Dass es ganz oben einsam wird, ist ein Gemeinplatz. Es verwundert also nicht, dass es mehrere Songs mit dem Titel „Lonely At the Top“ gibt. Aber warum ist es oben einsam? Alle lieben dich, alle wollen dein Freund sein. Doch für den Rapper Chamillionaire ist das gerade das Problem: „Du hast viel Zeit zum Nachdenken / Für dich allein / Weil du keine Lust hast / Dich abzugeben mit Leuten, die dir ein Messer in den Rücken jagen / Dich abzugeben mit Leuten, die niedrige Beweggründe haben / Die du gar nicht bemerkst / Die immer die Hand aufhalten und dich um Geld anbetteln, / als würdest du ihnen die Welt schulden, verstehst du, was ich meine?“
Ich denke schon. Als mein Urgroßvater Joseph Samuel Posener als gemachter Mann aus Brasilien nach Preußen zurückkehrte, klagte seinem Tagebuch: „Flatow d 22ten August 1856. Schon über einen Monat bin ich wieder in meinem Vaterland. Obgleich ich die ganze Zeit nur im Jubel verlebt umringt von den Meinigen, fast von ihnen angebeten, finde ich jedoch nicht Behaglich, warum? (…) Es scheint daß die Leute in mir nicht mehr sehen den Sohn, nicht mehr den Bruder, nicht mehr den Anverwandten, sondern den Goldmann, welcher von America mit ein Fass Gold gekommen, alle machen die bedeutensten Ansprüche an mir, alle Menschen schmeicheln mir, ich weiß nicht warum, sie sagen ich wäre gebildet, ich wäre dieser und wäre jener. Ich fühle es bei mir daß es nicht wahr ist. Ueberall wo ich meine Augen hin wende, sehe ich nur gierige Augen auf mich ruhen.“
Der nigerianische Afrobeat-Musiker Ahmed Ololade, der sich Asake – und auch „Mr Money“ – nennt, sieht Ehrgeiz und Energie als die Eigenschaften, die ihn von den anderen abheben: „Es geht um Geld / Ich jage da draußen meinem Traum nach / Weil es niemand für mich tun wird.“ Auch wahr.
Weiße Musiker neigen eher zu Sentimentalität. In Mick Jaggers Song „Lonely At the Top“ geht es um den Preis, den ein Kleinstadtmädchen für den Erfolg zahlt. Sexuell natürlich („natürlich“ …), aber auch seelisch: „They′re gonna strip your soul away / It’s lonely, lonely …“ Bon Jovi schrieb einen Song voller Selbstmitleid über einen Vater, der seiner Tochter erklärt, warum er die Familie verlassen muss, weil ihm der materielle Erfolg seine Träume genommen habe: „You know life becomes worthless / When they steal your dreams / I just couldn’t live with what was left for me“ bla bla bla. Interessant bei Jagger und Bon Jovi ist dieses unpersönliche „they“ – „sie“ nehmen dir die Seele, die Träume. Aber welchen Traum hat ein Popmusiker, außer, wie es John Lennon formulierte, „to the toppermost of the poppermost“ zu gelangen?
Ehrlicher ist da die Britpop-Band „The Ordinary Boys“: Wenn’s nur einsam an der Spitze wäre, singen die; aber man muss um seine 15 Minuten Ruhm hart kämpfen. Und auch sie singen vom „Verkauf der Seele“: Faust ist offensichtlich das bevorzugte Rollenmodell des Rockmusikers. (Und ja, Randy Newman hat ein „Faust“-Musical geschrieben.) Verantwortlich für das Geschäft mit der Seele machen die Britpopper aber nicht „sie“, sondern Leute, die „klagen und Kampagnen führen, bloß damit sie ihre Sonnenbrille tragen können“; ich nehme an, damit ist Bono von U2 gemeint.
Wie auch immer: Ehrlicher und gemeiner als Randy Newman hat sich niemand mit dem Gemeinplatz beschäftigt (den Text zum Nachschlagen findet man unten). Der Sänger räsoniert nicht, er erzählt: Geld, Ruhm, Mädchen, Ehrungen und Anbetung – alles hat er gehabt, er müsste glücklich sein, ist es aber nicht. An der Spitze ist es eben einsam. Aber man ahnt, dass dieser Mann auch deshalb an der Spitze ist, weil er einsam ist; weil er nicht nur begabter, sondern auch egoistischer und zynischer ist als andere: „Hört zu, ihr Idioten da draußen – liebt mich ruhig, mir ist es egal.“
Und man kann sich das vorstellen: Einerseits ist der Star von der Liebe der Fans abhängig, wie Freddie Mercury in „We Are the Champions“ singt: „You brought me fame and fortune / And everything that goes with it / I thank you all…“ Andererseits aber ist diese Liebe fordernd, rücksichtslos, an klare Bedingungen geknüpft: „Here we are now / Entertain us!“ Sie haben schließlich dafür bezahlt. Manchmal muss es sehr schwer sein, Nacht für Nacht da rauszugehen ins Licht, in das Brüllen des Publikums, und so zu tun, als ob man diese Liebe erwidert.
Und wie ist es, wenn man der größte und einsamste Star von allem ist? Ist es da etwa einfacher, die Leute zu lieben? Das untersuchen wir dann bei „God’s Song“.
I’ve been around the world
Had my pick of any girl
You’d think I’d be happy
But I’m not
Ev’rybody knows my name
But it’s just a crazy game
Oh, it’s lonely at the top
Listen to the band, they’re playing just for me
Listen to the people paying just for me
All the applause and all the parades
And all the money I have made
Oh, it’s lonely at the top
Listen all you fools out there
Go on and love me – I don’t care
Oh, it’s lonely at the top
Oh, it’s lonely at the top