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Röttgen wird die Atom-Schlacht gewinnen

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Im Moment läuft alles auf seinen Vorschlag zu: Moderate Laufzeitverlängerung fordert der Umweltminister. Die Zahl 14 Jahre ist im Umlauf. Seine Kontrahenten, allen voran die beiden Baden-Württemberger Stefan Mappus und Volker Kauder, wollen deutlich mehr. 28 Jahre kam einmal als Zahl aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von diesem Vorschlag sind sie jetzt weg. In ihrem Umfeld purzelt die Zahl der Jahre, die Deutschlands Meiler noch am Netz bleiben sollen, stetig. Nach unten. In Richtung 14.

Herr Mappus und Herr Kauder erklären die Atomkraft zu einem wichtigen Bestandteil der Unionspolitik. Für das Engagement für die Atomkraft habe man sich seiner Zeit anspucken und verhöhnen lassen müssen, sagen sie zur Begründung. Richtig. Das war in den 70er-Jahren. Jetzt schreiben wir das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Die beiden Politiker sind in dieser Gegenwart noch nicht angekommen.

Kein Wunder, höre ich die Gemeinen sagen: In Baden-Württemberg gehen die Uhren halt noch anders, tönen sie. Eigentümlicherweise ist die Antwort auf dieses Vorurteil: nein. Im Musterland gibt es nicht nur in Freiburg und Tübingen grüne Stadtoberhäupter. Im konservativen Ländle kann man sehr gut über ökologische Standards reden.

Doch nun wieder zur Gegenwart: Die Menschen, die einen nachhaltigen Lebensstil pflegen, interessieren sich für fairen Handel, für faires Banking und für ökologischen Anbau. Das, wofür diese Menschen (Wähler) stehen, ist die Verlängerung klassischer bürgerlicher Tugenden: Anstand, Rücksicht, Gemeinwohlsinn. Diese neuen Elemente des bürgerlichen Selbsterlebens sollte die CDU, die sich nach wie vor als bürgerliche Partei versteht, in ihre Programmatik einbeziehen. Ja, es gibt CDU-Wähler, die Müsli essen, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und ihr Geld in Wasseraufbereitungsanlagen in der Dritten Welt investieren.

Warum bricht diese Debatte eigentlich vom Zaun? Der Konsensbegriff, der Kerntechnologie als Brückentechnologie bezeichnete, fand breite Zustimmung, nicht zuletzt bei der Kanzlerin. Einige im politischen Berlin nehmen es Norbert Röttgen übel, dass er sich in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” eindeutig gegen den Ausstieg aus dem Atomausstieg positioniert hat. Manche sagen, dieser Vorstoß sei mit der Kanzlerin abgestimmt gewesen. Seine Gegner behaupten das Gegenteil.

Norbert Röttgen gehört zu den Modernisierern der Partei. Er wird die Schlacht gegen die Kämpfer aus dem vergangenen Jahrhundert gewinnen. Atomkraft ist out, sie war nie wirklich beliebt. Die Union kann den Übergang moderieren. Ihre Anhänger machen bei modernen Meilern eine moderate Laufzeitverlängerung mit. Aber nur, wenn dies aus pragmatischen Überlegungen geschieht und verargumentiert und nicht ideologisiert wird.

Nein, mit der Atomkraft identifizieren sich wenige heutige Konservative. Sie ist kein Markenzeichen des Bürgertums. Sollte sie die Union zum Bestandteil des Markenkerns erheben, dann wird die Partei noch mehr Stimmen verlieren: bei ihrer Stammwählerschaft im ländlichen Raum. Und sie wird auch keine neuen Wähler im urbanen Milieu gewinnen und dauerhaft an sich binden können.

Der Kampf der Konservativen in der CDU für die Atomkraft ist aus einer anderen Zeit. Vielleicht gibt es ja ein Utensil, das man zur Illustration dieser vergangenen Epoche ins Bonner Haus der Geschichte schicken kann: Trägt man in Baden-Württemberg auch Strickjacken?

zuerst erschienen auf www.theeuropean.de

Alexander Görlach schreibt auf seinem Blog zu diesem Kommentar folgendes:

Von April bis Oktober 2006 war ich stellvertretender Pressesprecher in der Unionsbundestagsfraktion. Zu dieser Zeit war Norbert Röttgen Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und Volker Kauder der Fraktionsvorsitzende. Damals suchte die Fraktion einen Journalisten, der das Team der Pressestelle verstärken sollte. Sowohl mit Norbert Röttgen als auch mit Volker Kauder hatte ich in der Zeit meiner Tätigkeit im Bundestag ein gutes Verhältnis.

Die Fraktion habe ich nach kurzer Zeit wieder verlassen, da der Journalismus doch das Meinige ist. Wann immer ich Herrn Kauder oder Herrn Röttgen begegne, ist der Umgang freundlich und professionell. Diese berufliche Station war immer transparent, sowohl auf meiner persönlichen Webseite als auch auf Wikipedia einsehbar. Mit vier Jahren Abstand denke ich, ist es nun legitim einen Konflikt der Beiden kommentierend zu begleiten, auch wenn ich einmal für sie gearbeitet habe.

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Ein Gedanke zu “Röttgen wird die Atom-Schlacht gewinnen

  1. avatar

    Röttgen und Co. werden die CDU noch zu Tode modernisieren. Nur weiter so.

    Atomkraft hat nichts mit konservativen Positionen oder gar Werten zu tun.

    Wenn eine Pro-Atomkraft-Politik das einzige ist was Kauder und Mappus an konservativen Inhalten einfällt ist es um den Konservativismus in der CDU noch schlechter bestellt als ich dachte.

    Da ich aber Politik a´la Röttgen auch von rot und grün bekomme wird die CDU immer entbehrlicher. Wenn heute noch mal einer wie Schönhuber auftauchen würde könnte die CDU einpacken.

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