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Si tacuisses, FAZ!

Die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrich-Preises an die ARD-Israel-Korrespondentin Sophie von der Tann war, sagen wir es vorsichtig, umstritten. Und das darf in einer Demokratie auch mal sein, ohne dass gleich den Kritikern der Verleihung unterstellt wird, sie seien Teil einer „Kampagne“ und wollten Frau von der Tann persönlich schädigen.

Genau das aber tat der Israel-Korrespondent der FAZ Christian Meier in einem Artikel für dieses an sich seriöse Medium, den man nur als skandalös bezeichnen kann.

Ist der israelische Botschafter in Deutschland frauenfeindlich?

So schrieb Meier,: „Es ist eine interessante Frage, warum gerade Sophie von der Tann so sehr ins Visier geraten ist. Bei der ARD fiel ihnen irgendwann auf, dass die israelische Botschaft in Berlin bei gemeinsamen oder inhaltsgleichen Beiträgen verschiedener Korrespondenten stets nur von der Tann kritisierte. Frauenfeindlichkeit könnte ein Grund sein. (…) Die junge, telegene Journalistin ist das Gesicht des Gazakriegs im deutschen Fernsehen geworden …“

Ich weiß nicht, woher Meier weiß, wem („ihnen“) bei der ARD „auffiel“, dass angeblich die israelische Botschaft in Deutschland „stets nur von der Tann kritisierte“. Wenn „ihnen“ (dem Direktor Florian Hager? Oder nur Frau von der Tann?) das „auffiel“, dann haben sie jedenfalls nicht gut aufgepasst. Man kann, wie mein Kollege Deniz Yücel, der Meinung sein, dass sich Israels Botschafter mehr zurückhalten sollte, aber Yücel kritisiert, dass „Ron Prosor (…) immer wieder namentlich gegen deutsche Journalisten polemisiert“; gegen Journalisten, Plural, nicht nur gegen die arme „junge“ (34 Jahre alt) Sophie von der Tann.

Weil nämlich die Korrespondentin nicht nur „jung“, sondern auch noch „telegen“ ist („hübsch“ oder „attraktiv“ wäre ja sexistisch, aber genau das meint Herr Meier), hat die bekanntlich frauenfeindliche israelische Botschaft etwas gegen sie. Echt jetzt, FAZ? Das perfide an dieser Argumentation, neben der persönlichen Unterstellung, Prosor sei sexistisch, besteht darin, dass Israel das einzige Land in Nahost ist, wo Frauen nicht deshalb – etwa als TV-Moderatorinnen –  geschätzt werden, weil sie „jung und telegen“ sind, sondern wo ihnen von der Armee bis zur Politik, von Hightech-Unternehmen bis zur Landwirtschaft alle Berufe offen stehen, egal, ob sie männlichen Schönheits- (und Moral-) Vorstellungen entsprechen oder nicht. Was nicht heißt, dass es in Israel keinen Sexismus gibt, aber es war nicht Ron Prosor, der Frau von der Tann auf die Eigenschaften „jung und telegen“ reduzierte und meinte, sie sei deshalb zum „Gesicht des Gaza-Kriegs“ geworden.

Eine jüdische Hasskampagne?

Ähnlich perfide ging Meier an anderer Stelle vor, wo er ein Zitat des Berlin-Korrespondenten der israelischen Zeitung Yedioth Ahronoth, Ze‘ev Avrahami, durch Kürzung fälschte. Meier: „Es sei kaum zu fassen, wie ‚dreist‘ von der Tann sei, schreibt Avrahami. ‚Sie geht in Tel Aviv spazieren, spricht frei Deutsch und genießt alle Vorzüge der Stadt, ohne dass es jemanden stört.‘ Jede Hasskampagne erreicht irgendwann den Punkt, an dem sie in tatsächliche Gewalt umschlagen kann.“

Meier unterstellt, es gebe eine „Hasskampagne“ gegen von der Tann, und Avrahami habe faktisch zur Gewalt gegen sie aufgerufen, indem er die Tatsache skandalisierte, dass die Korrespondentin in Tel Aviv frei spazieren geht. Tatsächlich schrieb Avrahami Folgendes (meine Übersetzung mit Hilfe von KI): „Sie kann sich in Tel Aviv frei bewegen und sich frei auf Deutsch unterhalten, genießt alle Vorzüge Israels, ohne dass es jemanden stört – während sich Juden hierzulande (also in Deutschland, A.P.) überlegen müssen, wo sie Hebräisch sprechen und wie sie ihr Judentum verbergen können. Von der Tann kümmert das nicht. Sie kommt aus einem Land, das bewiesen hat, dass es in Bezug auf die Sicherheit von Juden im eigenen Land nichts aus der Geschichte gelernt hat. Nun wollen sie und ihre Freunde Juden beibringen, wie sie sich als Juden in ihrem eigenen Land zu benehmen haben, um bleiben zu können.“

Avrahami kritisiert also nicht, wie Meier wider besseres Wissen unterstellt (vielleicht kann er kein Ivrit, das würde passen, aber es gibt ja KI), dass sich von der Tann in Israel frei bewegt; sondern thematisiert den Unterschied zwischen Tel Aviv, wo sich Deutsche (und Araber) frei bewegen, mit der Situation in Deutschland. Und fragt, ob von der Tann das nicht auch bei ihrer kritischen Berichterstattung aus Israel berücksichtigen sollte.

Nachdem ich auf diese Diskrepanz hingewiesen hatte, erschien in der Print-Ausgabe der FAZ immerhin der Hinweis: „In unserem Text (…) erschien ein Zitat des Journalisten Ze’ev Avrahami unvollständig wiedergegeben (sic).“ Es folgte meine Übersetzung und eine Entschuldigung: „Der zweite Teil des Satzes fehlte bei uns. Das Versäumnis bitten wir zu entschuldigen.“ Sagen wir es so: Es war kein „Versäumnis“, es war eine bewusste Manipulation des Autors, und wäre ich Redakteur der FAZ, dem Autor würde ich das nicht „entschuldigen“, sondern schon mal negativ ankreiden.

Bis heute (08.12. 25) ist die Entschuldigung nicht online erschienen. So viel zur Aufrichtigkeit.

Geschichtsphilosophische Irrungen und Verwirrungen

Meier beließ es aber nicht bei diesen persönlichen Angriffen: Prosor sexistisch, Avrahami von Hass getrieben, sondern begab sich auf das Feld der Geschichtsphilosophie: „Zuletzt versuchte die ‚Welt‘, einen Vorwurf daraus zu konstruieren, dass von der Tann in einer internen Gesprächsrunde mit dem bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle gesagt haben soll, der 7. Oktober habe eine ‚Vorgeschichte‘, die ein Jahrhundert zurückreiche. Darin steckt tatsächlich ein kleiner Skandal – nämlich der, dass Spaenle diese Sichtweise offenbar für empörend hielt. Dass ein promovierter Historiker denkt, ein Ereignis steht isoliert im historischen Raum, ist eine irritierende Vorstellung. Der CSU-Politiker hätte bei seinem Israel-Besuch auch Angehörige der Opfer des Terrorangriffs sowie freigelassene Geiseln treffen können, die seit Monaten die Einrichtung einer staatlichen Untersuchungskommission fordern – um die Vorgeschichte des 7. Oktobers aufzuklären.“

Nun hat die „Welt“ nicht „einen Vorwurf zu konstruieren versucht“, sondern die Kritik Spaenles sachlich wiedergegeben. Wie Vorwürfe wie „Frauenfeindlichkeit“ oder „Hasskampagne“ immer gehen, so geht immer Springer-Bashing. Nur ist es hier völlig fehl am Platz, wie jeder selbst nachprüfen kann.

Was aber noch empörender ist als dieser billige Trick, ist die bewusste Fälschung der Aussage von der Tanns, um Bayerns Antisemitismus-Beauftragten lächerlich erscheinen zu lassen. Die Phrase, der palästinensische Terror (nicht nur der Massenmord des 7. Oktober 2023) habe eine „Vorgeschichte“, wird regelmäßig von Apologeten verwendet, um diesen Terror zu rechtfertigen, indem man auf angebliche Verbrechen der Zionisten und Israels verweist, auf die dieser Terror die – vielleicht überzogene, aber am Ende doch verständliche – Antwort sei.

Dass von der Tann eben diese Argumentationslinie meinte, zeigt ihr Verweis, die Vorgeschichte reiche „ein Jahrhundert“ zurück. Also bis ins Jahr 1925, als es die ersten großen arabischen Proteste gegen die verstärkte jüdische Einwanderung ins britische Mandatsgebiet Palästina gab. Mitnichten meinte sie, wie Meier wider besseres Wissen unterstellt, die unmittelbare Vorgeschichte des 7. Oktober, die gekennzeichnet war von einer fahrlässigen Geringschätzung der terroristischen Gefahr aus dem Gazastreifen seitens des Mossad, der Armee und der Regierung.

Meier kann aber die „Vorgeschichte“ nicht lassen. Sein Artikel ist auch eine Erwiderung auf einen zuvor in der FAZ veröffentlichten Artikel der Journalistin Esther Schapira, die ebenfalls – so viel zum Sexismus – Frau von der Tann kritisiert hatte.

Meier schreibt dazu: „Beim Versuch, zu begründen, warum von der Tanns (angebliche) Äußerung“ – zur Vorgeschichte des 7. Oktober, A.P. –  problematisch sei, greift Schapira zu einem merkwürdigen Vergleich. Man würde ja auch nicht behaupten, dass der Holocaust eine Vorgeschichte habe, legt sie nahe. Als habe es die völkische Bewegung oder Hetzschriften wie die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ nicht gegeben.“

Perfider geht es kaum. Schapira meinte im Kontext der Äußerung von der Tanns, die eine hundertjährige Schuld oder Mitschild der Juden am Elend der Palästinenser suggeriert, das im Massaker des 7. Oktober kulminierte, man würde doch nicht den Juden eine Mitschuld am Holocaust unterstellen, weil es ja eine „Vorgeschichte“ jüdischer Übergriffe auf die Menschen in Europa gegeben habe. Wie der arme Philipp Jenninger bei seiner Rede zum 50. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ im Deutschen Bundestag die Haltung der damaligen Deutschen beschrieb: „Und was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt – so hieß es damals –, die ihnen nicht zukam? Mussten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden? Und vor allem: Entsprach die Propaganda – abgesehen von wilden, nicht ernstzunehmenden Übertreibungen – nicht doch in wesentlichen Punkten eigenen Mutmaßungen und Überzeugungen?“

Schapira leugnet doch nicht die „Protokolle der Weisen von Juden“, schon gar nicht die „Mutmaßungen und Überzeugungen“ allzu vieler Deutscher; im Gegenteil. Sie sagt: diese antijüdische Propaganda war verlogen und falsch; keiner – außer einigen Unbelehrbaren wie „Tätervolk“-Propagandist Martin Hohmann, heute Ehrenvorsitzender des AfD-Kreisverbands Fulda – würde sie heute wiederholen. Keiner, muss man sagen, außer den Millionen in der arabischen und muslimischen Welt, die „Mein Kampf“ verschlingen, die „Protokolle“ für bare Münze halten und mit einem „from the River to the Sea“ judenreinen Palästina das Werk der Nazis in der Gegend vollenden wollen, wie sie am 7. Oktober deutlich machten.

Meier missversteht das alles bewusst. Er ist deshalb als Israel-Korrespondent eine Fehlbesetzung, wie Sophie von der Tann. Oder er blickt nicht durch. Dann ist er erst recht eine Fehlbesetzung.

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