Die Enron-Pleite im Jahr 2001 zählt zu den bedeutenderen Einschnitten in der US-amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Der Energiehändler, der sich selbst zuweilen als „The World’s Greatest Company“ bezeichnete, verursachte wegen fortgesetzter Bilanzmanipulationen einen der größten Wirtschaftsskandale und eine der größten Unternehmenspleiten, die eine drastische Verschärfung der Regeln für die Unternehmensberichterstattung nach sich zog.
Dass das Schummeln und Manipulieren von Wirtschaftsdaten keine Spezialität skrupelloser Unternehmen ist, haben nun Wissenschaftler festgestellt. So berichtet das „Handelsblatt“, dass die USA während der vergangenen Jahre ihre nationalen Statistiken mehrfach so verändert haben, dass sie höhere Wachstumswerte, eine stärkere Produktivitätssteigerung und niedrigere Inflationsraten als zuvor ausweisen.
Ein Beispiel: Abweichend von internationalen Gepflogenheiten buchen die Amerikaner neuerdings ihre stark wachsenden Ausgaben für Waffensysteme als Investitionen. In anderen Ländern werden sie als staatliche Konsumausgaben gezählt. Investitionen gelten als Treiber künftigen Wachstums.
Das hat handfeste Vorteile: Derart statistisch aufgebesserte Daten locken höhere Finanzzuflüsse an, auf die die USA dringend angewiesen sind.
Zu den schönfärberischen Änderungen gehört auch die Praxis, Wachstumswerte und Produktivitätsgewinne eines Quartals auf ein Jahr hochzurechnen, weil die Zahlen dann größer aussehen. Bei den Inflationswerten dagegen unterbleiben solche Hochrechnungen.
Zwar gibt es bei den Vereinten Nationen Gremien, die für einheitliche internationale Statistik-Standards sorgen sollen. Die USA, so heißt es, stimmen sich dort aber nicht ab, sondern vollziehen ihre statistischen Verfahrensänderungen einseitig und informieren die Gremien hinterher. Der Rest der Welt könne dann überlegen, ob und wie die amerikanischen Methoden zum Standard erhoben werden können. Zumeist ziehen dann andere Länder nach, um Verzerrungen in internationalen Vergleichen zu vermeiden.
Überzeichnet haben die USA während der vergangenen Jahre und Jahrzehnte offenbar besonders gern ihre Produktivitätsentwicklung. Die Produktivitätsgewinne lagen zuletzt regelmäßig deutlich über den europäischen Vergleichswerten. Nun beurteilen Wissenschaftler die Produktivitätsvorsprünge der USA seit Mitte der 1990er Jahre als „statistisches Artefakt“. Andere schätzen, dass die Daten für das volkswirtschaftliche Wachstum der USA im Vergleich zu Europa um zwei Prozent pro Jahr überzeichnet sind.
Die unangenehme Folge: Investoren, die auf die positiven US-Daten vertrauen und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine Fabrik oder eine Niederlassung errichten, finden später heraus, dass sich die dort erhofften Produktivitätsvorsprünge und erwarteten Renditen gar nicht realisieren lassen. Selbst solche Diskrepanzen lassen sich statistisch nachweisen: Die Renditen amerikanischer Investoren im Ausland fallen regelmäßig wesentlich höher aus als Investitionen ausländischer Investoren in den USA.
Angesichts all solcher Manipulationen, die oft im methodischen Hintergrund stattfinden und nur von Statistikexperten erkennbar sind, vergeht vielen Wirtschaftspraktiken das Lachen über den Spruch, der immer wieder Winston Churchill zugeschrieben wird: „Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe“. Aus heutiger Sicht fallen Statistik-Laien eher Parallelen zu Griechenland auf, dessen Regierung es jahrelang gelungen ist, die europäischen Behörden und EU-Partner über ihre Haushaltsdefizite zu täuschen. Solche Kartenhäuser aber drohen irgendwann zusammenzubrechen.
Eine überzeugende Kritik der weltweit anerkannten und angewendeten Regeln für Statistik (ESVG 95, SNA) habe ich in http://www.erkenntniswiderspruch.de gefunden.
@KJN: Damit dieser Artikel für mich informativ ist, würde ich schon gerne wissen, welche Statistiken laut Herr Köhler höhere Wachstumswerte, eine stärkere Produktivitätssteigerung und niedrigere Inflationsraten als zuvor ausweisen. und was an diesen Statitiken faul sein soll. Wenn dieser Artikel durch eine Google-Recherche ersetzt werden kann, hat er nämlich m.E. wenig Informationsgehalt ;). Allerdings teile ich mit Herrn Köhler die Befürchtung, daß das Statistik-Kartenhaus der Amerikaner (Stichwort: Birth-Death-Model Arbeitslose) irgendwann zusammenbricht, was politisch-ökonomoisch für uns fatale Folgen hätte.
KJN: “This fact is contained in the market”
Wohlfeiler Neusprech bei dam man im “meeting” beifällig nickt und auf die Uhr guckt..was soll das aber sagen..
Genau! Allerdings wissen die meisten Investoren auch um die Hochrechnung dieser Zahlen.
@Dr. Strebel
„Da hätte ich schon gerne eine präsise Quellenangabe, um ihre Aussagen nachprüfen zu können“
Nachprüfen? Quellen? Sie sind geübt im Umgang mit den üblichen Suchprogrammen.
Oder Bewerten? An welcher Quelle sitzen Sie?
Möchten Sie es keynesianisch oder marktliberal?
Und warum das oder das? Wollen Sie eine Debatte oder wollen Sie sonst was sagen?
„Eine Bilanz drückt immer nur das aus, was der Bilanzersteller verbreiten wollte.“
Genau – und deswegen brauchen wir ja auch (wirkliche) Volkswirte und nicht nur Betriebswirte. Sind Sie vielleicht einer?
„This fact is contained in the market“
Wohlfeiler Neusprech bei dam man im „meeting“ beifällig nickt und auf die Uhr guckt..was soll das aber sagen..
Wolfgang Köhler schrieb: Nun beurteilen Wissenschaftler die Produktivitätsvorsprünge der USA seit Mitte der 1990er Jahre als „statistisches Artefakt“. Andere schätzen, dass die Daten für das volkswirtschaftliche Wachstum der USA im Vergleich zu Europa um zwei Prozent pro Jahr überzeichnet sind.
Da hätte ich schon gerne eine präsise Quellenangabe, um ihre Aussagen nachprüfen zu können ;).
W.K.: Ein Beispiel: Abweichend von internationalen Gepflogenheiten buchen die Amerikaner neuerdings ihre stark wachsenden Ausgaben für Waffensysteme als Investitionen. In anderen Ländern werden sie als staatliche Konsumausgaben gezählt. Investitionen gelten als Treiber künftigen Wachstums.
Eine Bilanz drückt immer nur das aus, was der Bilanzersteller verbreiten wollte.
W.K.:Zu den schönfärberischen Änderungen gehört auch die Praxis, Wachstumswerte und Produktivitätsgewinne eines Quartals auf ein Jahr hochzurechnen, weil die Zahlen dann größer aussehen.
This fact is contained in the market ;).
Ja, Herr Köhler, so ist das wohl: Die Bewertung der einzelnen Posten eines Staatshaushaltes müsste eigentlich durch kompetente Volkswirte erfolgen. Die gibt es aber nicht mehr. Nur noch Betriebswirte.
Und die sind anfällig für Ideologien, weil ihnen der theoretische Überbau fehlt. In diesem Fall erliegt man der Idee oder Ideologie, daß Staaten so funktionieren, wie Unternehmen und entsprechend vergleichbar wären. Das generiert dann solche Funktionäre, wie Dr. Thilo Sarrazin oder Prof. Hans-Werner Sinn, denen zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme nichts anderes einfällt, als Migranten oder Harz-IV-Empfänger zu beschimpfen. Und eine Politik, die sich an den Aussagen von Standard&Poor’s orientiert.
Es ist gut, wenn Sie und wir alle Kompetenz einfordern – immer wieder..