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Held des Selbstverständlichen

Es war Mord. So hat Richter Reinhold Baier im Prozess um den Tod von Dominik Brunner geurteilt. Und deshalb muss der Haupttäter Markus Sch. für fast zehn Jahre ins Gefängnis. Der Mitangeklagte, Sebastian L., erhielt sieben Jahre Jugendhaft wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Damit findet ein spektakulärer Fall von Jugendgewalt zumindest sein juristisches Ende. Die Debatte über das Für und Wider von Zivilcourage, über den schmalen Grat von vorbildlich und gefährlich, über richtig und falsch aber wird weitergehen.

Der 50 Jahre alte Geschäftsmann hatte am 12. September 2009 versucht, auf einem Bahnhof bei München einige Schüler vor den jetzt Verurteilten zu schützen. Er bezahlte sein mutiges Einschreiten mit dem Tod. 22 schwere Verletzungen durch Schläge und Tritte wurden dem am Boden liegenden Dominik Brunner zugefügt. Der „Held von Solln“ starb zwar nicht durch die unmittelbare Gewalt, sondern durch Herzversagen. Doch was sagt ein solcher medizinischer Befund über die Beurteilung der Tat schon aus? Gar nichts. Brunner würde heute noch am Leben sein, wenn er nicht Opfer eines monströsen Exzesses geworden wäre. Die jugendlichen Schläger sind ausgerastet und haben – bewusst oder unbewusst – zumindest billigend in Kauf genommen, dass ihrem Gegner Schlimmes, wie sich gezeigt hat, Schlimmstes widerfährt. Da hilft auch kein Hinweis auf „instabile“ Familienverhältnisse und frühen Drogenkonsum. Das Urteil mag manch einem zu hart erscheinen, doch Mitleid ist fehl am Platz.

Auch der Hinweis, Brunner habe ja als Erster zugeschlagen und damit die Gewalt geradezu provoziert, verfängt nicht. Was sich vor einem Jahr auf dem Bahnhof Solln zutrug, war eine Ausnahmesituation, die eskalierte. Wer reflektiert da schon ganz rational? Wer behält in einem solch heiklen Moment die Kontrolle über sich und die Lage? Entscheidend bleibt: Es fand einer den Mut, anderen Menschen unerschrocken zu helfen. Und das ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit in einer Gesellschaft, die lieber wegschaut als Courage zu zeigen.

Dominik Brunner, ein Vorbild mit Schwächen, sicherlich. Aber eben einer, der nicht davor zurückschreckte, sich für Schwächere einzusetzen. Einer, der einschritt. Gilt es also doch, einen Helden zu ehren? Das wäre wohl zu viel des Guten und vermutlich nicht im Sinne des Verstorbenen. Lebte Brunner heute noch, hätte er womöglich auf die Heldenfrage geantwortet: Ich habe getan, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

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