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Randy Newmans Lieder (10): Putin

Als dieser Song herauskam, 2017 auf dem Album „Dark Matter“ war ich einerseits erfreut, dass endlich mal einer aus dem Popmusikgeschäft sich des russischen Diktators satirisch annahm. Andererseits ist es so, dass solche Versuche selten gelingen. Satire richtet sich immer am besten gegen die eigene Seite, da darf sie alles, wie Kurt Tucholsky sagte. Wendet sie sich, wie Jan Böhmermann in seiner „Schmähkritik“ gegen Erdogan, gegen jemanden, der als eigentlich nicht zu „uns“ gehörig betrachtet wird, trotz Nato-Mitgliedschaft, oder gegen eine ohnehin verachtete Minderheit im eigenen Land, wird es haarig.

Will sagen, eine Anti-Woke-Tirade an der Uni ist etwas anderes als eine Anti-Woke-Tirade auf dem AfD-Parteitag. Israel-kritik ist in Israel unbedingt nötig, hierzulande eher abgeschmackt. Und so weiter.

Mit Russland tun sich westliche Entertainer einfach deshalb schwer, weil sie das Land nicht verstehen, wie denn auch? The Beatles parodierten 1968 in „Back in the USSR“ einerseits den Sound der Beach Boys und ihren Song „California Girls“, andererseits Chuck Berrys Klassiker „Back in the USA“, indem sie einen Sowjetdiplomaten – oder KGB-Spion – die Rückkehr in die Heimat und zu seinem Mädchen feiern lässt, als sei er Amerikaner: „Honey, disconnect the phone …“ Double entendre einbegriffen: man weiß ja nicht, wer mithört. Das war witzig, passte zugleich in das beginnende Tauwetter zwischen Ost und West, von dem gerade Großbritannien zu profitieren hoffte.

Gilbert Bécaud schilderte in „Nathalie“, wie sein Begehren durch die „phrases sobres / De la révolution d’octobre“ seiner Fremdenführerin nur gesteigert wurde; dass alles Reden über die Revolution auf den Moment zulief, da „je suis resté seul avec mon guide / Nathalie“. Trotzdem war der Song von 1964 zugleich ein Denkmal der Faszination der damaligen französischen Linken für die russische Revolution und ihrer illusorischen Hoffnung auf Entspannung und Verständigung: „Moscou, les plaines d’Ukraine / Et les Champs-Élysées / On a tout mélangé / Et l’on a chanté …“

Ein wunderbarer Song, trotz alledem, der als Liebeslied den Wechsel der Zeiten überdauert, im Gegensatz zu Stings bierernstem politischem Lehrstück „Russians“, in dem er auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, kurz bevor die Sowjetunion an ihrer eigenen Unvernunft erstickte, sang: There is no monopoly on common sense / On either side of the political fence /
We share the same biology, regardless of ideology / Believe me when I say to you / I hope the Russians love their children too“ Es mag, lieber Gordon Sumner, kein Monopol des gesunden Menschenverstands diesseits und jenseits der politischen Brandmauern geben, aber darum geht es nicht: es gibt aber Unterdrückung und – relative – Freiheit; es gibt Gut – mit vielen Abstrichen – und Böse.

Und wir wissen mittlerweile, dass die Russen ihre Kinder ebenso wenig lieben wie es die verblendeten Deutschen unter Hitler taten, wie Anhänger der Hamas; russische Eltern schicken sie zu Zehntausenden in den Fleischwolf für den Ruhm Wladimir Putins.

Satire darf alles, wenn sie die eigene Seite aufs Korn nimmt; und da im Weißen Haus ein Mann sitzt, der Putin bewundert (und das war auch 2017 der Fall), ist dieser Song von Randy Newman denn doch auch eine Satire gegen die eigene Seite, und auch – leider – wieder aktuell, wie „Political Science“.

Der Song (den Text findet man unten) beginnt mit einer Schilderung der Putin-Bildpropaganda aus der Zeit, da sich Putin mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd abbilden ließ. (Er ist inzwischen gealtert, und zwar nicht gut gealtert.) Doch dann kommen die „Putin-Mädchen“, die als Chor Mütterchen Russland symbolisieren, nur eben jünger und sexier, sozusagen die sowjetischen Mädchen aus „Back in the USSR“ plus Nathalie, plus Stings imaginäre kinderliebe Russinnen, die alle zusammen die Beine für Putin – „put in“, kein besonders geistreiches Wortspiel, zugegeben – breit machen.

Zugleich sind die Putin Girls die Hexen aus Macbeth, die den immer noch an sich selbst zweifelnden Antihelden anstacheln, weiter durch Blut zu waten. Beim Gang entlang der frisch eroberten Krim schämt sich Putin fast seines Mangels an Ambition. Das Mittelmeer – das wär’s. Ein Traum, den ihm inzwischen eine syrische Islamistentruppe verdorben hat, wie die afghanischen Islamisten seinerzeit der Sowjetunion das Leben schwer gemacht haben, und hernach uns. Andere Geschichte.

Schließlich wendet Newman seinen alten Trick an, schlüpft in die Persona der unangenehmen Gestalt, die er zum Thema hat. Putin blickt zurück auf seine Helden Lenin und Stalin – ihnen gelang es nicht, das russische Volk, „diese Bauern“ gegen ihren hartnäckigen Widerstand zu modernisieren: Warum soll es mir gelingen? Wie kann ich diese „Buchhalter- und Hühnerzüchter-Typen“ ins 21. Jahrhundert ziehen, wo sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren? „Weil du uns ins Gelobte Land führen wirst!“ singen die Putin-Mädchen, du bist doch der Putin-Mann. Recht habt ihr, Mädels, sagt Putin.

Und das Modernisierungsprojekt heißt nicht nur die Ukraine erobern. Das Mittelmeer ruft.

 

Putin puttin‘ his pants on
One leg at a time
You mean he’s just like a regular fella, huh?
He ain’t nothing like a regular fella

Putin puttin‘ his hat on
Hat size number nine
„You sayin‘ Putin’s gettin‘ big headed?“
Putin’s head’s just fine

He can drive his giant tractor
Across the Trans-Siberian plain
He can power a nuclear reactor
With the left side of his brain
And when he takes his shirt off
He drives the ladies crazy
When he takes his shirt off
Makes me wanna be a lady
It’s the Putin Girls!

Putin if you put it when you
Put it where you put it
Putin if you put it
Will you put it next to me?
Putin if you put it when you
Put it where you put it
Putin if you put it
Will you put it next to me?

Now Putin hates the Putin girls
‚Cause he hates vulgarity
And he loves his mother country
And he loves his family

He and his ex-wife Lyudmila
Are riding along the shore
Of the beautiful new Russian Black Sea
Let’s listen in
A great man is speaking

We fought a war for this?
I’m almost ashamed
The Mediterranean
Now there’s a resort worth fighting for
If only the Greeks or the Turks
Would start to sniff around
I’d bring the hammer down
So quick their woolly heads would spin
Woolly head, woolly head, woolly head

Or, wait a minute
Even better
What if the Kurds got in the way?
Hey! Kurds and way, curds and whey!

Sometimes a people is greater than their leader
Germany, Kentucky, France
Sometimes a leader towers over his country
One shot at glory, they don’t get a second chance
I dragged these peasants kicking and screaming
Into the 21st century
I thought they’d make it
I must have been dreaming
These chicken farmers and file clerks gonna be the death of me

I can’t do it
Sure, you can
I can’t do it
Yeah, you can
What makes you say that girls?
Tell you why. ‚Cause you’re the Putin man
Who whipped Napoleon?
We did!
Who won World War II?
The Americans!
That’s a good one ladies
It’s our turn to sit in the comfy chair
And you’re the man gonna get us there!

I don’t know, Lenin couldn’t do it
I don’t know, Stalin couldn’t do it
They couldn’t do it
Why you think I can?
You’re gonna lead our people to the Promised Land
You’re right, ‚cause, Goddamn, I’m the Putin Man

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16 Gedanken zu “Randy Newmans Lieder (10): Putin;”

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    Lieber Herr Posener,

    ich bin weit davon entfernt mich an dieser Tragödie zu erfreuen. Ich bin und war auch noch nie ein Amerikahasser. Ich habe leider nur zu viel über tatsächliche Politik gelesen und nie geglaubt, was uns unsere Politiker und Journalisten als Wahrheit verkaufen wollen. Es ging und geht immer um Interessen. Trump ist zwar ekelhaft, aber da er auf niemanden gross Rücksicht nimmt, verkauft er seine Interessenpolitik nicht in rosa Menschenrechts-Tüll verpackt. Damit kann ich leben, damit müssen wir leben.

    Ein grosser Teil der „bürgerlichen Rechten“ u. a. Herr Döpfner und die Herren Merz und Lindner fanden es bis vor kurzen schick mit Trump und Musk zu flirten. Lindner hat sich erst mal selbst abgeschafft, Merz flirtet jetzt mit Meloni und kopiert nur ein klein wenig Trumsk. Döpfner schwenkt zumindest formal wieder auf die zivilisierte Bahn, da er zu ahnen scheint, dass seine „Buddys“ in den USA ihn als kleinen Deutschen letztlich auch nicht für voll nehmenn werden.

    https://www.welt.de/debatte/article255578012/Eklat-im-Weissen-Haus-Trump-und-die-Zukunft-Europas-Unsere-Weltordnung-wankt.html

    Das ist aber noch nicht sein letztes Wort. Er wird die Entwicklung abwarten und schauen, wo das in den USA hinführt.

    Interessant ist, dass er irgendwie den Pazifisten Recht gibt, aber die Konsequenzen nicht ziehen will. Ein konventioneller Krieg in Europa ist nicht zu gewinnen, solange es Atomraketen gibt. Daher macht der Rüstungswahnsinn, der aber schon als Wirtschaftsmotor eingeplant war, eigentlich keinen Sinn. Eine Atomgarantie wäre da günstiger und wohl auch effektiver.

    Mal sehen, wie ernst es den europäischen bürgerlichen Rechten von SPD bis CDU über Renaissance bis Labour ist. Die Konsequenzen wären gravierend. Keine amerikanischen Atomraketen in Deutschland. Abzug der amerikanischen Truppen und Aufbau einer europäischen Allianz.

    Mit der Türkei? Mit Orban, Meloni und Fico? Oder ohne?

    Ich tippe, dass die Briten sich nicht entscheiden können.

    Spannende Zeiten. So mancher wird sich noch wünschen, Merkel wäre nicht in Pension gegangen.

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      Lieber 68er, Sie schreiben: „Ich habe leider nur zu viel über tatsächliche Politik gelesen und nie geglaubt, was uns unsere Politiker und Journalisten als Wahrheit verkaufen wollen. Es ging und geht immer um Interessen.“ Mit Verlaub: Auch wenn sich jeder für einen Individualisten hält, der alles durchblickt und schlauer ist als „unsere Politiker und Journalisten“ (und Klimaforscher und Epidemiologen): Dass es in der Politik um Interessen geht, das schreibt jeder Journalist jeden Tag, und das sagen ja auch die Politiker.

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        Wenn man versucht, seinen eigenen Grips zu bemühen, statt den sog. Experten nachzuplappern um ein paar Zusammenhänge zu verstehen, ist man entweder Verschwörungstheoretiker (‚Verschwörungserzähler‘) oder man hält sich für einen „Individualisten, der schlauer ist, als..“, also Besserwisser. Besser könnte man die derzeitige linksgrüne Arroganz und Unerwachsenheit kaum zusammenfassen. Und genau da, in der linksgrünen Hemisphäre ist dann wohl auch das Biedermeier-Herz zuhause. Mit gewissen Enklaven bei der AfD. Links – Rechts war noch nie ein geeignetes Koordinatensystem für die Realität.

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        Lieber KJN, selbstverständlich soll man sich seines eigenen Verstands bemühen, wie es Kant forderte. Nur nicht seiner eigenen Fakten.

  2. avatar

    Hallo Herr Posener,
    Sie haben die Verharmloser bzw. Fanboys angesprochen. Es ist unerträglich, wie die paralysierte Medienlandschaft z. B. auf das Trump Gaza Video (nicht) reagiert hat. Die Medienleute wollen nicht glauben, was sie sehen und hören. Die Tagesschau lässt z. B. irgendwelche Professoren und Experten das Video „analysieren“ und niemand traut sich zu sagen, was jedes kleine Kind sofort erkennt. Der Kerl ist grössenwahnsinnig, gefährlich, rassistisch, er demütigt absichtlich die muslimische Welt und propagiert ganz klar eine ethnische Vertreibung, d. h. Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    Ich bin mal gespannt, wie diese Hohlköpfe mir den heutigen Ausfall mit Selenski erklären werden. Herr Greven ist in der letzten Zeit so still geworden.

    https://youtu.be/HUPeGlPeLXc?feature=shared

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      Lieber 68er, still werden ist nicht das Schlechteste. Mein Freund Jörg Lau von der „Zeit“ schrieb auf X, er fühle sich als Transatlantiker seit einiger Zeit so, wie man sich fühlen muss, wenn die Eltern plötzlich dement werden. Für Antiamerikaner ist das natürlich ein Festtag, wie ja jeder islamistische Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt für Muslimhasser ein Festtag ist. Es sind die Amerikafreunde, die trauern, die Menschen, die den Muslimen wohlgesonnen sind, die trauern.

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    Mir gefällt der Text – hat Witz. Nur wie Sie schon schrieben, lieber Alan Posener, die Satire über Außenstehende hat immer etwas fragwürdiges, selbstherrliches. Und das gilt auch im Zusammenhang mit dem vielgeschmähten Donald Trump. Wohin das führt, können wir ja an unserem eigenen Land bestens studieren.

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      Das Problem mit Trump ist, dass jede Satire an ihm abperlt, weil er wie eine Karikatur seiner selbst wirkt und es auch weiß. Gerade das Karikaturenhafte lieben ja seine Anhänger. Hingegen sind seine hiesigen Fan-Boys und Fan-Girls, die ihn noch weniger begriffen haben als seine Hasser und von „Disruption“ schwärmen, obwohl eine Konterrevolution im Gange ist, der sie auch zum Opfer fallen könnten, legitime Gegenstände der Satire, bloß kenne ich keine gute.

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        Schon klar, Trump macht keine Politik für Deutschland. Genauso wenig, wie Putin. Wäre nur schön, wenn deutsche Politiker Politik für Deutschland machen würden.

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        Ein Bonmot wollte ich keineswegs schreiben, sondern eine bessere Politik einfordern. Jetzt wird ja erstmal die Schuldenbremse gelöst und der Weg zur Hyperinflation freigemacht. Was für alle teuer wird. Weil einige (..alternativlos) so weiter machen wollen, wie bisher. Gilt wahrscheinlich jetzt als kleinlich, sowas zu sagen. In einem Jahr wohl nicht mehr. Nach Satire und Bonmots ist mir jedenfalls gar nicht, wenn ich darüber nachdenke.

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        Ähm, die Schuldenbremse haben wir seit Merkel. Gab es davor „Hyperinflation“? Nein. Warum sollte es die jetzt geben? Inflation kommt nicht von Schulden, sondern vom Gelddrucken, um sie zu bezahlen, wie in der Weimarer Republik.

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        Genau, vom Bezahlen der Schulden, wie in der Weimarer Republik. Und damit der Staat bzw. seine Institutionen zwecks Ausweitung der Bürokratie, z.B. durch Beförderungswellen vor den jeweiligen Regierungswechseln, wie es derzeit in großem Umfang geschieht, nicht mehr ausgibt, als er einnimmt, dafür ist eine Begrenzung der Schulden durchaus geeignet. Ich war selbst fast 20 Jahre im öffentlichen Dienst und Sie auch. Da kann man schon wissen, wie das mit der wundersamen Vermehrung der Stellen so funktioniert. Es gehört nicht unbedingt ein Putin oder Trump dazu eine Volkswirtschaft zu Fall zu bringen, vielleicht sind solche Figuren mehr Symptom, als Ursache.
        Und Umkehrschlüsse („Hyperinflation vor der Schuldenbremse“) sind i.d.R. falsch.

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