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Atomkatastrophe in Japan: Aussteigen ist keine Alternative

Vor genau 25 Jahren erschien Ulrich Becks Buch „Risikogesellschaft“, im selben Jahr explodierte der Reaktor in Tschernobyl. Die Grundthese: Wir sind Zeugen eines Bruches innerhalb der Moderne, die sich aus den Konturen der klassischen Industriegesellschaft herauslöst und eine neue Gestalt, die so genannte (industriegesellschaftliche) Risikogesellschaft ausprägt. Die gesellschaftliche Produktion von Reichtum geht einher mit der Produktion von Risiken. Die Risiken sind nicht nach Klassen verteilt, sondern betreffen jeden: Radioaktivität unterscheidet nicht zwischen Arm und Reich.

 

Jede moderne Gesellschaft ist eine Risikogesellschaft. Die Frage ist, welchen Preis wir für ein Höchstmaß an Sicherheit zu zahlen bereit sind. Und mit welchen Folgen. Ein sofortiger Ausstieg aus der Kernenergie würde allein Deutschland 230 Milliarden Euro kosten.

Deutschland? Zahlen müssen am Ende die Verbraucher. Geld kann man bekanntlich nicht essen, meint Alan Posener. Er will das Risiko der Kernenergie nicht länger tragen, koste es finanziell, was es wolle. Und das Klima? Die laufende Atomkatastrophe in Japan (und latente Gefahr weiterer GAUs) ist das eine, die drohende Klimakatastrophe aber das andere Übel. Noch sind die Erneuerbaren Energien längst nicht soweit, dass sie die Lücke der Kernenergie füllen können.

Der Bau neuer klimaschädlicher Kohlekraftwerke wäre ebenso fällig wie der Ausbau des Stromnetzes von Nord nach Süd. Wie Autobahnen ziehen die neuen Kabel, welche der Ausbau der Erneuerbaren erfordert, durch das Land. Autobahnen, die auf den Protest der Bürger stoßen werden.

Bis zum goldenen Öko-Zeitalter werden wir daher mit dem kleineren Übel (der Kernenergie) leben müssen, wenn wir das drohende größere Übel (die Klimakatastrophe) verhindern wollen. Die Brücke in die neue Energiezeit ist mit Japan wackliger geworden. Sie deshalb abzureißen, wäre unverantwortlich. Ökologisch, ökonomisch und sozial.

Eine atomfreie Energiezukunft ist möglich, aber teuer und umweltschädlich. Das nukleare Restrisiko ist ökologisch, wirtschaftlich und sozial und damit auch ethisch tolerabel. Japan ist nicht Tschernobyl und wird aus dieser Krise stärker herauskommen. Wir sollten das Land dabei aktiv unterstützen und nicht besserwisserisch aussteigen.

Aussteigen ist keine Alternative.

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12 Gedanken zu “Atomkatastrophe in Japan: Aussteigen ist keine Alternative;”

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    USA: Atomenergie noch weiter entwickeln – mit $ 35 Millarden im jetzigen Budget! Vor drei Tagen – 16.3, im „House Energy & Power Subcomittee“ – U.S. Energieminister Steven Chu (Nobelpreis Physik 1997) – bestaetigte den Abgeordneten, dass die USA ihre nukleare Industrie weiter entwickeln wird. Die Abgeordneten stimmten diesen Entwicklungplaenen bei. (Heute in C-Span TV – was intelligente Amis – welche es gibt – beobachten. Auch interessant: Chu von chinesischer Abstammung wird ueber die Energiesituation in Japan befragt:Die USA wird immer weniger vom europaeischen Element dominiert!)

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    Laufzeitverlängerung soll nur die unabhängigen Hersteller in die Pleite treiben damit auch in Zukunft die jetzigen Grossproduzenten von Anlagen und Strom auch das Geschäft mit erneuerbarer Energie alleine beherrschen.

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    @derblondehans
    Sie bringen gleich mehrere Sachen auf den Punkt, wahrscheinlich genau weil Sie kein ‚Atomenergie-Experte‘ sind, sondern sich noch die Frechheit erlauben, selber zu denken.
    1) Wer mal eine kerntechnische Anlage von innen gesehen hat (Praktikum o.Ä.), weiß welche Materialschlacht nötig ist, um alle Abschirmungen mit tonnenweise Blei etc. durchzuführen. Wenn man dann noch weiß, daß alles, was mit Neutronenstrahlung ausgesetzt wird, selber radioaktiv wird, welche Materialströme (reiner Stahl etc.), die – selbstvertändlich nicht CO2-neutral produziert werden können, nicht CO2-neutral in die – nicht CO2-neutral zu betreibenden „End“-Lager transportiert werden, bekommt ein Gefühl für die Verarsche.
    Das ist jahrzehntelang gefördert/bezahlt worden (von uns allen!!) und wir profitieren alle mittlerweile davon (natürlich nicht so viel, wie die Fördermitteleinstreicher).
    Plötzlich werden die Dinger nicht mehr als sicher eingestuft, weil sich über Nacht die in Jahrzehnten erarbeiteten Qualitätskriterien (vgl. auch die Diskussion über „E10“ ebenhier) per Order von Mami geändert haben und es wird abgeschaltet.
    Und jetzt wird das nächste Energieprojekt per Fördermittel konkurrenzlos gehalten.
    2) Die Entwicklung der Kerntechnik (erster Reaktor von Enrico Fermi, Chicago), (A-Bombe, Manhattan-Projekt, Robert Oppenheimer), („Uran-Maschine“ in Nazi-Deutschland, keine Bombe!) ist immer militärisch konotiert gewesen und alle Materialströme (Erbrütung von Isotopen) haben selbstverständlich auch militärische Bedeutung (sowie auch medizinische (Co-60)).

    Die Kerntechnik hat eine erhebliche Faszination (Oppenheimer fand es „technically sweet“, den Punkt zu finden, wo es funzt) und daß Brennstäbe Jahrzehnte funktionieren, ohne ausgetauscht zu werden gaukelt eine gewisse Nachhaltigkeit vor.
    Am besten wäre es gerade jetzt, die Diskussion unideologisch und unabhängig von Partikularinteressen weiter zu führen, sonst geht das Pendel noch jahrzehntelang weiter zwischen dem, was auf achgut.de so gemeint wird und grünen Weltuntergangsszenarien.

  4. avatar

    ach, der dettling verbreitet wieder halbwissen. herr dettling, gehen sie doch mal konkret auf den atommüll ein. bis heute gibt es weltweit (!!!) kein endlager, und wenn man auf naturwissenschaftler hören würde, dann wüsste man, dass es auch unmöglich ist, eines zu finden, dass sicher ist für einen zeitraum von tausenden jahren.
    „endlager verzweifelt gesucht“/WDR: http://www.youtube.com/watch?v=xSoaX3C4gPk
    „alptraum atommüll“/arte: http://www.youtube.com/watch?v=VLPTdIMYqOI

  5. avatar

    Selbstverständlich ist Aussteigen die Alternative. Besser wäre es natürlich gewesen, vor Jahrzehnten gar nicht erst einzusteigen. Aber nur weil man damals einen Fehler gemacht hat, muss man jetzt nicht noch mmer weitere Fehler hinzufügen. Die Kosten, die jetzt durch den Ausstieg entstehen, sind in der Vergangenheit von den Leuten verursacht worden, die sie jetzt als Argument ins Feld führen. Dieses Kostenargument steht ihnen nicht gut zu Gesicht.

    Bei der Energieversorgung will ich – von der Möglichkeit lokal begrenzter Unfälle abgesehen – kein Risiko haben, außer das unvermeidbare Risiko eines Stromausfalls, welches gerade für AKWs die größte Katastrophe bedeutet. Wer mir ein Energiekonzept verkaufen will, muss nachweisen, dass dieses Konzept keine Risiken verbirgt. Dazu war und ist die Atomindustrie nicht ansatzweise in der Lage. Stattdessen wird versucht, die Logik der Beweisführung umzudrehen. Ein Taschenspielertrick. Zweifel an der Gefährlichkeit von Radioaktivität, Zweifel an den Opferzahlen von Tschernobyl, Zweifel an der Gefahr von Super-GAUs. Alle diese Zweifel mögen berechtigt sein, aber daraus entsteht kein echtes Argument. Nicht der Zweifel an der Gefahr ist zu beweisen, sondern die Ungefährlichkeit. Und hier gilt: Im Zweifel GEGEN den Kandidaten.

    Wir haben Alternativen; die Frage ist nur, welche wir wählen: billiges Risiko oder teure Sicherheit. Ich will nicht zocken, ich wähle die Sicherheit. Mal sehn, ob sich die anstehenden Investitionen nicht viel besser rechnen als Herr Dettling glaubt.

  6. avatar

    Das nukleare Restrisiko ist ökologisch, wirtschaftlich und sozial und damit auch ethisch tolerabel !

    Erzählen Sie das bitte den Menschen in Japan und in der Umgebung von tchernobyl !

    Verfluchte Bildpresse !

  7. avatar

    Zynischer geht’s wohl nicht mehr. Wenn sie die echten Fakten überhaupt hören wollen, dann hören Sie sich mal dieses Interview mit einem Sachverständigen der Bundesregierung an: http://bit.ly/fZZtFD.

    Ihren Meinungsbeitrag oben werden Sie danach wohl löschen…

  8. avatar

    Atomfreunde rechnen sich alles schön.
    Wer die Gesamtkosten ausrechnet,
    die der Atomstrom uns kostet,der muß auch die Transportkosten und die Endlagerung errechnen.
    Da wird es keinen Atomstrom mehr geben,aber der Steuerzahler wird die Restkosten zahlen müßen.
    Von den Gesundheitskosten ganz zu schweigen.
    Noch rechnet man sich den Atomstrom schön.
    Sauber sei er und kostengünstig.
    Jede Politik rechnet sich alles zurecht
    bis es einem passt.
    Die Energieunternehmen nehmen so viel Geld ein und müßen kaum was zahlen für die Endlagerung!
    Ich warte bis in Europa uns ein Supergau erwischt.
    Was werden dann die Beführworter sagen?

  9. avatar

    Und weil ich gerade ‚dabei‘ bin – zur Historie:
    .
    Stromerzeugung war anfänglich nirgendwo auf der Welt Hauptziel der ‚friedlichen‘, der ‚zivilen‘ Atomnutzung, sondern der Aufbau und die Finanzierung der nuklearen militärischen Kapazitäten. Strauss wurde ATOM-Minister, weil er und die Bundesregierung insgesamt hofften, Deutschland werde ebenfalls Atomwaffen herstellen dürfen, was Frankreich und die Alliierten aber bestimmt nicht riskieren wollten, schon gar nicht unter Altnazi Strauss, der die Ostgebiete arisieren half.
    .
    In Frankreich, USA und Großbritannien wird Atomkraft als zivile Infrastruktur der Atomrüstung gebraucht, genauso, wie die Bundeswehr bei uns ohne private Autoindustrie sich keine Motorisierung leisten könnte. In Frankreich ist z.B. die sogenannte ‚zivile‘ Atomindustrie militärischem Geheimschutz unterworfen, weshalb dort ein Journalist Gefängnis riskiert, wenn er berichtet. Und es gibt kaum Rechtsschutz, anders als bei unserem Atomgesetz.

  10. avatar

    … moin, moin … vielleicht sollte man sich doch mal die Effizienz dieser Technologie anschauen. Also das was hinten raus kommt.

    Ich bin keine ‚Atomenergie-Experte‘; eine Anmerkung aber zu den Atomkraftwerken: deren Kernbrennstoffe werden zunächst angereichert; das ist ein energieintensiver Prozess. Dabei entsteht bis heute CO2 – die frühere US-Anreicherungsanlage war der größte Stromverbraucher der USA mit sechs umgebenden Kohle-Großkraftwerken.

    Dieser Energieaufwand und die Kühl- und Prozessenergieaufwendungen in der Zwischen- und Endlagerung, werden von den Befürwortern gerne komplett ausgeblendet. Es gibt bis heute noch keine verlässliche Berechnung, ob AKWe Netto über diesen gesamten Zeitraum überhaupt Nutz-Energie erzeugen.
    Zudem haben sie den geringsten Wärmewirkungsgrad von allen Wärmekraftwerken, der sich bei Siede- und Druckwasserreaktoren auch nicht steigern lässt. AKWe tragen also direkt – und ohne theoretische Klimmzüge der Atmosphärenphysik – zur Welterwärmung bei. 😉

  11. avatar

    Sie haben Recht Herr Dettling, wenn sich die neuen Kabel wie Autobahnen durchs Land zögen, wäre dass doch sehr hässlich. Diese läppische radioaktive Strahlung sieht man nicht, schmeckt man nicht und spült dem Lobbyisten auch noch Geld in die Kasse.

    Ihre Argumente haben mich absolut überzeugt.

    Helmut Kohl versprach uns blühende Landschaften, jetzt freuen sich die Japaner über strahlende Landschaften, Menschen und Tiere, die natürlich auch „ökologisch, wirtschaftlich und sozial und damit auch ethisch tolerabel“ sind.

    Vielen Dank Herr Dettling!

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