Angela Merkel hat ihre Solidarität mit amerikanischen Politikerinnen erklärt, die der amtierende Präsident rassistisch geschmäht hatte. Das Merkel-Wort ist international bemerkt worden, zumal die betreffenden Politikerinnen zum Teil selbst Rassismus pflegen und keine unumstrittenen Figuren sind. Aber die Frage war, ob Ethnizität, die rassische oder nationale Herkunft, jedenfalls die Hautfarbe, ein hinreichender Grund sein kann, jemanden zu expatriieren und seiner Menschenwürde zu berauben. Unser Autor Klaus Kocks geht den Niederungen der Propaganda nach.
Einem russischen Philosophen verdanke ich einen Gedanken, den ich als Zettel an die Pinnwand über meinem Schreibtisch gehängt habe. Er lautet: „Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu werden.“ Das ermutigt mich, wenn ich mal ganz schlecht drauf bin. Man muss nicht ein Sklave seiner niedersten Instinkte sein, sagt der kluge Mann. Man kann sich am Riemen reißen und die krankhaften Gefühle aus Willenskraft überwinden. Etwa, um nicht üblen Vorurteilen nachzugeben und sich stattdessen einem klugen Gedanken zu widmen. Der Spruch gibt mir Zuversicht. Erstaunlich, dass jemand auf so etwas Nettes kommt, der eingeklemmt zwischen Polen und Litauen in einem russischen Zipfel namens Kaliningrad gelebt hat. Ein Iwan also.
Würde des Menschen
Ich habe da noch einen zweiten Zettel hängen. Er stammt von einem Itaker aus der Po-Ebene, das ist eine Landschaft im Norden Italiens. Er hieß Giovanni Pico della Mirandola und konnte neben dem heimatlichen Italienisch noch Arabisch, Hebräisch und Aramäisch, schrieb aber in Latein. Ein Kosmopolit also (schon verdächtig). Der Spruch lautet: „Quando possumus si volumus.“ Ich habe das Zitat mal bei einem anderen Mediterranen gefunden, einem gewissen Udo di Fabio, der hochgestellter Richter bei uns war und Professor in Bonn. Zu deutsch heißt das Motto: „Weil wir können, wenn wir wollen“. Es geht um Willensstärke und Vernunftbegabung. Pico ist berühmt geworden mit einer sehr grundsätzlichen Rede über die Würde des Menschen. Dieser schwammige Begriff der Menschenwürde ist die zentrale Kategorie unserer Verfassung, sprich des Grundgesetzes. Das ist schon deshalb verwunderlich, weil es ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der Interpretationen nicht nur erlaubt, sondern geradezu verlangt. Er meint jedenfalls sicher, dass unsere Menschenwürde darin besteht, dass wir einen Willen haben (können), der über unsere niedersten Instinkte hinausgeht.
Iwan? Itaker?
Darf man einen Bürger Russlands Iwan nennen? Einen Italiener Itaker? In meiner Jugend waren solche Begriffe noch üblich, weil sich niemand um das scherte, was man heute „political correctness“ oder kurz „pc“ nennt. Es herrschte im Westen Deutschlands ein massiver Antikommunismus, in dessen Fahrwasser man Russen schimpfen konnte, wie man wollte. Wer es da an Feindlichkeit vermissen ließ, erschien verdächtig und wurde aufgefordert. „Geh doch rüber!“ Gemeint war die SBZ, die Sowjetisch besetzte Zone. Und auch den Italienern gegenüber herrschte im Nachkriegsdeutschland noch eine fremdenfeindliche Skepsis. Eine italienische Eisdiele galt damals noch als wirklich exotischer Ort. Und von einer Pizza habe ich zum ersten Mal gehört, als ich, noch in Kinderschuhen, durch Venedig schritt, das man aus einem Urlaub im befreundeten (!) Österreich besuchte. Heute weiß ich, dass die italienische Renaissance zu dem wertvollsten gehört, was meine kulturelle Tradition zu bieten hat. Ich schätze die mediterranen Wurzeln meines Vaterlandes, in dem germanische Wilde erst spät von den römischen Heeren von den Bäumen geholt wurden. Udo di Fabio ist ein belesener Vordenker und Rechtspolitiker. Ja, und ich schätze Russland und meine russischen Freunde, die ich später in meinen Jahren in der Gaswirtschaft dort kennengelernt habe. Ach so, und Immanuel Kant, der eingangs zitierte Aufklärer aus Königsberg, war natürlich Preuße, obwohl seine Geburtsstadt heute auf russischem Territorium liegt.
Fremdenfeindlich
Ich wurde an Kant erinnert, als ich einen Wortwechsel mit einem ehemaligen Botschafter Russlands auf einer politischen Veranstaltung in Brandenburg hatte. Der geschätzte Herr äußerte sich in einem Tenor über die Aufnahme von Asylbewerbern in Deutschland, die auf mich fremdenfeindlich wirkte. Das fand ich komisch, dass sich ausgerechnet ein Russe ausgerechnet in der ehemaligen DDR mir gegenüber xenophob äußerte. Ich stellte ihm folgende Frage: „Herr Botschafter, meine Familie stammt aus Masuren. Mein Urgroßvater ist in das Ruhrgebiet zugewandert, weil er Pferdeverstand hatte und die Rösser im Bergbau benötigt wurden. Er hat es also vorgezogen, in den Pott zu ziehen, statt in Masuren zu verhungern. Ostpreußen ist heute russisches Staatsgebiet. Was bin ich nun? Russe oder Deutscher? Jedenfalls bin ich Enkel eines Migranten.“ Das war natürlich eine rhetorische Frage. An der Ruhr, im sogenannten Pott, sind alle Migranten, außer einigen rheinisch-westfälischen Dörflern, die hier schon vor der Industrialisierung hausten. Erst kamen die Ostpreußen, dann die Iren, dann die Polen, dann die Türken. War das harmonisch oder kulturell homogen? Unsinn, Reibereien zwischen den Ethnien waren an der Tagesordnung. Aber es ist gut gegangen. Knapp. Mein protestantischer Großvater hat immer über die katholischen Polen gelästert, weil ihm deren Kult um die Heilige Barbara auf den Keks ging. Hat man im Pütt zusammengearbeitet? Nun, Kumpel zu sein, das war eine Gefahrengemeinschaft. Jeder musste sich auf jeden verlassen können. Die Iren an der Ruhr waren übrigens die Technologieträger. Die konnten schon Tiefbergbau, als hier noch die westfälische „Zeche Eimerweise“ herrschte. So wie in den Westerwald die Belgier kamen, um als „Welsche“ den örtlichen Dörflern das Verhütten der Erze beizubringen.
Schickt sie zurück? Wohin?
Es hat in vorigen Jahrhunderten Migration aus Deutschlands Armenhäusern gegeben, vorwiegend nach Amerika, dem großen freien Einwanderungsland. Aus der Pfalz stammen die Ahnen von Donald Trump. Woher seine jetzige Ehefrau stammt, will ich hier nicht weiter erörtern, weil dies zu Missverständnissen führen könnte. Wir alle sind Migranten, es wurde schon gesagt, außer einigen Dorfdeppen, die schon immer am Ort hausten, weil sie leider eben zu blöd waren, sich ein besseres Leben zu suchen. Und wir alle haben eine Vernunftbegabung ebenso wie niedere Instinkte. Zu den Instinkten der untersten Kategorie gehören Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass. Natürlich kann es den Impuls geben, dass ich den unduldsamen Fremden nicht mehr dulden mag. Oder dass ich den religiösen Fanatiker in seine Schranken weisen möchte. Natürlich ist es unerträglich, wenn Mitbürger anderen Menschen wegen des Geschlechts oder der Religion oder der Rasse die Menschenwürde absprechen. Wie aber antwortet man darauf? Expatriieren? Ausweisen? Vernichten? Was der amtierende amerikanische Präsident gerade zeigt, ist die übelste Variante möglicher Propaganda. „When they go low, we go lower!“ Ich höre und sehe das und schaue auf meine beiden Spickzettel. Nicht mit mir. Nicht in meinem Namen.
Ich habe noch eine lateinische Sentenz für Sie:
Ex falso quodlibet [Aus falschen Vorausetzungen folgt Beliebiges.]
Ein Lehrsatz der Logik.
Erster logischer Fehler der Fehlinterpreation Trumps:
Trump will die vier Damen nicht „expatriieren“, sondern bringt das alte, Deutschen wohl bekannte, Argument: „Geh doch rüber!“. Der Hinweis das Land verlassen zu können ist nicht das Gleiche wie die Auforderung jemanden aus dem Land zu weisen.
Der vielerorts in Deutschland zu hörende Ruf „Nazis raus!“ dagegen kann ja nach Kontext als Aufforderung verstanden werden, Menschen mit anderen Meinungen zu expatriieren.
Trump zu unterstellen, er will die vier Damen expatriieren oder gar deportieren ist falsch und vergiftet den Dialog.
Zweiter logischer Fehler der Fehlinterpreation Trumps:
Er begründet seinen Vorschlag zurück in die Heimatländer zu gehen mit Aussagen der vier Damen nicht mit deren Hautfarbe oder Rasse.
Dritter logischer Fehler der Fehlinterpreation Trumps:
Trump stellt keinen Zusammenhang her zwischen den fraglos schlimmen Zuständen in den Herkunftsländern der Angesprochenen und der Rasse der Bewohner dieser Länder.
Hätte zum Beispiel Trump zu einer deutschstämmigen Kritikerin gesagt:
„Wenn Ihnen unsere Einwanderungspolitik nicht gefällt, gehen Sie nach Deutschland zurück. Aber immer auf eine Armlänge Abstand achten, auf öffentlichen Plätzen und an Bahngleisen.“
Das wäre cum grano salis [google.de] das Gleiche gewesen. Niemand hätte dies als Rassismus bezeichnet. Nur weil die Damen zufällig PoC sind, kommt der Rassismusvorwurf.
Komisch, wenn der US-Präsident Kritikerinnen seiner Politik auffordert, das Land zu verlassen, ist das ganz böse, Rassismus gar.
Wenn ein Politiker der deutschen Regierungspartei Kritiker der Regierungspolitik auffordert, das Land zu verlassen, gilt das als Ausdruck von Zivilcourage.
Ist dies, werter Herr Wissler, im Klartext der verquere Versuch, den politischen Mord an dem hessischen Politiker („der deutschen Regierungspartei“ ???) zu relativieren? Dessen Einlassung bezog sich im übrigen auf die Verfassung, nicht auf „die“ Regierungspolitik. Sumpfiges Gelände. KK
Was sollen die Fragezeichen ?
Lübke war CDU-Politiker, und daß die CDU sowohl in Hessen als auch in Deutschland die Regierungspartei ist sollte für Sie keine Neuigkeit sein.
Und natürlich ging es bei seiner verqueren Aussage um die damals aktuelle Regierungspolitik der unkontrollierten Masseneinwanderung. Das hatte mit der Verfassung rein gar nichts zu tun.
@ Don Geraldo
Der Unterschied ist, dass Herr Lübcke niemand wegen seiner Herkunft herabgewürdigt hat. Er hat das C im Namen seiner Partei ernst genommen und zu mehr Toleranz aufgerufen.
„.. es lohnt sich in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist – das ist die Freiheit eines jeden Deutschen …“
Trump hingegen forderte die vier Kongress-Abgeordnete auf:
“go back and help fix the totally broken and crime-infested places from which they came.”
Alle vier sind US-Amerikanerinnen, drei auch in den USA geboren.
Das ist aus meiner Sicht klar rassistisch.
Macht es wirklich keinen Unterschied, ob eine hessischer Provinzpolitiker in einer Bürgerstunde nicht gerade den cleversten Satz von sich gibt und ihn auch recht schnell revidiert, oder ob der Führer der freien Welt mit solchen Aussagen gezielt Wahlkampf macht?
Und was bedeutet das für uns? Ist nach dem Satz von Herrn Lödige nun alles erlaubt? Gibt es nach so einem Satz, gesprochen auf einer Bürgerversammlung, kein richtig und kein falsch mehr?
Habe ich wegen diesem Satz jede Aussicht auf Germanisierung verloren und wie viele Genrationen soll dies gelten?
Das wären doch spannendere Antworten als das Gemecker über die rot/versiffte Presse. Vor allem sind das Antworten, um die sich die Mosaik-Rechte bisher drückt oder aus Kameradschaft an der Stelle schlicht nuschelt. Das verstehe ich von einem taktischen Gesichtspunkt aus, aber irgendwann geht es nicht mehr darum, über den Mainstream zu jammern, sondern Politik zu machen. Und da sind diese Fragen nicht ganz unerheblich.
Das ist also der angekündigte Beitrag zur Frage: «Gibt es so etwas wie einen negativen Zivilisationseffekt der “Migrationsphobie”?»
Antwort: Ja, und der besteht darin, dass man sich der Macht des Gemüts, seinen niedersten Instinkten ausliefert, anstatt die krankhaften Gefühle aus Willenskraft zu überwinden.
Naja, das gilt wohl nur für jene, die sich aus Furcht zum Hass hinreißen lassen, und so wie Donald Trump auf den groben Klotz mit einem noch gröberen Keil einschlagen. Sprich: Die teils massiven Verwerfungen infolge der Migration mit einer kategorischen (ethnisch begründeten) Ablehnung der Migranten kontern.
Ja, sowas ist hässlich, es kommt einem negativen Zivilisationseffekt gleich in einer Gesellschaft, in der ein solches Denken und Kategorisieren bereits überwunden schien.
ABER: Was ist mit all jenen, die nicht hassen, die Migration in der derzeitigen Form aber aus rationalen Gründen sachlich ablehnen, ohne deshalb aus der Rolle zu fallen, und Menschen AUFGRUND ÄUßERER MERKMALE pöbelnd zur Ausreise aufzufordern?
Man hat leider nur die Wahl zwischen zwei Polen, wobei die eine Seite jede sachliche Kritik als „Phobie“ (oder schlimmeres) pauschal pathologisiert, und eine scheinbar erhabene Moral zur Verschleierung herrschender Interessen vereinnahmt, und auf der anderen Seite sich rationale Argumente und kategorische Ressentiments immer mehr zu einer trüben Melange verquicken.
Was hilft nun der Appell an Willensstärke und Vernunftbegabung, wenn man nur diese eine schlechte, sehr schlechte Wahl hat?
Verehrter Fritz (frededicus rex???), Sie reden von Verstand, ich von Vernunft. Dazwischen liegt eine ganze Welt. Auch ein „kategorisches Ressentiment“ (sic) dürfte eher eine Grille der Urteilskraft sein, kein Institut der Vernunft. Aber dies ist ja ein freies Land. Ich habe nicht vor, Ihnen zu raten, „zurück dorthin zu gehen, wo Sie herkommen“, um die Trumpsche Figur zu benutzen.
Ihr KK
PS: Ja, anderes Thema als avisiert.
Trump hat natürlich recht. Pässe schaffen keine Zivilisation. Dieses Problem ist bei uns viel größer als in den USA, deshalb haben wir auch keinen Trump sondern nur Cucks. Die Eroberer lachen sich kaputt über diese Erniedrigung für die neuen Wähler.
Lieber Herr Weller, das verstehe ich nicht. Ich bin auch nicht sicher, ob Sie mehr als die Überschrift gelesen haben. Wie auch immer. Ihr KK
Der böse Trump. Ein Rassist ohne gleichen.
Die 4 Frauen (People of color) sind vom linken Rand der Demokratischen Partei. Sozialistinnen, um es genau zu sagen. Sie wollen Amerika mit sozialistischen Experimenten „beglücken“.
Trump ist dagegen und hat ihnen empfohlen, in ihre Heimatländer zu gehen und dort alles zu verbessern und dann wiederzukommen.
Ausserdem sind einige dieser Frauen durch antisemitische Äusserungen aufgefallen. Merkel solidarisiert sich also mit Antisemitinnen. Bravo !!
Werter Anonymus, erst lesen, dann replizieren. Wem widersprechen Sie? Zudem sind es allenfalls persons of color. People of color als Ansatz läßt in einen Abgrund blicken; sicher nur ein Schreibfehler. Das Heimatland eines US-Bürgers sind die US of A. Oder?
Ihr KK
https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Julius_Kuhn
Wessen Bürger war der alte Fritz?
Und das war die Ausnahme, im Gegensatz zu heute.
Trump: „If you’re not happy in the U.S., if you’re complaining all the time, very simply, you can leave. You can leave right now. Come back if you want, don’t come back, it’s OK too. But if you’re not happy, you can leave,“ he said. The audience applauded many of the president’s remarks.
When a reporter pointed out that many of the congresswomen the president appears to be criticizing were born in America and all are citizens, Mr. Trump responded that, „All they do is complain.“
Lübcke: „Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“
… finde(t) den Fehler!
Wer meckert, gehört expatriiert. Ist es das, was Ihnen vorbildlich erscheint? KK
„Kuhn wurde am 17. September 1945 zusammen mit 715 weiteren „unbelehrbaren Deutschen“ über Ellis Island nach Deutschland deportiert“
Unbelehrbar – gutes Wort, sollte Trump aufgreifen. Wir haben nicht 715, sondern unbelehrbare Massen im Land. Und es werden immer mehr eingeschleust und geschleppt.