avatar

Käseblättchen: Vom Dahinsiechen der Presse in die unendlichen Weiten des Banalen

Der Verleger einer Lokalzeitung im Bayerischen berichtet vor den larmoyanten Redakteuren der Käseblätter der Nation aus seiner Familie. Wenn er seinen Kindern pädagogisch wertvolle Vorträge halte, dann würden diese mit gedehnter Stimme fragen: „Papa, wen interessiert das?“

Deshalb hält er Reichweite für das entscheidende Kriterium von Relevanz. Auflage machen. Clicks erzeugen. Das war der lichtvollste Beitrag auf einem gutbesuchten Kongress zum Lokaljournalismus. Auf Wunsch der steuerfinanzierten Bundeszentrale für politische Bildung hatten sich die Köpfe der Provinzpresse in Bayreuth versammelt, um Wunden zu lecken. Das Zeitungssterben ist unten angekommen. Ausgedünnte Redaktionen kämpfen um’s Überleben. Der Politik wäre es aber lieb, wenn die „Partizipation“ vor Ort blühte. Der politischen Klasse bricht ansonsten ein leicht zu führender  Multiplikator weg.

Auffällig ist, dass die klassische Trennung zwischen der Ökonomie einer Zeitung, dem Geldverdienen, und der Redaktion, dem Blatt selbst, aufgehoben ist. Die Chefredakteure haben den betriebswirtschaftlichen Terror der Verleger so weit verinnerlicht, dass auch sie die Zahlen zum alleinigen Maßstab der Qualität machen. Reichweite ist Relevanz. Das geht so weit, dass die Journalisten es für ihr publizistisches Anliegen halten, dass in der Zeitungszustellung der Mindestlohn verhindert wird. Weiterhin sollen nächtens Menschen das bedruckte Papier in die Briefkästen stopfen, die dafür  zwei Euro in der Stunde erhalten.

Wenn Reichweite Relevanz ist, also das Boulevard-Prinzip gilt, so müsste man Kasse machen können mit dem Prinzip des vorauseilenden Gehorsams. Von Wohlfühlzeitungen ist die Rede, die das liefern, was die schweigende, aber wohl noch lesende Mehrheit erwarte. Man hält sich mit der tollen Darstellung einer Umgehungsstraße und Karten über Handysendemasten auf, deren Publikation hoch beliebt war. Die Nachfrage, wozu das politisch geführt habe, bleibt unbeantwortet.

Da die Presse historisch ein Teil der Holz verarbeitenden Industrie war, schrecken sie die neuen Zeiten des Digitalen und Elektronischen. Zugleich weiß sie, dass dieses Medium unter den technischen die Vorherrschaft erringen wird. So wie wir die römische Tonscherbe und den ägyptischen Papyrus verabschiedet haben, werden wir uns vom schlechten Papier des Käseblättchens entwöhnen. Man betört sich mit Modeworten um „online-Journalismus“ und der wechselseitigen Befruchtung von off- und online. Allein die Fähigkeit, ein Schaubild mit google-Inhalten im Internet generieren zu können, riecht schon nach den neuen Zeiten. Hinzu kommt etwas, das man als Leserservice begreift; das sind Tipps im Duktus der Gebrauchsanweisungen für Halbdemente in Altersheimen.

Vor allem aber soll in den Blättern stehen, was die Leute interessiert. Das Allgemeinmenschliche wird wieder entdeckt. Keine Politik, jedenfalls keine Kampagnen, keine Kontroversen, nein, Stimmungsbilder und bunte Seiten im Sinne von Kaleidoskopen. Und wenn doch, dann die Kampagnen und die Kontroversen des gesunden Volksempfindens. Eine Mischung aus Apotheken-Umschau und dem amerikanischen Propagandasender FOX gilt als Vorbild. Als ich einwende, das rieche für mich nach dem Mief der fünfziger Jahre, werde ich beschieden, dass alles einmal wiederkomme. Man will mehr auf die Markt- und Trendforschung hören, weil die ja wisse, was die Menschen wollten.

Ich kenne diesen Weg. So wurde die Frankfurter Rundschau an die Wand gefahren. Irgendwann hatte sie nur noch die Relevanz der Reichweite, bis dann allerdings auch diese ausblieb. Wer was Gescheites lesen wollte, musste zur FAZ, auch wenn das eigentlich nicht seine Couleur war. Das Blatt wurde insolvent und musste von der FAZ gekauft werden. Man hatte das Boulevardprinzip für sich angenommen, ohne Boulevard zu können und ihn auch blutig zu wollen. Den macht im Frankfurter Raum noch immer die BILD. Mit Boulevard gewinnt, wer ihn kann. Auch im Internet.

So werfen die Käseblättchen über Bord, was sie können, und entschließen sich zu Rezepten der allmählichen Adaption von facebook-Allüren und Stimmungsbildern der Heimatfront. Ein Mief der Restauration durchzieht den untergehenden Berufsstand. Er geht einen Weg in die unendlichen Weiten des Banalen.

 

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

Ein Gedanke zu “Käseblättchen: Vom Dahinsiechen der Presse in die unendlichen Weiten des Banalen

  1. avatar

    Heimatverbundene Käseblättchen machen im Kleinen nichts anderes wie deutsche Großverlage auch. Sie schmeißen altgediente Journalisten raus und nehmen dafür Praktikanten, deren Lebensunterhalt zumeist deren Eltern besorgen müssen. Die zahllosen Käseblätter schließen sich zusammen, geben den üblichen systemrelevanten Quark der Nachrichtenagenturen ein und heben auf fünf Seiten im Innenteil ortsnahe Sportereignisse oder lustige Tombola Ereignisse mit der Lokalprominenz ins Blatt. Warum Heimatpresse bei Herrn Kocks gleich Boulevard ist,das muß man nicht verstehen, die Leute draußen im Lande sehen das anders. Ob man mit einer 10.000 er Auflage noch lange über die Runden kommt, das wird man sehen. Herr Kocks kommt weder bei den Kleinen, noch bei den Großen auf den Kernpunkt des Nachlassenden Interesses bei dem Leser. Mit den Zeitungen der Oberklasse ist es wie mit der Creme der Politiker. Man hält sich für die vierte Gewalt, könnte aber die meisten Themen wie z.B der feste Glaube man könne mit dem Verbrennen von Billionen Euro Gottes Heizung mal kurz um 2Grad runter drehen, das komplette Niedermachen von kleineren politischen Parteien die nicht auf Regierungslinie liegen, die Sucht politisch bloß korrekt zu sein etc, das alles könnte ein großes Schreibbüro voller Qualitätsjournalisten von Berlin aus bewältigen. Dann gäbe es ein paar tausend „freie“ Journalisten mehr aber das gibt es in anderen Branchen auch. Springer hat jetzt alle Käseblätter für 900 Millionen € an die Funke Gruppe verkauft, Burda verkauft Hundefutter, Feinkost Gruner & Jahr erlesene Spezialitäten und der globale Medien Hegemon Bertelsmann hat über sein Steuersparmodell über seine Arvato Agenten in bald jeder Kommune Deutschlands tätig. Seine Tentakel hat diese Medien Krake auch schon bei Springer im Kommentarbereich. Da redet der Geschäftsführer der politisch nie legitimierten Einflußstiftung von Bertelsmann in der WELT von einer Katastrophe im Leseverhalten der über 50 jährigen. Dieser grassierende 50 + Diskrimminierung in den Medien der ist bizarr. Es waren die 50 – heute 100jährigen die durch Buch-und.Zeitungsabo den Medienhegemon aus Gütersloh unendlich reich und zu mächtig haben werden lassen. Sicher nicht das jetzt agierende Infantilisierungschor der Journalisten zwischen 25 und 50. Ob Käseblatt oder selbsernannte Qualitätsblätter. Man sollte sich in den Redaktionen an die eigene Nase fassen und wenn Herr Kocks den Mief früherer Jahre befürchtet, dann zeigt er nur, dass er nicht versteht was die Leser wollen. Die Jahre 1960 bis in die 80er, sie waren die freisten Jahre deutscher Debatten, aufregender Talkshows und politischer Generalthemen . Der heutige mediale Einheitsbrei lieber Herr Kocks, der mieft mufft und ist sterbenslangweilig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top