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Clowns an der Macht

Der amerikanische Präsident gilt als eitel und minderbegabt. Der englische Premierminister als ein Scharlatan. In beiden Ländern, sagen die Kommentare, sei die Lüge an der Macht. Fremdschämen allenthalben über das miese Niveau der Herrschenden. Unser Autor Klaus Kocks  warnt vor vorschnellem Spott.

Seriös sei das nicht, was in Amerika und England da an PR-getriebener Politik veranstaltet wird, finden die „Altparteien“. Das amüsiert die spaßigen Erfolgspolitiker, die sich diesen Begriff der Altparteien ausgedacht haben. Und den der Systemmedien. Der Populist lebt vom anti-elitären Syndrom. Man darf aber das diabolische Potenzial der vermeintlichen Trottel nicht unterschätzen. Denn, bei Licht besehen, ist der Spott über Donald Trump und Boris Johnson  zu billig, weil unpolitisch. Die hochgezogenen Augenbrauen verstehen nämlich nicht, dass das Lächerliche dieser Figuren in den Augen des Betrachters liegt, nicht in dem Objekt der voreiligen Missbilligung selbst. Schon immer waren Macht und Mythos liiert, eine Neigungsehe zwischen Herrschaft und deren Theatralisierung. Die Geschichte ist voller Lügen dieser Art: Napoleon war ein herrschsüchtiger Zwerg, Cäsar lag mit sehr korpulenten Männern im Badehaus, Nero, der Irre, hat sich den Brand Roms zuzurechnen lassen und Caligula, ein anderer Kaiser, schließlich sein Pferd geheiratet. Der Mythos, auch wenn ein dreistes Märchen, schadet Macht nicht, er begründet sie. 

Spaltung des Publikums

Adolf Hitler war für den amerikanischen Komiker Charlie Chaplin eine rundheraus alberne Figur, die er nur zu kopieren brauchte, um sie dem allgemeinen Gelächter auszusetzen. Für seine Gefolgsleute, immerhin eine Mehrheit im deutschen Volk, wirkte der „Führer“ aber nicht  lächerlich. Der italienische Faschistenführer Benito Mussolini mag von Widerstandskämpfern als Waldschrat verspottet worden sein; seine Anhänger verehrten den kleinen dicken Mann als heroischen „duce“. Wir mögen im Zeitalter der gesetzten Damentrios (AM, UvdL, AKK) irritiert sein, wenn sich Putin mit nacktem Oberkörper bei der Jagd zeigt; viele russische Seelen fremdeln ob des starken Mannes eben nicht. Die Welt ist ein Theater. Die neuen Helden spalten ihr Publikum. Und zwar mit politischem Kalkül.

Politisch inkorrekt aus Vorsatz

Wenn die bildungsbürgerliche Brille Aufsteiger betrachtet, die aus einfachen Verhältnissen emporgekommen sind, so neigt sie zur Betonung der kulturellen Defizite und der unfreiwilligen Komik dieser Zukurzgekommenen, die es auf den Thron geschafft haben. Gelegentlich geht es um mehr als Bildungsdefizite. Dann nämlich, wenn die Polemik in Rassismus abgleitet oder in andere Tabubrüche massiver Art. Aber, aber… Erlauben wir uns ein Gedankenexperiment: Betrachten wir den muskulösen Putin auf der Bärenjagd aus den Augen des Bauern, der von seiner Hände Arbeit nicht mehr leben kann und den glorreichen Zeiten der russischen Weltmacht nachtrauert. Dem gefällt das Bild, weil er es als Symbol liest. Und Putin gefällt seine Lesart, weil sie seine Macht begründet. In den Public Relations, der PR, ist man mit den Mitteln nicht zimperlich. Ebenso PR ist die Inszenierung von Trump und Johnson als Kämpfer wider das Establishment, wurden beide doch in privilegierte Umstände hineingeboren.

Nützliche Idioten

Wollen wir gar behaupten, dass die Clowns an der Macht aus einer raffinierten Strategie so handeln? Spielen die Irren an der Macht das Irre nur? Werden wir als Wähler also verschaukelt? Ja klar, aber das gilt immer und ist hier nicht der springende Punkt. Der Populist wird von der Begeisterung seiner Wähler wegen seiner Tabubrüche getragen, nicht trotz dieser. Werden seine Anhänger, die sich über die deftigen Parolen Trumps oder BoJos begeistern, also für dumm verkauft, regelrecht verschaukelt? Die Frage beantwortet sich dialektisch: Ja, sie sind Opfer einer wirklich perfiden Demagogie. Die Clowns spielen mit dieser Rolle und damit mit ihren Anhängern. Nur mit ihren Anhänger oder auch mit ihren Gegnern? Was nun, wenn auch wir, die klugen Kritiker des bösen Clowns, ein unfreiwilliger Teil dieses Spiels sind? Die bildungsbürgerlichen Kritiker der Clowns auf den Königsthronen wären dann nur die nützlichen Idioten in deren Spiel um die Mythen der Macht. Der Autor dieser Zeilen eingeschlossen.

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8 Gedanken zu “Clowns an der Macht;”

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    K.K.. ‚Clowns an der Macht

    … dann hätten ‚wir‘ wenigstens was zum Lachen. Kobolde necken, ärgern. Nutznießer von Kobolden werden oft, auf Kosten der Allgemeinheit, wohlhabend.

    Fr. Baerbock erklärt im Sommerinterview: ‚Rohstoffe wie Kobold, wo kommt das eigentlich her. … hatten wir schon.

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    Sehr geehrter Herr Kocks,

    wenn sie feststellen „Werden wir als Wähler also verschaukelt? Ja klar, aber das gilt immer und ist hier nicht der springende Punkt.“ haben sie recht gesprochen. Das gilt auch für die Frage des Populismus. Spätestens seit die politische Repräsentation sich im Rahmen einer systemprägend gewordenen Mediendemokratie vollzieht, ist die Frage nicht ob, sondern wie populistisch agiert wird. Zum allgegenwärtigen Schlagwort wurde Populismus allerdings erst, als sich explizit gegen hegemoniale Politikkonzepte gerichtete Formen populistischer Agitation bildeten. Nehmen wir (wen sonst?) Frau Merkel, deren Erfolg rein auf Populismus basiert, also darauf, dem Publikum ein erwünschtes Image, eine populäre Projektionsfläche zu bieten. Das ist in Deutschland eben nicht der Clown, sondern das zitierte „gesetzte Damentrio“, oder eben eine weitgehend profil- und konturlose „Mutti“, die geräuschlos die Dinge am Laufen hält. So ist das eben in einem überalternden, wohlstandsgesättigten Land, wo man seit den 90ern und bis in weit in die 00er Jahre hinein die „Spaßgesellschaft“ für Ziel- und Endpunkt der Geschichte hielt. Das klappte so lange, bis auch dem sedierten deutschen Publikum klar wurde, dass Merkels „Fahren auf Sicht“ einer Reise auf den Abgrund zu gleichkommt. Merkel hat nämlich keinen inneren Kompass, und die ihrer Politik inhärenten Widersprüche sind Legion. Der eigentliche Grund für ihre Flüchtlingspolitik 2015ff ist schlicht in der Angst vor „hässlichen Bildern“ zu suchen, wie hier nachzulesen ist…

    https://www.cicero.de/innenpolitik/buch-zur-grenzoeffnung-aus-angst-vor-verantwortung

    …und in der Erfahrung negativer medialer Darstellung als „Eiskönigin“ (Stern) nach dem Auftritt mit dem Flüchtlingsmädchen Reem Sahwil im TV. Populismus pur also, der in diesem Fall aber nach hinten losgegangen ist, weil die Folgen des eigenen Handelns womöglich unterschätzt, bis heute jedenfalls nicht aufgearbeitet wurden.

    „In beiden Ländern, sagen die Kommentare, sei die Lüge an der Macht. Fremdschämen allenthalben über das miese Niveau der Herrschenden.“

    Hier sollten die deutschen hypermoralischen Kommentatoren sich lieber einmal an die eigenen Nase fassen, welches „Niveau der Herrschenden“ uns in hier Deutschland seit Jahren, und zwar bis zum heutigen Tag, als das Maß aller Dinge verkauft wird. Nicht fremd- sondern sich selbst schämen ist angesagt!

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      Sehr gut getroffen.
      Merkel ist „Die Mutter des Populismus.“

      Merkel hat sich seit Amtsbeginn an Umfragen, der veröffentlichten Meinung und dem, was sie für die öffentliche Meinung hielt, orientiert.
      Ein besseres Beispiel noch als ihre fehlgeleitete Flüchtlingspolitik ist ihre Energiepolitik.
      Sie redet selbst den Freitagskindern nach dem Mund, obwohl diese doch letztlich gegen die Merkel-Politik der letzten 15 Jahre protestieren.
      Friedrich Merz hat es sinngemäß so formuliert, wie es sein könne, daß Deutschland nach 15 Jahren Klimakanzlerin noch nicht einmal seine selbstgesteckten Klimaziele erreicht.
      Erinnert sich noch jemand an ihre Atompolitik ?
      Kaum war sie 2009 die SPD als Koalitionspartner los, beerdigt sie den rot-grünen Atomausstieg, nur um kurz darauf vollkommen überhastet und ohne jegliche Planung den sofortigen Atomausstieg zu verkünden.
      Und der Grund für diesen Atomausstieg waren nicht neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern schlechte Umfragewerte für die CDU nach Fukushima.
      Wenn das kein Populismus war, was dann ?
      Ich wage mal die Prognose, daß bis zum jüngsten Tag kein deutsches Atomkraftwerk von einem Tsunami überschwemmt wird.

    2. avatar

      „Hier sollten die deutschen hypermoralischen Kommentatoren sich lieber einmal an die eigenen Nase fassen, welches “Niveau der Herrschenden” uns in hier Deutschland seit Jahren, und zwar bis zum heutigen Tag, als das Maß aller Dinge verkauft wird.“
      Es ist diese Alertheit, der ständig überhöhte Blutdruck, der auf allen Seiten echte oder vermeintliche Widersprüche oder kognitive Dissonanzen aufspüren lässt. Populismus ist nie in sich schlüssig, logisch, blendet Zusammenhänge und Wahrheiten aus, eine Form von Aktivismus. Und Politik ist immer Populismus, Machtanspruch, Manipulationsversuch, Aktivismus und behauptet dabei stets, Populisten seien die anderen. Ich vermute (ich weiß es nicht wirklich..) man kann solches bereits bei Cicero oder Seneca nachlesen. Ich habe in den Meldungen über Trump und jetzt Johnson in der deutschen Politik und den einschlägigen deutschen Medien auch immer neonationalistische antiamerikanische Obertöne wahrgenommen. Die Populismuskritik in der Politik ist immer scheinheilig, sie wünscht sich Politiker der ‚den Leuten‘ reinen Wein Einschenkt, den Philosophen für den man heute noch Helmut Schmidt oder eben Fredericus Rex hält. Den ‚reinen Wein‘ gibt es aber in Politik (und vermehrt Wissenschaft) aber immer erst – wenn überhaupt – nach der Pensionierung (z.B. bei H.W. Sinn). ‚Reinen Wein‘ einzuschenken ist aber wohl auch nicht die Kernaufgabe der Demokratie (und ganz offensichtlich auch nicht der ’staatsfernen‘ aber stets staatstragend sein wollenden öffentlich rechtlichen Medien). Ich denke, wir sollten darüber ins Klare kommen, daß Demokratie auch immer Populismus enthält und zwar soviel, daß derjenige, der zuerst ‚Populismus‘ ruft, mit Sicherheit der größte Populist ist. (Analfixiertes aufgrund der sehr ähnlich klingenden Anfangssilben war jetzt nicht beabsichtigt, ist aber kaum vermeidbar.) Aber: So unsympathisch mir z.B. der derzeit deutsch-grüne Klimapopulismus aufgrund seiner penetranten Anti-Pragmatik auch ist, ich halte Anti-Populismus für undemokratischen (platonischen) Idealismus.
      Nachsatz: Merkels ‚Willkommenskultur‘ war sicher blanker Populismus, aber nicht der fatalste und folgenreichste ihrer Fehler, sondern eher ein vordergründig außenpolitisch motivierter Wiedergutmachungsversuch, aber anders als Willi Brandts Kniefall ohne politischen Profit für den zu vertretenden Souverän. Allerdings ein tiefer Blick in die gequälte Seele der verspäteten Nation – eher wohl etwas mitleidig im Ausland zur Kenntnis genommen. Eine Seele, die über ihre Qualen die tatsächlichen gegenwärtigen Opfer kaum zur Kenntnis nimmt, wie ich gerade, mit eher weniger Mitleid, sondern eher wieder mal Enttäuschung zu Kenntnis nehme.

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    Lieber Herr Kocks,

    das hört sich ja alles ganz nett an, aber sowohl Putin als auch Johnson gehörten doch schon, bevor sie an die „Macht“ gelangten zum Establishment. Putin kam aus dem KGB- und KPdSU-System und Johnson wurde mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und durchlief Eton und Oxford. Ganz so ein Aussenseiter ist Herr Trump ja auch nicht. Alle drei gehörten auf jeden Fall schon vorher zur sog. „Elite“ ihres Landes. Richtig ist allenfalls, dass sie sich ihren Wählern als „Revoluzzer“ verkaufen wollen. Aber dabei müssen wir ja nicht mitmachen. Für ihr jeweiliges land sind alle drei eigentlich absolute Reaktionäre. Das Kabinett von Johnson ist noch reaktionärer als das von Maggie Thatcher. Trump ist reaktionärer als Nixon, Reagan und die beiden Bushs zusammen. Und Putin orientiert sich eher an Zaren und Väterchen Stalin, als an irgend etwas Anti-elitärem.

    Da Sie sich ja in UK recht gut auskennen, wundert mich Ihre Charakterisierung von Herrn Johnson als anti-elitär doch sehr. Wenn Sie das wirklich glauben, hat Sie der gute Boris tatsächlich ziemlich verschaukelt. Boris und weite Teile seines Kabinetts, allen voran Jacob Rees-Mogg, sind Elite pur. Etwa die Hälfte hat entweder in Oxford, Cambridge oder Sandhurst studiert. Und weil auch in der Medienlandschaft im UK von dieser Elite durchsetzt ist, die sich entweder von Eton, Harrow, Oxford, Cambridge etc. kennen oder gemeinsam in Mitglieder in irgendwelchen elitären Clubs sind, konnte man in den letzten Tagen in der britischen Presse auch allerlei durchgesteckte Geschichten und Einschätzungen des neuen Premiers lesen, die seine Parteikollegen über ihn abgegeben haben.

    Boris Johnson und Rees-Mogg sind die verzogenen „Enkelkinder“ Maggie Thatchers. Johnson mag vielleicht etwas „Rumspringa“ letztlich ist er aber ein Konservativer alter Schule. Er ist ein Macho für den – nach Angaben seines Schuldirektors – Regeln nur für andere gelten, aber nicht für ihn selbst. Das ist weder revolutionär noch anti-elitär, das ist einfach nur asozial.

    Beste Grüße

    68er

  4. avatar

    Jedes Land wählt die Populisten nach seinem Geschmack: Die Russen den männlichen Reiter mit freiem Oberkörper, die USA den politisch inkorrekten Pöbler, die Italiener böse Clowns, die Briten den unterhaltsamen Polit-Entertainer und Deutschland die weltrettenden Flagellanten, die ein paar Tage mit warmem Wetter mit einer CO2-Steuer verhindern wollen.

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    Sicher sind Trump und Johnson verachtenswerte Lügner.
    Aber was ist mit „unseren“ Politikern, die das Kapital sich hält? Einem Scheuer, der die Umverteilung von öffentlichen Geldern in private Kassen so organisiert, dass die Unternehmen operativ nicht einen Finger rühren müssen, nur deren Rechtsabteilung muss ein paar Schreuben aufsetzen. Der Mann gehört vor Gericht. AKK unsere „2% Umverteilung in die Kassen der Rüstungskonzerne“-Kriegsministerin geht ebenso hübsch bei Fuß. Ihre Vorgängerin hat diverse Beraterfirmen mit Steuergeldern glücklich gemacht. Die Regierung Schröder hat ihren Job fürs Kapital ohne Murren erledigt: Private Versicherungskonzerne haben durch Riester den Reibach des Jahrhunderts genossen.Über den Protektionismus für Banken und Autoindustrie wollen wir gar nicht reden.
    Wir sollten über einen Vollpfosten wie den POTUS oder einen genialen Demagogen wie Johnson nicht zu sehr die Nase rümpfen.Und vor der eigenen Türe kehren. Wer weiß, vielleicht haben auch wir bald eine Regierung ähnlichen Kalibers-wo Politik und Außendarstellung sich decken. Wie bis vor kurzem in Österreich.

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