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When I’m 65

Vor einigen Tagen bin ich 65 geworden. Das ist eine entscheidende Wendemarke im Leben. Wie 18, 30, 35 („Hälfte des Lebens“), 50. Wie das Abitur, der erste echte Job, Heiraten, Tod der Eltern, das erste Kind, das erste Enkelkind. (Ich bin verheiratet, meine Eltern sind tot, ich habe eine Enkeltochter.) Jedoch nur das 18. Lebensjahr hat eine vergleichbare juristische und – sagen wir – verwaltungstechnische Bedeutung.


In meinem Arbeitsvertrag steht, dass er mit Ende des Monats endet, in dem ich 65 werde. (Der Gesetzgeber hat das nachträglich im Zuge der Anpassung an die Demographie um drei Monate verlängert, ohne dass es einer Änderung des Vertrags bedurfte.) Mit 65 bin ich rentenberechtigt und habe also einen Rentenantrag gestellt. Lebensversicherungen, die ich mit 30 abgeschlossen und seitdem fast vergessen habe, werden fällig; man muss sich zwischen Auszahlung und Rentenaufbesserung entscheiden.
Gleichzeitig wird klar: die nächste große Wende führt ins Altersheim oder ins Grab. Auch darüber muss man sich Gedanken machen. Zum Beispiel: Soll ich mein Haus meinem Kind jetzt schon vermachen, damit es nicht zur Finanzierung meiner Pflege herangezogen wird? Ist es nicht langsam Zeit, eine Patientenverfügung zu machen, damit ich nicht in den letzten Wochen durch lebenserhaltende Maßnahmen gequält werde? Kurzum, da gibt es einiges zu tun, da gilt es, Festlegungen zu treffen.
Die erste und wichtigste Entscheidung allerdings lautet: Weiter arbeiten oder nicht? Auch wenn man es mir nur schwer abnimmt: ich bin nicht versessen aufs Schreiben, schon gar nicht aufs Provozieren, aufs Meinen. Ich kann auch ohne. Ich kann mir sehr gut einen Lebensabend mit Familie und Freunden, Hund und Katze, Garten und Natur, Büchern und Kultur vorstellen. Und der Punkt kommt unweigerlich, wo es Zeit wird, sich darauf zurückzuziehen. Bloß nicht wie Peter Scholl-Latour (mit dem ich mich sonst nicht vergleichen will) weitermachen, wo man zur Karikatur seiner selbst geworden ist. Ist der Punkt jetzt schon gekommen?
Zum Glück – für einen wenig entscheidungsfreudigen Menschen wie mich – wird mir die Frage einstweilen durch meinen Rentenbescheid abgenommen. Da ich seit meinem 30. Lebensjahr einen – sagen wir – ungewöhnlichen Berufsweg gewählt habe, zehn Jahre verbeamteter Lehrer, zehn Jahre selbstständiger Autor, fünfzehn Jahre angestellter Journalist, fehlen mir die Rentenjahre als Selbstständiger. (Dank Künstlersozialkasse konnte ich meine Rentenzahlungen und Krankenversicherungsbeiträge klein rechnen.) Auch die Nachversicherung nach meinem Ausscheiden aus dem Beamtenstatus war, sagen wir, nicht großzügig. Darüber will ich mich nicht beklagen. Ich habe diese Entscheidungen getroffen, und ich bereue sie nicht, und nun haben sie Folgen, die mir auch damals bekannt waren. Jedoch und kurzum: Von meiner Rente kann ich nicht leben. Jedenfalls nicht so, wie ich mir das vorstelle.
Also werde ich weiterarbeiten, und so wie es aussieht, wird mein gegenwärtiger Arbeitgeber mir einen relativ großzügigen Autorenvertrag anbieten. Dank schon jetzt dafür. (Auch andere Leute zeigten Interesse; ich habe also Glück.) Fürs Erste kann ich etwa so weitermachen wie bisher, beruflich und materiell ändert sich wenig.
Trotzdem hat die Beschäftigung mit diesen Fragen meinen Blick verändert, wie das der Fall zu sein pflegt: Die Beobachtung verändert ja nicht nur – wie die Quantenmechanik belegt – das Beobachtete, sondern vor allem – das ist keine quantenmechanische, sondern eine philosophische Gesetzmäßigkeit – den Beobachter. Gut so. Man kann klüger werden.
Vorweg möchte ich sagen, dass ich sowohl die „Rente mit 67“ als auch die „Rente mit 63“ – um Schlagwörter aus der gegenwärtigen Debatte zu verwenden – richtig finde. Es ist angesichts der demographischen Entwicklung unumgänglich, das Alter, in dem man ohne Abschläge in Rente gehen kann, zu erhöhen; aber für Leute, die 45 Jahre hintereinander gearbeitet haben, muss es Ausnahmen geben. Die gegen diese Ausnahme geführte Kampagne der Arbeitgeber und arbeitgebernaher Lobbygruppen wie der „Initiative sozialer Marktwirtschaft“ ist nicht nur gemein, sie ist auch verlogen. Warum?
Wie gesagt, in meinem Arbeitsvertrag steht, dass er mit meinem 65. Lebensjahr ausläuft. Und die allermeisten Norm-Arbeitsverträge sind so formuliert. Wäre diese Klausel nicht im Vertrag enthalten, so könnte ich so lange weiterarbeiten, wie ich will; denn eine Kündigung aus Altersgründen gilt in Deutschland als Diskriminierung und ist verboten. Wer weiter arbeitet, kann darüber hinaus seinen Rentenanspruch aufbessern, und zwar um nicht triviale Summen. Man muss darüber hinaus keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlen.
Für mich wäre diese Regelung ideal.
Für meinen Arbeitgeber weniger.
Als freier Mitarbeiter komme ich – selbst bei großzügiger Bezahlung – der Firma in jeder Hinsicht billiger. Jede wegfallende Planstelle – besonders die eines gut bezahlten und wegen langer Betriebszugehörigkeit so gut wie unkündbaren Angestellten – ist gut für die Bilanz. Ein freier Mitarbeiter, für den man weder Beiträge zur Krankenversicherung noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld zahlen muss und den man überdies in kürzester Frist wieder los werden kann, wenn er sich als Fehlinvestition erweist, ist einfach ein sehr viel besseres Geschäft als ein unbefristet beschäftigter Angestellter.
Ich sage das ohne jeden anklagenden Ton. Ich meine: Das sehe ich auch so.
Und, wie gesagt, ich habe anscheinend Fähigkeiten, die ich noch eine Weile vermarkten kann; ich beklage mich also nicht über den bevorstehenden Wechsel meines Status.
Mir scheint dennoch, dass die Terminierung von Arbeitsverträgen auf das gesetzliche Rentenalter, ob 65 oder 67 oder 70, ein Fehler ist und im Arbeits- und Beamtenrecht verboten werden sollte.
Es ist ein Fehler, erstens, weil man ja weiß, dass die gesetzliche Rente künftig zur Sicherung des Lebensstandards nicht reichen wird. Jedoch sieht man auch, dass die empfohlenen eigenverantwortlichen und kapitalbasierten Zusatzansparmodelle inzwischen kaum noch Rendite abwerfen. Nur wenige Leute haben so viel Geld, dass sie sich ein breit gestreutes (und damit halbwegs sicheres) Aktien- und Anleihenpaket leisten können. Kurzum: Immer mehr Menschen, selbst solche mit einer „normalen“ Arbeitsbiografie, dürften länger arbeiten wollen, ja müssen, um ihren Lebensstandard im Alter zu halten, oder um erworbenen Besitz (Häuser etwa) abzahlen zu können.
Zweitens aber ist ein vertraglich festgelegter Arbeitsschluss ein Fehler, weil es immer mehr solcher irregulärer Lebensläufe wie meiner geben dürfte. Zuwanderer und Flüchtlinge; Angehöriger der „Generation Praktikum“, Leute, die Start-ups und Hartz-IV, Auslandsaufenthalte und alternative Lebensformen ausprobiert haben. Sie alle werden nicht nur wegen der kürzeren Einzahlzeit, sondern wegen all der Faktoren, die für „normale“ Arbeitnehmer gelten, einen starken Anreiz zur Weiterarbeit haben.
Drittens schließlich ist es nur dann möglich, ein Anwachsen der schon jetzt bedenklichen Ausgaben der Sozialkassen und des Staates für Frührentner, Hausfrauen, ehemals Dauerarbeitslose usw. einzugrenzen (von den Beamtenpensionen ganz zu schweigen!) wenn die Zahl der Beschäftigten – der Abgaben- und Steuerzahler – steigt; vor allem die Zahl der älteren Beschäftigten, die das gesetzliche Rentenalter schon erreicht haben und eigentlich – wie es jetzt aussieht – Versorgungsempfänger sein müssten.
Nun bedeutet die Beschäftigung alternder Mitarbeiter, wie ich oben ausgeführt habe, für viele Arbeitgeber eine Belastung. Hinzu kommt: Sie werden häufiger krank, sie sind weniger flexibel als jüngere und dafür teuerer; sie neigen zu Rechthaberei und Sturheit und haben erworbene Rechte und Privilegien, die oft in keinem Verhältnis stehen zu ihrem Beitrag fürs Unternehmen.
Andererseits verfügen ältere Mitarbeiter über Erfahrung und Routine, werden nicht schwanger und stören den Betriebsablauf nicht durch Ehrgeiz und Innovationswut.
Ob sich das Positive und Negative für den einzelnen Betrieb unterm Strich ausgleicht, weiß ich nicht. Für die Beschäftigten selbst und für die Gesellschaft aber liegen die Vorteile auf der Hand. Und kein Betrieb kann Gewinn machen, wenn die Gesellschaft insgesamt verarmt. Nach wie vor dürfte die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die „endlich“ das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, dankbar diese großartige Sozialleistung in Anspruch nehmen. Wer das aber nicht will, sollte dazu nicht arbeitsrechtlich verpflichtet werden können.

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31 Gedanken zu “When I’m 65;”

  1. avatar

    Zusatz:
    man würde alle bekannten nicht-ISIS-Quellen ‚vergällen‘ und jeder der das nicht tut, also auch ISIS, müsste Terroristensteuer bezahlen.
    Um die Abholzung von Regenwäldern zu verhindern gibt es ähnliches Ansätze: Herkunftsidentifizierung von Holz per DNA.

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    ot
    @KJN
    haha, das war schon etwas ernst gemeint, sie haben sich mal sehr über Esoterik aufgeregt 😀

    Wie könnte man eigentlich Terroristen das Ölfördern vergällen? Oder sind Ölquellen jetzt schon eindeutig identifizierbar oder ist zumindest feststellbar dass das Öl aus den Quellen von ISIS kommt? Könnte man dann nicht ISIS boykottieren und eine ISIS-Ölsteuer auf das Öl aus ISIS-Quellen einführen, mit der die Bekämpfung von ISIS oder ähnliches finanziert wird?
    Oder ist das alles Quark?

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    @lucas
    „folgendes sollten sie nicht lesen“
    Sicher: ‚Drücken Sie niemals, keinesfalls auf diesen Knopf, auch nicht, wenn keiner hinsieht..‘ ..klappt bei mir leider noch immer, das haben Sie schon richtig erkannt.

    Es spiegelt nicht mehr und nicht weniger als die Verzweiflung von Investoren Akteuren in letztlich gesättigten Märkten wider, wenn Personaltrainer und Selbstoptimierer (‚Ihr Weg zum Erfolg‘..in den 90ern) und Esoterik-Heinis mit ständig neuen Management-Theorien halbwegs funktionierende Firmen ruinieren. (Daß es auch anders geht, zeigt z.B. das Engagement von Renault in Rumänien: Dacia).
    In einem solchen Umfeld kann natürlich auch die offensichtlich umnebelte Violeta Bulc protegiert werden, denn in der Verwaltung (hier EU) kommt immer alles ‚etwas‘ (20 J.) später an. Wir werden uns also darauf einstellen müssen, noch die nächsten 10 – 15 Jahre von wundergläubigen fanatischen Spinnern mit einem gewissen Hang zu psychischer Bipolarität verwaltet zu werden. Meine Sorgen hierüber sind jedoch begrenzt: QM-Handbücher werden den Schaden auf einem erträgliches Maß halten. Das Problem dabei: Es passiert auch nix in dem Fall wo was passieren sollte..

    Was EJs Einwand über Meinung und Internet betrifft, ‚meine‘ ich, daß der Diskurs gerettet/erhalten werden muss. In den muss man natürlich einsteigen und das kann ziemliche Arbeit sein. Mit einer Meinung allein kann man in Netz und Medien nicht reüssieren – vielleicht eher mit der ‚Performance‘ die man bei seiner Verteidigung hinlegt.
    Das ganze aber bitte mit dem Ziel, Mythen im entstehenden Diskurs zu dekonstruieren. So mein Wunschzettel.

  4. avatar

    @Marseillais
    Jetzt verlink ich schon die selben Dinge die andere hier schon verlinkt haben. Sie haben recht mit der Obzession…

  5. avatar

    OT
    http://spiegel.de/politik/ausland/a-983411.html
    Gibt es bald auch Kollektivstrafen à la konservativer (ich dachte früher Kollektivstrafen wären voll so DDR) Fleischklopper für Verschlüsselinutzer? 🙂
    http://www.golem.de/news/ueber.....09914.html

    Ab wann ist eigentlich ein Aufruf zur Gewalt ein Aufruf zur Gewalt?
    Ich frage, weil ich mich frage warum nichts über Ermittlungen gegen Vogel Pierre berichtet wird.

    Aber: Der Verein Attac ist rückwirkend seit 2010 ein Verein mit allgemeinpolitischen Forderungen und deshalb nicht mehr gemeinnützig, Chapeau!

  6. avatar

    @ Marseillais

    Was Sie über das Internet sagen, ist zu großen Teilen sicher richtig, jedenfalls nachvollziehbar. Trotzdem …

    Ich habe vielleicht nicht genau genug gesagt, was ich sagen wollte: Die falsche Nutzung des Internets ist Mist. Nicht das Internet schlechthin.

    Kurz und überspitzt: Hätte Kocks gebloggt(!), müsste er jetzt nicht in den Sack hauen. Er ist im Internet untergegangen, weil er das Internet nicht zur Kommunikation(!) genutzt hat: Kocks bläst die Posaunen von Jericho. Und? Keine drei Meter weit trägt heutzutage der Schall eines solchen Solos noch. Dann ist es vom Internet aufgesogen, absorbiert, im Rauschen des Internets untergegangen. (Hat jemand eine Institution/ Autorität im Rücken (ein Amt oder eine Zeitung o.ä.) ist die Tragweite seines Schalls vielleicht nicht 5, sondern 5,5 Meter. Am Prinzip ändert das aber nichts.)

    Das Blog, das Diskussionsforum, schafft dagegen etwas wie eine (mindestens kleine) Insel im Meer des Internets, fokussiert und konzentriert. Allerdings auf besondere Weise. Und in diesem Sinne hatte ich auch von „Analyse“ gesprochen. Es geht nicht um die (einsame, möglichst geschlossene oder sogar „schlüssige“) akademische Abhandlung, es geht auch nicht darum, etwas „auszudiskutieren“(*), sondern tatsächlich um die „Auflösung“ eines Themas: in (möglichst begründete) Meinung und Gegenmeinung – bei fortgesetzter Gesprächsbereitschaft der Beteiligten.

    Das hat nicht nur offensichtlich politische Bedeutung. Auch intellektuelle. Wenn Sie so wollen, handelt es sich um eine spezielle (zeitgemäße) soziale/ „sozial-intellektuelle“ Form von Analyse und Synthese.

    Wer auf SM gelegentlich mal zurückblättert und sich von der technisch vorgegebenen unzulänglichen Form der Diskussionen nicht abschrecken lässt, kann eigentlich nur staunen. Man könnte das blog- und diskussionstechnisch besser ausbauen oder zunächst auch nur besser händeln, das Erreichte (das Ausdifferenzierte, eigentlich) stärker präsent halten usw. – manchmal bin ich ungeduldig deswegen – aber das ist (jenseits der übrigen – populäreren – aber durchaus analog funktionierenden social media) unsere Zukunft, denke ich. Und im Unterschied zu Kocks, der seinen Posaunenkoffer unter den Arm klemmt und frustriert von dannen zieht, hat Posener das zum Glück begriffen.

    (*)OT – „Ausdiskutieren“ – gibt’s dieses unsägliche Wort eigentlich noch? Ich glaube, die berühmte Sexuelle Revolution – anno dunnemals, lang lang ist’s her – gab’s gar nicht. Könnte sein: Weil erstmal „die Beziehung ausdiskutiert“ werden musste, fand gar keine Revolution statt.

    (Bis Montag Sendepause.)

  7. avatar

    Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Herr Posener,vorallem Gesundeit und noch eine lange Schaffenzeit.
    Die ehrliche, offene und sehr nette Art, die Sie hier an den Tag legen, finde ich einfach großartig. Nicht nur ich, sondern auch viele meiner Familienangehörige und Freunde sind von Ihren Artikeln begeistert, da Sie sehr nahe bei den Menschen sind, und Sie nicht vor kritischen Artikeln gegenüber der Regierung zurückschrecken. Nach dem Munde reden Sie auch nicht, was Sie ehrt. So ein Mensch wie Sie, der unsere Gesellschaft voran bringen, ist sehr wertvoll. Sie sind für mich ein Vordenker und Mahner, die allerdings immer weiter zurückgedrängt werden. Die freien Publizisten haben es in der heutigen Zeit sehr schwer, kritische Artikel zu platzieren. Klar, festangestellt zu sein, birgt eine gewisse Sicherheit. Nochmals vielen Dank, dass Sie sich mit uns hier,sehr sehr intensiv auseinandersetzen, was nicht selbstverständlich ist. Zum Schluss noch ein treffendes Zitat für Sie: “ Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das schönste Glück auf Erden.“( Carl Spitteler)

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    Nachträglich alles Gute und herzlichen Glückwunsch.

    Was die Rentenfrage angeht, möchte ich mich Herrn Ziegler anschließen. Klingt vielleicht etwas unbedarft, aber schon heute empfinden sich die meisten als pleite, Geld fehlt immer und mit der Rente wird es halt nicht besser. Es wird sich also im diesem Leben an der Stelle nicht mehr allzu viel tun. Es gibt schlimmeres. Die Idee, Leute in Rente zu schicken, damit Junge Arbeit bekommen, hat sich wegen Demographie natürlich überlebt.

    Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich den Themen widmen können, die Sie bewegen, ob bezahlt oder nicht und, dass es Ihnen Freude macht.

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    @Marseillais: ja; Pubertät ist was anderes (ein echtes Gewitter in den Synapsen). Befreiungschläge können es aber schon werden, wie Sie ja auch sagen. Jedenfalls sollte man die verbleibende Zeit nicht abschreiben und meinen, man könne alles, was einen angeht, abschätzen, übersehen und steuern. Das ist glücklicherweise nicht möglich. Überraschenderweise erst recht nicht, anscheinend, wenn man die 70 überschreitet.

  10. avatar

    @ EJ
    Nicht nur Meinung! Ich sage Ihnen, welchen Effekt das Internet auf mich zuweilen hat: Emotionalisierung, durch Meinungen – tatsächlich – und Manipulationen ausgelöste Ängste, zu viel an oberflächlicher Information bei der Gewissheit, dass mir, dem citizen, Wissens-Puzzleteile fehlen, von denen Journalisten mehr haben und Politiker noch mehr. Das ist dann der Zeitpunkt, an dem ich eine Weile aussteige und, deswegen, auch sofort zugebe, wenn Posener recht hat, z.B. mit „zu viel“. Das rettet mich: Der Journalist steht immer noch gedanklich über mir, auch der Politiker, den ich trotz Kritik immer noch schätze, weitgehend, weil er sich für dieses unübersichtliche Aufgabengebiet, gestört von Lobbyisten, immer noch hergibt und sich verbal prügeln lässt. Solange er dann nicht nur den eitlen Gockel gibt wie m.E. der vorige Franzose, ist auch einiges verkraftbar.
    Meine comments an Kocks sind übrigens regelmäßig nicht erschienen. Falls das Anderen so ging, ist es kein Wunder, dass Kocks wenig comments hat. Man hört dann damit auf.
    Es stellt sich somit für mich die Frage, ob das Internet heute mehr Schaden als Nutzen für die Bevölkerung bringt – man muss hier unterscheiden zwischen Bevölkerung und Logistik – soll heißen, wie ich schon sagte, ob es Zeit ist für eine Neuerung mit mehr Protektionspotential, Wissenspotential und weniger Schadenspotential. Sorry, ich weigere mich, das mit z zu schreiben, potential englisch und in den romanischen Sprachen ebfs. mit t.
    Klarname wer will, ich will nicht, Fingerabdruck wäre auch verrückt, weil ein anderes System (gucken Sie mal die Wippe im Irak) das sofort gegen einen verwenden könnte, vor allem, wenn es mit Selektion arbeitet wie IS.
    Und erwähnen möchte ich noch die Sache mit der Verführung Jugendlicher, die jetzt z.B. in Syrien sind, zurück wollen und nicht können und frühschwanger sind, Mädchen, die vielleicht seit einigen Jahren kein aufklärendes Gespräch mehr mit ihren Eltern hatten und denen im Internet der Kopf verdreht wurde.
    Was nun? Da sitzen verantwortungsbewusste Menschen wie Bill Gates – bei den Übrigen weiß ich das nicht – und die müssen sehen, wie sie eine bessere Technik finden. Furchtbar schwierig wegen der Investitionen in das Medium.

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    @ EJ
    Ich lese Sie ganz gern, auch wenn ich Ihnen nicht antworte, einfach nur, weil Sie mir zweifellos intellektuell überlegen sind und mir dafür das Handwerkszeug fehlt. Mit „It’s the internet, stupid“ haben Sie nicht unrecht. Das Internet hat eine Qualität, die in einer Hirnregion angreift, wo Obsessivität entstehen kann, und zwar in jedem Bereich. M.E. ist es selbst für Leute mit Abitur und nachfolgender Ausbildung schwierig genug. Für Leute, die schon ihre Grundschulausbildung verworfen haben, ist es einfach unverdaulich. Die Größen in Silicon Valley sollten sich herablassen, anzuerkennen, dass sie über den Dingen schweben und nicht jeder damit umgehen kann. Statt jedes Jahr eine Neuerung zu bringen, die nicht unbedingt gebraucht wird, sollten sie darüber nachdenken, wie man verhindern kann, dass das Internet missbraucht und gekapert wird für z.B. …
    lesen Sie, was Dick Cheney darüber sagt, welt-online. Klartext: Das Internet hat Leuten ohne Schulabschluss (u.a.) beigebracht, wie man Bomben und Chemiewaffen baut und gestattet, dass sie sich vernetzen über tausende von Meilen hinweg und ihre Geldströme verstecken. Darum muss sich Silicon Valley kümmern. Wir brauchen ein neues System.
    Also vielen Dank für die Erhellung: „It’s the internet, stupid“.

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    @ Alan Posener: Lieber EJ, Sie gibt es also noch, ein Glück. Eine Mail, die ich an Sie schrieb (Thema: Paranoia) kam zurück mit dem Vermerk “vom Server nicht akzeptiert” o.Ä.

    🙂 Daraus könnte man ein Thriller-Drehbuch machen. – Von sonstigen Absendern an mich gerichtete Mais scheinen aber problemlos anzukommen. Jedenfalls habe ich bisher keine Klagen gehört.

    Es ist übrigens keineswegs leicht, eine Meinung zu habenm, jedenfalls eine, die man öffentlich begründen kann.

    Das hatte ich auch nicht behauptet. (Und ich hatte auch nicht Sie oder speziell Ihre und/ oder die „gekockste“(*) Meinung gemeint, sondern ganz „allgemein“ gesprochen.)

    Meinung, und sei sie auch noch so begründet, geht im Meer der Meinungen unter, zunehmend. Es gibt ein Überangebot an Meinung. In diesem Sinne wird Meinung langweilig – ich hätte besser sagen sollen: verliert sie Ihren Wert. Und ob sie (evtl. sogar gut) begründet oder nicht begründet ist, macht da nur einen geringen Unterschied. Und wenn etwa – mit Kocks gesprochen – Ihr „Blatt“ (aber nicht nur Ihr Blatt) auf die missliche Lage damit reagiert, dass es noch mehr bzw. nahezu nur noch Meinung emittiert, verstärkt und beschleunigt das die Tendenz nur …

    (*)Ich hatte mich zwar nicht speziell auf die „gekockste“ Meinung bezogen. Aber tatsächlich gehört sie – zwanghaft „witzisch“ und immer (haste, was kannste) auf Pointe aus – genau in’s Internet: Originalität in inflationärer Originalität als Selbstbehauptungs-/ Überlebensstrategie. Das kann nicht gut gehen. (Insofern ist Kocksens Abschied nur konsequent.)

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    @ Roland Ziegler
    Verstehe.
    Meine Mutter, uneheliches Kind zur Unzeit, mit Scham durchtinkt deswegen, besuchte endlich, mit ca. 70 Jahren, ihre Halbgeschwister, was ein Befreiungsschlag war. Außerdem revitalisierte sie den Kontakt zu einem Studienkollegen, an dem sie aus Versehen vorbeigegangen war, weil sie nicht erkannt hatte, dass er in sie verliebt war; das war auch ein gutes Ding.
    Das viele Reisen, nun ja: Ich hätte lieber mehr Geld geerbt, aber das ist ja nun hochgeradig egoistisch und kapitalistisch. Außerdem second generation traveling: wird dann auch mal langweilig. Ansonsten habe ich mich auf eine Pause eingeschworen, weil Posener meint, zu Recht, ich wäre ein bisschen über Bord gegangen mit dem Schreiben hier (s.u.) Wollte Ihnen aber antworten.
    Aber pubertär sind diese Dinge nicht, sondern Befreiungen von Zwängen oder auch Reifezeichen.
    Sie haben das aus der FAS?: Ist bestimmt von einem infantilen Psychologen und bringt reichlich clicks.

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    Klaus Kocks: Ich habe Sie [APO] hier nicht oft gelesen […] Ich selbst, wenn ich das am Schluss sagen darf, höre hiermit hier auf zu schreiben, weil ich es müde bin,immer eine Meinung zu haben.

    Tja, inzwischen gibt es nichts langweiligeres als Meinung, ganz gleich, ob wir sie lesen oder schreiben. Über dem Ganz Großen Ramschladen (GGR) steht „Meinung“. Wir ersaufen in Meinung. – It’s the internet, stupid!

    Analyse ist die – kleine? – ganz kleine! – Gegenwelt.

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      Lieber EJ, Sie gibt es also noch, ein Glück. Eine Mail, die ich an Sie schrieb (Thema: Paranoia) kam zurück mit dem Vermerk „vom Server nicht akzeptiert“ o.Ä. Es ist übrigens keineswegs leicht, eine Meinung zu habenm, jedenfalls eine, die man öffentlich begründen kann. Ich muss das ja jede Woche mindestens zweimal machen („J’accuse“ und hier), öfter auch mehr als zweimal, und es ist anstrengend, glauben Sie mir. Schade, dass Sie das langweilig finden. Denn dann ist ja die Anstrengung, sich eine Meinung zu bilden, zumindest in Ihrem Fall umsonst gewesen.

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    Lieber Herr Posener, man beginnt einen neuen Lebensabschnitt nicht gleich mit einer veritablen Lüge: Sie können nicht ohne die Polemik, Sie nicht! Ich habe Sie hier nicht oft gelesen (Das bisschen, was ich lese, das schreibe ich mir selbst.) und im Blatt eh nicht. Sie sind mir, fand ich, zu ähnlich ( symmetrische Biographien); aber das will ich jetzt gar nicht auswälzen. Ich gratuliere Ihnen herzlich zum 65. und wünsche Ihnen einen großartigen Unruhestand mit vielen Ehrenhändeln und Gelegenheiten zum Streiten. Ich selbst, wenn ich das am Schluss sagen darf, höre hiermit hier auf zu schreiben, weil ich es müde bin,immer eine Meinung zu haben. Brecht sagt, ein guter Mann, der kann auch zwei oder drei Meinungen haben. Mindestens. Mit herzlichem Gruß und einem kräftigen „Gott grüß die Kunst“ bleibe ich Ihr Klaus Kocks

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      Schade, Klaus Kocks. Dass ich ohne die Polemik gut kann, habe ich von 1977 bis 2000 bewiesen, als ich Lehrer, Autor, Rocksänger, Übersetzer, Gerichtsdolmetscher war – alles Mögliche, nur nicht Polemiker.

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    Nun, auch von mir allerbeste Wünsche. Tatsächlich haben Sie Glück, bzw. es sich erarbeitet, weiterhin gefragt zu sein. Das ist für viele andere, eher wohl die überwiegende Mehrheit, ein unerreichbares Privileg, weswegen jene sich lieber auf die Rente verlassen.
    Sicher gibt’s schöneres als arbeiten, aber arbeiten bedeutet auch Selbstbestimmung und wenn nicht, dann läuft sowieso was falsch. Dieses Freuen aufs Jenseits (ich meine jetzt die Rente) war mir schon immer suspekt.
    Und muss der Dachdecker, der Fliesenleger immer ‚bei seinen Leisten bleiben‘?
    Und die ‚Wirtschaft“ („Initiative soziale Marktwirtschaft“.. ist das eigentlich die ganze Wirtschaft??): Sie muss endlich Farbe bekennen: Sind Menschen über 45 überflüssig?

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    Auch von mir nachträglich alles Gute zum Geburtstag. Wenn man in Zeitungen oder im Netz so rumwühlt, gibt es bestimmte Autoren, an die man nicht vorbeilesen kann, die einem immer zum genauer Hinschauen und dazu veranlassen, den ganzen Text zu lesen. Mit anderen Worten, „starke-meinung.de“ gibt mir das sichere Gefühl, meine Internetkosten nicht zum Fenster rausgeschmissen zu haben.

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    @Marseillais: Ich habe das mit der Pubertät irgendwo gelesen (FAS möglicherweise, oder irgendwo im Internet): ab 70 ordnen viele ihr Leben neu. Das ist ein neues Gebiet, weil sich früher für die Persönlichkeiten alter Leute kaum jemand interessiert hat. Aber die Alten wachsen über die gewöhnlichen Dinge hinaus.

    Pubertät ist etwas übertrieben, aber auf die alten Tage werden viele abenteuerlustig und probieren aus, was früher nie ins Strickmuster gepasst hat. Ich selber stelle fest, dass im Bekanntenkreis meines Alters (die 40er) die Leute eher kultivieren oder reproduzieren, was sie schon vor 20 Jahren gedacht und gemacht haben. Das bleibt wohl auch noch 20 weitere Jahre so, fürchte ich. Dann aber ändert es sich.

    Leonard Cohen, der grad 80 geworden ist, hat angekündigt, endlich wieder mit dem Rauchen zu beginnen. Das gefällt mir. Meine Mutter macht gerade eine Reise nach der anderen und sieht sich nach einer praktischeren Wohnung um. Nachdem sie fast fünzig Jahre im selben Haus gewohnt hat, die Hälfte davon an Ort & Stelle verwurzelt. Jemand anderes aus der Familie, im gleichen Alter, hat sich jüngst einen Liebhaber zugelegt. Und ein weiterer, ebenfalls aus der Familie, hat beschlossen, Philosophie zu lesen und verwickelt mich seitdem in längere Gespräche. Es scheint also nicht so zu sein, dass das Leben im Alter absehbar wird.

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    Das klingt alles sehr weise, sehr ordnend, aber auch sehr, sehr zurückgenommen, wenn ich das mal so sagen darf. Da die Grabstelle meines Bruders auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof ein Vier-Urnen-Beisetzungsort ist, verfüge ich bereits über eine Unterkunft nach dem Ende des eigenen Lebens. Die anderen Dinge hätte ich gern genauso gut geregelt, aber als Freiberufler war ich da wohl nicht clever genug. Danke für den erhellenden Artikel, lieber Alan.

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    @ Alan Posener
    Herzlichen Glückwunsch nachträglich.
    Zu Ihrem Wunsch: Darüber sollte der jeweilige Arbeitgeber mit entscheiden dürfen. Wenn ich die enormen sich häufenden Print- oder Schreibfehler in den Blättern Ihres Arbeitgebers sehe, denke ich oft, sie kommen von denen, die’s beim Abi immer noch nicht können. Insofern bin ich sehr für den Erhalt der Älteren oder ggfs. geteilte Stellen, eine Idee. Bei einer geteilten Stelle könnten gerade Sie etwas Nachhilfe erteilen.

    Nur in Deutschland: Ein Theaterstück namens „Vorhaut“:
    http://www.welt.de/kultur/bueh.....-Mann.html

    @ Roland
    Nochmal Pubertät? Noch nie gehört. Was hat denn Ihre Frau Mutter gemacht, das so pubertätsverdächtig war?
    Meine Frau Mutter war definitiv nicht re-pubertär. Sie lehnte mit ca.65 Jahren einen Heiratsantrag ab: Keine Lust auf mehr Wäsche, herumliegende Socken, Mahlzeiten zu festen Zeiten, und vor allem überhaupt keinen Bock, ihr Geld zu teilen. Danke, Mom.

  21. avatar

    … kein Grund zur Panik. Hier der neue Job. Passt hervorragend zu Ihnen: Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung, langjährige Erfahrung, Führungskompetenz, körperliche Belastbarkeit sowie ein Führerschein. Wünschenswert seien zudem Kenntnisse der englischen Sprache …

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    Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Herr Posener. Dass Sie auch noch nach Ihrem 65. Geburtstag Texte verfassen, finde ich gut, weil ich diese Texte gerne lese. Mit etwas Glück ist die richtige Reihung übrigens so: 18, 30, 35, 50 („Hälfte des Lebens“). Angesichts der medizinischen Fortschritte und bei der Herstellung von Lebensmitteln. Die Wissenschaft hat übrigens festgestellt, z.B. dass der Mensch um die 70 sich noch einmal gründlich wandelt, vergleichbar mit einer zweiten Pubertät. Ich kann das anhand zweier überzeugender Referenzpersonen (meiner Mutter und meiner Schwiegermutter) völlig bestätigen.
    Ansonsten stecke ich rententechnisch in einer ähnlichen Situation. Ich bin für meinen Arbeitgeber bedenklich günstig und verschließe besser die Augen vor der Zukunft. Eigentlich müsste ich aus privater Tasche vorsorgen, aber diese Tasche wird laufend anderweitig entleert, und mir scheint, es gibt in unserer Familie Wichtigeres als meine Rente.

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