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Schulden, ehrlich gerechnet: 7,85 Billionen!

Halbjährlich legt die Stiftung Marktwirtschaft den tatsächlichen Stand deutscher Staatsschulden vor. Neben den offiziell ausgewiesenen Verpflichtungen von Bund, Ländern und Gemeinden (1,7 Billionen) sind dabei alle nach derzeitiger Rechtslage bindenden Zusagen eingerechnet, die nicht durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau gedeckt sind und denen auch keine Rücklagen gegenüberstehen. Das betrifft vor allem die Beamtenpensionen, die Gesundheits-, Pflege- und Rentenversicherung.

Die Fakten sind dramatisch unerfreulich: Die expliziten und impliziten Schulden der öffentlichen Hand belaufen sich aktuell auf 7,85 Billionen Euro oder 314,5% des Bruttoinlandsprodukts.

Zur Begleichung dieser Last müsste jeder heute lebende Bundesbürger (auch Säuglinge!) ab Juni 2010 und bis zu seinem Lebensende monatlich und unabhängig von Steuern und Abgaben 355 Euro abführen. Alternativ müssten, um dauerhaft ausgeglichene Haushalte zu erreichen, bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen alle staatlichen Transferleistungen um 13,8% abgesenkt oder alle Steuern und Abgaben um 16,9% erhöht werden.

Übrigens ist all das weniger der Finanzmarkt- und dann Wirtschaftskrise geschuldet als vielmehr Folge struktureller Fehlentwicklungen, die die von manchen Vergesslichen schon wieder herbeigesehnte Große Koalition geradezu verkörperte. Völlig unabhängig von den Einnahmen in Bund, Ländern und Gemeinden sind auch 2005 bis 2009 die Ausgaben stetig gestiegen. Selbst in den Rekord-Einnahmejahren 2007 und 2008 haben wir über unsere Verhältnisse gelebt – wie mit unfassbarer Selbstverständlichkeit im Bund schon seit 1967. Damit unterscheidet sich Deutschland nur quantitativ vom neuzeitlichen griechischen Verständnis von Haushaltsführung.

Mehrmals wurden im Hoch Reformchancen verpasst oder sogar noch Irrwege beschritten, wurden im Rausch konjunktureller, also zeitweiliger Mehreinnahmen dauerhafte Mehrausgaben beschlossen, so 2008 bei „Hartz IV“, der Pflegeversicherung und den Renten.

Die leichtfertige Hinnahme der jahrzehntelangen Schuldenspirale ist nun nicht länger möglich, die Wohlstands- und Machbarkeitsillusionen auf Pump sind ad absurdum geführt. Wir haben die Wahl – entweder Inflation oder den einen, mühsamen Weg: Erstens muss die Europäische Zentralbank zurück zu sich selbst finden – nach der Selbstaufgabe der letzten Tage. Zweitens sollten sich die Regierungen, besonders die Bundesregierung, darauf besinnen, dass zu Politik auch geduldige Kommunikation gehört. Es ist möglich, den Menschen Vorteile sowie Bedeutung des Euro besser zu erklären. Und, drittens, vor allem: Alle Nationalstaaten der Eurozone müssen über ausbalancierte Budgets neue Glaubwürdigkeit gewinnen.

Die Handelnden in Staat und Gesellschaft werden sich endlich daran zu machen haben, Ansprüche und Beiträge der Bürger zum Gemeinwesen in Deckung zu bringen. Das eigentliche aktuelle Übel sind nicht Spekulanten, sondern die Defizite der öffentlichen Haushalte. Sicher ist an den Finanzmärkten manches zu verändern, sind viele Zweifel entstanden. Von martialischer Rhetorik begleitete Symbolpolitik hilft aber wenig. In jedem Fall weiterführend wäre es dagegen, endlich die Ausgabenseite der Haushalte einer überfälligen kritischen Prüfung zu unterziehen. Es kann nicht mehr angehen, in generationengerechten Sonntagsreden von Konsolidierung im Allgemeinen zu sprechen und im Konkreten alle möglichen Politikbereiche für sakrosankt zu erklären. Genauso wenig und bestenfalls kurzfristig wird es helfen, wieder einmal den bequemsten Weg über die Steigerung der Einnahmen zu wählen. Zusätzliche Einnahmen tragen kaum zur Konsolidierung bei, weil sie den Spardruck mindern und zudem sofort neue Ausgabenbegehrlichkeiten wecken. Denn Zeit zum Sparen ist nie: Im Hoch fehlt der Spardruck und die Politik will Glück verbreiten. Im Tief heißt es, man dürfe nicht prozyklisch sparen. Und in der Erholung, wir kennen das: Das zarte Pflänzchen des Aufschwungs dürfe jetzt nicht gefährdet werden.

So stellt sich 2010 alles schon wieder wie gehabt auf: Kaum hat eine naturgemäß unangenehme Diskussion über die Ausgabenseite begonnen, wollen die Findigen sie schon wieder beenden. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller plädiert für „höhere Steuern, wenn wir die Vorgabe der Schuldenbremse auf der Ausgabenseite nicht erfüllen können“. Ehrlicher als diese Floskel wäre gewesen: Wir wollen es gar nicht ernsthaft. Da bleibt nur eine Empfehlung: Statt über den Spitzensteuersatz nachzudenken (dessen Senkung in früheren Jahren übrigens das Streichen vieler Ausnahmen und damit die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenübersteht) oder die Mehrwertsteuer noch weiter zu verkomplizieren, könnte der Saar-Regierungschef einen echten, nachhaltigen Konsolidierungsbeitrag leisten: Das Zusammengehen seines Landes mit Rheinland-Pfalz!

Die letzte große und insgesamt sehr gelungene strukturelle Umgestaltung, die Agenda 2010, wurde übrigens in der Krise 2002/2003 auf den Weg gebracht. Sollte also nicht gerade jetzt eine umfassende Überprüfung der Haushaltsstrukturen und staatlichen Leistungen, eine echte Gesundheits- und Pflegereform vermittelbar und möglich sein? Und müsste nicht gerade jetzt in kleinen Schritten Steuervereinfachung und auch eine stetigere, transparentere Finanzierung der Kommunen gelingen können?

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3 Gedanken zu “Schulden, ehrlich gerechnet: 7,85 Billionen!;”

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    Das ist genau die Dimension an Schulden, um die sich niemand mehr kümmern kann oder will, weil sie für die meisten Mitbürger überhaupt nicht mehr geistig erfaßbar ist.
    Daher ist keine Aussicht auf Besserung, außer nach einem ganz großen Zusammenbruch! 🙁

  2. avatar

    @ Herrn Prof. Eilfort,
    da ist er also wieder, der typisch verengte betriebswirtschaftliche Blick der deutschen Professorenschaft,
    allen voran Hans-Werner Sinn, auf die Volkswirtschaft und den Staatshaushalt. Ich kann das, ehrlich gesagt,
    nicht mehr hören. Durch die dauernde Wiederholung wird das Lamentieren über Staatsschulden und Inflation (haben
    wir nicht eher Deflation?) auch nicht hilfreicher!
    Nein, ein Land wie Griechenland oder Deutschland ist kein Unternehmen mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften,
    Staatsverschuldung kein Grund für eine Wirtschaftskrise und Inflation führt nicht zwingend zu eine
    Währungsreform, was man im Rest der Welt nachprüfen kann. Auch haben Staaten nun mal andere Aufgaben, als
    Unternehmen. Der viel zitierte Geburtsfehler des Euro ist also keineswegs das unterschiedliche
    Bruttosozialprodukt der verschiedenen Volkswirtschaften (auch im D-Mark-Raum gab es unterschiedliche
    wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Regionen), sondern das Diktat der Betriebswirtschaftler bei Ignorierung
    nationalökonomischer Erkenntnisse in Berlin und Brüssel.
    Ihr rein auf das Kameralistische gerichteter Blick kann nur an der Ursache der jetzigen und folgender Krisen
    vorbeigehen. Die Liquidität und Investitionsfähigkeit vor allem der innovativen Unternehmen würde entscheidend
    verbessert, wenn sie nicht, wie bisher durch die Angebote besserer Rendite in der Finanzwirtschaft komplett aus
    unserer Produktivwirtschaft abgezogen würde. Das Kapital fließt in Finanzprodukte, statt in Produktionsmittel:
    Kapitalismus ohne Produktion – muß ja schiefgehen. Und dann kommen Sie jetzt mit Ihrem Lamento üner
    Staatsverschuldung! Wem soll das dienen? Ablenkungsmanöver? Ärgerlich.

    Zu einem anderen Zeitpunkt hätte ich Ihnen in vielen Punkten recht gegeben: Natürlich sind Ausagaben für
    Subventionen und Autobahnen, auf denen man schneller, als 130 Km/h fahren kann, sowie 16 Bundesländer mit
    eigener Verwaltung sinnlos und höchst ärgerlich im Hinblick auf unsere Kinder. Warum wird eigentlich die
    Diskussion, was wir für ein glückliches Leben wirklich brauchen, nicht geführt? Stattdessen gilt das Prinzip
    vom St. Florian: Sparen sollen immer die anderen. Bevor diese Diskussion nicht geführt wird, werden alle
    Spargesetze von der nächsten Regierung wieder gekippt werden.

    Es mag Volkes Seele beruhigen, Harz-IV-Empfänger zum Schneeschippen zu verdonnern oder eine Reichensteuer
    einzuführen (2 Seiten einer Medaille: Neid und Häme), es wird nichts bringen.

    Wichtig wäre, dafür zu sorgen, daß Geld wieder den Zweck erfüllt, für den es gemacht ist, nämlich für die
    Gesellschaft wichtige Waren und Leistungen zu repräsentieren, weswegen es in den Umlauf gehört, für Konsum und
    Investitionen und nicht in den Markt für sog. Finanzprodukte.

    Von daher ist eine Regulierung der Finanzmärkte über Verbote bestimmter Geschäfte an den Börsen momentan der
    wichtigste erste Schritt.
    Wenn das Kapital infolge dessen mehr das scheue Reh ist, sondern wieder in produktive Bereiche fließt, wo es
    auch – wenn auch weniger – Rendite findet, werden vielleicht auch mal Märkte in Afrika und Südasien, die z.B.
    einen riesigen Bedarf an Produkten zur Erzeugung von Strom und gesundem Trinkwasser haben, erschlossen.

    Im Moment dreht sich der Westen doch nur um sich selber – Betriebswirte, Controller und die „Stiftung
    Marktwirtschaft“ helfen da nicht weiter. Derweil sich der Deutsche Michel von den Betriebswirten am Nasenring der vermeintlichen Sachzwänge vorführen läßt, machen „die Chinesen“ in Afrika gute Geschäfte…

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