ist ein Gebot der Sittlichkeit und keinesfalls selbstverständlich oder gar “natürlich”, insbesondere dann nicht, wenn wir es sind, die von dem ungerechten Zustand profitieren. In diesem Fall ist Widerstand gegen die den Profit erzeugende ungerechte Regel sogar eher “unnatürlich”. (Zitat Roland Ziegler )

    Sie haben Recht, es ist schwierig, in den Widerstand zu gehen, wenn man selbst vom System (DDR) profitiert. Vor allem wenn man von allen Seiten die moralische Verpflichtung zum Mitmachen gepredigt bekommt, das Feindbild eindeutig im Westen lag und wenn die erlernte Problembewältigungsstrategie Erstarren ist. Es gibt drei Möglichkeiten belastende Situationen zu bewältigen: Kampf, Flucht oder eben Erstarren. Wie ich reagiere, ist auch vom Charakter und von Vorerfahrungen abhängig.

    Häufig herrscht auch der Irrglaube, dass man erst eine gehobenere Position im System erreichen muss, um handeln zu können, leider ist man bis dahin so sehr korrumpiert bzw. belastet, dass Widerstand dann kaum noch möglich ist bzw. man sich eingerichtet hat, Familie oder Karriere.

    In Systemen mit Sippenhaft kommt dann noch die Frage hinzu: Was passiert mit der Familie und den Freunden? Sehr drastisch hat dies Aravind Adiga in der Der weisse Tiger beschrieben, um mal bei Indien zu bleiben. Wenn die eigene Familie das System unterstützt, kommt auch noch ein Loyalitätskonflikt gegenüber der Familie hinzu. Ich las jetzt Necla Kelek´s Buch Die verlorenen Söhne , auch ein Beispiel für überlieferte Familiengesetze und den Einfluss der umgebenden Gesellschaft. Ich würde es nicht ausschließlich am Islam festmachen.
    Es ist einfach jemanden zu verurteilen, wenn man selbst solche Situationen nicht erleben musste, gleichzeitig sollte man die Verhältnisse nicht schönreden. Selbst heute kann ich es mir noch passieren, dass mir gesagt wird: Was du in der DDR erlebt hast, war wohl eine Ausnahme. Die Wahrnehmung der Menschen ist sehr persönlich.

    Wenn ich damals über die chemische Industrie redete, bekam ich oft zur Antwort: Ich soll nicht vom Einzelnen aufs Ganze schließen. Sollte heißen: Deine Erzählungen sind die Ausnahme. Zeitungen und Fernsehen erzählten von den großen Erfolgen, Planerfüllung und sportlichen Erfolgen, obwohl viele wussten, dass es oft Lügen waren, wurde der Schein gewahrt. So entsteht Stillstand. Die Elite blieb unter sich.

    Einmal wurde ich sogar gefragt, ob ich an einem Flugblatt mitarbeiten will, gleichzeitig äußerte jemand anderer den Verdacht, dass das Angebot eventuell von einem Zuträger der Stasi kam. Sie wissen nicht, wo der Freund oder der Feind ist. Da jeder Mensch ein soziales Wesen ist, brauchen Sie unbedingt eine Gruppe, die sie aufnimmt, diese aufnehmende Gruppe aber muss gefunden werden, dann auch noch dazu bereit sein und hat gleichzeitig ein Sicherheitsrisiko oder die Interessen liegen nicht eng genug beieinander, das ist nicht so einfach.
    Nie wieder, will ich so etwas erleben müssen.

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    …außerdem: so richtig wollen Sie mich aber auch nicht verstehen, oder? Ich habe Ihnen immerhin recht gegeben, dass man gegen eine solche Regel, wie ich sie als Beispiel angeführt habe, opponieren muss. Dass Widerstand zur Pflicht wird, wenn eine Regel ungerechter Quatsch ist. Ich bin Ihnen auch beim Naturrecht entgegengekommen, als ich schrieb, dass man die Regeln an ein natürlich-ungezwungenes Verhalten anpassen sollte (-> Geburtstagstorte). Dennoch glaube ich nicht, dass die Natur ein Fundament für ein Widerstandsrecht liefert (an das übrigens auch Kant nicht glaubte). Sie liefert allenfalls die Veranlassung, etwas ungerecht zu finden. Welche Konsequenzen wir daraus ziehen, ist aber unsere Sache. Einen ungerechten Zustand zu beseitigen ist ein Gebot der Sittlichkeit und keinesfalls selbstverständlich oder gar „natürlich“, insbesondere dann nicht, wenn wir es sind, die von dem ungerechten Zustand profitieren. In diesem Fall ist Widerstahnd gegen die den Profit erzeugende ungerechte Regel sogar eher „unnatürlich“.

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    @BlonderHans: Wenn Ihnen dieses Beispiel, das z.B. im Iran praktiziert wird, nicht gefällt, steht es Ihnen frei, ein anderes zu wählen. Falls Sie Interesse an der von Ihnen initiierten Diskussion haben, wonach es nicht aussieht. Bedenken Sie, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wenn eine Familie aus Liebe gegrüdet wird (auch in Deutschland nicht), und dass, selbst wenn dies der Fall ist, die Liebe vor Blind- bzw. Torheit nicht schützt. Was entsprechende Folgen für die daraus resultierenden Regeln haben kann (nicht muss).

    Das einzige Beispiel für Regeln, das Sie hier bislang gebracht haben, ist unser GG. Unser GG ist aber nun gerade NICHT aus einem völkischen Zusammenschluss sich liebender Familien hervorgegangen, sondern geradezu aus dessen Gegenteil: aus einem bewusst zusammengesetzten Gremium, das als Folge der völkisch-hasserfüllten Nazidiktatur von den Besatzungsmächten eingesetzt wurde.

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    @R.Z.

    Sie wollen mich nicht verstehen .. ich hatte auf bestimmte Regeln, z.B. genau die, die Sie anführen, verzichtet. Warum? Weil genau Ihr Beispiel eben nicht in einer Familie die aus Liebe gegründet wird vorkommt. Um bei Ihren Beispiel zu bleiben das Ehebruch weiblicherseits mit dem Tod zu bestrafen ist. Hier hätte übrigens die Frau das natürliche Widerstandsrecht zur Folge. Allerdings hat das in Deutschland (mehrere) Jahrhunderte gedauert, bis diese ‚Regel‘ allgemein gültig wurde. Mir ging es um Grundprinzipien. Wenn mit Ihnen über solch Beispiele – Todesstrafe bei Ehebruch – mit Ihnen diskutiert werden muss – beende ich dieses Thema hiermit.

    Hier noch zum (natürlichen) Widerstandsrecht. Ungefähr 283’000 Ergebnisse (0.11 Sekunden)

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    @BlonderHans: Nein, es ist von großer Bedeutung, was das für Regeln sind. Ein Beispiel: Wenn „die Familien“ sich die Regel gäben, dass Ehebruch weiblicherseits mit dem Tod zu bestrafen ist, dann wäre diese Regel ein ungerechter Quatsch, und man müsste dagegen opponieren. Wenn „die Familien“ in Süditalien die Dinge auf ihre Weise regeln, muss der Staat eingreifen. Usw.

    Woher kommt diese Pflicht, dagegen zu opponieren? Sie sagen: aus der Natur und zitieren das GG. Das GG wurde uns aber eben nicht von der Natur – in der neben Naturgesetzen z.B. das Recht des Stärkeren gilt – sondern von den Verfassungsvätern bzw. -müttern gegeben. Dass das GG nicht der Natur, sondern der Kultur, d.h. der von Menschen gemachten und von ihnen zu verantwortenden Sphäre, angehört, zeigt auch die Tatsache, dass es in der Weltgeschichte eine Unzahl aberwitziger Rechtssysteme (und auch die komplette Abwesenheit eines Rechtssystems) gegeben hat bzw. noch gibt. Sind diese real existierenden Unrechtssysteme Ihrer Meinung nach „wider die Natur“? Aber warum gibt es sie dann überhaupt? Die Natur ist groß, sie kennt viele Formen und noch viel mehr Möglichkeiten, und selbstverständlich ist ein ungerechtes Rechtssystem für die Natur überhaupt kein Problem. Aber für uns.

    Die Rechte werden uns nicht von der Natur gegeben, sondern wir geben sie uns selbst. Wir können uns gute und schlechte, gerechte und ungerechte Regeln geben. Dabei sollten wir natürliches (im Sinne von ungezwungenes) Verhalten berücksichtigen, z.B. die Frage, wie eine ungezwungene Aufteilung der Geburtstagstorte beim Kindergeburtsag aussehen würde. Wir kämem zu der wertvollen Einsicht, dass, wenn wir Streit vermeiden wollen, jeder ein gleich großes Stück bekommen muss. Zu verantworten haben diese Regeln aber nur wir allein. Und wir müssen sie ständig infrage stellen und verhandeln.

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    @R.Z.

    .. ich hatte geschrieben, dass sich Familien Regeln geben. Da ist es zunächst ohne Bedeutung was das für Regeln sind. Sicher werden es solche Regeln sein, die denen, die sie beschließen, genehm sind. Die Regeln sollten auch Anpassung an nicht vorhersehbaren Entwicklungen beinhalten. Vom Glauben habe ich nichts geschrieben.

    Im Übrigen ist das Widerstandsrecht allgemein ein naturrechtliches bzw. durch ein positives Gesetz statuiertes Recht jedes Menschen. Ich habe so etwas im Blut. 😉 Sie nicht?

    Ich gehe so gar nicht weiter: Widerstand kann und muss zur Pflicht werden, wenn das Menschenrecht, zum Beispiel das Völkerrecht auf Selbstbestimmung, verwehrt wird. Oder?

    Selbst das GG Art. 20 der ‚BRD‘ gibt so was her. Posten Sie aus Übersee?

    Artikel 20

    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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    @BlonderHans: Es kommt darauf an, welche Regeln das sind und wer dazu gehört und wer nicht. Gehört der dazu, der sich an die Regeln hält? Sind die Regeln vernünftig? Was passiert bei einem Regelbruch? Wer hat die Macht, die Zweifelsfälle zu entscheiden? Wer kontrolliert die Machtausübung?

    Zur zweiten Frage: Nein, in der Natur gibt es ein solches Recht nicht. Die Regeln der Familie werden auf die Kinder übertragen, und spätestens wenn die Kinder ihrerseits eine Familie gründen (aber eigentlich schon in der Pubertät), wird das Erbe auf den Prüfstand gestellt. Auf diese Weise werden die Regeln mit der Zeit an die veränderlichen Gegebenheiten angepasst.

    Beispielsweise dass es nicht mehr auf die Herkunft und den rechten Glauben, sondern auf das Verhalten eines Menschen ankommen soll. Wenn jemand diese Regeln zerstören will, beispielsweise weil er einen bestimmten Glauben hat und möchte, dass auch die Un- oder Andersgläubigen diesen Glauben übernehmen – was meinen Sie: Sollte ich dann Widerstand leisten? Oder kommt es hier auf den Glauben an?

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    @R.Z.

    … zum ersten Abschnitt: ich gründe aus Liebe eine Familie. Frau + Kinder und ich.

    Mehrere Familien begründen irgendwann eine Nation. Geben sich Regeln. Was haben Sie dagegen?

    Was meinen Sie: haben die Familien, hat die Nation ein natürlich gegebenes Widerstandsrecht gegenüber den/denen die sie zerstören will?

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    @BlonderHans: Das war ein Beispiel, wenn Sie damit nicht einverstanden sind, nehmen Sie ein anderes. Es gibt Leute, die wollen ein homogenes „Volk“ aus einer heterogenen Bevölkerung „herausschälen“, „erwecken“, „zusammenschmieden“, von unedleren Teilen – Menschen – mithilfe eine an Züchtung oder Alchimie erinnernden Verfahren „destillieren“. Wenn Sie scharf nachdenken, werden Sie bestimmt von selbst auf für Sie geeignetere Beispiele kommen.

    Aber um Ihre Frage zu beantworten: Doch, um diesen Gedanken kommt man ja kaum herum, weil er von besonders schlauen Menschen frei von der Leber weg öffentlich behauptet wird. Allerdings ist er genauso kompliziert wie unbewiesen, wie so viele Verschwörungstheorien, weshalb ich ihn ohne Federlesens mit Ockhams Rasiermesser zugunsten einer einfacheren Theorie abrasieren kann.

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    @R.Z.

    … auf den Gedanken, dass die ‚Zwickauer Terrorgruppe‘ geschaffen wurde, um Menschen – wie Sie es sind – zu beeindrucken kommen Sie nicht?

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    @Lyoner: Einen Jux habe ich nicht gemacht, und ich glaube, auch EJ hat keinen gemacht, als er von seinem Jugenderlebnis berichtete. Ihr Spiegel-Link trifft so ziemlich das, was ich an aktuellen politischen Bedenken zum Umgang mit dem Volksbegriff hege. Darüber hinaus kann ich nur das wiederholen, was ich auch Kerstin zum Thema Zeltlager geschrieben habe: Ich habe nichts dagegen, wenn jemand es volkstümlich-gesellig-bierzeltig mag. Solange es beim Zeltlager oder Musikantenstadl bleibt. Wenn aber jemand, darauf aufbauend, meint – nehmen wir als Beispiel die Zwickauer Terrorgruppe – , irgendein Volk „reinigen“ zu müssen, auf Kosten anderer, meistens Schwächerer, dann wird mir nicht nur von dieser Meinung übel, sondern darüber hinaus der komplette Volksbegriff suspekt.

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    kleiner Nachschlag. Ich habe versucht, die Diskussion um unser Amtsverständnis eines Bundespräsidenten zusammenzufassen und ein (vorläufiges) Resumee zu ziehen. Dies habe ich wegen der Länge jedoch auf einem Blog getan, der nicht jedem hier geheuer ist: http://von-den-einzigwahren-fr.....ident.html
    Vielleicht interessiert´s den einen oder anderen noch.

    @ Roland Ziegler, EJ

    mit Ihrer Volksphobie und Volksbegriff weiß ich immer noch nicht, ob Sie es ernst meinen oder einen Jux machen. So dieses Gespenst, was ganz furchtbar werden könnte, wenn es nicht in der Kiste bliebe. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht das Gefühl, dass dieses gespenstische Volk sich so leicht und schnell mobilisieren ließe. Meines Erachtens fehlt hier einfach der Kontext, in dem dieses Gespenst „Reaktion“ war. Oder meinen Sie etwa diese Mobilisierung: http://schwertasblog.wordpress.....anisation/? Oder das: http://www.spiegel.de/politik/.....10,00.html? Hat hier der „Westen“ etwas versäumt? Kann der Westen seine Entwicklungsversprechungen halten? Noch sind wir on the sunny side …

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    @Kerstin: Es steht mir nicht zu, Ihre Rolle im Zivilverteidigungslager zu untersuchen. Es ist auch gar nichts dagegen einzuwenden, gerne in Ferienlager zu fahren. Allerdings ist auch nichts dagegen einzuwenden, nicht gerne da hinzufahren 😉
    Auch ich wandere ausgesprochen gerne, suche mir aber die Mitwandernden lieber selber aus.

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    @Roland Ziegler: Also ich muss zugeben, dass ich gerne in Ferienlager fuhr. Die meisten Betriebe hatten ja solche Einrichtungen. „Der Fahnenappell gehörte dazu“ (Quelle: http://www.mdr.de/damals/archi.....32aac.html

    Das dort immer Fahnenappells dazugehörten, störte mich zunächst nicht, war ja von der Schule daran gewöhnt. Wir hatten dann 3 Wochen Spaß, Wandern, Baden und sportliche Wettkämpfe im Programm. So etwas wie Heimweh kannte ich nicht, einmal war ich sogar als Betreuer mit. Ferienlager, Pionier- und FDJ-Nachmittage boten eben auch eine Menge anderer Aktivitäten, das verbindet und macht heute die Bewertung so schwer. Erst als meine Tante etwas an diesen Appels auszusetzen hatte, machte ich mir mehr Gedanken darüber.

    Sie haben gar nicht gefragt, welche Rolle ich in dem “Zivilverteidigungslager” gespielt habe. Vielleicht gehen Sie davon aus, dass ich automatisch durch meinen Status als Gruppenführer zu den „Wächtern“ mit Machtmissbrauch gehört habe? Ich glaube, ich war privilegierter „Gefangener“, ich hatte in meinem Leben gelernt, solchen Situationen zu „überleben“. Möglichst keinen Druck auf andere ausüben, verweilen in einer emotionalen Starre und allen unangenehmen Situationen ausweichen. In dieser Beziehung war ich dann wohl Ichbezogen. Das kam bei meinen Kommilitonen nicht gut an, was ich auch verstehen konnte, da ich ja privilegiert war, was mir natürlich nicht entgangen war. Vielleicht aber auch eine Art Selbsttäuschung. 🙂

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    @Jean-Luc Levasydas + Kerstin: Es gibt übrigens eine recht spannende deutsche Verfilmung namens „Das Experiment“, das sich mit dem Prison-Projekt beschäftigt. Für mich ist das Erstaunlichste beider Experimente, dass sie als Grundlage eine Spielsituation haben, die dann schleichend immer ernster wird, bis sie regelrecht aus dem Ruder läuft. Auch das Milgram-Experiment hat ja etwas Spielerisches, weil es im Kontext um Verhaltensforschung, nicht um „echte“ Strafmaßnahmen geht.
    Was Ihr „Zivilverteidigungslager“ angeht: Für mich sind alle Lager – und dabei schließe ich sogar das kumpelige Zeltlager mit Klampfe am Lagerfeuer ein – mehr oder weniger ein Graus. Mit mir ist allerhöchstens ein Staat, aber kein Volk zu machen.

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    @Jean-Luc Levasydas + @Roland Ziegler: Aber es gab nicht nur das „Durchdrehen“, sondern auch den Machtmissbrauch, wenn jemand Macht zugewiesen bekam bzw. die Möglichkeit hatte Macht an sich zu reißen. Auch die Schülerin im Bus hatte letztlich Macht über mich, ich wich zurück und fuhr mit einem anderen Bus.

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    @Roland Ziegler: Jetzt wollte ich etwas Positives über die DDR schreiben und mein letzter Text war wieder negativ. Bei uns gab es so etwas wie ein korrigierendes Kollektiv, es gab eine gesellschaftliche Übereinkunft über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen und die Menschen waren bereit dafür einzutreten. Man konnte sie auch ansprechen, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten.

    @Jean-Luc Levasydas: Weshalb das mit dem ZV-Lager schrieb? Ich hatte hier schon einmal etwas über meine Zeit als Lehrling in der chemischen Industrie geschrieben. Damals musste ich manchmal durch einen Bereich, wo Strafgefangene arbeiteten. Es waren nach der Aussage meiner Kollegen viele Frauen, die nach dem § 249. Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten (Quelle: http://zwangsadoptierte-kinder.....er-ddr.pdf) verurteilt waren. Sie wurden mit 3 Bussen ins Werk gefahren und arbeiteten an verschiedenen Stellen. Der Umgang war sehr rau. Wir mussten manchmal durch eine Schleuse gehen, um an einen anderen Arbeitsort zu gelangen. Ich war sehr erschrocken, weil es dort 2 kleine Zellen mit Gitter davor gab, man darin wahrscheinlich nur stehen. Auf meine Frage: Wozu sind die nötig? bekam ich als Erklärung, dass die Frauen manchmal durchdrehten und dann getrennt werden mussten. Ich nahm dies zunächst nur zur Kenntnis, auch wenn ich es schrecklich fand. Im ZV-Lager konnte ich dann beobachten, wie sich „normale“ Studenten unter dem Druck von neuen Rollenverteilungen, Einschränkung ihrer Freiheit, Enge und Zwang veränderten und wie stark unser Verhalten von der Umgebung abhängig war. Dann konnte ich auch das „Durchdrehen“ der Frauen im Strafvollzug besser begreifen.

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    @Jean-Luc Levasydas: An einem solchen Experiment habe ich nicht teilgenommen, dafür musste ich während meines Studiums ein Zivilverteidigungslager in der DDR absolvieren und konnte die Veränderung von Menschen unter den Bedingungen eines Lagerlebens mit militärischen Hintergrund beobachten. Wer studieren wollte, musste eine solche Ausbildung absolvieren, die Studenten sollten „freiwillig“ Reserveoffizier der NVA werden (Die Ausbildung dauerte 6 Wochen.) und die Frauen mussten eben für 3 Wochen ins ZV-Lager. Bei der Frage der Armee war ich froh eine Frau zu sein, so konnte mich weder jemand bedrängen, 3 bzw. 4 Jahre zur Armee zu gehen, um ein gutes Studium zu bekommen, noch musste ich Reserveoffizier werden. In unserer Studiengruppe wollte ein Student diese Verpflichtung nicht eingehen und er sollte deshalb nach dem 1. Studienjahr exmatrikuliert werden, man hatte großen Druck auf ihn ausgeübt und wir sollten ihn auch noch überzeugen. Das ZV-Lager musste ich also absolvieren, dies war einfach normal. Plötzlich war ich auch noch Gruppenführer, da hatten die den Bock zum Gärtner gemacht, ich kann Rechts und Links nur schlecht unterscheiden und befehlen schon gar nicht. 🙂 🙂 Ich hatte auch noch eine Männergruppe, also Studenten, die aus verschiedenen Gründen wehrbefreit waren und deshalb mit uns Frauen im ZV-Lager waren. Es war ein bitterkalter Winter mit Temperaturen bis zu -26 Grad Celsius, deshalb wurden einige Übungen, wie Frühsport und Hindernislauf nur eingeschränkt durchgeführt. Alles war stark militärisch organisiert, man konnte das Objekt nur mit Urlaubserlaubnis verlassen. Mein Zug stellte den Objektschutz. Die Räume waren überheizt, draußen war es extrem kalt und einige wurden krank und mussten in die Krankenbaracke. Deren Aufgaben mussten die Übriggebliebenen mit übernehmen, die ihre ganze aufgestaute Wut auf den Kranken abluden und diese nötigen wollten, doch endlich ihr „bequemes“ Bett zu verlassen. Andere drehten durch, wenn sie bei der Zimmerkontrolle keine Note 1 bekamen und machen sich gegenseitig Vorwürfe. Ausgang am Wochenende gab es nur, wenn die Zimmerabnahme durch den Leiter des Lagers ohne Beanstandungen verlief, dabei kam es zu unerfreulichen Szenen, weil sich Einzelne durch Verbesserungen hervortun wollten, neue Regel aufstellten und die Studentinnen befürchteten, ihren Urlaub gestrichen zu bekommen. Es gab ständig heftigste Auseinandersetzungen und irgendwie hatten sich viele zum Negativen verändert, man konnte sie einfach nicht mehr wiedererkennen.

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    @Roland Ziegler: Sie habe Recht Zivilcourage muss trainiert werden und kostet unglaublich viel Überwindung, da ist dann auch noch die persönliche Risikobewertung. Ich denke jeder hat 1000 Gründe nicht zu reagieren, auch ich, zusätzlich wirkt auch noch eine Ansammlung von Erfahrungen mit, z. B. Nachrichten von Situationen ohne positiven Ausgang. Nicht immer geht es um Glatzköpfe und den jüdische Mitbürger. Nun lag dieser Vorfall genau in der Zeit meiner eigene Vergangenheitsbewältigung und ich war deshalb zusätzlich sensibilisiert.
    Ich habe hier viel Negatives über die DDR geschrieben, deshalb will ich doch noch ein paar Bemerkungen machen. Damals fühlte ich mich in mancher Beziehung sicherer. Nein, nicht wegen der der Stasi, sondern auch wegen des allgemeinen Umgangs. Vor einiger Zeit bat ich eine (deutsche) Schülerin im Bus ihre Schuhe vom gegenüberliegenden Sitz zu nehmen. Kleinigkeit in meinen Augen, es folgte zunächst eine Verbalattacke auf mich und ein zweimonatiges Spießrutenlaufen. Es ist nicht mein Bus, wo fängt Denunziantentum an, wenn ich mich beschwere und letztlich war ich hilflos. Auch kleinere Kinder anzusprechen, kann schwierig werden, wenn die Mütter sich in ihrer Erziehungsfreiheit eingeschränkt fühlen. Also unterlässt man es. Gleichzeitig überlässt man den Rüpeln das Feld. Der Staat soll es dann richten.

    Jetzt habe ich einen Artikel in der Welt gefunden: Warum sich die Deutschen selbst nicht mögen Ich habe ja selbst lange mit meinem Deutschsein gerungen.
    http://www.welt.de/politik/deu.....oegen.html

    Also liegt es nur am emotionalen Geschichtsunterricht? Das glaube ich eher nicht, auch wenn meine Erfahrungen dagegen sprechen könnten. Das ist mir zu einfach. Nun habe ich über Weihnachten versucht „Die Deutschen und das Grundgesetz“ von Maximilian Steinbeis u.a. zu lesen. War für mich sehr viel Neues, bin auch noch dabei. Es war richtig spannend, wie sich die „alte“ Bundesrepublik nach 1945 entwickelt hat.

    PS: Und noch mal zum Fußball 2006: Genauso froh war ich, dass sie nicht Fußballweltmeister 2006 geworden sind, sondern glückliche Dritte. Es gibt sicher ein nächstes Mal.

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    RZ: ‚Wenn der Hohe eriedrigt und der Niedrige erhöht wird, ergibt sich doch irgendsowas wie Sozialismus. Denke ich. Oder?‘

    Ne, ne, besser: In der klassischen (katholischen) Soziallehre gibt es drei Grundprinzipien, die maßgebliche Richtschnur für gesellschaftliches Handeln sind.

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