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Randy Newmans Lieder (6): Suzanne

Ray Charles gehört zu meinen Lieblingssängern, und ich habe irgendwo gelesen, dass er auch Randy Newman inspiriert hat. Zu den schönsten Songs, die Ray Charles aufgenommen hat, gehört seine Version von Eddy Arnolds Country-Nummer „You Don’t Know Me“. Der Sänger ist hoffnungslos verliebt in eine Frau, die einem anderen gehört, doch so „allein und schüchtern“, so „unbeholfen in der Liebeskunst“, dass er kein Wort herausbringt, wenn er sie trifft, sondern ihr am Ende des Songs hoffnungslos hinterherschaut, wie sie mit dem anderen weggeht, „und nie den Einen kennen wird, der sie so sehr liebt.“

Ich habe den Song immer geliebt, aber Bob Dylan hat ihn mir gründlich verdorben. In seiner „Philosophie des modernen Songs“ schreibt er: „Ein Serienmörder würde diesen Song singen. Darauf deutet der Text. Serienmörder haben eine merkwürdig formale Sprachauffassung und könnten den Sex als Liebeskunst bezeichnen. Sting hätte das schreiben können, statt ‚Every Breath You Take‘.“

Puh. Ja, Stings Song ist unheimlich: „Bei jeden Atemzug, jeder Bewegung, jedem Verrat, jedem Schritt werde ich dich beobachten …“ Unangenehm. „Oh can’t you see / You belong to me“ – Sagt wer? Ja, „das alles könnte sich im Kopf des Typen abspielen – bis er zum Messer greift“. So Dylan über beide Songs.

„Suzanne“ von Randy Newman fand ich immer unheimlich, bevor ich Dylans Interpretation von „You Don’t Know Me“ las. Immerhin handelt es sich hier um einen Voyeur, der eine Vergewaltigung imaginiert. Aber vielleicht ist er am Ende nur ein Exhibitionist. Heute würde er vermutlich seine Fantasien im Internet veröffentlichen, und wenn er dann wirklich das Mädchen vergewaltigt, würde es wieder heißen, wieso hat ihn niemand ernst genommen?

Aber von vorn: Früher waren in Telefonzellen – die sind inzwischen Geschichte, und es ist nicht schade drum – oft Telefonnummern zu lesen, die jemand geritzt oder mit Kuli geschrieben hatte, und daneben: „Ich heiße sowienoch und besorge es jedem“ oder so. Ich habe mich immer gefragt, ob das eine Eigenwerbung sei oder – wahrscheinlich – eine Form des Mobbings, geschrieben vielleicht von einer ausgestochenen Rivalin oder einem abgeblitzten Romeo. In Randy Newmans Song (den Text findet man unten) nimmt der Sänger die Mitteilung ernst.

Er hat sich die Nummer notiert, die Adresse herausbekommen, er weiß ja, was sie will, jetzt wartet er in den Schatten, bis Suzanne vorbeikommt. Dann wird er aus den Schatten springen, sie umfassen, sie überall berühren.

Er ist zwar kein Romantiker, das ist nicht seine Art, aber wenn er sie erstmal in den Armen hält, dann wird er sie den ganzen Tag und die ganze Nacht lieben.

Newman versetzt sich in den Perversen, der die gekritzelte Mitteilung für bare Münze nimmt; wer den Song hört, versetzt sich in das Mädchen, das vielleicht weiß, was in den Telefonzellen und Männerklos und sonstigen Kritzelgelegenheiten über sie in Umlauf gebracht wird, und keinen Schritt tun kann ohne die Angst vor dem Mann, der im Kino hinter ihr sitzen, ihr nach Hause folgen, ihr in den Schatten auflauern könnte.

Wie gesagt, vielleicht ist er am Ende eine arme Sau, wie der Typ in „You Can Leave Your Hat On“, der Frauen dafür bezahlt, sich vor ihm auszuziehen, während er sich befriedigt. Tina Turner hat diesen Typ in „Private Dancer“ voller Verachtung und Selbstverachtung beschrieben: „American Express will do nicely thank you…“

Vielleicht ist er aber auch nicht nur eine arme Sau. „They don’t know what love is … I know what love is.“ Und bist du nicht willig …

Dieser Song kam 1970 heraus, vier Jahre nach Leonard Cohens „Suzanne“, in der eine ganz andere Obsession behandelt wird. Ob die Anspielung intendiert war, weiß ich nicht, aber vielleicht hatte Newman sich gerade mit Cohens Songs beschäftigt. „I’ll jump form the shadows“, erklärt hier der Sänger; in „The Partisan“, geschrieben von Anna Marly mit einem englischen Text von Hy Zaret, den Cohen 1969 auf seinem zweiten Album veröffentlichte, heißt es am Ende: Oh, the wind, the wind is blowing / Through the graves, the wind is blowing / Freedom soon will come / Then we’ll come from the shadows“

„The Partisan“ rührt mich immer und immer noch zu Tränen; und doch empfand und empfinde ich diese letzte Zeile als bedrohlich. Darüber ein andermal mehr.

 

I saw your name, baby
In a telephone booth
And it told all about you, mama
Boy, I hope it was the truth
I took down your number
Looked up your address, Sue
And I was hopin‘ that maybe
You could love me, too
I’m gonna wait in the shadows
For you to come by
I’m gonna wait in the shadows
For you to come by
And then I’ll jump from the shadows
And try and catch your eye
Gonna run my fingers through your hair
And love you everywhere
Now I don’t want to get too romantic
That’s just not my way
But when I get my arms around you
I’m gonna rock you all the night
Gonna rock you all the day
Suzanne, you won’t know it but I’ll be behind you
Don’t try and run away from me, little girl
Wherever you go I’ll find you
And when you go to the pictures
And I know you do
Don’t take no one with you
‚Cause I’ll be there, too
Suzanne

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