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Die Abenteuer des Joseph Samuel Posener (10): „Im betrübten Greis erkannte ich meinen Vater.“

Das Bild zeigt das ehemalige Geschäft Joseph Samuel Poseners im alten Zentrum von Rio de Janeiro, rua Carioca 10. Laut Handelsregister von 1899 sind Joseph Posener und Julio Posener – das ist sein ältester Sohn – als „socios“, also Teilhaber, eingetragen.

Den 18ten May 1856 um 8 Uhr morgens habe ich Rio de Janeiro verlassen, mit dem französischen Dampfer Lionnais, kam nach Bahia d. 23, nach Pernambuco d. 25., nach S. Vicente den 4ten Juni, nach Tennerife d 8ten, nach Madeira den 10ten, nach Lissabon den 13ten und nach L’Havre d 18ten Juni, kam nach Paris d 19 Juni an. In Paris habe ich mich 20 Tage aufgehalten, mehrere Monumente und Merkwürdigkeiten gesehen. Reiste den 12 July 1856 von Paris ab und kahm am 14ten am Abend 10 Uhr in Berlin an.

Oh welche Empfindung!!! Seit 16 langen Jahren mein Vaterland nicht gesehen. 16 Jahre die Zährtlichkeit meiner (unleserlich), meiner (unleserlich) Familie Entbehren müssen, Oh! wie hoch hat mein Herz geklopft wie ich mich Berlin näherte, dort wohnt meine Schwester welche ich noch als Kind verlassen.

Mein Vater und meine Schwester Jette waren auf dem Bahn-hoff und haben mich erwartet, aber niemand hat mich wieder Erkannt, auch Ich habe niemanden meiner Familie erkannt, mehrere mahle ging ich an Ihnen vorüber aber vergebens, unter der Menge Leute welche dahmals auf dem Bahnhofe gewesen konnte sie nicht erkennen; Ich hatte meine Sachen auf einen Wagen um nach irgend einem Hotel zu fahren jedoch Besann ich mich und stieg noch einmal aus dem Wagen & gehe noch einmal im Saal des Bahnhofs zurük, und sah eine gruppe Leute, welche alle sehr Betrübt da gestanden, ein Greis mit gefalteten Händen. Mein Herz zog sich beim Anblick dieses Greises so zusammen das ich Mühe hatte mich aufrecht zu halten. In dem alten betrübten Greis erkannte ich meinen Vater.

Flatow d 22ten August 1856. Schon über einen Monat bin ich wieder in meinem Vaterland. Obgleich ich die ganze Zeit nur im Jubel verlebt umringt von den Meinigen, fast von ihnen angebeten, finde ich jedoch nicht Behaglich, warum? Kann ich selbst nicht Begreifen, es ist nicht mehr das Land von früher. Selbst die Menschen obgleich noch immer dieselben, sind auch schohn sehr verändert, nicht allein im Alter, sondern in ihren Sitten. Ich finde mich hier nicht zu Hause, obgleich ich Vater, Geschwister, Anverwandte habe. Es scheint daß die Leute in mir nicht mehr sehen den Sohn, nicht mehr den Bruder, nicht mehr den Anverwandten, sondern den Goldmann, welcher von America mit ein Fass Gold gekommen, alle machen die bedeutensten Ansprüche an mir, alle Menschen schmeicheln mir, ich weiß nicht warum, sie sagen ich wäre gebildet, ich wäre dieser und wäre jener. Ich fühle es bei mir daß es nicht wahr ist. Ueberall wo ich meine Augen hin wende, sehe ich nur gierige Augen auf mich ruhen.

In seinen Memoiren, „Fast so alt wie das Jahrhundert“, schreibt mein Vater, dass Joseph mit dem Vater in die Provinz Posen zurückkehrte, „nicht nach Wirsitz, sondern nach Flatow“. Das ist die heutige Stadt Zlotów. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Flatow 2772 Einwohner, davon 742 Katholiken und 609 Juden. Jedoch dürfte sich Joseph nicht hauptsächlich dort aufgehalten haben, sondern in Berlin, wo seine Schwester Jette wohnte. Vielleicht auch wegen der „gierigen Augen“ der armen Verwandtschaft in Posen.

Oh Brazilien! Brazilien! wie bedauere ich dich verlassen zu haben, wenigstens dort habe ich meine Freunde, Leute welche sich nur für mich interessieren, und Opfer für mich bringen würden. Sehr unzufrieden bin ich mit meiner Familie. Ich glaubte meine Flicht gänzlich erfüllt zu haben, indem ich Ihnen so viel Mittel habe zukommen lassen um meiner nicht mehr zu Bedürftigen, aber leider! haben sie sehr schlecht damit Gewirthschaft, und finde mich genöhtigt sie von Neuem wieder Aufzuhelfen. So eben erhalte ich einen Brief von meinem Freund Naura. Er schreibt mir ich soll zu Ihm kommen um ein Zeuge seines Glükkes zu sein, ja! ich werde auch zu dir kommen, mein einziger und aufrichtiger Freund, wenigstens für dich kann ich mein Herz offenbaren, du einziger Teilnehmer meines (Kampfs), ja! ich will dich Besuchen, schon um mir ein wenig Zerstreuung zu verschaffen, denn es ist mir wirklich hier sehr Unbandmäßig(?) zu Leben.

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