Was hat Angela Merkel für ein Problem? Warum hat sie die politische Fortüne verlassen? Es ist doch eine paradoxe Situation: Deutschland hat unter ihrer Kanzlerschaft die Finanzkrise besser überstanden als alle vergleichbaren Länder. Den Leuten geht es verhältnismäßig gut. Aber wo man hinhört, sind die Leute sauer auf sie: Konservative und Liberale, Grüne und Sozialdemokraten. Angela Merkel hat sich zu Tode taktiert.
Flexibilität ist eine Tugend. Charakterlosigkeit nicht. Kann es sein, dass die gelernte Ossi Angela Merkel auch jene unangenehmste Eigenschaft der in der kommoden Diktatur DDR aufgewachsenen Menschen internalisiert hat, den grenzenlosen Opportunismus?
Man frage sich einmal, wo Angela Merkel in den letzten sechs Jahren Profil gezeigt hat. (Von Rückgrat wollen wir gar nicht erst reden.) Mehr Netto vom Brutto? Bierdeckelsteuerreform? War da was? Rente mit 67? Von Schwarz-Rot erst durchgesetzt, dann von beiden durchlöchert. Mindestlöhne? Lauthals abgelehnt, unter der Hand eingeführt. Gesundheitsreform? Ungerechter als zuvor, dafür teuerer. Hartz IV? Kinder haften nach wie vor für ihre Eltern. Bildungsrepublik Deutschland? Nicht zuständig: die Schulpolitik wurde an die Länder abgegeben. Bundeswehr? Wehrpflicht „ausgesetzt“, Diskussion vermieden. Frauenquote? Ja, nein, jein. Integrationspolitik? Wofür steht die Kanzlerin noch mal? Gehört der Islam zu Deutschland, oder ist Multikulti tot? Europa? Keine erkennbare Linie: Gegen Transferunion wettern, Transferunion einführen. Bündnistreue und „Mehr Freiheit wagen“? Nicht wenn Wahlen vor der Tür stehen. Atompolitik? Erst Hü, dann Hott, dann Katastrophe.
Merkels Losung lautet: Hier stehe ich, ich kann auch anders.
Aber bald kann sie gar nicht mehr, weder so noch anders. Mit Schwarz-Gelb kann Merkel nicht regieren, mit Schwarz-Grün will sie nicht, Schwarz-Rot ist keine Option, weil die von ihr verprellten starken Grünen den Sozialdemokraten wie in NRW, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bald auch im Bund auf die Beine und in die Regierung helfen. Merkel wollte sich alle Türen offen halten, nun fallen ihr alle Türen vor der Nase zu.
Man sagt, es gebe keine Alternativen zu Merkel, und wahrscheinlich glaubt das die Übermutter der Partei auch. Das dachte Helmut Kohl von sich, und dann veröffentlichte jemand hinterrücks einen Artikel in der FAZ, der die Union zum Aufstand gegen den Übervater aufrief. Wer war das noch mal?
@ Panther: Ein originelles Psychogramm. Ich erlebte Merkel nach der fast verlorenen Wahl 2005 im Konrad-Adenauer-Haus, ein Häufchen Elend zwischen zwei grinsenden Unionsmännern, Stoiber, glaube ich, und – ja, war es Koch? Und dann am Abend der besoffene, pöbelnde Schröder. Da, denke ich, schwor sie sich: wenn ich doch noch Kanzlerin werde, bleibe ich es, bis alle, die über mich gelacht haben, in den Orkus verschwunden sind. Das hat sie nun bald erreicht.
Das dicke, gehänselte Kind auf dem Schulhof macht immer nur vorsichtige Schritte, um die Alphatiere nicht gegen sich aufzubringen. Da gibt es andere Wege sie loszuwerden; sie mit bewundernden Blicken und ermutigenden Gesten zu kühnen Taten anzuspornen, bei denen sie prompt auf die Nase fallen und sich davon nicht mehr erholen. Diejenigen auf die eigene Seite ziehen, die sonst garnichts vorzuweisen haben und damit die perfekten Wirtstiere schaffen, die gern nach vorn geschickt werden, um die unangenehmen Dinge zu sagen und die Laus im Pelz der Macht zu entfernen.Wenn die beste Freundin zu viel Anerkennung erntet, wird ihr erst öffentlich eine Belohnung in Aussicht gestellt, die ihr demütigend und ebenso öffentlich entzogen wird.Auch von Zeit zu Zeit Allianzen mit Kompetenten eingehen, doch immer nur auf kurze Zeit. Das Verhalten wird dann-weil meistens erfolgreich – internalisiert und immer wieder angewendet. Der große Wurf, die kühne Vision, vielleicht noch an der Spitze der Umsetzung stehen- Fehlanzeige. Da muss man ja ganz weit aus seiner Schulhofecke herauskommen. Viel zu riskant für die Macht, das eigene Wohlbefinden. Dumm nur, dass es die anderen manchmal merken, dann wird es bitter für das Kind.
Merkel war Kohls größter Fehler. Selbst hatte er doch als junger Mensch die Segnungen der Allierten mit der “ Reeducation“ erfahren. Wie sollte jemand ungelerntes aus der DDR Diktatur von einem Tag auf den anderen demokratische Prozesse nicht nur zu verstehen, sondern sie auch um-oder-einzusetzen? Jetzt haben wir eine Staatsratsvorsitzende Light einer , von allen konservativen gesäuberten, Blockflöten-CDU. Sie möchte zu gerne eine alternativlose Maggie Thatcher sein. Außer der gleichen Geschlecht ist da aber nichts. Wenn 200.000 Tausend Menschen demonstrierten blieb Thatcher eisern.Merkel fällt sofort um, wenn die linke Medienmonster so tut als sei es das Volk. Dann gibt Merkel jeden Standpunkt auf, wirklich jeden.
Häufig wird gesagt, im Artikel kam es auch zum Ausdruck, und es stimmt ja auch: Es war und ist für die CDU ein strategischer Fehler, Schwarzgrün vor der Wahl auszuschließen. (Heutzutage sollte man nichts ausschließen.) Allerdings: Selbst wenn die CDU diese Option nicht ausgeschlossen hätte, wäre es trotzdem nicht zu Schwarzgrün gekommen. Aus Sicht der Grünen wirkt es auch überheblich, wenn die CDU über das Für und Wider dieser Option sinniert, als hätten die Grünen dazu nichts zu sagen. Klar, den Grünen kann eine weitere Machtoption in Richtung CDU nur recht sein. Aber ob sie diese Karte auch spielen werden, ist eine andere Frage. Für die Grünen ist und bleibt Schwarzgrün ein Notnagel; in aller Regel haben die Grünen andere, bessere Optionen. Woran sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern wird.
… Korrektur > BürgerInnenKrieg
„Wo Merkel drauf steht, ist tatsächlich Merkel drinn“?! Das gilt nicht ohne weiteres. Zu manchem Thema macht sich die Öffentlichkeit selbst was vor, indem sie manchen Wunschmix einfach mit Frau Merkel überetikettiert. „Mehr Netto vom Brutto“, wer glaubt denn wirklich, dass bei der heutigen Haushaltslage die Vermögenden zu aller letzt gemeint sein könnten? Das zu Glauben wird von niemandem verlangt. Ganz im Gegenteil! Zum Teil ist augenscheinliche Standpunktlosigkeit der Kanzlerin (nicht Charakterlosigkeit) ein Spiegelbild dafür, was und wie die Öffentlichkeit selbst denkt. Aber zum Teil geht Frau Merkel wirklich zu weit. In der Atompolitik, Gesundheitsreform, Rentenreform, Libyenkonflikt (Reihenfolge rein zufällig). In Anbetracht ihrer Erfolge in der Finanzkrise wäre Ihr zu wünschen, dass es ihr gelingt, den Teil an öffentlichen Selbstbetrug, der auf sie fällt, so bald wie möglich zu wuppen.
Au-haua-ha!… Apo … ganz großes Geschlechtergleichstellungstheater ala ‚BRD‘. …. Kohl: … Auch Du – Angie??? … Schnitt. … jetzt Julia … legt Angies Kopf Kohl zu Füßen.
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Epilog: Die ‚BRD‘ wird aufgeteilt, ein Triumvirat gebildet …. Bürgerkrieg.
„Deutschland hat unter ihrer Kanzlerschaft die Finanzkrise besser überstanden als alle vergleichbaren Länder“
Mag sein.
Ich denke jedoch, dass die Partei, die über Jahre rigoros jede Kontrolle von Finanzgeschäften selbst der dubiosesten Art abgelehnt hat, sich dies kaum auf die Fahnen schreiben darf. Und die Aussagen seinerzeit, diese Krise sei nicht absehbar gewesen ist hanebüchen. Selbst ich hatte vorher schon Gerüchte gehört, dieses System würde bald zusammenbrechen. Und ich bin wahrlich weit entfernt von der großen Bankenwelt.
Ansonsten gebe ich Ihnen Recht.
Der Vorwurf des Opportunismus‘ ist jedoch nicht neu.
Mangelnde Geradlinigkeit hatte man Angela Merkel auch während ihrer Koalition mit rot schon vorgeworfen, da hieß es dann jedoch : Dies sei alleinige Schuld des roten Bündnispartners. Heute sagen ihre Anhänger, dies sei allein der FDP zuzuschreiben.
Aber: Wer selbst eine so schwache FDP nicht auf seinen Kurs einzuschwören weiß, der kann es einfach nicht besser.
Und noch vor ihrem Atomkonsens hatte sogar ich mit einem Schwarz-grünen Bündnis geliebäugelt.
Nur um dann zu beobachten, wie diese Option zunichte gemacht wurde. Und zwar nicht nur durch den Atomkonsens, der nach gelungener Lobbyarbeit roch, sondern ebenso durch wahlstrategisches Sprücheklopfen. Dies sollte wohl Kontur oder Rückgrat beweisen.
Selber Schuld!
Ich habe selten jemanden gesehen, der mehr Glücksfälle vor die Füße geworfen bekommen hätte.Während der ersten Legislaturperiode die erfolgreiche Fußball-WM im Lande, die die Stimmung hob, ein Gipfel nach dem anderen bei dem Merkel dem Außenminister die Show stehlen konnte. Kurz vor der Finanzkrise wurde noch Konjunktur ausgerufen. Der sonst so dröge und pessimistische Deutsche erlebte ein Hoch und eine Kanzlerin, die er so vor der Wahl wohl nicht erwartet hätte. Zumindest in außenpolitischer Hinsicht. Es wäre eine gute Zeit gewesen um Reformen zu wagen. Dennoch keine handelnde Merkel. Keine großen Reformen. Stattdessen das Ausrufen der „Politik der kleinen Schritte“ ohne jemals klare Worte für das Ziel zu finden, das man mit kleinen Schritten erreichen wollte. Dann erfolgreich bewältigte Finanzkrise (trotz der Ursachen), schrumpfende Arbeitslosenzahlen, Deutschland steht gut da im Gegensatz zum größten Teil Europas. Und immer noch gelingt es ihr nicht, Entscheidungen zu treffen, Profil zu zeigen.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ich bin der festen Überzeugung, dass jemand, der die notwendigen Veränderungen in guten Zeiten nicht anpackt, diese in schlechten Zeiten erst recht nicht angehen wird. Merkel lässt sich von den Umständen leiten anstatt aktiv neue Umstände zu schaffen. Sie hatte viel Glück bisher. Was geschieht, wenn der Wind sich dreht und Katastrophen ihr das Handeln erschweren statt zu erleichtern, dürfen wir gerade beobachten. Ich hoffe für die CDU, dass sie mutig genug ist diese Personaldebatte zu führen, bevor man sie abwählen muss, nur um ihr diese Entscheidung auch noch abzunehmen.
@Alan Posener: Dem ist nichts hinzuzufügen. Sie haben die Krankheit diagnostiziert.