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Griechenland: Das Imperium schlägt zurück

In den letzten Wochen und Monaten bin ich oft gefragt worden, ob ich noch an der These festhalten will, die ich 2007 in einem Buch festhielt; dass nämlich die Europäische Union ein Imperium sei.

Ich meine, die Entwicklungen in Griechenland haben meine These geradezu textbuchmäßig bestätigt. Dass ein Frank Schirrmacher in einem FAZ-Leitartikel vier Jahre später in Teilen zu gleichen Ergebnissen kommt und sie als ganz neue Entwicklung und Erkenntnis in die Welt hinaustrompetet, würde mich nur ärgern, wenn es mich überraschen würde.

http://www.faz.net/aktuell/der-griechische-weg-demokratie-ist-ramsch-11514358.html

Freilich kommt Schirrmacher dem Problem eben nur zum Teil auf die Spur. Denn es ist ja eben nicht so, dass „die Märkte“ die Politik entmachten und die Demokratie abschaffen; sondern es ist so, dass sich die Politik selbst entmachtet und die lästige Demokratie abgeschafft, die wichtigsten Entscheidungen zusammen mit den unfähigsten Politikern „nach Brüssel abgeschoben“ und dem Sachzwang des Euro überlassen hat. Genau das war es, was ich mit „Imperium“ meinte. Es folgt das entsprechende Kapitel (2.4) aus meinem Buch „Imperium der Zukunft“ (2007): wörtlich, ohne aktuelle Hinzufügungen. Hier und da habe ich einiges der Kürze und besseren Lesbarkeit halber weggelassen; wer hinter den Auslassungszeichen Wesentliches vermutet, kann ja mein Buch kaufen (Tipp: eine Billigausgabe ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung auf Ökopapier erhältlich) und nachprüfen. Ab hier also meine Erkenntnisse von vor über vier Jahren:

Demokratiedefizit und Imperium

Angelsächsische Empiriker mögen sich mit der im vorigen Abschnitt gegebenen Beschreibung des Europäischen Imperiums zufrieden geben. (…) Kontinentaleuropäer verlangen etwas mehr. (…) Oberflächlich mag sich das Größere Europa also wie ein Imperium ausnehmen. Aber ist es „wesensmäßig“ ein Imperium? (…)

Europa kommt daher als ein „supranationales Gebilde“, weder Bundesstaat wie die Vereinigten Staaten von Amerika noch bloßer Staatenbund wie das britische Commonwealth of Nations, weder Europa der Vaterländer noch Vaterland Europa, sondern eine Erscheinung sui generis, etwas völlig Neues in der Weltgeschichte. So argumentieren diejenigen, die der These vom Europäischen Imperium widersprechen. Diesen Argumenten will ich in diesem Kapitel begegnen.

(…)

Wie ist es aber mit der Behauptung, der Europäischen Union fehle ein Machtzentrum? Und inwiefern sind alle Mitglieder der Union gleichberechtigt? Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, wie weit sich die Peripherie Europas erstreckt, und wie die Macht Europas dort in vielfältigsten Formen diffundiert. Kann es sein, dass sich im Zentrum nur ein schwarzes Loch befindet? Zugegeben, Europa fehlen – noch – die militärischen Machtmittel, die Unterordnung unbotmäßiger Länder an der Peripherie zu erzwingen; eine Behauptung, die aber sofort durch die Beobachtung zu revidieren ist, dass der Westbalkan von der Nato befriedet wurde und während des Europäisierungsprozesses von Nato- und EU-Truppen mit „robustem“ Mandat besetzt bleibt. Der Vorgang hat durchaus exemplarischen Charakter.

Aber die wichtigsten Machtmittel des imperialen Zentrums sind finanzieller, politischer und rechtlicher Natur. Übrigens war das in früheren liberalen Imperien nicht anders; und gerade diese Eigenschaft unterscheidet sie von den Imperien, die – wie die europäischen Reiche Napoleons, Stalins und Hitlers – durch militärische Gewalt geschaffen und allein durch Unterdrückung zusammengehalten wurden. (…)

Gerade die europäische Finanzpolitik ist ein Musterbeispiel dafür, dass sich zwischen Zentrum und Peripherie eine imperiale Struktur ausbildet. So wurden die so genannten „Stabilitätskriterien“ auf deutsches Drängen hin in die Finanzverfassung der Euro-Zone aufgenommen. Die Stimme der größten Volkswirtschaft Europas zählte natürlich ganz anders als die der formell gleichberechtigten künftigen kleineren Partner im Euro-Verbund. Dabei ging es bei der Einführung des Euro um weit mehr als die Vereinheitlichung der Währung zum Vorteil aller grenzüberschreitenden Wirtschaftsakte. Es ging um eine wirtschaftspolitische Revolution auf kaltem Wege.

Indem sie nämlich der Gesamtverschuldung und vor allem der Neuverschuldung des Staats eine Grenze setzen, bilden die Stabilitätskriterien zusammen mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die ihrerseits – ebenfalls auf Drängen der Deutschen – wie die Bundesbank allein der Erhaltung der Geldwertstabilität verpflichtet ist, das Hauptmittel zur europaweiten Durchsetzung einer liberalen Wirtschaftspolitik auf der Grundlage des so genannten Washingtoner Konsenses.

Früher konnte ein Staat wie etwa Italien versuchen, die mangelnde Konkurrenzfähigkeit seiner Industrie auf den internationalen Märkten durch die Abwertung der nationalen Währung ausgleichen. Gleichzeitig konnte er hoffen, dem Reformdruck des Weltmarkts durch großzügige Subventionen für die nationale Industrie auszuweichen und mit einem bürokratisch aufgeblähten Sozialstaat das Proletariat ruhig zu stellen, das Wachstum des Prekariats zu verhindern und für die Mittelschicht Arbeitsplätze im Sozialapparat zu schaffen.

Diese Neo-Keynesianische Strategie, in Deutschland als „Rheinischer Kapitalismus“ verklärt, steht den nationalen Regierungen mit ihrem Beitritt zur Euro-Zone als Option schlicht und einfach nicht mehr zur Verfügung. Der Euro sorgt dafür, dass alle Produkte aus der Euro-Zone zu gleichen Bedingungen auf dem Weltmarkt konkurrieren. Die Stabilitätskriterien sorgen dafür, dass dem Wohlfahrtstaat enge Grenzen gezogen werden. Unabhängig von ihrer politischen Couleur mussten und müssen daher Regierungen in ganz Europa Sozialleistungen zusammenstreichen und den Staatsapparat abschmelzen; gleichzeitig müssen sich einstmals staatliche, halb staatliche oder staatlich subventionierte Unternehmen, von der Post und der Telekom über den Auto- und Flugzeugbau bis hin zur Energiewirtschaft und zum Kohlenbergbau – von Opern, Theatern und Museen, Schulen und Hochschulen ganz zu schweigen – der unerbittlichen Logik des Marktes stellen: wer nicht höchste Leistung zum niedrigstmöglichen Preis liefern kann, geht unter.

Im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 wurde oft gefragt, ob Angela Merkel die deutsche Maggie Thatcher werden könnte. Die Frage dürfte sich inzwischen erledigt haben, aber sie war ohnehin irreführend. Der Euro ist Europas Maggie Thatcher, und die Politiker der Euro-Zone lediglich seine mehr oder weniger willigen Vollstrecker.

Wohlgemerkt: zur Reform Europas gab es keine Alternative, wollte der Kontinent Teil der globalisierten Welt bleiben. Die verfetteten europäischen Wohlfahrtsstaaten der 1970er Jahre hatten in der Konkurrenz mit den USA und Japan, von China und Indien ganz zu schweigen, keine Chance, und es ist kein Zufall, dass dies zuerst in jenem europäischen Land bemerkt wurde, das traditionell am stärksten nach Übersee blickt: Großbritannien. „TINA“ wurde unter Margaret Thatcher zum geflügelten Wort: There Is No Alternative. Freilich musste Thatcher ihre Vision einer marktwirtschaftlichen Meritokratie gegen Widerstände von links und rechts durchdrücken, die in jedem anderen europäischen land die Regierung zu Fall gebracht hätten. So wurden allein bei den erbitterten Kämpfen rund um den Bergarbeiterstreik von 1984/5 zehn Menschen getötet. Das war ein Klassenkrieg, wie er seit den 1920er Jahren nicht mehr erlebt worden war. Keine andere europäische Elite traute sich zu, solche sozialen Unruhen durchzustehen. Und so wurde die Verantwortung nach Europa ausgelagert. Der Euro musste her.

Allerdings ist „Europa“ zwar weitgehend dem Zugriff der Massen, nicht aber dem Zugriff der Eliten entzogen. Im Gegenteil: Brüssel ist Austragungsort ständiger Machtkämpfe zwischen den einzelnen Fraktionen der politischen Klasse Europas. Und hier sind, bei aller formalen Gleichheit der EU-Mitglieder, manche sehr viel gleicher als andere. Als Portugal 2002 als erstes Land der Euro-Zone gegen die Stabilitätskriterien verstieß, wurde von der Kommission in Brüssel sofort ein Verfahren gegen das kleine Land an der südwestlichen Peripherie eingeleitet. (…) Als im Jahr darauf die beiden Länder „Kerneuropas“, Deutschland und Frankreich, gegen die Regeln des Stabilitätspaktes verstießen, wurden die Regeln geändert.

Solche Ungleichgewichte werden natürlich bemerkt und führen zu entsprechendem Verhalten. So wurde vor einigen Jahren ruchbar, dass Griechenland seine Zugehörigkeit zur Euro-Zone mit der Vorlage gefälschter Daten zur Haushaltentwicklung schlicht erschwindelt hatte. Als die Sache aufflog, war es zu spät, etwas zu unternehmen. Man darf annehmen, dass die Griechen nicht die einzigen Europäer sind, die etwas von der Kunst kreativer Buchhaltung verstehen.

Das Beispiel illustriert übrigens ein auch aus früheren Imperien bekanntes Paradoxon imperialer Politik, nämlich die Fähigkeit der Peripherie, das Zentrum zu manipulieren. Im Falle Griechenlands etwa hätten nachträgliche Strafmaßnahmen, gar der Ausschluss des Landes aus der Währungsunion, vermutlich wirtschaftliche und politische Turbulenzen geschaffen, die insgesamt für die Stabilität der EU gefährlicher gewesen wären als die schmollende Hinnahme des Betrugs. Aus den gerade abgeschlossenen und noch laufenden Erweiterungsrunden ließen sich ebenfalls viele Beispiele dafür anführen, dass sich die Brüsseler Behörden und ihre Sendboten vor Ort mehr oder weniger bereitwillig darüber täuschen ließen, wie vollständig die einzelnen Bestimmungen des Acquis Communautaire von den Beitrittskandidaten umgesetzt worden waren und sind, um den Fahrplan des Erweiterungsprozesses nicht zu gefährden.

Wenn also die Stabilitätskriterien und der Acquis communautaire immer wieder unterlaufen werden, so stehen sie doch beispielhaft dafür, wie sich die europäische politische Elite auf Normen und Verfahren einigt, die sich in einem Akt der Entfremdung, wie Karl Marx gesagt hätte, als veräußerte Macht gegenüber der sie hervorbringenden Gruppe verselbständigen. Nun ist dieser Vorgang der Entfremdung und Veräußerung von Macht das Wesen auch jeder demokratisch legitimierten Staatsmacht, die Bertolt Brecht in dem Apercu zusammenfasste: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Ja, aber wo geht sie hin?“ Die Europäische Union ist aber kein Staat; die Macht, die sie ausübt, ist weder demokratisch legitimiert noch demokratisch beschränkt; und ein europäisches „Volk“, von dem sie ausgehen könnte, existiert nicht. Ja, die Struktur der Europäischen Union ist geradezu darauf angelegt, sich der Legitimation und Kontrolle durch demokratisch gewählte Organe zu entziehen.

Die Reaktion der Befürworter des Europäischen Verfassungsvertrags auf die Referenden in Frankreich und den Niederlanden war geradezu typisch. Das „Nein“ der Mehrheit des Volkes in beiden Ländern wurde sofort umgedeutet: es habe sich ja gar nicht um ein Nein zur Verfassung, sondern um ein Nein zum Beitritt der Türkei oder zum „polnischen Klempner“ oder um eine innenpolitisch motivierte Protestabstimmung gegen die Regierungen in beiden Ländern gehandelt usw. usf. Und die Lehre aus diesem Debakel sollte sein, dass man die wesentlichen Bestimmungen des Verfassungsvertrags dann eben ohne Befragung des großen Lümmels per Abmachung unter den Regierungen bei der nächstbesten Gelegenheit in Kraft setzt.

Im Setzen von Rechtsakten hat man ja in Brüssel Erfahrung.

Das Bundesjustizministerium hat für die Jahre 1998 bis 2004 die Zahl der Rechtsakte der Bundesrepublik Deutschland und die Zahl der Rechtsakte der Europäischen Union einander gegenübergestellt. Ergebnis: 84 Prozent stammten aus Brüssel, nur 16 Prozent aus Berlin. Dazu gehören sicherlich viele Verordnungen wie jene zur optimalen Gurkenkrümmung, deren Herkunft gleichgültig ist. Dazu gehören aber auch Bestimmungen zum Binnenmarkt, die vom Stromnetz über den Flugverkehr bis hin zum Autokauf und den Handypreisen jeden Bürger als Verbraucher täglich betreffen, sowie Richtlinien zur Umwelt, zum Arbeitsschutz, zur Gesundheit und zum Kampf gegen die Diskriminierung. Es ist schon nicht ohne Komik, dass die nationalen Wahlkämpfe, über die wir uns so echauffieren, am Ende vor allem darüber bestimmen, wer die Brüsseler Rechtsakte umsetzen darf.

Dabei arbeiten die nationalen Politiker, die nach Parkinsons Gesetz der bürokratischen Machtvermehrung vor allem daran interessiert sein müssten, ihre Macht gegenüber der Zentralen in Brüssel zu schützen und zu mehren, dem sich verselbständigenden europäischen Apparat in die Hände. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog nennt diesen Vorgang das „Spiel über Bande“. Ein nationales Ministerium, etwa das deutsche Bundesumweltministerium, das ein Regulierungsvorhaben auf nationaler Ebene nicht durchsetzen kann, etwa weil der deutsche Wirtschaftsminister Widerstand leisten oder es im Bundestag keine Mehrheit finden würde, regt die zuständige Generaldirektion in der Europäischen Kommission diskret an, dieses Vorhaben EU-weit zu verwirklichen. Die Kommission – als Behörde selten abgeneigt, die eigene Regulierungskompetenz zu erweitern – bereitet ein entsprechendes Gesetz vor, und darüber entscheidet dann der Ministerrat: wohlgemerkt, nicht der Rat der Ministerpräsidenten, sondern der Rat der Fachminister, im gegebenen Beispiel also die Vertreter der 27 Umweltministerien, darunter das deutsche Ministerium, das den ganzen Prozess angestoßen hat, weil es dafür keine demokratische Legitimation bekommen konnte. Die Dialektik fasst Herzog in dem prägnanten Satz zusammen: „Folge ist eine fortschreitende Zentralisierung, angestoßen durch nationale Partikularinteressen.“

Und nicht nur das: da der EU-Ministerrat aus den jeweiligen Fachministern der Mitgliedstaaten, also aus Vertretern der Exekutive besteht, andererseits aber das entscheidende Wort bei der europäischen Gesetzgebung spricht, liegen die wesentlichen europäischen Legislativfunktionen entgegen allen Grundsätzen der Gewaltenteilung bei Mitgliedern der Exekutive. Demgegenüber sind die Parlamente in den einzelnen Mitgliedsländern der EU einem schleichenden Entmachtungsprozess ausgesetzt. (…)

Inzwischen ist selbst den Abgeordneten des Deutschen Bundestags aufgefallen, dass sie immer mehr zu Claqueuren der von ministeriellen Bürokraten in Brüssel ausgehandelten Beschlüssen werden. In einer „Vereinbarung“, die der Bundestag im September 2006 mit der Bundesregierung geschlossen hat, musste sich daher die Bundesregierung verpflichten, den Bundestag über Entwicklungen in Brüssel frühzeitig zu informieren, dem Parlament die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und die Meinung des Bundestages bei den Verhandlungen im Ministerrat zu berücksichtigen. Eigentlich, so müsste man meinen, eine Selbstverständlichkeit. Jedoch räumt die Vereinbarung der Regierung ausdrücklich das Recht ein, „in Kenntnis der Voten des Deutschen Bundestages (…) aus wichtigen außen- und integrationspolitischen Gründen abweichende Entscheidungen zu treffen.“ Diese Selbstentmachtung des Parlaments sollte man zwei- und dreimal lesen: Die Bundesregierung wird ausdrücklich vom Bundestag ermächtigt, auch gegen ausdrückliche Beschlüsse des Bundestages zu handeln.

Wie dieser Prozess der Entfremdung des Politischen vom Gemeinwesen, der Veräußerung der dem gewählten Parlament vorbehaltenen Gesetzgebungskompetenz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, mögen findige Verfassungsjuristen erklären. Der ehemalige Verfassungsrichter Roman Herzog jedenfalls ist dazu nicht in der Lage und warnt: „Es stellt sich die Frage, ob man die Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch uneingeschränkt als eine parlamentarische Demokratie bezeichnen kann.“

Man kann es nicht. Deutschland ist Teil – Kernland, wenn man so will – eines Imperiums; eines „benevolent empire“ zwar, dessen Exekutive gerade in den letzten Jahren, man kann es nicht oft genug betonen, mit der Befreiung der Marktkräfte in Europa den Kontinent in einem Tempo modernisiert hat, wie es die nationalen Regierungen weder gekonnt noch gewollt hätten – aber eines Imperiums nichtsdestotrotz.

Hier ist nicht der Platz für eine detaillierte Institutionenkunde des Imperiums.(…) Jedoch soll hier soviel angemerkt werden, dass alle europäischen Institutionen die Tendenz haben, Regelungskompetenzen an sich zu ziehen und damit jene Institutionen zu entwerten, die der unmittelbaren Kontrolle durch ein Demos unterworfen sind, was ja Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie ist.

Das beginnt beim Europäischen Gerichtshof, der immer wieder über die Frage von Kompetenzen und Zuständigkeiten letztinstanzlich zu urteilen hat und dabei laut Bundesverfassungsgericht immer „im Sinne einer größtmöglichen Ausschöpfung der Gemeinschaftsbefugnisse“ entscheidet – was nicht verwundert, da Europas Oberstes Gericht durch Artikel 1 und Artikel 5 des EU-Vertrags darauf verpflichtet wird, bei der „Verwirklichung einer immer engeren Union“ mitzuwirken.

Das geht weiter beim Europaparlament, das durch seine bloße Existenz suggeriert, die „Finalität“ der Europäischen Union bestehe in einer Art Super-Staat Europa, mit der EU-Kommission als Regierung, die vom EU-Parlament kontrolliert wird – und das darum bestrebt sein muss, so viele Kompetenzen an sich zu ziehen, wie sich Rat und Kommission anmaßen. Dieses Parlament, das vom Wahlvolk keinen Auftrag bekommt, in dem es weder eine Regierungsbank noch eine Opposition gibt, das weder durch eine zweite Kammer, noch durch ein europäisches Demos kontrolliert wird, funktioniert in Wirklichkeit als erweiterte Beratungsinstanz der Kommission, mit der es sich einig weiß im Bestreben, die nationalen Parlamente zu entmachten.

Das mündet schließlich in jene Bestimmungen des Verfassungsvertrags, die „Europa handlungsfähiger“ machen sollen – etwa durch die so genannte Passerelle-Klausel, die den im Rat versammelten Staats- und Regierungschefs das Recht einräumt, selbst zu entscheiden, in welchen Zuständigkeitsbereichen, für die bisher das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat gilt, zukünftig Mehrheitsentscheidungen gültig sein sollen. Also in welchen Fällen die versammelte EU-Exekutive gegebenenfalls Beschlüsse der nationalen Parlamente einfach ignorieren darf.

Zusammengefasst: das angeblich machtlose Zentrum des Europäischen Imperiums hat in Wirklichkeit bereits die nationalen Parlamente der Mitgliedsländer – und damit das Wahlvolk – weitgehend entmachtet und arbeitet daran, sich weitere Kompetenzen anzueignen. (…)

So ist die Europäische Union nicht nur postnational und postheroisch, sondern auch – und dadurch – postpolitisch und postdemokratisch im Sinne des britischen Theoretikers Colin Crouch: ein Elitenprojekt, bei dem nicht die Beteiligung der Bürger entscheidend ist, sondern – in den unsterblichen Worten Helmut Kohls – „das, was hinten rauskommt“. In Brüssel handeln die verschiedenen Fraktionen der wachsenden europäischen Elite – Parlamentarier und Regierungen, Lobbyisten und Technokraten – das Programm der Europäischen Union untereinander aus; den nationalen Politikern und Medien kommt nur noch die Funktion zu, das Programm zu vermarkten.

(…)

Europa ist ein Imperium, und je früher seine Bürger dieser Tatsache ins Auge sehen, desto besser.

Im letzten Kapitel füge ich als Kritik des britischen Europa-Begeisterten Mark Leonard („Why Europe Will Run the 21st Century“) hinzu:

Um ein letztes Mal Mark Leonard zu zitieren: „Die ‚Europäisierung’ des nationalen politischen Lebens findet größtenteils hinter den Kulissen statt, aber gerade dank dieser Unsichtbarkeit ist ein einzigartiges politisches Experiment zu einem triumphalen Erfolg geworden.“ Sprich: die Europäer haben nicht einmal bemerkt, wie ihre nationalen Institutionen in Teile eines supranationalen Imperiums verwandelt und dadurch entmachtet worden sind. Und, ja, diese Täuschung des Bürgers war wohl Voraussetzung für den Erfolg des „politischen Experiments“ Europa. Will die Europäische Union jedoch als „starker Akteur“ auftreten und die internationale Ordnung des 21. Jahrhunderts „entscheidend mitbestimmen“, wie Kanzler Schröder es formulierte, dürfte die Politik der Unsichtbarkeit, die Politik des leisen Tatsachenschaffens hinter den Kulissen – also hinter den Rücken der Bürger – schnell an ihre Grenzen stoßen. Auf Dauer ist Schizophrenie kein haltbarer Zustand für eine Weltmacht.

 
Griechenland: Geplante Volksabstimmung über Sparpaket

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55 Gedanken zu “Griechenland: Das Imperium schlägt zurück;”

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    @Roland Ziegler

    Die “ Ratlosigkeit „, auch bei mir zeitweise vorhanden, sollte uns nicht in den Zustand der Apathie bringen 🙂

    Stellen wir doch einmal die Sache auf den Kopf:

    Warum brauchen wir im Zeitalter des Netzes eigentlich noch die Banken in dieser herkömmlichen Form?

    Reicht eigentlich nicht ein smartphone aus ?

    Und was in Kenia funktioniert, warum nicht auch in unseren hochentwickelten Industrieländern??

    http://tinyurl.com/6mfvbsf

    http://www.kplc.co.ke/index.php?id=121

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    @EJ
    Es wäre sehr schön wenn Sie diesen Abschnitt noch einmal erklären würden:

    Im Ernst: Wir reden hier vom Geschäft! Es ist nicht einzusehen, dass Konw-how, sofern es auch Gesellschaftsvermögen ist, kostenlos an irgendjemanden abgegeben wird, weil der damit irgendwo anders einen höheren Gewinn erzielen kann. Der Export von echten Produktionsfaktoren, von Industriewissen und Industrieerfahrung, von wissenschaftlichem Wissen (Labor!) ect. pp. kann nicht kostenlos erfolgen. Das ist (mit ungezählten individuellen Leben) bezahltes Gesellschaftsvermögen, das nicht ohne Schaden kostenlos verteilt werden kann.

    Ganz komkret:

    know-how in Form von Patenten und Lizenzen wird in der Regel nicht kostenlos abgegeben.

    Auf wenn der MP3 Player von Steve Jobs in Form des i-pod vermarktet wurde und nicht vom Fraunhofer-Institut in Deutschland, so sind dennoch die Patentgebühren in die Leistungsbilanz Deutschlands miteingeflossen.

    Und wenn Sie daraufanspielen sollten, dass sich die Chinesen deutsche know-how im copy und paste Verfahren aneignen….

    warum gibt es wohl das “ Made in Germany “ ?

    http://de.wikipedia.org/wiki/Made_in_Germany

    Und: in dem Maße in dem die Chinesen (und auch Inder) beginnen ihre eigenen Innovationen patentieren zu lassen werden die copy und paste Verfahren zurückgehen.

    Und noch hier zu:

    Wenn der “Ausweg” ins Wachstum (und damit zum Neuen und Anderen: vom Festnetztelefon zum Cell Phone, von der Landkarte zum GPS, von der Schreibmaschine zum PC) nicht mehr gegeben ist,

    Gibt es tatsächlich eine Korrelation zwischen der (quantitativen) Wachstumsideologie und dem Auftreten von Innovationen?

    Dachte der Mensch der das Feuer erfand (das war doch Prometheus oder 🙂 an das GDP??

    Und wie verhielt es sich mit Leonardo da Vinci??

    Und was Ihren Armutskommunismus betrifft:

    Wir sind mittlerweile in Deutschland so reich, dass wir durchschnittlich nur noch 10 Stunden pro Woche arbeiten müßten, um einen gewissen Lebensstandard zu halten, dann vielleicht aber nicht mehr frei Autos pro Familie sondern vielleicht nur noch ein Kleinwagen etc.

    Keynes hat bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ermiittelt, das ein Durchschnittsarbeiter bezogen auf den damaligen Lebensstandard nur noch 20 bis 30 Stunden hätte arbeiten müssen um gut zu leben.

    Und bei meinem Vater hieß es noch am Samstag gehört mein Vati mir.

    Und wo sind wir heute bei einer 40+ Stundenwoche!!!

    Wie ich schon an einer anderen Stelle bemerkt habe:

    Quantitatives Wachstum ist mehr oder weniger bullshit. Siehe Verkehrsunfall!!

    Wir sprechen immer von innovationen im technischen Bereich, die ein must wären.Wo bleiben die Innovationen im gesellschaftlichen Bereich?

    Und warum nicht auch einmal die Frage des Grundeinkommens angehen??

    Herr Posener zitiert immer wieder seinen Adam Smith wie eine Bibel.

    Wo gibt es endlich einmal den Adam Smith des 21. Jahrhunderts?

    Warum diskutieren, wir nicht einmal, ob , wie ich am Donnerstag in der Zeit gelesen habe:

    Gibt es eine Alternative zum Kapitalismus?

    es jenseits von Kapitalismus und Sozialismus nicht andere Gesellschaftsformen gibt, die besser sind.

    In dem Zusammenhang:

    Lesen Sie vielleicht einmal Elinor Oststrom und ihr Buch:

    Governing the Commons

    http://de.wikipedia.org/wiki/Elinor_Ostrom

    Hier liegen m.E. erste innovative Ansätze einer gesellschaftlichen Entwicklung jenseits von Kapitalismus und Sozialismus.

    Oder nehmen Sie die von mir aufgeführten Beispiele im Web:

    http://www.kickstarter.com
    http://www.visionbakery.de
    http://www.kivas.org

    Benötigen wir daher noch die Banken??

    Konkret:

    Sie könnten von mir einen Kredit zu 5 % Zins p.a. bekommen, sofern wir in einer community organisiert wären, die eine Kreditausfallversicherung beinhaltet.

    Mein Vorteil:

    Ich bekäme mehr als die jetzigen 1 bis 2 %

    Ihr Vorteil:

    Sie brauchen nicht 12% für Ihren Kontokorrentkredit/Dispo zu zahlen.

    Und dann könnten wir u.U. so gar noch jeweils 1% des Zinsatzes für staatliche Aufgaben abgegeben und würden immer noch besser finanziell darstehen, als es im jetzigen System möglich wäre.

    In und unseren nächsten “ Camp “ (Hallo Frau Groda wir sind im Januar wieder in BW, aber dieses Mal im Land der Gelbfüßler, und auch bei Zwiebelkuchen und Spätzle und Vino ), sprich eine adhoc Gruppe von Kollegen, die an einem Wochenende einmal durchspielen, was wäre wenn….., sprich neue Formen des Wirtschaftsleben anzudecken.

    Ein Thema war in der Vergangenheit:

    von der owner- zur share Gesellschaft

    oder wie es in der Überschrift eines Wirtschaftsmagazins hieß:

    Kaufst Du noch oder teilst Du schon?

    Und um wieder ganz konkret zu werden:

    Wieviel Mal im Jahr nutzen Sie Ihre Boschbohrmaschine??

    10 Stunden??

    Es wäre doch für Ihren Geldbeutel viel besser, wenn Sie sich eine Hochleistungsbohrmaschine von Hilti für 1000 € in Form einer Nutzungsgenossenschaft von Nachbarn kaufen würden. Bei 20
    “ Bohrmaschinengenossenschaftlern “ müßten Sie nur 50€ investieren + einer Haftpflichtversicherung.

    Beginnen wir doch einmal gegen den Strom zu fließen!
    Think out of the box, wie meine US-Kollegen immer sagen.

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    @ Alt68er

    Geringere Wachstumsraten oder Nullwachstum oder sogar Negativwachstum sind verbreitet Thema. Das habe ich mitgekriegt, durchdenken könnnen habe ich die Sache aber noch nicht wirklich. – Mal abgesehen davon, welche Wirkung schrumpfendes oder sogar Negativwachstum etwa auf das in Rede stehende Kreditwesen haben müsste – wie muss man sich die Chancen des Individuums vorstellen? Wenn der „Ausweg“ ins Wachstum (und damit zum Neuen und Anderen: vom Festnetztelefon zum Cell Phone, von der Landkarte zum GPS, von der Schreibmaschine zum PC) nicht mehr gegeben ist, finden die Chancen dann im Kampf um die (evtl. sogar schwindenden) Bestände statt? Läuft das auf extreme Unterschiede in Besitz (und Macht) hinaus? Oder auf einen Armutskommunismus? – Ich brauche da noch ’ne Weile. Insofern: In diesem Punkt keine Antwort.

    Meinen Sie nicht auch, dass es das Rationale (der Weltgeist) in der Globalisierung sein könnte, dass Ressourcen, Güter, Produktivkräfte, Know-How gleichmäßiger in der Welt verteilt werden?

    Na, ob Sie da nicht eine Beruhigungspille an (linke) Gutmenschen verteilen? Im Extrem: Atomwaffen für alle. Und kostenlos!

    Im Ernst: Wir reden hier vom Geschäft! Es ist nicht einzusehen, dass Konw-how, sofern es auch Gesellschaftsvermögen ist, kostenlos an irgendjemanden abgegeben wird, weil der damit irgendwo anders einen höheren Gewinn erzielen kann. Der Export von echten Produktionsfaktoren, von Industriewissen und Industrieerfahrung, von wissenschaftlichem Wissen (Labor!) ect. pp. kann nicht kostenlos erfolgen. Das ist (mit ungezählten individuellen Leben) bezahltes Gesellschaftsvermögen, das nicht ohne Schaden kostenlos verteilt werden kann.

    Und, nur nebenbei, in diesem Zusammenhang geht es auch immer um wirtschaftliche Macht als Faktor politischer Macht. Mit der jetzigen Handhabung machen wir uns – erkennbar! – zunehmend ohnmächtig.

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    @EJ

    .. aha … die beschriebene (Anleihe-)Praxis, älter als der Neoliberalismus, hat also den Autoritätsverlust des Staates vorbereitet.

    Der Begriff Neoliberalismus wurde 1938 ‚geprägt‘.

  5. avatar

    @ EJ, Sie schreiben
    „Die Schuldenmacherei hängt auch damit zusammen, dass das (Kredite “deckende”) realwirtschaftliche Wachstum kleiner bzw. zu klein geworden ist. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass wir inzwischen seit Jahrzehnten einerseits in großem Stil Know-how zum Nulltarif exportieren, andererseits unser (Aus-/)Bildungssystem verkommen lassen.“

    Ist es nicht „natürlich“, dass das ökonomische Wachstum ab einem bestimmten Niveau geringere Wachstumsraten haben muss? Ich erinnere auch an Ludwig Erhard, den Moritz Berger zitiert hat: „… dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es immer richtig und nützlich ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist , unter Verzicht auf diesen “Fortschritt” mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.“

    Ich denke, dass es hier auch einen Zusammenhang mit einem schrumpfenden, weniger dynamischen und hungrigen Markt auf Grund schrumpfender Geburtenraten gibt. M.E. verdankt sich das „Wirtschaftswunder“ nicht nur der genialen sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards, sondern auch einem riesigen Nachfragemarkt durch die Flüchtlinge aus dem Osten.

    Meinen Sie nicht auch, dass es das Rationale (der Weltgeist) in der Globalisierung sein könnte, dass Ressourcen, Güter, Produktivkräfte, Know-How gleichmäßiger in der Welt verteilt werden?

    Was uns nicht hindern müßte, unsere Schulen, Ausbildungssysteme, Universitäten für unseren Nachwuchs, sofern wir uns ihm verantwortlich fühlen, besser zu machen und die Sekundärtugenden, die dafür erforderlich sind, gegenüber den Primärtugenden eines Posener, Fischer, Lafo aufzuwerten.

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    @ Roland Ziegler

    Einen Ausweg aus dem Schneeballsystem habe ich in „technischem“ Sinne nicht, schon gar nicht einen, der nicht möglicherweise/ wahrscheinlich durch die Katastrophe führt bzw. führen muss. Klar ist aber, dass wir zurück müssen zu den Maßstäben der Vergangenheit. (Dabei – Ihr Stichwort “Monetative” – muss die öffentliche Hand nicht völlig schuldenfrei sein bzw. werden.)

    Es gibt noch einen anderen „neoliberalen“ Punkt: Die Schuldenmacherei hängt auch damit zusammen, dass das (Kredite „deckende“) realwirtschaftliche Wachstum kleiner bzw. zu klein geworden ist. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass wir inzwischen seit Jahrzehnten einerseits in großem Stil Know-how zum Nulltarif exportieren, andererseits unser (Aus-/)Bildungssystem verkommen lassen. Da muss eine grundlegende Änderung stattfinden. Von der ist aber weit und breit nichts zu sehen. (Gleich, mit wem sie über den Know.how-Export sprechen – Unverständnis und Kopfschütteln. (Klar, weil das den Eigentumsbegriff berührt.))

    @ derblondehans

    „Von langer Hand“ meint nur, dass die beschriebene (Anleihe-)Praxis älter ist, als der Neoliberalismus. (Aber außerordentlich gut in sein „Konzept“ passt.)

  7. avatar

    EJ: … ‚der sozusagen von langer Hand vorbereitete Autoritätsverlust des Staates … ‚

    Werter EJ – könnten Sie Ihre Wort näher erläutern? Wer ist die ‚lange Hand‘?

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    @EJ: Was könnte ein Ausweg aus diesem Schneeballsystem bieten? Das „100%-Money“-Konzept von Irving Fisher (jeder Euro, der als Kredit gegeben wird, muss mit einem entsprechenden Euro gedeckt sein)? Eine „Monetative“ als 4.Gewalt im Staate?

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    @ Roland Ziegler. könnte solchen Entwicklungen entgegengesteuert werden

    Könnte! Mal ganz abgesehen davon, dass sich Staaten von Privatunternehmen raten lassen müssen – der sozusagen von langer Hand vorbereitete Autoritätsverlust des Staates wir allein schon in der Tatsache deutlich, dass Banken, die sich gerade gegen einem Minimalzins beim Staat „refinanziert“ haben, dem Staat Anleihen gegen einen Zins gewähren, über den (per Auktion) sie bestimmen.

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    @ Roland Ziegler: Wildwuchs bei der Kreditvergabe

    Ich würde nicht von „Wildwuchs“ sprechen. Die Sache hat System bzw. ist eins: ein Schneeballsystem. Die von Ihnen beschriebenen Regeln gelten nicht mehr. Der Kredit wird durch einen weiteren Kredit gedeckt usw. usf. Und das auf beiden Seiten, sowohl auf der Seite der Kreditgeber als auch auf der Seite der Kreditnehmer, wobei auf beiden Seiten insbesondere der Staat agiert.

    Nach mir/ uns die Sintflut – der Kern des Neoliberalismus, in dem der Staat wesentlich zum Marktakteur geworden ist (und das Schneeballsystem in seiner Größe und Rasanz überhaupt erst ermöglicht).

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    @Moritz Berger: Mich – im übrigen ratlos – beschleicht das Gefühl, dass es der Wildwuchs bei der Kreditvergabe ist, der das Problem darstellt. Weniger die Schulden als solche, sondern das unkoordinierte Verfahren der einzelnen Banken bei der Kreditvergabe. Aus der Summe der einzelnen Fehler, die aus dem freien Spiel der Finanzmarktteilnehmer resultieren, ergibt sich dann die globale Krise.
    Die Kreditvergabe verlief sowohl bei der Immobilienblase als auch bei den Staatsverschuldungen unkontrolliert; hier ergibt sich ein gemeinsamer Nenner dieser ansonsten sehr unterschiedlichen Krisen. In beiden Fällen gab es de facto keine Kontrollinstanz, die für die Koordinierung der Kreditvergabe und ein vorausschauendes Krisenmanagement sorgte. Das Vergeben eines Kredits ist ja keine unproblematiwsche Sache; es ist die Schaffung eines Wertes, denn aus dem Nichts heraus bekomme ich als Schuldner Geld, und wenn ich nicht zurückzahle, dann greift die Bank auf mein Eigentum bzw. auf meine Freiheit durch. Das ist also grundsätzlich ein sehr sensibler Vorgang, der genau beobachtet und kontrolliert werden muss. Wenn die Schuld mehrerer Schuldner in der Summe groß genug geworden ist, gerät die Situation außer Kontrolle, weil dann Zins und Zinseszins ihre Hebel ansetzen. Mit einer staatlichen Institution, die (im Gegensatz zur FED) wirklich unabhängig ist und für Geldmenge + Kreditvergabe zuständig ist, könnte solchen Entwicklungen entgegengesteuert werden. Die einzelnen Banken wären dann nur noch Vermittler.

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    Des Rätsels Lösung:

    Hier zum Abschluß noch ein Zitat eines Ökonomen:

    Wir werden mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es immer richtig und nützlich ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist , unter Verzicht auf diesen “Fortschritt” mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.

    Wer hat diese Sätze wohl publiziert???

    Ludwig Erhard 1957

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    @Alt 68er

    Ob das allerdings so klare Worte waren……
    Ich muß ehrlich sagen, der gesamte Finanzbereich wird in meinen Augen immer undurchsichtiger.

    Eine Finanztransaktionssteuer würde sicherlich einen
    “ gewissen “ Steuerungseffekt auslösen. Aber da insbesondere die US und UK sich gegen jegliche
    “ Regulierung “ ausgesprochen haben ist eine Reform des Washington Consens nicht in Sichtweise.

    Auch die Kontrolle über den „Schattenbankenbereich“ dürfte m.E. sehr schwierig sein, da zwar die Schweiz als tax-heaven an Bedeutung verliert aber andere Staaten wie Singapur die Nachfolge antreten.

    Auch boomende “ Schattenbankbereiche “ wie z.B. der Transfer von Unternehmensanteile (z.B. facebook) unterliegen nur in sehr geringem Maße einer Kontrolle durch eine Zentralbank (in diesem Fall die Fed)

    Wer noch glaubt das die Börse heute noch d i e Rolle im Finanzsektor spielt lebt leider im Tal der Ahnungslosen.

    Der Kauf und Verkauf von Finanzanlagen wird zunehmend in „off- Finanzmärkten “ durchgeführt.

    Was den Crash betrifft: Haben wir den nicht schon??

    🙂 🙂 🙂

    Es ist notwendig, dass wie Herr Posener eine stärkere demokratische Kontrolle über unsere politischen Instanzen fordert, wie auch wieder eine Transparenz unserer Ökonomie einfordern müssen.

    Die Hilflosigkeit von Kontrollinstitutionen wie der Bafin, ist bezeichnend für die derzeitige Ohnmacht im Finanzsektor.

    Während im sonstigen Wirtschaftsbereich das Kartellamt mehr oder weniger eine gewichtige Kontrollfunktion ausübt, ist die Bafin als deutsche nationale Kontrollinstanz im Finanzsektor noch weit davon entfernt. Dies gilt m.E. auch für ähnliche Kontrollorgane im Finanzbereich vieler anderer Länder.

    Ob Schirrmachers Artikel den berühmten Sack in China in Bewegung bringt????

    Besinnen wir uns doch auf die Eigenkräfte des Marktes und hinterfragen zunehmend einmal was um uns passiert.
    Soll heißen warum erhalte ich heute nur einen Tagegeldzinssatz von max. 1 % und muß für einen Kontokorrentkredit 12 % zahlen???

    Vielleicht brauchen wir wieder andere innovative Formen im Finanzbereich wie z.B. online-Kreditgenossenschaften oder solche
    “ Institutionen “

    wie http://www.kickstarter.com

    die es ermöglichen Projekte ohne Bankenunterstützung zu realisieren.

    Auch in Deutschland gibt es bereits ähnliche crowdfunding Projekte, zwar noch im “ alpha Status “ aber es sind in meinen Augen erste praktikable Ansätze:

    http://www.visionbakery.de/

  14. avatar

    Gebetsmühlenartig wird wiederholt, keine Großbank darf pleite gehen weil dann eine Kettenreaktion einsetzt.
    Aber nie wird das genauer begründet.

  15. avatar

    @ Moritz Berger

    besten Dank für Ihre klaren Worte.

    Sehen Sie eine Chance, das „Schattenbankenwesen“ in den Griff zu bekommen, oder müssen wir mit Poullain den großen Crash erwarten? Was denken Sie, in welchem Zeitraum? Mit einer Katharsis des Personal können wir doch nicht rechnen?

    Was meinen Sie zu Schirrmachers Ausführungen )http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kapitalismus/eurokrise-und-vergib-uns-unsere-schulden-11527296.html) „Und vergib uns unsere Schulden. – Jeder Umsturz, jede Revolution beginnt mit Schulden, welche die Gesellschaft nicht mehr bezahlen kann.“

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    @KJN

    Lieber KJN,

    theoretisch ist alles möglich solange es mit der Relativitätstheorie von Einstein in Einklang zu bringen ist 🙂

    Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen:

    Wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass von den 2 bis 3 Billionen € die täglich einmal um den Erdball gehen, nur noch knapp 10% auf Realgüter entfallen, die restlichen 90% entfallen nur noch auf Geldgeschäfte, sprich Devisenhandel, Derivate etc. etc.

    Zur Zeit der Hanse und ebenfalls in den Niederlanden (Ausnahme die Tulpenspekulation) beruhte der Handel mehr oder weniger auf Realgütern und die Geldschöpfung war längst nicht so spekulativ wie heute.
    Das heißt de fakto auch, dass die Banken mittlerweile keine Dienstleister mehr sind sondern überwiegend zu Produzenten von “ abstrusen “ Geldgeschäften geworden sind, die selbst Bankern nicht mehr transparent erscheinen. Seit Soros, (der sich mittlerweile als vielfacher Milliardär vom Saulus zum Paulus gewandelt hat) mit seinem Angriff auf das englische Pfund UK mehr oder weniger in die Knie gezwungen hatte,

    http://de.wikipedia.org/wiki/George_Soros

    wird der Einfluß der Banker auf die nationalen und letztlich heute auch internationalen Wirtschaftsentwicklungen immer transparenter.

    Die Deregulierung der Finanzmärkte,die nicht zuletzt auch auf Thatcher und Reagan und in Deutschland mit Verzögerung auf Schröder zurückzuführen ist, ist auch der Verursacher für die mehr oder weniger anhaltende Finanzkrise seit 2007 , sprich Lehman.

    Der Markt regelt eben nicht alles, wie es letztlich auch Herr Posener mit seiner Gebetstrommel und seinem Adam Smith immer wieder verständlich machen will.

    Was mich bei der Diskussion hier zum Beitrag von Herrn Posener immer wieder überrascht, ist die Apathie der Diskussionsteilnehmer gegenüber solchen Sätzen:

    Die verfetteten europäischen Wohlfahrtsstaaten der 1970er Jahre

    Nach dem lean management von Reagan und Thatcher brauchen wir uns nicht mehr zu wundern, dass die Schere der Einkommen immer weiter auseinander geht.

    Die Fettleber ist mittlerweile bei dem 1% angekommen!!

    Wenn ich desweiteren lese:

    ……das Hauptmittel zur europaweiten Durchsetzung einer liberalen Wirtschaftspolitik auf der Grundlage des so genannten Washingtoner Konsenses.

    Dann frage ich mich schon ob Herr Posener sich überhaupt die Mühe gemacht hat einmal den Washingtoner Konsens danach zu untersuchen, ob tatsächlich die wirtschaftlichen Ziele, die dort verankert sind, erreicht wurden.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Washington_Consensus

    Ich sehe zum Beispiel nicht, dass der trickle-down effect, der davon ausgeht, dass das wirtschaftliche Wachstum allen Bevölkerungsschichten zugute kommt, tatsächlich eingetroffen ist.

    So sehr ich die Deregulierung in einigen Teilen unser Gesellschaft begrüße, so sehr ist es aber zukünftig notwendig, dass wir als Bürger stärker Kontrolle ausüben dürfen und können.
    Und das sollte sich eben nicht nur auf die politischen Instanzen beschränken, sondern uns z.B. über Kontrollorgane wie der Bafin auch Einfluß auf die Finanzmärkte einräumen.

    Das Brüssel von viele Bürgern als Zeichen für eine Entdemokratisierung gesehen wird mag sicherlich in einigen Bereichen richtig sein.

    Verkannt wird aber leider dass Brüssel, oder auch konkret gesagt die EZB gegen die internationalen Finanzmärkte immer weniger Einfluß hat.

    Wenn analog Soros von 1992 gegen die Bank of England, heute konzentriert einige Hedgefonds gegen die italienischen Anleihen spekulieren, dürfte die EZB erhebliche Schwierigkeiten haben dagegen einzuschreiten.

    Und wer einmal auf den Kanal-Inseln und den Cayman Islands war und sich die Namensschilder auf den Briefkästen angesehen hat, braucht sich nicht zu wundern, dass trotz angestrebter Regulierungsmaßnahmen im offiziellen Bankenbereich ist noch immer nicht geglückt ist unser
    “ Schattenbankenwesen “ in den Griff zu bekommen. (Volumen ca. 10 bis 15 Bill.€)

    Hier zum Abschluß noch ein Zitat eines Ökonomen:

    Wir werden mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es immer richtig und nützlich ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist , unter Verzicht auf diesen „Fortschritt“ mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.

    Wer hat diese Sätze wohl publiziert???

    Und hier noch ein Artikel aus dem Folio der NZZ:

    Denn sie wissen nicht, was Sie tun:

    http://tinyurl.com/7pgebtq

    Und dann gibt es da noch Ludwig Poullain:

    http://tinyurl.com/66gdnfs

    Und hier seine ungehaltene Rede:

    http://tinyurl.com/ccthxxq

  17. avatar

    Mit dem Rheinischen Kapitalismus hat Herr Posener auch so seine Schwierigkeiten. Der existierte bereits vor dem Neokeynesianismus und nannte sich in Deutschland soziale Marktwirtschaft!!!

  18. avatar

    aufgespießt:

    – der unerbittlichen Logik des Marktes stellen: wer nicht höchste Leistung zum niedrigstmöglichen Preis liefern kann, geht unter.

    Mein Gott wie grau ist alle Theorie 🙂

  19. avatar

    @Moritz Berger
    „Nur von Bankern und Derivatenhändler kann keine Volkswirtschaft leben“
    Das meinen wohl die meisten, ich bis dato auch. Ist es nicht aber doch zumindest theoretisch möglich? Europa sozusagen als standardgebende Kontrollinstanz des internationalen Handels? Immerhin hat die Hanse, später die Niederlanden in der Kolonialzeit ganz gut von der damaligen Globalisierung gelebt. Es interessiert mich einfach Ihre Meinung – diesmal garantiert wieder völlig ohne Ironie;-)

  20. avatar

    Sehr geehrter Herr Posener,

    wenn Sie die Deindustrialisierung nicht sehen, dann sehen Sie es eben nicht.

    Was mich überrascht ist die Tatsache, dass Sie bei Ihren Ausführungen über z.B. den Papst Benedikt und die katholischen Kirche eine sehr genaue und letztlich in meinen (Laien) Augen und erhellende Analyse vornehmen.

    Sobald es sich um Themen aus der Wirtschaft handelt, werden Ihre Analysen aus meiner (unmaßgeblichen) Sicht leider etwas ungenauer.

    1. Ich habe nicht behauptet, dass Margret Thatcher unisono für die Deindustralisierung von UK zuständig ist. Leider aber auch nicht für eine Reindustrialisierung!

    2. Zur Ihrer Aufklärung: Kohlebergwerke gehören nicht zum manufacturing Bereich

    3. Und bitte nicht nur Überschriften lesen!!!

    http://www.cbr.cam.ac.uk/pdf/wp014.pdf

    Hier werden sehr anschaulich die Gründen für den Niedergang der britischen Industrie dezidiert dargelegt. Und Thatcher hat dies ebensowenig aufhalten können wie Blair und seine Nachfolger.

    4.Damit ich hier nicht in der Geruch der Parteilichkeit komme, und nur ein Thatcherbashing veranstalte, hier letzlich die Quelle auf dem mehr weniger auch Ihre Daten aus dem Wiki beruhen.

    http://www.pwc.co.uk/eng/publi.....uring.html

    Selbst hier wird der Deindustrialisierungsprozess nicht in Frage gestellt. Es werden daher auch Forderungen gestellt diesen Prozess zu beenden.

    Es dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein, dass Industrieprominente wie Dyson schon seit Jahren die mangelnde Industrialisierung in UK beklagen.

    Nur von Bankern und Derivatenhändler kann keine Volkswirtschaft leben (Ausnahmen bestätigen die Regel, siehe Cayman Islands)

    Die R&D Ausgaben von UK sind mit die niedrigsten unter den Industrieländern. Die ist ebenfalls ein weiterer Indikator für die anhaltende Schwäche der britischen Industrie.

    http://www.bis.gov.uk/assets/b.....tionuk.pdf

    „Ich behaupte, Thatchers Reformen haben die britische Industrie gerettet. Denn wenn man mit nur 8 Prozent der Beschäftigten 83% der Exporte bestreitet, spricht das wohl für eine ungeheure Effizienz jener Betriebe“

    Wenn die britische Industrie tatsächlich so stark wäre, wie Sie es darstellen, warum ist das dann Handelsbilanz von UK immer noch hoch negativ?

    Was Dortmund betrifft und den Wandel. Ihnen dürfte vollkommen entgegen sein, dass Dortmund mittlerweile eine der Hochburgen im High Tech Bereich in Deutschland ist. Aber bei Ihnen ist es ein Konsum- und Dienstleistungszentrum 🙂

    Ganz nebenbei:

    In Bezug auf Ihr Beispiel der britischen Automobilindustrie:

    Ein privates Unternehmen ist nicht per se effizienter als ein staatliches Unternehmen.

    Denken Sie einmal an das Volkswagenwerk.

    Und bitte bei Ihrer nächsten wirtschaftlichen Analyse nicht nur Wiki heranziehen.

  21. avatar

    Zitat Alan Posener: @ EJ: „Nun, ich bin offensichtlich, wie Altpräsident Herzog, anderer Meinung als Thomas Schmid, was die Legitimation aller EU-Organe betrifft. Vollkommen seiner Meinung war ich in der Einschätzung, dass Papandreou Recht daran tat, sich für die notwendige Unterordnung unter das EU-Diktat die Vollmacht des Volkes einzuholen. Habe ich etwas verpasst, oder ist es nicht so, dass er für dieses Vorhaben von Merkel und Sarkozy zusammengestaucht und kurz darauf gestürzt wurde, und dass wir inzwischen eine Koalitionsregierung von “Technokraten” in Athen haben, sprich von Leuten, die nicht politisch, sondern technokratisch handeln, sprich die Vorgaben aus Brüsselberlin umsetzen? QED.“

    Ganz meiner Meinung. Daher sollte das Thema Demokratie (und Humanitas) erstes Anliegen der Journalisten und Herausgeber, die ein Gewissen besitzen und nicht nur ausgelagerte Lobbyarbeit betreiben, werden.
    Sie fragten in Ihrem letzten Post noch, wem man lieber sein Geld anvertraut. Politikern, die die an sich anzulegende Rente zweckentfremden, natürlich nicht. Es gibt auch gewissenhafte Banker, aber es liegt auch an uns, Sie haben recht. Wir legten nach der Krise 2000 konservativ an, d.h. wenig Gewinne und wenig Verluste. Wir haben nur wenig und daher kein Spielzeug. Das scheint aber, wenn ich diese Hysterien so betrachte und diese Ratingagenturen, nicht erwünscht zu sein von erwähnten Technokraten. Ich frage mich daher, ob die mangelnde Bereitschaft der Anleger, sich zur Zeit in Abenteuer zu stürzen, bedeutet, dass ein Umdenken in Gang ist. Es würde bedeuten, dass Wachstum um jeden Preis überdacht werden muss. Das hätte zur Folge, dass die Bürger, die können, manches mitfinanzieren müssen, Schulen z.B. Ich fände das wünschenswert, weil man dann auch mehr bestimmen könnte. Der Lehrplan ist ebfs. ins Technokratische entglitten zuungunsten von Kultur.
    Wussten Sie, dass Sarkozy in den viereinhalb Jahren sein Gehalt von E 7.000 auf etwas über 19.000 hochgeschraubt hat und die Edlen in Cannes angeblich Hotelsuiten für 30.000 – 40.000 bewohnten (Nouvelobs gestern)? Cameron übrigens „nur“ 1.500.

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    @derblondehans: „… eigentlich mach ich mir aber gar keine Sorgen. Die sozialistischen Großmachtträume der Möchtegern-Imperatoren krachen schneller zusammen, als das tausendjährige Reich.“ (Ihr Zitat)

    Sind Sie sich sicher? Die Schäden, die uns diese Imperatoren hinterließen, kann ich immer noch spüren. Ich hoffe sehr, dass meine Söhne so etwas nicht erleben müssen. Der Satz von Friedrich von Hayek, scheint mir doch, sehr aktuell zu sein. In wikipedia habe ich gelesen, dass er für ein Mindesteinkommen plädierte. Was soll das sein? Ein Mindestlohn oder ein bedingungsloses Grundeinkommen oder etwas Drittes? Haben Sie eine Antwort? Früher habe ich den Neoliberalismus ausschließlich als Konkurrenzmodell (darwinistisch??) wahrgenommen.

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    Niemand in den Amerikas bemerkt Europa als „Imperium“! Das ist nur die „Einbildung“ ideologischer Journalisten in Deutschland, denn auch in Europa glaubt das keiner! Europaer sind nur „Partner“ des Imperiums in New Yaaark: Die „Finanzen“, die „Kultur“, die „Verteidigung“ wird in New Yaaark „formuliert“ (Wall Street, Broadway, „Policy Foundations“) – und via Washington oder Langley oder Hollywood nach Europa „directed“… Der Titel eines neuen Buches in USA ist „CRAZY LIKE US“: The Globalization of the American Psyche. Sogar die Geisteskrankheiten, erfunden von U.S. Pharmafirmen und Psychiatern – werden jetzt Mode in vielen Laendern. Besonders die Erzatz-Americans in „Germany“ zeigen schon viele der Modesymptome…die Bundeswehrkrieger kommen zurueck vom Kunduz mit den selben hysterischen Beschwerden wie die Ami-„Warriors“ – obwohl die Bundeswehr dort nur herumsitzt, und nun kommen die ideologischen Journalisten mit „delusiones imperiales“: „Europa als Imperium!“ In den beiden Amerikas kichert man doch nur ueber „Germany“ – welches nach ueber 60 Jahren immer noch von 70,000 amerikanischen und britischen Truppen besetzt bleibt: Die Briten bis 2035 und die Amis fuer die Ewigkeit! Nicht mal eine souveraene Nation..

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    Alan Poseners Plädoyer, dass wir europäischen „Demokraten“ post hoc ratifizieren, was die europäischen „Eliten“ zusammen mit Brüssel hinter unserem Rücken, unter Täuschung der Bürger, benevolent zu unserem Besten bewirkt haben, hat, wenn ich das richtig verstanden habe, folgenden argumentativen Klimax:
    Mit der europäische Finanzpolitik, ihren Instrumentarien „Stabilitätskriterien“, der Geldpolitik der EZB und an vorderster Stelle der Euro (die monetarisierte Maggie Thatcher), werden durch unsere „Eliten“ die nicht mehr in die Zeit passenden Überreste der Sozialstaatlichkeit (Wohlfahrtsstaat, Sozialleistungen, Staatsapparat) abgebaut und europaweit die unerbittliche Logik des Marktes durchgesetzt, die da heißt: wer nicht höchste Leistungen zum niedrigstmöglichen Preis erbringt, geht unter. Mit der Befreiung der Marktkräfte in Europa wird der Kontinent in einer Weise modernisiert, die die nationalen Regierungen weder gekonnt noch gewollt hätten (aus Angst vor dem großen Lümmel).
    Das ist offenbar das Projekt, das unsere Kanzlerin „marktkonforme Demokratie“ genannt hat. Das ist wahrlich ein Werk des Herrn, auf das wir kleine Demokraten und große Lümmel jetzt willig bauen sollten. Hier wird Glaube und mehr als Glaube verlangt, nämlich blindes Vertrauen.
    Nach der Lektüre Alan Poseners, der klar Kante zeigt, kann es nicht ganz verkehrt sein, zur Ergänzung das Essay Niall Fergusons „Europas schleichende Auflösung – Warum die Währungsunion zwangsläufig zu Desintegration führt“ (bisher leider nur in der Printausgabe des SPIGEL 45/2011, S. 132-134) zu lesen.
    Nach Niall Ferguson lag der Wettbewerbsvorteil Europas seit 1500 in 6 „Killer-Applikationen“, nämlich Wettbewerb, Wissenschaftliche Revolution, Rechtsstaatlichkeit/Repäsentatives System, Medizin, Konsum und Arbeitsethik („Die westlichen Gesellschaften waren die ersten, die eine extensivere und intensivere Arbeit mit höheren Sparquoten verbanden, was ihnen erlaubte, stetig Kapital anzuhäufen“).
    Aus einem Bericht des Weltwirtschaftsforums zur globalen Wettbewerbsfähigkeit gehe hervor, „dass gerade in den wichtigen Bereichen Wettbewerb, Rechtsstaatlichkeit und Arbeitsethik Europa überhaupt nicht zusammengewachsen ist, sondern im Gegenteil auseinanderdiftet.“; außerdem entwickelte sich der europäische Arbeitsmarkt nach dem Muster der deutschen Wiedervereinigung „Damals mussten die ehemaligen Bürger der DDR feststellen, dass ihnen die D-Mark zwar kurzfristig eine höhere Kaufkraft bescherte, aber langfristig vor allem Massenarbeitslosigkeit. …Die meisten Arbeitskräfte aus der früheren DDR hatten keine Chance, die Produktivitätslücke zu schließen. Sie bekamen die D-Mark und das Arbeitslosengeld.“ (generell könnte man fragen, welche Produktivitätslücke denn die Jugendlichen in den meisten europäischen Ländern mit Arbeitslosigkeit von über 20% schließen könnten und was passiert, wenn man ihnen unter dem Druck von Sparkonzepten, der imperialen Durchsetzung liberaler Wirtschaftspolitik die Sozialleistungen (panem et circenses) streicht).
    Wenn man, so Ferguson, wie die Chinesen die Wurzel des Übels in dem Wohlfahrtsstaat und in Arbeitsmarktregulierungen, die zu Faulheit und Trägheit verleiten, sieht („Die Menschen sollten ein wenig härter und länger arbeiten, und sie sollten innovativer sein. Wir Chinesen arbeiten wie verrückt.“), muss man auch fragen, ob diese Umkehr zu einem protestantischen oder jüdischen oder konfuzianischen Arbeitsethos noch möglich ist mit dem Menschenmaterial, das durch die Kulturrevolution des Rock ´n´Roll geprägt und sozialisiert wurde, in der Alan Carl Posener damals (http://www.youtube.com/watch?v=xvRyUUMd8WA, dank an 68er) und auch heute noch (http://www.welt.de/debatte/kom.....-Roll.html) federführend ist:
    „Alles, was man den 68ern anhängt, die Zersetzung von Familie, Schule, Moral und Fleiß, hätte der Rock ‘n’ Roll (mit kräftiger Hilfe der Pille) auch ohne Dutschke und Co. vollbracht. Alles, was Kulturpessimisten beklagen, die Amerikanisierung und Plebejisierung der Kultur, das Verschwinden der Tugend aufgeschobener Bedürfnisbefriedigung und des Unterschieds zwischen Hoch- und Popkultur, die Infantilisierung der Konsumenten – all das hat vor allem der Rock ‘n’ Roll in seinen verschiedenen Inkarnationen vorangetrieben. … Der Rock ‘n’ Roll ist das Gelobte Land, wo Milch und Honig fließen, ein Garten Eden, in dem wir kurz vergessen, dass wir dem Tod verfallen sind. Was wären wir ohne ihn? Trauriger.” (ich habe das schon mal zitiert, zitiere es auch jetzt gerne)

    Hallelujah. Alan Poseners Arkadien ist viel besser als Sozialismus; da gibt es auch keine Kopfschmerzen mehr. Aus Angst vor dem Tod regredieren wir ins Gelobte Land, wo Milch und Honig fließen. Derweil macht der „Westen“ nach der unerbittlichen Logik des Marktes Selbstmord, schafft sich ab – wir merken es in der Posener-Matrix („alles ist gut“) glücklicherweise nicht.

    Andererseits: kann es Sinn des Lebens sein, so zu malochen wie die Schinesen mit ihren Tigermammis oder die Protestanten? Höchste Leistung zum niedrigsten Preis zu liefern? Hier gibt es doch, bitte, eine Parallelwelt.

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    @ Roland Ziegler: Ja, der Euro ist nur ein Aspekt des Imperiums. Zu den anderen siehe mein Buch.
    @ KJN: D’accord. Auch damit, dass Analyse nicht ausreicht, sondern dass man einen Ausblick geben muss, was Europa soll. Auch da verweise ich auf mein Buch, werde aber auch hier dazu Stellung nehmen.
    @ Moritz Berger: British Manufacturing: Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Ihren Zahlen und meinen. Erstens vereinbart sich ein „steady decline since the 1960s“ nicht mit Ihrer Behauptung, Maggie Thatcher habe Großbritannien deindustrialisiert. Ich behaupte, Thatchers Reformen haben die britische Industrie gerettet. Denn wenn man mit nur 8 Prozent der Beschäftigten 83% der Exporte bestreitet, spricht das wohl für eine ungeheure Effizienz jener Betriebe, die den Thatcherismus überstanden. Übrigens hat man auch in Deutschland Kohlebergwerke geschlossen und die Stahlproduktuion eingeschränkt, weil es halt billiger war, die Produkte aus China und Indien zu importieren. Besuchen Sie mal Dortmund, wo ich in den 1970ern im Schwefelgestank der Bergwerke und im nächtlichen Lärm der Hochöfen lebte. Heute ist die Stadt ein Konsum- und Dienstleistungszentrum, ähnlich wie Manchester in England, wo ich noch in den frühen Achtzigern mit verzweifelten Bergarbeitern demonstrierte (und soff). Wenn der Schock hier insgesamt nicht so stark war wie in Großbritannien, so auch deshalb, weil der Mittelsstand hier traditionell stärker und weil z.B. die deutsche Autoindustrie nicht, wie die britische, verstaatlicht und darum effizienter war. Und weil die Gewerkschaften hier kooperierten, während sie in Großbritannien erbittert Widerstand leisteten.

  26. avatar

    @KJN

    Hätten sie sich denn hierzulande mal auf einem befunden, hätte das dem Diskurs sicher gutgetan

    Da gebe ich Ihnen vollkommen recht speziell Ronald Reagan, war neben George Bush einer dem es gelungen ist in seiner Amtsperiode den größten Schuldenberg der US Geschichte aufzutürmen.

    Leider setzte bei vielen Befürwortern von Reagan schon frühzeitig das Jungalzheimer Syndrom ein.:-)

    Nur zur Erinnerung auch aus meinem wiki:

    Unter Reagan stieg die Staatsverschuldung bis Ende 1988 um 179,6 Prozent auf 2,6 Billionen Dollar

    Ein wichtiges Prinzip hinter seinen Reformen war die „Trickle-down-Theorie“, welche davon ausgeht, dass der Wohlstand der Reichen in die unteren Gesellschaftsschichten „durchsickert“

    http://de.wikipedia.org/wiki/R.....ftspolitik

  27. avatar

    Lieber Herr Posener,

    mein Wiki sagt etwas anderes aus als Ihr wiki und nun??

    In June 2010 British Manufacturing accounted for 8.2% of the workforce and 12% of the national output in June 2010. This was a continuation of the steady decline in the importance of Manufacturing to the Economy of the UK since the 1960s, although the sector was still important for overseas trade, accounting for 83% of exports in 2003.

    http://en.wikipedia.org/wiki/M.....rnal_links

    Aber mit facts and figures haben Sie schon immer etwas Schwierigkeiten gehabt oder 🙂

    Aber Sie sind letztlich durch die Tatsache exculpiert, dass Sie Anglist/Germanist sind 🙂

    Und als Journalist müßte Ihnen doch beim Studium der britischen newspaper aufgefallen sein, dass selbst die Konservative mittlerweile den Focus in der Wirtschaftspolitik auf die Re-industrialisierung setzen. Nur von(FinanZ) dienstleistungen kann auch heute keine Volkswirtschaft mehr existieren.

    Schamhaft oder aus Unwissenheit verschweigen Sie auch dass die Reagansche Politik mehr oder weniger auch zu einem Deindustrialisierungprozess in den US geführt hat.

    Und es tut mir in der Seele leid wenn Sie reale Wirtschaftprozesse, die in UK und den US stattgefunden haben, durch Ihre ideologische neoliberale Brille sehen.

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    @Alan Posener
    „Da sage einer, meine Analyse sei nicht im Kern richtig.“
    Natürlich liegen Sie mit Ihrer Analyse richtig, bzw. scheint sie brauchbar für Prognosen zu sein: Bürokratie als sich selber reproduzierender Organismus ist eine Methode um Standards durchzusetzen. Standards, die dem Menschen dienen sollen. Sogar bei den Gurken: Das soll nämlich Handelshemmnisse beseitigen, so daß jeder das macht, was er am besten kann. Wie jedes Werkzeug aber zweischneidig. Die Diskussion ‚wo wollen wir hin, mit Europa, mit den Standards‘ steht aber noch aus. Um eine Debatte über europäische Werte, letztlich auch deutsche, kommen wir also also nicht ‚rum.
    Es wird also nicht reichen, wenn – wie Sie mal hier schrieben – „die Euros in der Tasche klimpern“.

  29. avatar

    Demokratie? Wo?

    Europäische Großmachtträume sind im vergangenen Jahrhundert gleich zwei Mal gescheitert. Links und rechts. Hunderte Millionen Tote.

    Wer hat was gegen Souveränität der Völker? Gegen Nation? Gegen Familie? Und warum? Nur die Gier. Das Böse schlechthin.

    Ein Europa der Vaterländer ja – ein Vaterland Europa – NEIN.

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    @Moritz Berger
    „Stoßen wir doch endlich einmal Thatcher und Reagan von ihrem Sockel.“
    Hätten sie sich denn hierzulande mal auf einem befunden, hätte das dem Diskurs sicher gutgetan: So wird doch in der nur aus Angst, Besitzstände zu verlieren (links, wie rechts) aus allen Richtungen äußerst konservativ argumentiert und gehandelt.
    Der Kündigungsschutz z.B. ist doch einer der größten Hemmnisse für den erforderlichen Wandel (Neugründungen ..) mit dem Ziel Wohlstand für alle zu erreichen.
    Bei aller Kritik an Europa (Normen für Gurkenkrümmung, Glühbirnen etc.): Wesentliche und absolut überfällige Neuerungen (Aufbrechen von Kartellen, Antidiskriminierungsgesetze) kommen aus Brüssel. Europa tut dem provinziellen Deutschland gut! Ich bin z.B. mal gespannt, wann dieser entwürdigenden deutschen Praxis, Bewerbungen mit Foto versehen zu müssen, von Brüssel Einhalt geboten wird. Ich freu‘ mich drauf. Nebensache? Nein: Hauptsachen! Gemeinsame zivilisatorische Standards stärken Europa..

  31. avatar

    @Alan Posener: Euro ist nicht gleich Europa. Ein imperialer Euro macht noch kein Imperium Europa. Diese Verwechslung scheint der entscheidende Geburtsfehler gewesen zu sein. Das vormals ausgleichende Spiel der Wechselkurse ist durch den Euro fixiert worden; daran droht die Struktur jetzt zu zerbrechen. Eine rechtzeitig mit genügend Kompetenzen ausgestattete Finanz- und Wirtschaftspolitik hätte die Kräfte des Euro steuern können; jetzt wird sie ihrerseits von den verselbständigten Kräften des Euro gesteuert.

  32. avatar

    @ Moritz Berger: Ihr Beitrag ist leider typisch für die ideologiegetriebene Sichtweise auf die Reformen Margaret Thatchers. Von wegen „Deindustrialisierung“ Großbritanniens: „In 2008, the UK was the sixth-largest manufacturer in the world measured by value of output.“ Wohlgemerkt: „manufacturer“. Mehr über die britische Wirtschaft hier:
    http://en.wikipedia.org/wiki/E.....ed_Kingdom

    @ EJ: Die Frage, wie die EU ihre Kompetenzen erweitern kann, ohne ein weiteres demokratisches Defizit zu akkumulieren, lag Joschka Fischers berühmter Humboldtrede und den Beratungen des Verfassungskonvents zugrunde. Meines Erachtens sind sowohl Fischers Überlegungen als auch die Ergebnisse des Konvents unzureichend. In Ermangelung einer absehbaren schnellen institutionellen Lösung – zu der ich zwar Vorschläge hatte, das aber ein andermal – plädiere ich in der Tat für ein „Europa der Resultate“, wie José Manuel Barroso; aber auch dafür, dass die nationalen Parlamente sich ihrer europapolitischen Verantwortung bewusst werden und sich zu Debattenforen der Europapolitik entwickeln. Letzteres mag utopisch klingen, ist aber, wie die Debatte im Bundestag um den Rettungsschirm vor dem letzten Gipfel zeigte, nicht unmöglich – und tut den Parlamenten und Europa gut.
    Mittlerweile hat der imperiale Euro nach Papandreou (schade) nun auch Berlusconi (bravo) gekippt. Da sage einer, meine Analyse sei nicht im Kern richtig.

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    @ Roland Ziegler @ APO

    Das Verlangen nach umfassenderen Kompetenzen der EU mag ebenfalls „gängig“ sein, Herr Ziegler. Eine durchdachtes ist es aber meist nicht. Wie umgekehrt der Ruf nach mehr Demokratie ebenfalls nicht.

    Wenn ich mehr EU-Kompetenzen verlange, ist mir klar, dass ich damit den Abbau „nationaler“ Demokratie verlange. Ist aber den Rufern nach mehr Demokratie ebenso klar, was sie verlangen – bezogen auf EU-Europa, aber etwa auch bezogen auf die innereuropäisch benachbarten „nationalen“ Demokratien?

    EU-Europa und die „nationalen“ Demokratien stehen in Konkurrenz zueinander, ebenso die „nationalen“ Demokratien untereinander. Jeder Ruf nach mehr nationaler europäischer Demokratie verlangt implizit den Abbau von europäischer Demokratie (die es aber gerade aufzubauen gilt).

    So lange Europa noch im Entstehen begriffen und nicht „fertig“ ist, heißt: so lange Europa keine definitive (demokratische) Verfassung hat, so lange wird das Verhältnis von nationaler und europäischer Demokratie immer dilemmatisch bleiben. Bis zu einer demokratischen europäischen Verfassung ist gar nichts anderes möglich als das Ausbalancieren, das ich oben mit Thomas Schmids Worten angedeutet habe.

    Ist den Rufern nach mehr Demokratie bewusst, wonach sie rufen, wenn sie nach mehr Demokratie rufen? Ist überhaupt unterscheidbar, wonach sie rufen – nämlich entweder nach einem schnelleren („undemokratischen“) Aufbau(*) eines demokratischen Europas oder nach dem („national-demokratischen“) In-Schach-Halten Europas oder sogar („national-demokratischen“) Abbau Europas?

    Ich glaube, es ist den Rufern nach mehr Demokratie nicht bewusst, wonach sie eigentlich rufen. Wie sie auch nicht wissen, ob sie Europa „wirklich“ wollen. Denn „wirklich“ demokratisch kann nur das Europa sein, das den demokratischen Nationalstaat (bzw. die demokratischen Nationalstaaten) ersetzt.

    (*) Der Aufbau Europas ist ein Verfassungsgebungsprozess. Und der kann nicht aus der Verfassung legitimiert sein bzw. legitimiert werden, die er gerade erst gibt. – Das ist das oben angedeutet Dilemma auf einer anderen Ebene. Dessen Erläuterung erspare ich mir aber hier.

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    Etwas aufgespießt

    Alan Posener:
    Die verfetteten europäischen Wohlfahrtsstaaten der 1970er Jahre.

    Daher haben wir jetzt die 99% gegen 1 % Gesellschaft

    Und was Ihre TINA betrifft:

    Wohin das in UK geführt hat:

    Komplette Deindustrialisierung, Aufblähung eines Finanzsektors der uns letztlich auch in die Krise geführt.

    Stoßen wir doch endlich einmal Thatcher und Reagan von ihrem Sockel.

  35. avatar

    Herr Posener, wer soviele Worte braucht, macht sich verdächtig, wer ganze Bücher schreibt, noch viel mehr.

    Dabei ist es einfach:

    Eine Sache, die auf Lügen aufgebaut ist, die fordert weitere Lügen und bereitet Lügnern den Weg…. Soll ich die „Elite“ hier aufzählen ?… da mich ich doch lieber: bunga bunga!

    … oder lesen Sie keine Zeitung?

    http://www.welt.de/wirtschaft/.....efall.html

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    @ Don Camillo: Entscheidend ist der Gebrauch des Präteritums: „war Voraussetzung“. Nun ist aber Voraussetzung für weitere Erfolge, dass diese Täuschung aufgegeben wird. Darum geht es in meinem Buch. Der Bürger muss verstehen, was Europa ist und entscheiden, was er von Europa will. Da sind Schlagwörter wie „Zahlmeister“ nicht hilfreich. Weil schlicht falsch. Noch haben die Deutschen gar nichts gezahlt – im Gegensatz zu den Griechen. Aber dieses ressentimentgeladene Opfergetue ist einigermaßen typisch und als Reaktion von Getäuschten wohl auch nachvollziehbar.

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    Parallelen zum Urknall: Wenn wir ihn verstehen, ist das Ende prophezeit.

    Posener „[ja, diese Täuschung des Bürgers war wohl Voraussetzung für den Erfolg des „politischen Experiments“ Europa.]“

    Unisono, der Bürger die Täuschung versteht, ist das Ende des Experiments prophezeit.

    …Die findigsten Entdecker scheinen im Geburtsland der Demokratie, in Griechenland, zu leben. Man sagt überhaupt, dass sie sich um das Mittelmeer besonders konzentriert hätten. Deutschland, das Land der Dichter und Denker? Nicht mal mit Geld, lässt sich Geist kaufen, wir sind stattdessen zum Zahlmeister degeneriert.

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    @ EJ: Nun, ich bin offensichtlich, wie Altpräsident Herzog, anderer Meinung als Thomas Schmid, was die Legitimation aller EU-Organe betrifft. Vollkommen seiner Meinung war ich in der Einschätzung, dass Papandreou Recht daran tat, sich für die notwendige Unterordnung unter das EU-Diktat die Vollmacht des Volkes einzuholen. Habe ich etwas verpasst, oder ist es nicht so, dass er für dieses Vorhaben von Merkel und Sarkozy zusammengestaucht und kurz darauf gestürzt wurde, und dass wir inzwischen eine Koalitionsregierung von „Technokraten“ in Athen haben, sprich von Leuten, die nicht politisch, sondern technokratisch handeln, sprich die Vorgaben aus Brüsselberlin umsetzen? QED.

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    Alan Posener schreibt
    „Denn es ist ja eben nicht so, dass „die Märkte“ die Politik entmachten und die Demokratie abschaffen; sondern es ist so, dass sich die Politik selbst entmachtet und die lästige Demokratie abgeschafft, die wichtigsten Entscheidungen zusammen mit den unfähigsten Politikern „nach Brüssel abgeschoben“ und dem Sachzwang des Euro überlassen hat. Genau das war es, was ich mit „Imperium“ meinte.“ und
    „So ist die Europäische Union nicht nur postnational und postheroisch, sondern auch – und dadurch – postpolitisch und postdemokratisch im Sinne des britischen Theoretikers Colin Crouch: ein Elitenprojekt, bei dem nicht die Beteiligung der Bürger entscheidend ist, sondern – in den unsterblichen Worten Helmut Kohls – „das, was hinten rauskommt“. In Brüssel handeln die verschiedenen Fraktionen der wachsenden europäischen Elite – Parlamentarier und Regierungen, Lobbyisten und Technokraten – das Programm der Europäischen Union untereinander aus; den nationalen Politikern und Medien kommt nur noch die Funktion zu, das Programm zu vermarkten.“ und
    „die Europäer haben nicht einmal bemerkt, wie ihre nationalen Institutionen in Teile eines supranationalen Imperiums verwandelt und dadurch entmachtet worden sind. Und, ja, diese Täuschung des Bürgers war wohl Voraussetzung für den Erfolg des „politischen Experiments“ Europa.“

    Wer sind denn nun die „Eliten“? Etwa die unfähigsten Politiker, die nach Brüssel abgeschoben wurden?
    In wessen Autrag handeln sie?
    Und jetzt gilt für uns nur noch: Friss oder stirb (TINA)?
    Wieso ist das ein „benevolent empire“? Weil es die „Marktkräfte“ „befreit“ hat?

    Ihre Kritik, Alan Posener, ist doch eine Affirmation?

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    @EJ: Gute Einwände. Aber dass für eine funktionsfähige EU umfassendere Kompetenzen benötigt werden, ist auch eine gängige Darstellung. Und man muss m.E. schon sagen, dass die demokratische Legitimierung der EU-Kommission viel zu indirekt ist. Es ergibt sich das Bild eines gesichtslosen Machtzentrums zu mit wenig Gravitationskraft (eines zu schwachen und zu schwarzen Lochs). Was nicht bedeuten soll, dass man nun, wenns nicht so läuft, ohne weitere Vermittlung direkt ins andere Extrem der basisdemokratischen Volksbefragung springen muss.

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    Die EU ist auf dem Papier, in der Wirklichkeit der Gipfel und im Alltag des Brüsseler Vollzugs gut geordnet. Alles fügt sich ineinander, alle Akteure sind mit Legitimation ausgestattet.

    Eben. Wie in der ‚DDR‘. Honeckers Verbrecherpartei hatte dank Einheitslisten, Blockflöten und Wahlbetrug auch eine ‚Legitimation‘. 99,95% mhmmm?

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    @ Alan Posener: Zusammengefasst: das angeblich machtlose Zentrum des Europäischen Imperiums hat in Wirklichkeit bereits die nationalen Parlamente der Mitgliedsländer – und damit das Wahlvolk – weitgehend entmachtet und arbeitet daran, sich weitere Kompetenzen anzueignen.

    So gängig diese Darstellung ist, sie trifft nicht zu. Wie ich ähnlich nach dem Erscheinen Ihres Buches schrieb und wie jetzt Ihr Herausgeber, Thomas Schmid, schreibt: Tatsächlich handelt es sich nicht in erster Linie um ein demokratisches Defizit. Die EU ist auf dem Papier, in der Wirklichkeit der Gipfel und im Alltag des Brüsseler Vollzugs gut geordnet. Alles fügt sich ineinander, alle Akteure sind mit Legitimation ausgestattet.

    Und wie die aktuellen Ereignisse zeigen, ist es eher so, dass die EU eben gerade nicht genug Kompetenzen hat bzw. dass die anscheinend so viel „demokratischeren“, wie man sagen konnte, „nationaldemokratischen“ Kompetenzen in potentiellem und faktischem Widerspruch zur faktischen Verfasstheit (Euro!) der EU stehen. In Ihrer Sprache: Die Wahlvölker (und ihre nationalen Parlamente) haben noch viel zu viel Macht, die sie kurzsichtig egoistisch und EU-kontraproduktiv nutzen können – und nutzen.

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