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Aristoteles für Arme

Keiner manövriert so zielsicher hinter dem Übergang von gesinnungsethisch hochstehender Gutmenschen-Philosophie zu atemberaubender Ignoranz wie der Aristoteles für Arme: Richard David Precht, der uns schon mit seiner Unkenntnis der sozialen Marktwirtschaft und der Bedienung aller vulgären Klischees zum „Neoliberalismus“ erstaunt hat, geruhte nun zum Fall Bin Laden bzw. zu dessen Ende festzustellen: „Der Staat darf sich nicht das Recht auf Selbstjustiz vorbehalten. Mit dem gleichen Recht könnten die Taliban in die USA gehen und George W. Bush auf seiner Ranch erschießen.“

Auch wenn Precht an anderer Stelle einräumt, man könne das Vorgehen der Amerikaner pragmatisch verstehen: Dieser Vergleich ist abenteuerlich und verrät, wie sehr dem TV-Dauertalker die Maßstäbe abhanden gekommen sind: Einmal stellt Precht den frei gewählten Präsidenten eines demokratischen Staates – auch wenn man ihn nicht lieben muss – auf eine Stufe mit dem selbsternannten „Führer“ Bin Laden.

Zum Zweiten erscheinen damit ein Rechtsstaat und die religiös verbrämte Männer-Clique der Taliban quasi auf Augenhöhe.

Und drittens wird die von einem UN-Mandat gedeckte und mit vielen Verbündeten betriebene Bekämpfung eines terrorproduzierenden Regimes als FOLGE-Maßnahme gleichgestellt mit dem Terror-Angriff auf das World Trade Center in New York City als URSACHE.

Da fehlt nicht mehr viel, um Bush zum Aggressor und Bin Laden zum Opfer zu verklären. Noch ungeheuerlicher ist nur, dass sich über derartigen Unfug niemand mehr aufzuregen scheint. Wer sind wir eigentlich, und wenn ja, wie abgestumpft?

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13 Gedanken zu “Aristoteles für Arme;”

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    Ich finds gut, dass endlich mal einer was klares und dazu noch das Richtige zu dem Precht sagt. Natürlich kann man auch dagegen argumentieren, aber wieso muss „Moritz Berger“ mangels Argumenten auf die persönliche Schiene (ganz abgesehen davon, dass er nur nachzuquatschen scheint, was alle für Neoliberalismus halten, aber erkennbar keine Ahnung hat, was er wirklich bedeutet)? Was hat das alles mit „Wirtschaftserfahrung“ bei Eilfort zu tun, und wieso muss man das Umweltengagement veralbern? Hätte er Wirtschaftserfahrung, vielleicht sogar bei einer schlimmen Bank, und sich nicht woanders engagiert, würde Moritz ihn doch als Büttel des Kapitals outen, oder?

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    S. 312 nun im „Wer…“ ist die Liebe „Eine ganz normale Unwahrscheinlichkeit…sowohl im biochemischen wie im soziologischen Sinne“.
    „Unsere Gehirne fürchten die Langeweile, schon aus diesem Grund, so scheint es, lieben sie die Liebe“. Das Gehirn ist es also!
    Ich sehe schon analog zur Darstellung „des Menschen“ im Lauf der Geschichte in der Skulptur: Zuerst einen ganzen Körper, nackt natürlich. Dann den ganzen Menschen in seiner meist herrschaftlichen Kleidung (gesellschaftlich). Als nächstes die Büste des Kopfmenschen (19.Jahrhundert), schließlich ein unerkennbar „frei“ gestaltetes Bild (als Leistung des Gehirns des „frei schöpferischen Künstlers“ der Neuzeit) und nun zuletzt die Darstellung (zeitgenössisch quasi) einer „Berühmtheit“ im Abbild seines Gehirns, etwa in Form „seiner Computertomographie o.ä. -der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Skuril, absurd, aber logisch. Kunst und Wahrheit !?
    Irgendwann dann das Nichts wie in „des Kaisers neue Kleider“. „Aber er hat doch gar nichts an“, traut sich da ein Kind zu sagen und alle merken es.

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    Dass der Herr Precht weder Telefon noch e-mail zu haben scheint, ist schade, denn ich bin jetzt schon auf Seite 250 seines Buchs „Wer…“ und das Ganze gerät jetzt zu einer Selbstdarstellung, wie viel er schon gelesen hat und ich würde ihm das gern sagen. (Um hier nicht als naiv dazustehen: ich habe auch schon viele Philosophen, u.a., gelesen und mir Gedanken gemacht, aber: SO entschieden wertende Fragen zu stellen, traue ich mich mich nicht so leicht). Am meisten stört mich sein Umgang mit dem Begriff NATUR: Als ob wir über ihr stünden ! Ich rate ihm, mal die Luft anzuhalten, dann sieht er sehr schnell, wie sich die Verhältnisse darstellen. Ein Pups dieser NATUR, und wir sind weg ! Das jetzt in Japan war gar nichts. Und es wird weitergehen nach uns. Zwar nicht humanbiologisch, aber biologisch. Für ihn ist nicht mal mehr der Mensch „die Krone der Schöpfung “ (was er sowieso nicht ist, und das ist auch wertend und das ist sicher!), sondern sein Gehirn. Da klingt es ja jungenhaft naiv, wenn in der Einleitung steht, dass er seiner Frau begegnet ist, ohne die sein Leben nicht das glückliche Leben sei, das es ist. Auf zweihundertfüfzig Seiten war bisher keine einzige Zeile, in der er über dieses Glück reflektiert. Vielleicht kommt das noch, mal sehn. Ich glaube nicht.

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    Ich stimme Prof. Eilfort in diesem Punkt zu. Was er sonst so schreibt, ist doch eine ander Geschichte. Was mir an diesem Blog bisher gefallen hat ist, daß Autoren und Kommentatoren sich die Freiheit nahmen, auch außerhalb des bekannten links-rechts -Meinungskanons zu denken.

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    Oh, Susannah! Sollten die Kommentatoren nicht wenigstens lesen, worum es geht? Ich mag Bush nicht, und der Krieg gegen den Irak war keine Glanztat, aber Precht hat über die Taliban, nicht über den Irak „philosophiert“. Und selbst, wenn es stimmte, dass bei Bush der Mammon regierte: Es gab die Möglichkeit zur Abwahl und ein automatisches Ende der Amtszeit. Was da mit dem Terroristen Bin Laden vergleichbar sein soll, ist mir ein Rätsel.

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    Die drei (eigentlich sind es nur zwei) zentralen Argumente von Herrn Eilfort sind zutreffend und wichtig: Die USA und ihr jeweiliger Präsident sind aufgrund ihrer demokratischen Strukturen besser legitimiert als die Terroristen (Arg. 1 + 2) und der Afghanistan-Einsatz ist als Folge der ursprünglichen Tat „9/11“ anzusehen und damit ebenfalls besser legitimiert (Arg. 3). (Wenn zwei sich prügeln, fragt man immer und zurecht, wer angefangen hat.)

    Was mich an der Debatte stört ist diese lächerliche Schwarzweißmalerei. Entweder Bush bzw. sein Nachfolger verteidigt glanzvoll-robust „unsere“ Demokratie gegen die Armeen der Finsternis, oder er ist ein übler Lump, der sich in nichts von bin Laden unterscheidet. Es ist doch selbstverständlich, dass 9/11 ein wesentlich schwerwiegenderes, schlimmeres, größeres Verbrechen ist als das Umlegen des Chefterroristen. Auf der anderen Seite ist es auch selbstverständlich, dass das Umlegen des Chefterroristen, wenn es ohne Not geschehen ist, ebenfalls ein Verbrechen ist. Auch dem glühensten Verehrer der wehrhaften Demokratie bricht kein Zacken aus der Krone, wenn er das zugibt.

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    Ach Gott, der Precht. Man hätte ihm halt antworten sollen, dass die Taliban das selbstverständlich dürften. Wenn sie es denn könnten.Und andererseits machen die Amis es eben einfach -ohne das Plazet des Herrn Precht- weil sie es können.

  8. avatar

    Bitte keine Beleidigung von Aristoteles.

    Aber wenn sich das deutsche Verblödungsfernsehen erst mal auf einen Talkshow-Gast eingeschossen hat, gibts für den Zuschauer keine Gnade. ARD und ZDF? Quality doesn’t matter!

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    Nachtrag:

    Sehr geehrter Herr Prof. Eilfort hier zur Ihrer Kenntnis:

    Gemäß der UN-Charta sind außer dem Recht zur Selbstverteidigung eines Staates bei einem Angriff durch einen anderen Staat militärische Maßnahmen nur im Falle eines Beschlusses durch den Sicherheitsrat als legitim anzusehen.[1] Dieser Beschluss erfolgte nicht. Eine Verurteilung des Angriffs durch den Sicherheitsrat, welcher die USA und das Vereinigte Königreich als dessen ständige und somit vetoberechtigte Mitglieder hätten zustimmen müssen, kam nicht zustande. Die Koalition ordnete die Invasion als Präventivkrieg ein, den sie mit einer akuten Bedrohung seitens des Iraks rechtfertigte. Rechtswissenschaftler und Kritiker werten sie dagegen als Angriffskrieg.

    Aber Sie bezogen sich sicherlich auf Afghanistan. Nur dann sollten Sie dieses hier auch klar und transparent herausstellen.

  10. avatar

    Was die Maßstäbe betrifft, da ist sicherlich David Precht nicht der einzige dem sie abhandengekommen sind.

    Mit “ Lehmann “ hat doch letztlich der Neoliberalismus seinen Offenbarungseid geleistet.

    Und was die Unkenntnis der Marktwirtschaft betrifft, bei Ihnen vermisse ich leider die Praxiserfahrung siehe CV:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Eilfort

    Aber die Hoffnung stirbt zuletzt:

    Denn Sie haben sich wenigstens im Naturbereich schon einmal mit der Planung von Feuchtbiotopen beschäftigt:

    „Entstehung eines Feuchtbiotopes: Anleitungen zur Planung, Anlage und Pflege eines Kleingewässers“, 4. Auflage, Stuttgart 1986.

    P.S. Eine kleine Randbemerkung an Frau Heckel;

    Es wäre m.E. sinnvoll wenn die Gastautoren sich hier outen.

    Herr Prof. Eilfort zählt neben Herrn Prof. Raffelhüschen zum Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft

    http://www.stiftung-marktwirts.....ftung.html

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    Könnte man Sie wohl ebenfalls fragen. Denn Paralellen gibt es leider zu viele. Wie Bin Laden hat Bush Krieg im Namen Gottes gefordert. Wie Bin Laden hat Bush absurde Gottes-Theorien mit bunten Bildchen wie der „Achse des Bösen“ gemischt. Wie bin Laden hat Bush ein Land ohne Grund angegriffen. Der Irak – Einsatz war keineswegs die Reaktion auf 9/11, was Sie hier scheinbar vergessen. Auch Ihre Großschreibung ändert nichts an der Tatsache, dass Ihre Aussagen falsch sind. Die Reaktion war ein Angriff auf Afghanistan. Für den Irak-Krieg mussten Lügenmärchen von Massenvernichtungswaffen herhalten, für die sich bis heute nicht entschuldigt wurde. Ein Angriffskrieg ist ein Verbrechen und damit ist auch Ihr Argument der Rechtstaatlichkeit ad absurdum geführt.
    Mit Rechtstaatlichkeit dürfen Sie mir erst wieder kommen, wenn auch ein reicher, weißer, mächtiger Bush sich vor dem Kriegsverbrechertribunal verantworten musste. Dort regiert Allah, hier der Gott Mammon. Im Namen beider wird ungerechtfertigt gemordet. Der Unterschied, den es da geben soll, habe ich noch nicht erkennen können.
    Sie schon, scheinbar. Denn auf einem Auge blind sieht alles gleich viel klarer aus.
    Wenn ein Journalist für Arme über Aristoteles für Arme schreibt und dabei nicht differenzierter denkt und schreibt als es den amerikanischen Medien während des Krieges erlaubt war, bleibt nur noch: Wegschalten und auf bessere Lektüre in Zukunft hoffen. Denn diese Freiheit haben wir hier zum Glück noch. Dies ist aber weder Herrn Bush, dessen Medien verboten war, kritisch zu hinterfragen, noch Bin Laden zu verdanken.

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