avatar

„Der letzte Tango“ der Gewalt – von Bond bis DSDS

Von Michael Simon de Normier

Jede Kultur bestimmt das Level der Gewalt gegen Frauen mit. In „Betrunkenes Betragen trägt der Bestsellerautor und promovierte Psychiater, Jakob Hein, eine spannende Hypothese vor: Jede Kultur bekommt das betrunkene Betragen, das sie bereit ist, zu (er)dulden. 

Die These entstammt ursprünglich einem anthropologischen Klassiker der Suchtpsychologie von 1969. Sie darf diskutiert werden, ganz nüchtern, oder auch gerne leidenschaftlich. Je nach Erfahrungswelt und eigenem Kulturbezug zur Trunkenheit! Dennoch, sie gilt für so manche Geißel der Menschheit. Ganz sicher gilt sie für Häusliche Gewalt! Diejenige Form von Brutalität, welche sich in der absolut überwiegenden Zahl der Fälle gegen Frauen und Kinder richtet, ist dem Menschen, vor allem dem Manne, zutiefst und tragisch irgendwie zueigen. Inwieweit wir sie als Normalität betrachten und hinnehmen, ist unsere Entscheidung. Ein Kommentar. Weiterlesen

avatar

Liberale in der Schurkenrolle

Der FDP wird unterstellt, den Bruch der Ampel geplant zu haben, obwohl alle drei Parteien darauf hinarbeiteten. Gefundenes Fressen für die, denen die Freidemokraten schon immer verhasst sind. Ihnen droht nun das Aus. Doch der parteiförmige Liberalismus würde fehlen.

Der Liberalismus ist die älteste, die erfolgreichste und die gefährdetste politische Strömung. Eine Frucht der Aufklärung. Ohne den Freiheitsdrang der Bürger gäbe es keine Selbstbestimmung, keine Meinungs- und Pressefreiheit, kein Bildungs- und Wahlrecht für alle, keine freie Entfaltung für die Kräfte der Wissenschaft, der Kunst, der Marktwirtschaft, des Erfindungsreichtums. Und weniger Wohlstand. Die Errungenschaften des Rechtsstaats und den Schutz der Minderheitenrechte kann sich der Liberalismus ebenso auf die Fahne schreiben. Kein Wunder daher, dass Autokraten, Populisten und Diktatoren zuvörderst die liberale Moderne und ihre Werte bekämpfen.

Weiterlesen

avatar

Nach Pistorius‘ Absage: Sozialdemokratische Resterampe

Foto: IMAGO / Sven Simon

Ein Beitrag von Ludwig Greven

Verbraucht, zerstritten, orientierungslos: Nach wochenlangem Führungschaos tritt die SPD bei der Neuwahl nun doch mit ihrem gescheiterten, bei den Bürgern wie in der Partei höchst unbeliebten Kanzler an. Fast könnte man den Eindruck bekommen, sie möchte gar nicht mehr regieren. Das wäre wahrscheinlich fürs Erste auch besser so. Für sie wie das Land. Weiterlesen

avatar

Die Abenteuer des Joseph Samuel Posener (5): Reise nach Rio

Mit dem Schiff „Warsaw“ verlässt Joseph nach seinen Angaben am 7. Juli 1843 New Orleans. Erst am 16. September erreicht er Rio de Janeiro. Er selbst spricht allerdings von 103 Tagen und „beinahe vier Monaten“. Entweder stimmt das Datum 7. Juli nicht, und er meinte 7. Juni, bzw. nicht den 16. September, sondern den 16. Oktober, oder er übertreibt – wozu der mittlerweile 21-Jährige auch neigt. Das Schiff „Warsaw“ war übrigens ein Schooner, also ein Segelschiff, das damals zwischen verschiedenen lateinamerikanischen Häfen und New Orleans als so genanntes „packet ship“ unterwegs war. Ab 1853 wurde es als Lastenschiff auf dem Sacramento-Fluss eingesetzt. Wie es von New Orleans nach San Francisco kam, weiß ich nicht, zumal es offenbar schon 1843 kaum noch seetüchtig war.

Heute den 16ten September 1843 bin ich in Rio de Janeiro Haupt-Stadt Brasiliens angelangt. Die Herrliche, Reizende und Romantische Ansicht der Einfart im Hafen hat mich so Ueberrascht, das ich die langen mit 103 Tagen Seereise für einen Augenblick vergessen hatte. Meine Seereise oder vielmehr Unsere, den wir waren unserer 24 Passagiere, wie gesagt, unsere Seereise war in dieser Hinsicht ohne Gefahr, indem wir wenig starken Wind, und sogar sehr viel Windstille hatten. Das Schiff an sich war schohn sehr alt, und zog folglich ziemlich Wasser so viel daß alle zwey Stunden (gepumpt?) wurde, um dem Wasser nicht zuviel Ueberhand zu lassen. Und wir schätzten uns Alle einer großen Gefahr gerettet den Tag, den wir glücklich in Rio de Janeiro anlangten.

Weiterlesen

avatar

Die Abenteuer meines Urgroßvaters Joseph Samuel (4): Abgestürzt in New Orleans

Von New York aus reist Joseph Samuel per Schiff nach New Orleans, wo ihn sein Bruder Julius erwartet. Julius ist bereits ein erfolgreicher Geschäftsmann.

1842

Mein Bruder hat mich sehr gut Eingekleidet und gab reine Wäsche, aber solche feine und schon gewaschene Wäsche habe ich nie früher gesehen. Ich bin wirklich sehr Glüklich, mein Bruder ist der beste Mänsch wo man Sehen will. Ich habe Ihm heute vorwurfe gemacht, warum das Er seine Eltern so schlecht behandelt, und er hat mir versprochen Ihnen etwas Geld zu schikken. – Ich gehe herum Spazieren mein Bruder will noch nicht das ich anfangen soll zu Arbeiten, und was will ich mehr haben? Ich habe Geld, so viel ich Nöhtig habe, mein Bruder nimt mich zu Allen Vergnügungen mit, und ist kein Mensch auf der Welt Glüklicher als wie ich.

Weiterlesen

avatar

Die Abenteuer meines Urgroßvaters Joseph Samuel (3): Von Liverpool nach New Orleans

Im Mai 1840 ist der mittellose jüdische Schneidergeselle Joseph Samuel aus der preußischen Provinz Posen (daher „Posener“) nach England aufgebrochen. 

Ich bin bereits neun Monate hier, und habe kaum mein Reisegeld zusammen, jedoch hatte ich das Glükk mir 2 Pfund Sterling zu sparen, welche ich heute den 15ten April 1841 an meine Eltern sende. Wie glükklich werden sie sein, wenn sie diesen Beweis meiner Zährtlichkeit sehen werden und wie froh und glüklich bin ich selbst fürs erste mahl seitdem ich vort bin meine Eltern ein wenig unterstützen zu können. Ich hoffe der Allmächtige Gott wird mir helfen solches für immer prakziziren zu können.

Weiterlesen

avatar

Die Abenteuer meines Urgroßvaters Joseph Samuel (2): von Berlin nach Liverpool

Der zweite Teil des Tagebuchs, das mein Urgroßvater Joseph Samuel, der sich später Posener nennen musste, über seine Auswanderung aus und Rückkehr nach Preußen führte.

Den 10ten May 1840 bin ich in Berlin angelangt. Mein böser Fuss ist die Ursache, dass ich die Stadt nicht sehen kann!
Den 16ten habe ich Berlin verlassen und komme den 19ten in Hamburg an, ich muss all mein bisschen Geld für die Seereise nach England anwenden, nicht allein das Geld, sondern auch eine alte Uhr, welche mir mein Schwager Wolf zum Andenken gegeben hat, habe ich verkaufen müssen, um das ganze Reisegeld zusammen zu machen.
Den 24ten dieses, bin ich in Hull (England) angelangt. Wir waren 3 Tage zur See und wir hatten sehr schlechtes Wetter, obgleich ich das Wetter gar nicht gesehen habe, indem ich alle 3 Tage sehr seekrank war und habe viel Übel und Schmerzen daran gefunden; wir kamen in Hull des Nachts an, und mein ganzes Vermögen (musste ch ausgeben, um) die erste Nacht mein Logie (zu bezahlen). Nun jetzt bin ich in der grossen weiten Welt, ich verstehe kein Wort von der Sprache, und es fängt mich zu hungern. Ich kann keine Arbeit finden, obgleich ich mir solche viele Mühe gegeben habe um solche zu suchen. Der liebe Gott weiss, wie es mir gehen wird. Mein Reisekamerad Wolf Lippmann ist auch schon in (unleserlich), er schreibt aber heute an seinen Bruder, wo er hofft, etwas Geld geschikt zu bekommen. Er ist sehr gut für mich, und hat mir versprochen Wortzuhalten.

Weiterlesen

avatar

Die Abenteuer meines Urgroßvaters Joseph Samuel aus Wirsitz (1)

Mein Urgroßvater väterlicherseits, ein Ostjude aus der damals preußischen Provinz Posen, heute Großpolen, hinterließ ein Tagebuch. Es beschreibt, wie er 1840 als armer Schneidergeselle aus seinem Dorf Wirsitz bei Schneidemühl aufbricht, um zuerst in Großbritannien, dann den USA, schließlich Brasilien sein Glück zu machen, und wie er 1856 als wohlhabender Mann in seine Heimat – nach Berlin allerdings, nicht Wirsitz – zurückkehrt. Joseph war also das, was man heute abschätzig einen Wirtschaftsflüchtling nennen würde. Ich werde das Tagebuch hier abschnittsweise veröffentlichen und gegebenenfalls kommentieren. Es ist ein Dokument des jüdischen Aufstiegswillens. Original-Orthografie und Grammatik sind beibehalten. Joseph war kein gebildeter Mann.

Es ist ein jeden Menschen seine Schuldigkeit, der Gesellschaft eine klare Rechnung seiner
Thaten, Handel und Gewerbe zu geben. Der Mensch ist nicht allein dieses an der Gesellschaft
schuldig, sondern sich selbst und seinen Eltern. Wenigstens ist dieses mein Vorsatz, das wenn ich
mein Geburts-Ort verlassen soll, alle meine Thaten, Gute oder Schlechte (welches ich zu Gott
bitte, mich nur zur Besten zu leiten) in diesem kleinen Heft nieder zu schreiben, um das wenn ich
einst durch einen Unglücksfall sterben sollte (indem ich den Allmächtigen Schöpfer anflehe diesen
großen Grahm nicht so bald meinen guten Eltern zuzufügen) wie oben gesagt, wenn mich der
große Gott so hoch strafen sollte, auf meinen Reisen umzukommen, dass wenigstens meine
Eltern über mich urtheilen können.

Weiterlesen

avatar

Das Jagger-Richards-Songbuch (16): The Singer Not the Song

Mein alter Freund Paul Badde schrieb im Vorwort zu „Ohne Filter„, der Autobiographie von Bernie Conrads, dieser Song sei „Stuss“. Das hat meinen berüchtigten Widerspruchsgeist provoziert; außerdem habe ich, ohne je besonders auf den Text zu achten, diesen Song immer geliebt und schon als 15-Jähriger mit meiner Schulband gesungen.

Weiterlesen

avatar

Dem Zynismus eine Gasse oder ein Gassenhauer: „You Like Me Too Much“

Als Beatle-Fan war „Help“ für mich eine Enttäuschung, wie schon „Beatles For Sale“. Die Beatles wirkten auf beiden Alben abgekämpft und einfallslos. Andere Bands wie die Rolling Stones, Kinks, Pretty Things, Byrds waren musikalisch aufregender; Bob Dylan zeigte, was man alles an Text in einem Rocksong unterbringen konnte, aber die Beatles …

Weiterlesen

avatar

Der anachronistische Zug (frei nach Bertolt Brecht)

Sommer wurd‘s in deutschem Land
An Unis und am Badestrand
Wurde wieder Haut gezeigt
Nebenbei Hamas geliked

Denn vom Süden, dem globalen
Bewegte sich von Postkolonialen
Ein modischer und schicker Zug
Der eine alte Losung trug

Miniröcke, Palli-Tücher
Gucci-Taschen, Butlers Bücher
Und man rief so etwas wie:
From the River to the Sea

Weiterlesen

Scroll To Top