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Das Mädchen Reem und das Elend der Palästinenser

Es war eine archetypische Begegnung: die Kanzlerin und „das Flüchtlingsmädchen“. Ausgerechnet in Rostock, wo einst Ausländerheime brannten, fand die Tochter von Asylbewerbern aus dem Libanon freundliche Aufnahme, integrierte sich schnell, wurde sogar Klassensprecherin. Nun wurde die Palästinenserin Reem Sahwil in der Begegnung mit einer wohlmeinenden, aber unbeholfenen Kanzlerin zum menschlichen Gesicht des Flüchtlingselends.
Die Wirklichkeit allerdings ist ein wenig komplexer.


Das Video der Unterhaltung zwischen Angela Merkel und Reem in der Paul Friedrich Scheel Schule avancierte – zunächst in einer vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen manipulativ gekürzten Fassung, in der Merkel steif und abweisend wirkte – zu einem viralen Erfolg in den sozialen Medien. Wer empfände keine Sympathie dem bildhübschen Mädchen, das trotz seiner Gehbehinderung so mutig wirkt und das in perfektem Deutsch sein Recht auf ein normales Leben einforderte und – so formulierte es der Focus – von der Kanzlerin „zum Weinen gebracht“ wurde. Das sind Flüchtlinge, wie wir sie lieben. Ein „kleines Kopftuchmädchen“ oder gar ein pubertierender muslimischer Problembär mit coolen Gangsta-Sprüchen hätten wohl kaum so viel Sympathie auf sich gezogen.
Es half auch, geben wir es zu, dass Neem „Palästinenserin“ ist. Israel genießt ja nicht gerade überbordende Sympathie in der deutschen Öffentlichkeit. „Russia Today“, das Zentralorgan Wladimir Putins in Deutschland, schlachtete die Begegnung sofort politisch aus: „Warum musste Reem überhaupt flüchten? Trägt vielleicht auch die Haltung der Bundesregierung im Nahost-Konflikt dazu bei, dass Israel immer wieder mit Gewaltexzessen seine Besatzung des palästinensischen Territoriums aufrechterhalten kann? Wirkt nicht gerade Merkels ‚Staatsräson’ der substantiellen Kritiklosigkeit an zahllosen Kriegsverbrechen der Israelis wie ein Freifahrtschein für Jerusalem, Kinder wie Reem aus ihrem Zuhause zu bomben?“
Nun ja. Schauen wir also das „Flüchtlingsmädchen“ ein wenig genauer an. Reem ist im Palästinenserlager Jalil – auch „Wavel“ genannt – bei Baalbek im Libanon aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie ist nicht „aus ihrem Zuhause“ gebombt“ worden. Sie ist in Europa, weil ihre Eltern gehofft haben, hier Ärzte zu finden, die Reem das Gehen ermöglichen würden. Und – um es klar zu machen: Dafür bewundere ich sie.
Jalil wurde 1948 von einigen hundert Arabern gegründet, die aus Israel geflohen waren. 1952 wurde es von der UN-Flüchtlingsorganisation UNRWA übernommen. Heute leben nach palästinensischen Angaben etwa 3.500 Menschen als „anerkennte Flüchtlinge“ der ersten, zweiten, dritten und vierten Generation im Camp, das mittlerweile eine trostlose, ausufernde Betonsiedlung ist, weitere 3.500 in der unmittelbaren Umgebung. 7.000 sind emigriert, die meisten in die skandinavischen Länder. Von den Geldern, die sie nach Hause schicken, leben die zurückgebliebenen Familienangehörigen, weshalb Jalil von den Libanesen den Namen „Camp Denmark“ erhalten hat.
Auch Mitglieder der Familie Sahwil sind nach Skandinavien ausgewandert, zum Beispiel nach Malmö in Schweden, von wo auch Reems Eltern nach Deutschland kamen. In Malmö haben radikale Muslime in den letzten Jahren wiederholt Mitglieder der jüdischen Gemeinde angegriffen. Das jüdische Gemeinschaftszentrum wurde Ziel eines Bombenanschlags. Wohl gemerkt, nichts deutet darauf hin, dass irgendein Mitglied von Reems unmittelbarer Familie an antisemitischen Handlungen beteiligt war. Aber die Atmosphäre in Malmö ist eben mit dadurch geprägt, dass so viele radikalisierte Palästinenser dort leben. Und die Facebook-Seiten einiger Mitglieder des Sahwil-Clans in Malmö dokumentieren deren Unterstützung des radikalen Islam und ihren Judenhass.
Das ist auch nicht verwunderlich. Denn das formal von der UN verwaltete und auch mit reichlichen EU-Geldern – zum Beispiel für Reems frühere Schule, die „Al-Qastal Secondary School“ – subventionierte „Lager“ von radikalen Palästinensern geleitet und als Propaganda- und Rekrutierungszentrum benutzt wird. Die Selbstverwaltung des Lagers wird geführt von Karim Mahmoud, einem ehemaligen Kämpfer und jetzigem Funktionär der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften national-sozialistischen „Volksfront für die Befreiung Palästinas“, die einen Frieden mit Israel ablehnt. Als Vertreter der PLO im „Volkskomitee“ des Lagers fungiert der einäugige Abu Khaled, ebenfalls ehemaliger PFLP-„Soldat“, sprich Terrorist. Beide arbeiten in der Lagerleitung gut zusammen mit dem örtlichen Hamas-Vertreter. Die Fatah-Vertreter ordnen sich der Führung der Extremisten unter. außerdem ist die Terrororganisation Abu Nidal sehr einflussreich. Dies, wohlgemerkt, in einem von den UN seit über 60 Jahren beaufsichtigten Flüchtlingslager, das nicht existieren würde ohne Hilfe von außen, vornehmlich aus Europa.
Trotz dieser Hilfe, vielleicht wegen ihr, und wegen der Politik der UNWRA, die für jedes neu geborene Kind eine Subvention zahlt und dadurch die Geburtenrate in den von ihr verwalteten Lagern künstlich extrem hoch hält, sind Drogen- Sex- und Gewaltprobleme unter den Jugendlichen in Jalil endemisch. „Wir haben einen großen Abstand festgestellt zwischen den kulturellen Werten des Lagers und dem wirklichen Verhalten der Jugend“, sagt Marta Petagne, die als „Projektmanagerin der EU vor Ort tätig ist. Mit anderen Worten: Islamischer Fundamentalismus dominiert die Politik, Prostitution, Drogenkonsum und Kleinkriminalität bestimmen den Alltag.
Verschärft wird die Situation durch die Weigerung der libanesischen Regierung, den seit Jahrzehnten im Land lebenden Palästinensern die elementarsten Rechte einzuräumen, so das Recht, Eigentum zu erwerben, zu arbeiten oder einen Pass zu bekommen. Das ist natürlich Absicht. Die Palästinenser sollten ja nicht eine Alternative zur „Rückkehr“ nach Israel im Tross der siegreichen arabischen Armeen oder Terrororganisationen entwickeln; das Elend in den Flüchtlingslagern sollte ihre Radikalisierung fördern. Was es ja tut: die libanesischen Lager sind bevorzugte Rekrutierungsfelder nicht nur für die diversen radikalen Palästinensergruppen, sondern neuerdings auch für den „Islamischen Staat“.
Das ist die Hölle, der das „Flüchtlingsmädchen“ Reem entkommen ist, dessen Geschichte nun auch in den sozialen Medien der arabischen Welt die Runde macht: „Chancellor Merkel makes Palestinian girl cry by telling her she is not welcome in Europe.“ Reem selbst ist natürlich durch ihre Herkunft geprägt. Ausweislich ihrer Facebook-Seite ist sie, obwohl sie kein Kopftuch trägt, stark religiös. Einerseits verehrt sie den palästinensischen „Nationaldichter“ Mahmud Darwisch, der sich gegen Ende seines Lebens für eine friedliche Koexistenz von Israelis und Arabern einsetzte, andererseits mag sie Musiker, die in ihrem Logo ein judenreines Palästina „zwischen dem Fluss und dem Meer“ ohne Israel führen; einige ihrer Freunde bekunden Sympathien für den bewaffneten Kampf gegen den jüdischen Staat.
Das alles ist nicht weiter schlimm. Der Islam gehört zu Deutschland; und „Merkels Flüchtlingsmädchen“ ist ja erst vierzehn Jahre alt, da ist für allerlei intellektuelle, emotionale und spirituelle Entwicklungen Platz. Aber der Fall zeigt, wie absurd die Debatte um den Fall geführt wird. Reem ist eben kein „Flüchtlingskind“; da hatte die Kanzlerin Recht, als sie deren Schicksal mit dem Schicksal etwa der aus Syrien von ihren islamischen Brüdern vertriebenen Palästinenser verglich. Schon gar nicht ergeht es ihr wie den aus Afrika stammenden Flüchtlingen, ob sie nun vor Krieg und Bürgerkrieg flüchten oder vor der schieren Aussichtslosigkeit ihrer wirtschaftlichen Lage, die als Boat People im Mittelmeer aufgefischt werden. Im Libanon herrscht, wie Merkel feststellte, kein Bürgerkrieg.
In Baalbek allerdings die Hisbollah, im Lager Fanatiker. Will man Reem – selbst wenn sie gehen könnte – und ihre Eltern dorthin zurück schicken? Wo aus dem ihrer Hoffnung und ihrer Zukunft beraubten Mädchen eine Leila Khaled oder eine namenlose Selbstmordattentäterin werden könnte, sofern sie nicht einem „Kämpfer“ als Gebärmaschine angedient würde?
Reem ist nicht das Gesicht des Flüchtlingselends. Sie ist das Gesicht des Elends der von Terroristen und angeblich „gemäßigten“ arabischen Regierungen seit Jahrzehnten instrumentalisierten und verratenen Palästinenser. Wenn Merkel wirklich etwas tun will für Reem und ihre Schwestern, muss sie – statt wie in Rostock allgemein Mitgefühl zu äußern für die Opfer des israelisch-arabischen Konflikts – sich für die Auflösung aller Lager und volle Rechte für die Palästinenser in ihren Gastländern, die für die meisten ihre Heimatländer sind, einsetzen. Sonst bleiben sie Brutstätten der Hoffnungslosigkeit, der Kriminalität und des Fanatismus. Reems Eltern, die für ihr Kind alles tun, sind zu bewundern. Reem selbst ist ein Wunder. Aber Wunder sind selten.

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