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Wie die Medien Panik schüren – am Beispiel Alzheimer

Nehmen wir an, Sie haben Eltern im Alter von 70+. Nehmen wir an, die schauen gern Fernsehen. Nehmen wir weiter an, sie sind zwar im großen und ganzen recht fit, haben aber wahnsinnige Angst vor Alzheimer.

Dann haben Sie heute morgen ein Problem. Denn der Mann, den sich die Deutschen in einer Umfrage im Sommer 2010 als geeigneten Bundespräsidenten vorstellen konnten, hat Alzheimer in seiner Talkshow zum Thema gemacht. Der äußere Anlass war das neue Pflegegesetz. Und nach allen Regeln der medialen Kunst wurde alles in Gang gesetzt, was die „Katastrophe Alzheimer“ so richtig schön schaurig illustrierte.

Der Kranke, der im Studio präsentiert wurde, war erst 59. Die Journalistin, die über ihre demente Mutter und deren Odysee ein Buch veröffentlicht hat, zahlt jeden Monat 2700 Euro zusätzlich zur Pflegestufe 3 für die Heimunterbringung der Mutter. Die Einspieler verkündeten Grausiges: Bei einer Million Betroffenen wie heute wird es keinesfalls bleiben. Mindestens verdoppeln würde sich die Anzahl – auf dann zwei oder 2,5 Millionen. Dass das im Jahr 2050 war, wurde erwähnt, das war´s dann aber auch schon.

Dass die Wissenschaft bis 2050 hoffentlich Fortschritte macht, war allenfalls eine kleine Randnote des Arztes, der zwar anwesend war, aber kaum drankam. Was aber wirklich ärgerlich war, war die Panikmache, die sich durch die gesamte Sendung zog. Natürlich ist Alzheimer eine furchtbare Krankheit und wir müssen alles tun, dagegen anzuforschen und die Situation für die Betroffenen so erträglich wie möglich zu machen. Doch weder ersteres noch letzteres wurde in der Sendung auch nur ansatzweise sachlich diskutiert.

Fangen wir mit den Zahlen an: Ist eine Million Betroffener nun viel oder wenig? Hört sich ziemlich dramatisch an, oder? Tatsächlich aber lebten 2009 (die letzten verfügbaren Zahlen von Destatis) gut 20 Millionen Menschen in Deutschland, die über 60 Jahre alt waren. Über den Daumen gepeilt, werden also 19 von 20 niemals an Alzheimer erkranken und ihr Leben im Alter hoffentlich genießen können.

Kommen wir zurück zu Ihren Eltern: Was meinen Sie, was die beiden Ihnen sagen, wenn Sie Ihre Ängste damit zu beruhigen versuchen, dass nur einer von zwanzig im Alter über 60 Jahren an Alzheimer erkrankt?  Ja, genau: Sie werden Ihnen nicht glauben und weiter darauf bestehen, dass doch „jeder wisse, dass es sich um etwas ganz schlimmes und und und … “

Das ist dann Panik im eigentlichen Sinne des Wortes. Und sie wird nicht besser dadurch, dass weitere gefühlte 90 Prozent der Sendung darauf gingen, den Pflegenotstand in all seinen schaurigen Facetten durchzukauen. Dass es den Pflegenotstand gibt, ist unbestritten. Dass Pflegekräfte zu schlecht bezahlt werden, auch.

Kein Wort leider aber über innovative Konzepte in der Demenz-Pflege wie Wohngemeinschaften oder Demenz-Dörfer. In Holland beispielsweise leben rund 150 Menschen mit dementieller Beeinträchtigung in einem Dorf in Häusern mit maximal sechs Bewohnern. Es gibt dort Häuser für kulturell Interessierte mit vielen Büchern und einem Klavier, es gibt Häuser für Migranten und solche für Menschen, die auf dem Land gelebt haben.

Wer einkaufen gehen möchte, kann das in einem Supermarkt auf dem Gelände tun. Nach der Kasse nimmt eine freundliche Hilfskraft die eingekaufte Ware wieder zu sich und sortiert sie neu ein. Doch die Einkäufer mit ihrer dementiellen Beeinträchtigung hatten ihren Spaß beim Einkaufen und fühlten sich wohl.

Kein Wort in der ganzen Sendung auch über innovative Ansätze wie sie beispielsweise in Arnsberg verfolgt werden, wo eine breite Bürgerbewegung Menschen mit dementiellen Beeinträchtigungen mitten ins Leben holt. Kindergarten-Kinder gehen in die Pflegeheime, die Kranken kommen in die Kindergärten. Beide haben größten Spaß miteinander – und Kinder haben eine intuitiv besseren Zugang zu der „Vergess-Krankheit“. Menschen mit dementieller Beeinträchtigung spielen Theater auf der Bühne und Büchereien haben auch Kinderbücher, in denen die Oma einfach anders ist.

Diesen innovativen Ansätzen muss zum Durchbruch verholfen werden. Sie nehmen zumindest einen Teil des Schreckens aus einer wahrlich furchtbaren Krankheit. Denn noch einmal: Alzheimer ist für alle, die davon betroffen sind, eine Katastrophe. Doch es hilft niemanden, mit schlecht erklärten Zahlen Panik zu schüren, wo eine nüchterne Betrachtung und innvoative Ansätze notwendig sind.

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13 Gedanken zu “Wie die Medien Panik schüren – am Beispiel Alzheimer;”

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    Korrektur: Natürlich 6 Millionen Juden, ich hyperventiliere gerade so, wegen der nationalen Verhältnisse, daß mancher Fehler vorkommt.
    Oder vielleicht habe ich heute die falsche Margarine gegessen!

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    @Parisien: Eindrucksvoll ist eher Ralf Schuler.

    Aber, by the way, Sie konnten meinen Kommentar vor 2 Jahren nicht lesen, als eine Brünner Abiturientin ein Buch schrieb, über den Todesmarsch.
    Sie hatte erst kurz vor dem Abi davon erfahren, denn auch in anderen Ländern schweigt man konsequent die Geschichte tot und die Benesch Dekrete führen noch heute die Gerechten dort im Munde.

    Dieses“Kind“ schrieb, wir müßen jetzt schnell unsere Mütter und Großmütter fragen, wie es wirklich war, denn bald wird es keine Zeitzeugen mehr geben, die uns die Wahrheit mitteilen können.

    Diesem Kind ging es genau wie meiner Generation, keiner wollte etwas gewußt haben(von Deportation und Vernichtung von 3 Millionen Juden), keiner war Nazi, keiner war dabei. Wie man an diesem Beispiel sieht, wiederholt sich die Geschichte, und die Aufarbeitung gibt es, auch in den postkommunistischen Länder, nur zeitlich versetzt.

    Demokratie ist keine Deutsche Erfindung, wenn die demokratischen Vereinigten Staaten von Europa aber „Deutsch sprechen werden“, ist die Demokratie in Gefahr. So sehe ich das.

    Übrigens, nicht nur Magenmittel, Sie haben Recht.
    Kürzlich sah ich einen Bericht über sog. wirkstoffgeprüften Nahrungsmittel. Eine sehr populäre Margarine, die seit Jahrzehnten als Wunderwaffe gegen hohe Colesterinwerte angepriesen wird, soll, nach einer ernstzunehmenden wissenschaftlichen Studie Demenz hervorrufen. Da vergeht uns doch allen der Appetit.

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    @ KJN: Nicht in allen Magenmitteln, aber o.k. Meine Großmutter wurde mittelgradig dement (kein Alzheimer). Als sie wegen geistiger Abwesenheit von einem Auto angefahren worden war, zog sie zu uns. In ihren „durch den Wind“-Zuständen faselte sie vom Krieg. Wir wissen nicht genug von Alzheimer. Trauma kann auch eine Ursache sein.?
    @ Rita Groda: Ich habe comments von ihnen bei Ralf Schuler gelesen. Eindrucksvoll, was Sie über Die Tschechei und die Slowakei in Zusammenhang mit Demokratie sagen. Ich bin mir nicht sicher, ob Obama ein wirklicher Demokrat ist. Er macht dem Mittelstand Sorgen.

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    @Lieber KJN: Ich werde die Blog Adresse bei Frau Heckel hinterlegen, mit der Bitte um Weitergabean Sie. Kein Einkaufsblog – aber bitterbös politisch.

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    @Parisien
    Aluminiumverbindungen
    ..sind auch in Deos, Mitteln gegen Magenübersäuerung..also weit verbreitet und
    für den Körper wesentlich besser verfügbar als beim Alugeschirr.
    Vorsicht mit solchen Geschichten /Medizinstatistiken überhaupt. Ansonsten Zustimmung.

    @Rita E. Groda
    Danke für die Unterstützung. Ich finde Ihren Blog nicht. Doch eher ein Einkaufsblog(ck) für den Zwiebelkuchen? Auch sinnvoll, brauche ich auch, von wegen -> s. Thema.

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    Liebe Frau Heckel! Das ist im Grunde so typisch für die heutige Zeit, dass ein Angehöriger einer Gruppe, hier der Alzheimer-Kranken, wozu zwecks Pfründesammeln auch grob andere Demenzkrankheiten gerechnet werden, eben oft auch ganz normale Altersdemenz, im Fernsehen einen herausragenden Mann mit seinen Verdiensten eine Flasche nennen darf, nur weil dieser eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen hat. Alt genug war er, seine Kinder sind erwachsen, alle sind gut versorgt, und er darf das offenbar nicht. Nur die Gruppen entscheiden, was erlaubt ist.
    Typisch ist auch, dass man einfach hochrechnet, 2050 gäbe es doppelt so viele Alzheimerfälle. Woher nimmt man das? Es wird zwar ca. doppelt so viele Rentner geben, aber falls Alzheimer, wie ich mal als Arbeitsthese las, von Aluminiumverbindungen kommt, wird es nicht doppelt so viele Alzheimerpatienten geben, da Aluminiumtöpfe und Geschirr out sind.
    Außerdem wird so getan, als käme niemend damit zurecht. Ich sah mal einen guten Film darüber: „Don’t forget love“ mit Joanne Woodward. Der Titel sagt alles. Der Film ist bedeutend besser als die Jauch-Sendung.

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    Alzheimer von anderen Kulturen gesehen: Ein Serbe welche nach 1945 mit seinem Vater nach Kalifornien kam, holte auch die Mutter 1965 von Serbien nach Kalifornien. Der Vater und die Mutter hatten sich zwanzig Jahre nicht gesehen. Inzwischen hatte der Vater etwas Alzheimer und sagte zu seinem Sohn: „Da ist jetzt eine fremde Frau in meinem Zimmer!“ Der Sohn und die anderen Serben lachten und sagten zu dem Vater: „Werde doch mal fresch mit ihr!“ — Witz in Lateinamerika: „Quien es el doctor aleman quien nos hace todos locos?“ „Wer ist der deutsche Doktor der uns alle verrueckt macht? “ – „Ach ja, Alzheimer!“

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    Lieber KJN: Bevor ich wieder in meine(Gerüchte)Küche verschwinde wollte ich Ihnen noch kurz zustimmen.

    Ansonsten kann ich Frau Heckel nur sagen: Die Presse macht keine Panik wegen Alzheimer – aber sie leidet an Alzheimer, was Faschismus in Deutschland betrifft.
    Auch mir wurde presseseitig schon „Masochismus“ diagnostiziert, wenn ich vom immer Nochvorhandensein der Rechten in Deutschland sprach.

    Gutes Ablenkungsmanöver, Frau Heckel, nicht sehr gelungen, was die Resonanz zeigt.

    Ich machte mir einige Tage die Mühe das „Nichtvorhandensein von Rechtsradikalen“ in der Deutschen Presse zu recherchieren.
    So viel Alzheimer dürfte keiner in seiner eigenen Familie finden – und inzwischen hat beinahe jeder einen Alzheimer Fall in seiner Familie.

    Wissen Sie, lieber KJN, Eigenverantwortung ist nicht besonders gefragt in einer Gesellschaft deren Führungselite die Gleichschaltung präferiert.

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    Frau Heckel, das ist naiv. Die Sendung war keine Panikmache.
    Vielleicht etwas hilflos. „Wir“ werden älter: Kriegen wir Krebs oder Alzheimer? Diese Frage stellt sich schon. Sind das überhaupt Krankheiten oder Zwangsläufigkeiten, wenn man nicht vorher an etwas anderem stirbt. Und was kriegen wir, wenn wir Alzheimer therapieren können?
    Ich finde, das ist schon eine Diskussion wert. Genau so, ob die Pflege eines Elternteils mit Alzheimer Disease heute durch Angehörige überhaupt geleistet werden kann – und wer an der professionellen Pflege am meisten verdient sowieso.
    Da fließt eine Menge Geld und dann reicht noch nicht mal die Basispflege wg. Personalmangel. Unangenehm ist das zu wissen, nicht wahr?
    Genau deswegen ist eine Anhebung der Beiträge für die Pflegekasse kontraproduktiv, bzw. nicht erforderlich, denn – Forschung hin Forschung her – wenn denn erstmal die Basispflege stimmen würde (weniger Äußerlichkeiten, weniger Bürokratie), wäre viel geholfen (eigene Erfahrung!).
    Früher hat die Oma – wahrscheinlich auch sowas wie dement – in der Großfamilie in eine Decke eingehüllt den ganzen Tag im Sessel gesessen und wenn sie unleidlich wurde, Klosterfrau Melissengeist (60 Vol.%) bekommen: Hilfe die ankommt!

    Und Gunter Sachs ist bewundernswert und überhaupt keine Flasche: Er hat in seiner Depression noch versucht, Verantwortung für seine Angehörigen zu übernehmen!

    Der, der das mit der „Flasche“ gesagt hat, will sich nicht unter Druck setzen lassen, das finde ich verständlich und richtig, denn er spürt den moralischen Imperativ derer, die Gunter Sachs und seine Ängste (die ich gut verstehe) falsch interpretieren.

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    @ Thorstein: Ich hoffe, falls ich zu den fünf Prozent hehöre, dass ich den Sachs mache. Der Satz war das Schlimmste. Sachs ist keine Flasche. Die Jungen müssen genug schultern, und wir haben gut gelebt. Wie kommt das eigentlich, dass Alzheimer so zuzunehmen scheint? Oder ist das das Frühere: „Oma ist heute ein bisschen durch den Wind?“ übersetzt in „Für so was hab ich keine Zeit.“ Oder alternativ: „Hier kann man auch viel Geld in die Forschung und zum Staat schieben.“? Nimmt das wirklich zu?
    Sachs hat uns geschenkt, dass wir ihn als tollen Photographen und vitalen Mann in Erinnerung behalten dürfen.

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    Sehr geehrte Frau Heckel,

    dass von ihnen zurecht so gelobte Demenzdorf in Holland hat einen Tagessatz von 160 Euro, also 4800 Euro/Monat. Das gehört auch zur Wahrheit: gute Versorgung gibt es nicht zum Billigtarif.
    Da stellt sich die Frage der Finanzierung. Länder wie Holland, Schweden oder Norwegen geben zwei bis drei-Mal so viel für Pflege aus. Mit entsprechenden Ergebnissen. Will aber bei uns niemand hören, geschweige denn diskutieren. Bei 3000 Euro für einen Pflegeplatz ist in Deutschland unisono die Schmerzgrenze erreicht, ganz egal, welche Qualität für die Betroffenen damit darstellbar ist.

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