„Erhängt Mandela“ steht auf den T-Shirt, das mein englischer Freund, ein ergrauter Journalist, aus einer hinteren Ecke seines Speichers hervorgekramt hat. Unser Gespräch kam auf den afrikanischen Friedensnobelpreisträger, weil der gerade seinen 92. Geburtstag feiert.
„Hang Mandela“, das war ein Mordaufruf, den in England Jugendliche in den Thatcherjahren zu tragen wagten. Fassungslos starre ich auf dieses Dokument englischer Meinungsfreude, die ihre Wurzeln noch im Selbstverständlichen der imperialen Weltmacht haben muss.
Mein Freund, ein gelernter Konservativer, den das Alter liberaler hat werden lassen, hat es zum letzten Mal vor sieben Jahre hervorgekramt, als die Londoner Stadtverwaltung ein Denkmal für Nelson Mandela errichten wollte und er strikt dagegen war. In der englischen Presse fand die Stimmung vermeintliche Argumente.
Es wurde an die sechziger Jahre erinnert, in denen Mandela den Afrikanischen Nationalkongress zu einer Terrororganisation gewandelt und in den bewaffneten Kampf gegen die das Apartheit-System geführt habe. Unglückliche Zitate zu dem libyschen Diktator Gaddafi oder Castros Kuba und einschlägigen Freiheitskämpfern, sprich Terroristen, tauchten wieder auf. Vergleiche zu Rhodesien wurden gezogen, einem im Chaos versinkenden Land, in dem Gesinnungsgenossen zum Brandschatzen gegen die Buren aufgerufen würden.
Mein Freund hat sein altes T-Shirt dann doch nicht mehr getragen, weil Lynchaufrufe einem erwachsenen Publizisten schlecht zu Gesicht stehen. Aber das Ressentiment ist geblieben, das höre ich deutlich heraus. Noch vor kurzem hat er sich königlich amüsiert, als einer seiner Kollegen von einem Ereignis anlässlich eines Mandela-Empfangs berichtete. Der Neunzigjährige hatte einen britischen Motorjournalisten in der langen Reihe seiner Gäste mit einem amerikanischen Astronauten verwechselt und ihn befragt, wie es denn so auf dem Mond sei.
Der berühmte Fernsehmoderator und Kolumnist hatte geantwortet, es sei gebirgig und wohl auch staubig. Eine englische Sonntagszeitung hat das im Detail berichtet und damit auf der Seite Eins aufgemacht. Mandela wurde dort als „most important living soul“ bespöttelt. Auch wenn man dem schwarzen Humor der Briten gegenüber nachgiebig gestimmt ist, das geht zu weit.
Ich bin empört, weil man einem alten Herrn so etwas niemals vorhält, schon gar nicht einem Politiker mit der Lebensleistung Mandelas. Mein Freund gibt mir recht, wandert aber gedanklich immer wieder in die Vergangenheit. Der ANC habe kommunistische Wurzeln gehabt, sagt er. Und separatistische, ja auch rassistische von der Überlegenheit der „black races“.
Wir fallen zurück auf die zwanziger Jahre, in die Zeit der Gründung der Befreiungsbewegung in Südafrika, und dann noch bis ins späte siebzehnte Jahrhundert, als die holländischen Kolonialisten am Kap aufschlugen. All dem Bemühen um vermeintliche Beweise und Belege ist das Bewusstsein anzumerken, dass man eine Ungeheuerlichkeit plausibel machen will. Eigentlich weiß mein Freund, dass er irrt, jedenfalls furchtbar geirrt hat. Und über die Episoden zu Mandelas betrügerischer Ehefrau Winni und andere Intima muss er schon bitter lachen.
Das Vertrackte mit Vorurteilen und Vorurteilsinhabern ist, dass ihnen kein Weg zu weit ist, um doch noch Recht im Unrecht zu haben. Wir halten dann doch fest: Mandela hat Südafrika von einer rassistischen Gewaltherrschaft des europäischen Imperialismus befreit und Täter wie Opfer so zu versöhnen gesucht, dass ein gemeinsamer Staat und vielleicht auch eine gemeinsame Nation in die Perspektive des Machbaren gerückt sind. Er hat der Gewalt nicht nur abgeschworen, er hat „reconcilliation“, christlich gesagt Versöhnung, gelebt. Und diese Größe des Alters hat sein früheres Leben nicht nahe gelegt.
Ich kann meinem englischen Freund berichten, wie ich vor zehn Jahren nach Robin Island geflogen bin, der Internierungsinsel des Apartheit-Regimes. Und dann stand ich in der Zelle Mandelas, in der er über 25 Jahre seines Lebens zubringen musste. Seitdem beherrscht mich ein unaufhebbarer Respekt vor der seelischen Leistung, dem Charakter eines Mannes, an solchen Umständen nicht zerbrochen zu sein. Mandelas Biograf John Carlin („Wie aus Feinden Freunde wurden“) sieht die römischen Tugenden von Ehrlichkeit, Würde und Ernst bei ihm vollendet.
Das mag sein, aber das ist jener Pflichtteil der Geschichtsschreibung, die allen erfolgreichen Politkern zugeschrieben wird, wenn Pulverdampf und Schlachtgeschrei verzogen und die Niederungen des Allzumenschlichen vergessen sind. Gewundert hat mich, den kurzzeitigen Besucher in der elenden Lebens-Klausur auf Robin Island, etwas viertes, das der befreite Mandela zu verkörpern wusste: Güte, Humor, Lebensfreude. Wohl dem Terroristen, der seinen Zorn so zu wandeln wusste.
Das Ende der Sklaverei in den Amerikas: Zuerst durch Frankreich 1794 – aber durch Napoleon 1796 wieder eingefuehrt. Befreiung der Sklaven in den neuen unabhaengigen Nationen: Haiti 1804, Mexico 1810/1826 (in den meisten Nationen wurde die Proklamationen der Befreiung erst spaeter landesweit de-facto verwirklicht), Kolumbien & Venezuela 1810/1854, Argentinien 1813/1853, Peru 1855. Britische Kolonien 1833/1838, Spanische Kolonien: Puerto Rico 1873, Kuba 1886. Brasilien war bis 1822 eine Kolonie Porgtugals, und dann bis 1889 ein unabhaengiges Kaiserreich. Die Sklaverei wurde 1888 beendet und 4 Millionen Sklaven wurden befreit. —In den Amerikas wurden auch oft Indianer von Weissen versklavt. Die Sklaverei bestand jedoch schon in vielen Indigenenvoelkern vor der Ankunft der Europaer 1492. Im Westen der heutigen USA wurden in der ersten Haelfte von den Comanchen und Apachen auch Weisse und Mexikaner (Mestizen) gefangen und als Sklaven behalten oder gehandelt. Manche der Cherokee an der Ostkueste kauften Afrikaner welche sie im Handel erworben, fuer die Landarbeit auf ihren Baumwollplantagen. Bei der Ausweisung nach dem heutigen Oklahoma (Indian Removal Act 1829/38) wurden die schwarze Sklaven mitverschleppt. Im Krieg zur Erhaltung der Sklaverei, kaempften viele Cherokee welche Sklavenbesitzer waren, fuer die Confederate States of America (CSA) – der letzt „confederate General“ welcher sich und seine indianischen Kavaleristen 1865 ergab, war der Cherokee Stan Watie. Heute verweigern sich die Cherokee die Nachkommen der „schwarzen Cherokee-Indianer“ an den Vorteilen der amtlich „recognized Native Nation“ zu beteiligen.
In Brasilien wurde die Sklaverei erst nach 1880 abgeschafft.
Noch zu frueh das oeffentlich zu erklaeren: Der grosse Aufbruch fuer die Gleichheit der Rassen – kam nicht von den Christen und nicht von der franzoesischen Revolution, sondern von den Kaempfern fuer die Unabhaengigkeit des spanischen Amerikas, und etwas spaeter durch die „theoretischen“ Ideale der Kommunisten. Noch 1947 soll Churchill gesagt haben: „Die Unabhaengigkeit fuer Indien ist ein Verbrechen gegen die Zivilisation!“ In USA war bis 1967 in 17 Staaten die Ehe zwischen Rassen verboten und bis zu acht Jahre Zuchthaus strafbar in Alabama. Die U.S. Armee kam 1945 mit getrennten Regimentern nach Deutschland: „Whites“, „Colored“ (one drop black blood rule), „Japanese-American“, und „Guardia Nacional de Puerto Rico“ (multirassische Latinos von der USA Kolonie). Doch schon 1937 kamen „amerikanische Truppen“ – schwarze und weisse nach Spanien mit der kommunistischen „Abraham Lincoln Brigade“. Und die 20,00 rassisch gemischten Brasilianer der „Forca Expeditionaria Brasileira“ st kaempften 1944-45 gegen die „Gebirgsjaeger“ der deutschen Wehrmacht in Norditalien (youtube Video „FEB ofensiva primavera“). Die USA hat die FEB aber nicht in Deutschland einmarschieren lassen. In den neuen Nationen des spanisch-sprachigen Lateinamerikas wurde die Sklaverei bald abgeschafft, in Mexiko 1826 und „Tejas“, und von den U.S. Americans dann wieder 1835 in Texas eingefuehrt und bis 1865 als Sklavenstaat verteidigt. Die deutschen Einwanderer welche sich oeffentlich gegen die Sklaverei aussprachen, wurden eingeschuechtert, die Intellektuellen mussten fliehen, und nach Anfang des Civil War 1861 wurden viele deutsche Einwanderer von den Anhaengern der Sklavereirepublik „Confederate States of America“ ermordert. Sehe „Treue der Union Monument“!