Heute den 18ten December (1843) seit drey Monath arbeite ich in (diesem) Hause, und habe schon ungefehr an 50 Thaler gespaart, Reichtum welcher zum ersten mahl meines Lebens in besitz gekommen, ich habe beschlossen mit diesem Gelde mit noch ein College mich zu Etabliren, mit der Sprache geht es schohn so ziemlich. —
Seit 3 Monahten das wir Etabliert sind, es geht so ziemlich gut, zwar müssen wir sehr schwehr arbeiten, aber es bringt seine Früchte, wir haben schohn wehrend der Zeit einige hundert Thaler gespart, und ich erwarte nun die Gelegenheit um Euch meine lieben Eltern mit etwas Unterstützen zu können.
Der Ehrgeiz, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, selbstständig zu werden, sich zu Etabliren“, ist so bemerkenswert wie der Fortschritt bei der Beherrschung der neuen Sprache, des Portugiesischen.
Die Gelegenheit hat nicht lange auf Sich warten lassen, ich Ueberweise so eben dem Preußischen Consul 60 Thaler um sie euch zukommen zu lassen mit der Bitte Ihr so wohlwollend annehmen, wie sie von mir gegeben, und solchen Gebrauch dessen machen so unbeflekkt und schwer wie sie verdient worden. Mein tägliches Flehen zum Allmächtigen ist, mir so viel zu Bescheren, um Euch Euere Last zu erleichtern. Wie viel Grahm, wie viele Sorgen sind Ihr unterworfen! Nur dieses ist meine einzige Bitte zum Allmächtigen Euch bald wieder mit etwas unterstützen zu können. Nun schreibt mir liebe Eltern wie es Euch jetzt geht, was Ihr Alle zu hause macht? meine gute und liebe Mutter ist doch wohl? oh! wie wird sie sich freuen von mir zu Hören, wie gern möchte ich nur eine Stunde bei Euch hinter der Tühre stehen, wo Ihr mein Brief eröfnen wird. Ich stelle mir in Gedanken die Freude vor und Genieße sie von der weiten Entfernung. Schreibt bald mir Antwort denn mein einziger Genuß, meine einzige Freude ist, Euer Brief zu Lesen.
Ich bin jetzt beinah ein ganzes Jahr hier, es ging mir während der Zeit recht gut und habe ungefähr 1000 Thaler gespaart. Ich habe mich also durch einen Freund Zureden lassen um mein Geschäft hier Aufzugeben und mit nach Rio Grande zu Reisen, mit der Hoffnung dort mehr Geld zu verdienen. Ich reise also heute den 25ten September 1844 ab mit dem Segel Schiff Emiliana.
Mit Rio Grande ist die Stadt ganz im Süden Brasiliens gemeint. Erst zehn Jahre zuvor hatte sie den Status „ciudade“ erhalten. Schon in Rio de Janeiro hat Joseph offensichtlich nicht mehr als Schneider gearbeitet, sondern eine Art Juweliergeschäft gehabt.
Ich bin mit 10 Tage Reise glüklich nach Rio Grande angelangt und seit 1 Monaht das ich hier bin habe ich sehr wenig gesundt Stunden gehabt. Ich habe mich seit ich den ersten Tag von Schiffe gestiegen sehr verkältet und fühle von Tag zu Tag immer kränker.
Theuerste Eltern, seit 2 Monahte liege ich schohn zu Bette und war sehr Leidend. Glücklicherweise habe ich die bekantschaft einer Frau gemacht welche mich durch ihre gute Mittel durch diese gräßliche Krankheit gerettet hat, und ich fühle mich jetzt viel besser und hoffe bald wieder etwas thun zu können den bis jetzt habe ich durch meine Krankheit meine Interessen sehr Vernachläßigen müssen. Ich überschike dies durch meinen Freund Röllar (?) mein Bild und 20 Thaler Gold, ich bin versichert, daß Ihr Euch sehr damit freuen wird.
Es scheint, daß mir diese Gegend nicht günstig ist, ich habe die ganze Zeit welche ich hier bin zu nichts kommen können. Zuvor habe ich eine sehr große Landreise mit meinem Freund Carl Olivia gemacht, aber nichts dabei verdient, im Gegentheil, wir hatten sehr viel Unglück, nicht allein daß wir kein Geschäft gemacht haben, sondern wurden auch durch schlechte Freunde von uns 2 Tage in Angst gesetzt wegen falscher Goldwahren welche wir Angeklagt wurden verkauft zu haben, wurden aber gleich Entlassen, indem wir Beweise haben, daß wir keine solche Wahren hatten und nur Echte Wahre verkauft hatten, aber dieses Unglükk war genügend das wir in der ganzen Provinz keine Geschäfte mehr machen konnten.
Joseph ist also Handelsreisender mit Schmuck und dergleichen. Seine Kunden sind hauptsächlich die Viehzucht betreibenden Kolonisatoren im Hinterland der Provinz Rio Grande do Sul, viele von ihnen deutscher Herkunft (noch heute sind 40 Prozent der Bewohner der Provinz Deutschbrasilianer).dazu heißt es in einem Bericht: „Der relative Reichtum in den „deutschen“ Kolonien ließ einen Berufszweig entstehen, der grundlegende Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Bundesstaates erlangen sollte: den Musterreiter (Handlungsreisenden). Als Vertreter der wichtigsten städtischen Import- und Exportzentren spielten sie eine maßgebliche Rolle bei der Aktualisierung der Produktionsmethoden und der Hebung des kulturellen Niveaus in den Kolonien.“
http://brasil-alemanha.com/kapitel/19jh/Die-deutsche-Einwanderung-in-Rio-Grande-do-Sul.php
Schon seit ein ganzes Jahr verfolgt mir das Unglükk mit einer Hartnäkigkeit welche Unbeschreiblich ist, und meine armen Eltern, welche meine Stütze so Nöhtig haben, ich thue mein mögliches um Ihnen mit etwas zu unterstützen und was ich mir von meinem eigenen Munde erspaaren muß, so aber schikke ich Ihnen durch den Preußischen Konsul 100 Thaler, mögen Sie es so wehrthvoll annehmen so schwer wie ich es zusammen Gespaart habe, und mögen Sie dieselben gesund …
.. den 8ten April 1846. Die Vorgänge meines Unglükks bis jetzt darfen meine guten Elten nie erfahren, warum soll ich sie noch damit betrüben? warum Ihnen in ihre süße Hoffnung Teuschen, nein im Gegentheil, ich will Ihnen lieber Erfreuen mit eine kleine Stütze. Das bischen Zutrauen, was ich noch bei einigen guten Freunden habe will ich dazu Anwenden um Ihnen ihr dasein zu Erleichtern. Ich habe das feste Zutrauen zum Allmächtigen, daß er meine guten Thaten nie Ohnbelohnt lassen wird. So eben lasse ich Ihnen eine Summe von 100 Thaler zukommen, mein Herz ist voller Freude und Zufriedenheit. Obgleich ich das Geld von einem meiner guten Freunde Gelehnt habe mit Nahmens Luis Hollander, hoffe ich zu Gott das er mir Hülfen wird es bald wieder zurük geben können.
Später wird Joseph einen seiner drei Söhne Louis nennen, vermutlich nach diesem Freund.