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Keine Pauken und Trompeten – Elisabeth Wehling, das Framing und die Wahrheit

Ein Gstbeitrag von Harald Stollmeier

Anfang 2019 geriet ein Framing-Manual in die Öffentlichkeit, das die Linguistin Elisabeth Wehling 2017 im Auftrag der ARD verfasst hatte; das Manual ist eine  Anwendung von Wehlings Buch Politisches Framing aus dem Jahr 2016. Führungskräfte der ARD sehen kein Problem, andere Journalisten und Laien, aber auch Experten wie Jörg Mattes von der Universität Wien üben zum Teil heftige Kritik.Framing war schon zuvor „in aller Munde“; seit Bekanntwerden des ARD-Manuals jedoch muss sich im Grunde jeder, der öffentlich redet oder schreibt, mindestens aber jeder, der journalistisch schreibt, zum Thema Framing positionieren. Denn Wehling sagt: „Objektives, faktenbegründetes und rationales Denken gibt es nicht“ (Framing-Manual, S. 14). Wenn sie damit Recht hat, dann stellt sich nicht mehr die Frage nach der Wahrheit, sondern nur noch die Frage nach der geschickteren oder wuchtigeren Manipulation. Für Wehling selbst mag das nützlich sein, weil dann auch bedeutungslos ist, ob ihr „Berkeley Framing Institute“ eine Forschungseinrichtung ist oder bloß eine akademische Briefkastenfirma. Aber für Redaktionen und Pressestellen stellt sich dann die Frage nach ihrer Daseinsberechtigung; mindestens stehen sie dauerhaft unter Generalverdacht. Also: Hat Elisabeth Wehling Recht?

Naiver Realismus sagt: Wir sehen die Welt, wie sie ist. Naiver Journalismus sagt: Wir beschreiben die Welt, wie sie ist – oder kürzer: „Schreiben, was ist.“ In Wirklichkeit stimmt beides nicht. Wir nehmen nur einen winzigen Ausschnitt der Wirklichkeit wahr – unser Auge etwa nutzt aus dem gewaltigen Spektrum elektromagnetischer Wellen nur den sehr kleinen Bereich der Wellenlängen von 380 bis 780 Nanometern, Radiowellen nehmen wir genauso wenig wahr wie die Krümmung des Raumes, und die Unterscheidung von Rechts und Links ist eine kulturelle, keine biologischer Leistung. Der Umstand, dass unsere Art dennoch überlebt hat, und natürlich der beispiellose Erfolgszug von Naturwissenschaft und Technik deuten darauf hin, dass der kleine Ausschnitt der Wirklichkeit, den wir wahrnehmen, immerhin ein zutreffender Ausschnitt ist. Von Objektivität kann aber keine Rede sein.

Ähnlich ist es mit dem Schreiben. Hier kommt zum Defizit in der Wahrnehmung hinzu, dass unsere Sprache nicht besonders gut für objektive Beschreibungen geeignet ist. Je verständlicher, je „griffiger“ eine Beschreibung ist, desto stärker „stützt sie sich“ auf Metaphern oder Be-griffe, die ihrerseits eine Bedeutung und ein Umfeld von Konnotationen und Assoziationen haben. Man sagt also stets mehr, als man bewusst sagt, und dieses Mehr ist in der Regel wertend.

Wer für ein Anliegen werben will, sollte seine Worte also bewusst wählen, und er sollte sich und seinem Publikum verständlich machen, auf welcher Wertegrundlage er argumentiert. Wenn das Framing richtig durchgeführt wird, stärkt der Sprecher sein Anliegen, indem er beim Hörer die passenden Emotionen aufruft. Und wer beim Widerspruch den kritisierten Frame benutzt, der verstärkt ihn: Auch „keine Pauken und Trompeten“ aktivieren die Vorstellung schwungvoller Musik.

Besonders massiv, sagt Wehling, ist dieses mitschwingende Werten in politischen Zusammenhängen, teils ohne Absicht, teils mit. Und nicht selten, sagt sie, stehen sich die Verfechter eines Anliegens selbst im Weg, weil sie Worte wählen, die ihr Anliegen in abwertende Zusammenhänge stellen. Am Beispiel der gebräuchlichen Begriffe zum Thema „Steuern“, von der „Last“ über das „Schlupfloch“ bis zur „Oase“, legt Wehling überzeugend dar, dass die gesamte öffentliche Debatte zulasten des Staates (und zugunsten von Steuer-„Flüchtlingen“) voreingenommen ist.

Nicht zu Unrecht wirbt sie grundsätzlich für die bewusste Auswahl von Begriffen („Framing“), wenn man das eigene Anliegen fördern will. Im Fall der Steuern will sie nicht mehr von der „Zahlung“, sondern vom „Beitrag“ sprechen und vom Staat als Dienstleister zum Staat als Kollektiv gelangen, zu dem wir alle gehören. Wehlings entscheidendes Argument zugunsten von Steuern lautet: Wir selbst, vertreten durch unsere Angeordneten, haben die Steuergesetze beschlossen. Im ARD-Framing-Manual beschreibt sie analog Rundfunkgebühren als Beiträge zu „unserem gemeinsamen, freien Rundfunk ARD“; die private Konkurrenz dagegen bekommt Stempel wie „profitwirtschaftliche Sender“ oder gar „medienkapitalistische Heuschrecken“. Aber ob man Wehlings Lieblingsframes mag oder nicht – etwa die besonders schroffe Gleichsetzung menschlicher Embryonen im Mutterleib mit Melanomen, das ist nicht entscheidend für die Frage, ob sie Recht hat.

Elisabeth Wehling hat insofern unbestreitbar Recht, als Framing tatsächlich gut funktioniert. Sie behauptet aber darüber hinaus, dass Framing allgegenwärtig und unverzichtbar sei: Das einzige, was gegen rechte Frames hilft, sind demgemäß linke Frames. Und diese Behauptung ist angreifbar. Aber sie ist es nur, wenn es eine objektive Wirklichkeit, eine objektive Wahrheit jenseits aller Frames wirklich gibt, wenn also alle Frames wenigstens grundsätzlich an einem Maßstab gemessen werden können, der selber kein Frame ist.

Elisabeth Wehling scheint das nicht zu glauben. Sonst könnte sie nicht so inkonsequent sein, die demokratische Legitimation beim Thema Steuern für entscheidend, beim Thema Schwangerschaftsabbrüche hingegen für belanglos zu halten. Und die Leberfleckmetapher ist nicht nur „anti-baby“, sie ist auch nachweisbar sachlich falsch. Es gibt mehrere objektive Unterschiede zwischen einem Embryonen und einem malignen Melanom. Der wichtigste: Der Embryo ist ein separates Individuum. Außerdem ist er ein Mensch, aber das ist für Wehling nicht die Wahrheit, sondern ein Frame.

Elisabeth Wehling trägt fundierte und weitgehend anregende Argumente vor. Wenn sie Recht hat mit der These von der Unausweichlichkeit des Framings, wenn alles Framing ist, dann gibt es keine Wahrheit, jedenfalls keine, die man irgendwie zu fassen bekommen könnte. Dann gibt es natürlich auch keine Unwahrheit mehr, und Fake News sind lediglich, wie es aus dem Umfeld des Präsidenten Trump heißt, alternative Fakten.

Glücklicherweise kann Elisabeth Wehling nicht derartig umfassend Recht haben. Denn wenn alles Framing ist, gilt das auch für ihre eigenen Thesen. Aber Wehling selbst betritt eine Metaebene und spricht über das Sprechen. Also kann sie es. Und  dann können auch alle anderen Menschen diese Ebene betreten. Dann können alle Menschen ihr Sprechen überdenken, am besten gemeinsam, und sie können die verschiedenen Assoziationen betrachten und abwägen und schließlich zu einer Übereinkunft wenigstens über Tatsachen kommen, wenn auch lange noch nicht über den richtigen Weg. Dann ist nicht nur eine echte Demokratie möglich, sondern auch redlicher Journalismus.

Der Verfasser ist Pressesprecher der Novitas BKK, Duisburg.

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8 Gedanken zu “Keine Pauken und Trompeten – Elisabeth Wehling, das Framing und die Wahrheit;”

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    Allen Kommentatoren sei herzlich gedankt, besonders herzlich Alan Posener! „Angeordnete“, wäre es ernst gemeint, würde wohl ein imperatives Mandat nahelegen; davon bin ich kein Fan. Aber der Fehler soll jetzt drinbleiben. Ein anderer nicht: Es ist wesentlich, dass die Benennung des Embryonen als Mensch für Elisabeth Wehling „nur“ ein Frame ist. Denn das ist das Problem, natüroich bei allen Frames.
    Weniger Zustimmung, aber nicht weniger Dank soll Bernhard Kern gelten. Denn auch ungenaue Kritik kann hilfreich sein, und ein Kompliment ist sie sowieso – würde man kritisieren, was man nicht relevant findet? Trotzdem bitte ich Sie, noch einmal nachzulesen. Denn mir scheint, dass Sie ein falsches Dilemma konstruieren und etwas widerlegen, was ich gar nicht behaupte. Widerspruch zu Wehlings „Alles ist Framing“ bedeutet durchaus nicht „Framing ist bedeutungslos“.
    Wenn Sie mich nicht richtig verstehen, kann das natürlich bedeuten, dass ich es nicht gut genug erklärt habe. Ich will deswegen ergänzen:
    1. Es gibt eine objektive Wirklichkeit.
    2. Unser Sprechen über diese Wirklichkeit ist regelmäßig ungenau und meistens metaphorisch wertend. Aber es ist nicht völlig von der Wirklichkeit entkoppelt, und deswegen sind nicht alle Metaphern/Frames gleich gerechtfertigt.
    3. Deshalb ist „Frame gegen Frame“, Wehlings Lösung, eine Kapitulation. Besser, und möglich, sind ein bewusstes Nachdenken und auch ein offenes Gespräch über wertende Metaphern, unter Nutzung dessen, was wir über die objektive Wirklichkeit wissen. Je nach ihrer Stellung zur Wirklichkeit kann eine Aussage mehr oder weniger wahr sein.
    4. „Wahrheiten“ schließen Aussagen ein, die in jeder Gesellschaft ausgehandelt, mitunter auch ausgefochten werden, zum Beispiel: „Kein Mensch kann Eigentum eines anderen Menschen sein.“ Wie man in solchen Verhandlungen argumentiert, ist nicht beliebig. Insbesondere darf man sich nicht in derselben Hinsicht widersprechen, man darf zum Beispiel nicht, wie Wehling es tut, den Umstand, dass eine Regelung ein demokratisch zustandegekommenes Gesetz ist, mal für entscheidend, mal für belanglos halten. Das heißt: Natürlich kann niemand Elisabeth Wehling oder einen anderen Diskussionsteilnehmer daran hindern, sich so zu vehalten. Leisten kann sich das aber nur jemand, der seine Position notfalls mit Gewalt durchzusetzen vermag.
    Kurz erwähnt: Ich bin übrigens sicher, dass Sklaverei auch schon ein Unrecht war, bevor sich diese Überzeugung durchsetzte.
    5. Die Journalisten, mit denen ich bisher zu tun hatte, sehen ausnahmslos einen großen Unterschied zwischen Tatsachen und Meinungen, Wahrheit und Lüge. Wenn Sie diesen Beruf als Framing nach Wehling praktizieren, werden Sie gegrillt.

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    Frau Wehling sagt m. E. eben nicht, dass es bedeutungslos sei, „ob ihr „Berkeley Framing Institute“ eine Forschungseinrichtung ist oder bloß eine akademische Briefkastenfirma“, sondern sie sagt, dass man die Worte, die den politischen Diskurs bestimmen, mit Bedacht wählen und sich diese Worte auch nicht vom politischen Gegner aufzwingen lassen soll. So jedenfalls habe ich die Diskussion in der Sendung von 3sat (scobel) »Die Macht der Deutung« verstanden. Kann man einfach mal so googeln. Nun könnte man diese Forschung als typische Elfenbeinturm-Forschung abtun und sich fragen, warum die ARD ein solches Gutachten in Auftrag gibt oder darüber nachdenken, wie wir schon jetzt von rechten, wie linken, Populisten, aber auch von Werbung manipuliert werden. Die Verwendung des Begriffes »akademische Briefkastenfirma« enthält genauso eine Wertung, wie der von mir verwendete Begriff des »Elfenbeinturmes«. Alleine die Verwendung der Begriffe impliziert gewisse Bilder. Diese greifen oft tieferliegende Sprachbilder auf und es kommt zu systematischen Verbindungen zwischen Worten und körperlichen Erfahrungen. Einmal benutzte ich hier im Blog den Begriff »vergangenheitsvergewaltigt«. Ich meinte und fühlte dieses Wort genauso. Mein Verstand hatte abgespalten, mein Körper besitzt eine Signatur. Wortverbindungen mit der Endung »-phobie« (»Homophobie«, »Islamophobie«) sprechen ebenfalls tieferliegende Emotionen an. Wenn, wie beim Wort »Islamophobie« erstens behauptet wird, dass die Angst durchaus berechtigt sei und zweitens als Gegenargument angeführt wird, dass Ayatollah Chomeini diesen Begriff als »politischen Kampfbegriff« erfunden hat (was nach meinen Recherchen falsch ist), dann bleibt jegliche Empathie für Opfer der »Islamophobie« aus.
    Die Verwendung von Sprachbildern setzt einen Rahmen. Sie schreiben: „Wenn das Framing richtig durchgeführt wird, stärkt der Sprecher sein Anliegen, indem er beim Hörer die passenden Emotionen aufruft.“ Was heißt in diesem Fall: Richtig und passend? Richtig für des Sprechers Anliegen oder richtig im Sinn einer Zustandsbeschreibung? Was sagen uns Begriffe wie: »Gastarbeiter«, »Flüchtlingsflut«, »Unterschicht«, »Klimaleugner«?
    Gern werden in der politischen Auseinandersetzung Begriffe aus der Geschichte benutzt, um Emotionen abzurufen, zu mobilisieren: »Gestapo light« für die GEZ, »Ghetto« für Gaza und/oder zu demobilisieren »Nützliche Idioten«. Wenn man Worte wie „Baby-Holocaust“ verwendet, um das Thema Abtreibung aufzugreifen, dann begibt man sich in einen 2. Raum, den Holocaust mit all seinem Wissen und Emotionen. Zum Teil wird die Diskussion damit vollständig in den 2. Raum verlagert, der eine Geschichtsdiskussion über das Verharmlosen, Dämonisieren und Gleichsetzen beinhaltete. Es ist eine Stellvertreterdiskussion, die vom eigentlichen Thema wegführt.
    Der Rahmen kann m. E. von der Realität derartig abweichen, dass eine kognitive Verzerrung und damit ein Realitätsverlust eintritt. Dies geschah m. E. als man (z. B. bei achgut) die Kritik an demokratischen Institutionen immer mit dem Bild einer drohenden »Islamisierung« und der »Unterwerfung« verband und damit eine Delegitimierung eben dieser Institutionen Vorschub leistete. Das Ziel ist die Mobilisierung von Massen. Sie sollen dem Sprecher gemäß handeln, z. B. eine Ware kaufen oder politisch aktiv werden.

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    Bernhard Kern trifft einiges, aber bei Texten geht es immer um die „Darstellung“ dessen, was der oder die Autorin für „wahr“ erachtet. Manche haben da zu geringe Anforderungen. Deutlich ein Phänomen des framing ist die Frage, wie ein „Embryo“ bezeichnet wird. Nennt man ihn einen „Menschen“, ignoriert man die Tatsache, dass sich die wenigsten Embryonen noch zu einem Menschen entwickeln können. Allein das Alter der Frau, von der die Eizelle stammt, spielt eine sehr große Rolle. Es ist also eine Frühform des menschlichen Lebens, das sich unter günstigen Bedingungen (dazu gehören auch die chromosomalen Besonderheiten – ist das Gebilde euploid oder aneuploid, das meint unvollständige oder doppelte Chromosomensätze, was sehr häufig beinälteren Frauen der Fall ist), dann endet das Schicksal dieser Frühform im Blastozystenstadium. Andere haben bessere Chancen. „Menschen“ sind es aber sicher noch nicht. Dieser Ausdruck ist ein framing!

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    Der Autor vermengt in dem Text „die Wahrheit“ mit der Darstellung der Wahrheit. Und wenn man diesen geistigen Unfall am Anfang schon baut, dann kann der Rest nicht besser werden und wird es auch nicht. In der Mitte scheint er die Kurve zu kriegen, wenn er schreibt, dass weder die Wahrnehmung noch gar ihre Darstellung objektiv sein können – die Wahrnehmung nicht, weil sie unvollständig ist, die Sprache nicht, weil sie sich nicht für wertfreie Darstellung eignet. Damit wäre eigentlich alles gesagt und seine Endthese vom miteinander Sprechen zur Erlangung objektiver Wahrheit von selbst widerlegt. Aber von dieser Darstellung rutscht er wieder ab, wenn er Wahrheit und Darstellung vermengt. Das Problem dabei ist, dass „Wahrheit“ (und erst recht in ihrer Form als beweisbare Wahrheit“) nur auf enge Sachverhalte begrenzt ist: der Mond kreist um die Erde etc. Und selbst da haben mir Mathematiker und Physiker widersprochen…
    Es ist so ein Glaube des Menschen, dass er in der Lage wäre, die objektive Wahrheit zu erfassen und dann auch objektiv zu beschreiben. Das glaubt zwar jede*r, aber ebenso irrt jede*r und muss dabei scheitern. Das liegt an ganz vielen Faktoren, die wichtigsten dabei sind einerseits die Beschränkung der menschlichen Sinne, die zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung bei jedem Menschen führen und der Zusammenhang von Sprache und Denken. Letzteres sollte eigentlich seit Wittgenstein niemanden mehr überraschen, allein die Konsequenz daraus wird nur ungern gezogne. Und bei der Verwendung von Sprache werden nun mal unterschiedliche Hirnregionen mit unterschiedlichen Funktionen aktiviert, je nach verwendetem Vokabular und den dazu gehörigen Assoziationen. Man kann sich natürlich dagegen stellen und behaupten, dass der Mensch als rationales Wesen über solchen niedrigen biologisch angesiedelten Vorgängen stünde und Menschen das irgendwie rational überspielen können. Das tut der Autor zwar nicht, aber das müsste der gedankliche Hintergrund seines Textes sein. Dann stellt man sich nur gegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse, allein auf Grund des eigenen Glaubens. Das dann als Verteidigung der objektiven Wahrheit zu verkaufen ist schon fast wieder lustig.
    Und zu guter Letzt: auch der Autor verwendet intensiv Framing. Er spricht exzessiv von Wahrheit (ohne Zweifel positiv konnotiert) im Gegensatz zum Framing (das er versucht als diabolische Verdrehungskunst darzustellen) und wie Heinrich Schmitz dargestellt hat, die Darstellung des Embryos als vollwertigem Menschen.
    Um auf den Anfang zurückzukommen, wiederholt er seinen gedanklichen Irrtum am Schluss, wenn er glaubt, dass man über das Sprechen über Framing zu den Tatsachen gelangen kann. Denn eines kann es nicht geben: eine objektive, für alle Menschen zutreffende Sicht der Dinge, genausowenig wie ihre objektive Beschreibung. Denn diese vermengt sich immer mit individuellen Wertungen und diese sind nun einmal subjektiv.
    Im Übrigen: wenn der Autor recht hätte, wäre sein Job als Pressesprecher maximal überflüssig, denn das ist eine seiner Aufgaben: die Tatsachen so darzustellen, dass sie für seinen Arbeitgeber positiv aussehen. Nicht, dass sie objektiv wahr sind.

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    Harald Stollmeier: ‚Wir selbst, vertreten durch unsere Angeordneten, haben die Steuergesetze beschlossen. Im ARD-Framing-Manual beschreibt sie analog Rundfunkgebühren als Beiträge zu „unserem gemeinsamen, freien Rundfunk ARD“; …

    … mein Englisch ist nicht so gut, aber bedeutet ‚to frame someone‘ übersetzt nicht jemanden etwas unterschieben, hereinlegen oder verkackeiern?

    Ich verbiete mir jedenfalls die Unterstellung einer gemeinsamen Sache mit Merkels Staatsfunk. Ich möchte mit den Genossen, lechts wie rinks, nix, absolut nix zu tun haben. Nicht zu fassen das ist!

  6. avatar

    Ich finde die ganze Framing-Debatte ziemlich albern.
    Es gibt weitgehend unbestreitbare Fakten. Physikalisch/chemischer Natur (eine Mauer ist für einen menschlichen Körper „hart“, völlig wurscht, wie ich sie „Frame“) oder messbarer sozialer Natur (x Menschen in Deutschland verdienen zwischen y und z Euro im Jahr).
    Alles andere ist Einordnung auf der Grundlage des eigenen (echten oder vorgespielten) Wertesystems. Aka Propaganda in allen öffentlich wirksamen Ausprägungen.
    Und Propaganda ist von ihrem Wesen her immer „Framing“. Ob ich die aktuelle Besteuerung als notwendig und nützlich verteidige oder sie als staatliches Raubrittertum angreife, ist von den Fakten weitgehend entkoppelt (ich kann das bei einer Abgabenquote von 50% genauso tun, wie bei einer von 25%).
    Was die „Framing“-Debatte allerdings exemplarisch zeigt, ist, in welchem Ausmass die bisher tonangebenden linksliberalen Funktionseliten die in den achtzigern errungene Diskurshoheit im öffentlichen Raum verloren haben. Und wie schlecht sie darauf vorbereitet sind …

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    „Wir selbst, vertreten durch unsere Angeordneten … “ Schöne Freud’sche Fehlleistung! Aber ernsthaft, lieber Harald Stollmeier, das ist ein schöner Text, der uns schmückt, Danke. Es wäre interessant, einmal das Framing des Staats als Abzocker durch die ultraliberalen und konservativen Kritiker der 1990 und 2000er Jahre weiter zu verfolgen, bis es bei der AfD als „rotgrün versifftes Mainstream“ auftaucht. Bei Leuten also, denen der Liberalismus ein Gräuel ist.

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    „Der Umstand, dass unsere Art dennoch überlebt hat, und natürlich der beispiellose Erfolgszug von Naturwissenschaft und Technik deuten darauf hin, dass der kleine Ausschnitt der Wirklichkeit, den wir wahrnehmen, immerhin ein zutreffender Ausschnitt ist. Von Objektivität kann aber keine Rede sein.“
    Lieber Harald Stollmeier, wenn wir das Bemühen um Objektivität also um weitgehend allgemeingültige Aussagen von einem Wertesystem, innerhalb dessen argumentiert wird (framing), abhängig machen, verspielen wir eine Kulturtechnik, die unserer Art hat so erfolgreich werden lassen, wie Sie schreiben, nämlich die Abstraktionsfähigkeit. Also die Fähigkeit, logische Zusammenhänge von Assotiationen zu trennen. ich denke, man sollte den Rezipienten schon diese Abstarktionsfähigkeit zutrauen, oder sie ihm abverlangen, wenn man nicht in einem komplett infantilisierten Nannystaat, der durch Abrufen von Ängsten und Gefühlen regiert wird, enden will.

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