avatar

Über Textverdrehungen und Taschenspielertricks

Es ist doch erstaunlich, was ein Nebensatz alles bewirken kann. Insbesondere ein weggelassener.

In einem der ersten Artikel – das darf ich mir zugutehalten – , die sich mit dem Fall Achille Mbembe beschäftigten, schrieb ich – unter vielem anderen – : „Für Mbembe sind ‚das Apartheidsystem in Südafrika und die Vernichtung der Juden in Europa‘ (immerhin gibt er zu, dass der Holocaust stattgefunden hat) ‚zwei emblematische Manifestationen der Fantasie der Ausgrenzung‘. Was an sich schon in seiner Verkennung der besonderen Rolle des Antisemitismus im Christentum, Islam und der Moderne eine Verniedlichung des Judenmords darstellt.“

Ich habe hier exzessiv Einschübe verwendet, weil ein Einschub – wie sich zeigen wird –  bei den Angriffen gegen mich wegen dieses Zitats eine Rolle spielten. Den Anfang machte René Aguigah. In einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur – auch pikant: Deutschlandfunk Kultur interviewt seinen eigenen Ressortleiter für Kultur und Gesellschaft, ohne ihn als solchen kenntlich zu machen, und ohne deutlich zu machen, dass er in diesem Fall Partei ist – sagte Aguigah: „Die Kritiken, die machen sich fest an ein oder zwei einzelnen Stellen aus einem Kapitel eines Buches namens ‚Politik der Feindschaft‘.  Ich zitiere mal einen Satz: ‚Das Apartheidsregime in Südafrika‘, heißt es da bei Mbembe, ‚und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei Manifestationen dieses Trennungswahns.‘ Jetzt verhält es sich so, dass beispielsweise der Kommentator der „Welt“, Posener, diesen Satz zitiert ohne den Einschub. Er behauptet, dass Mbembe behaupten würde, dass Apartheid in Südafrika und die Vernichtung der europäischen Juden im 20. Jahrhundert zweimal das Gleiche machen würden, und behauptet dann eben eine Gleichsetzung, eine Gleichsetzung, die in diesem Satz nicht passiert, weil in diesem Satz bei Mbembe bereits klargestellt wird, dass es sich um zwei unterschiedliche Sachen handelt und die Vernichtung der europäischen Juden in einer anderen Dimension spielt. Das heißt, diese Vorwürfe basieren auch auf seltsamen Lese-Taschenspielertricks oder einem verantwortungslosen Umgang mit Zitaten.“

Wir hatten das hier schon mit dem „Trennungswahn“. Ich will die Kiste nicht noch einmal aufmachen. Ich will nur festhalten, dass ein Ressortleiter eines öffentlich-rechtlichen Senders in seinem eigenen Sender – also ex cathedra – mir einen verantwortungslosen Umgang mit Texten und sogar „Taschenspielertricks“ vorwirft, weil ich einen Einschub weggelassen habe. Zum Einschub kommen wir gleich. Was ist es aber anders als ein verantwortungsloser Umgang mit Texten, wenn Aguigah sagt, ich würde Mbembe aufgrund dieser Textstelle die Aussage unterstellen, „dass Apartheid in Südafrika und die Vernichtung der europäischen Juden im 20. Jahrhundert zweimal das Gleiche machen würden“? Was ich sage, kann jede oben nachlesen, aber ich wiederhole es: Die Behauptung, es handele sich beim Holocaust und um die Apartheid um zwei emblematische Manifestationen des Trennungswahns (mein Mbembe-Zitat ist geringfügig anders, weil ich aus dem französischen Original selbst übersetzt hatte) stelle „in seiner Verkennung der besonderen Rolle des Antisemitismus im Christentum, Islam und der Moderne eine Verniedlichung des Judenmords“ dar. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Jedoch nicht, dass Mbembe geschrieben habe, „Apartheid in Südafrika und die Vernichtung der europäischen Juden im 20. Jahrhundert (würden) zweimal das Gleiche machen“.

So viel zu „Taschenspielertricks“. Trotzdem hat mir Aguigah beim Gespräch mit dem Historiker Michael Wildt über die Affäre Mbembe in Deutschlandfunk Kultur noch einmal wegen dieser Auslassung „Unredlichkeit“ vorgeworfen. Und das, obwohl ich ihm in Vorbereitung des Gesprächs, auf dass es nicht in einen Streit um Textexegese ausartet, ausführlich erklärt habe, was ich meine und nicht meine, gesagt und nicht gesagt habe.

Auch der von mir sehr geschätzte Professor Wildt kramte sein Exemplar von „Politik der Feindschaft“ hervor und fragte mich, warum ich diesen Einschub weggelassen habe. Nach der Sendung schrieb ich ihm eine Mail, aus der ich hier zitiere:

„Ich hatte den Eindruck jedoch, dass ich Ihre Frage, weshalb ich den eingeschobenen Nebensatz Mbembes weggelassen habe, nicht angemessen beantwortet habe. Darauf gibt es eine kurze und eine lange Antwort.

Die kurze: Ich hielt den Nebensatz für salvatorisches Blabla. Deshalb, da mein Text ohnehin zu lang war, strich ich ihn.

Die lange: Das bedauere ich zutiefst. Nicht nur, weil es Apologeten Mbembes die Möglichkeit gibt, mir Textverfälschung oder ‚Unredlichkeit‘ vorzuwerfen. Sondern weil bei näherer Betrachtung der Einschub nicht nur salvatorischen Mumpitz enthält, sondern das Wesen der Mbembe’schen Geschichtsfälschung. Die erste Hälfte – ‚in einem ganz anderen Kontext‘ – ist allerdings tatsächlich Blabla; selbstverständlich ist der ‚Kontext‘ bei der Apartheid und der Judenvernichtung anders. Die zweite Hälfte jedoch verräterisch: ‚in einer ganz anderen Größenordnung‘. Das ist grundfalsch. Der Holocaust war nicht eine viel größere Form der Apartheid, und, was wichtiger ist, die Apartheid nicht eine kleinere Version des Holocausts. Vielmehr handelt es sich um ein nicht quantitativ, sondern qualitativ anderen Vorgang.

Der Holocaust ist sicher mit dem Genozid an den Armeniern und anderen Genoziden vergleichbar in dem Sinne, dass es eben alles Genozide waren, wenn auch keiner den grotesken und zugleich kalten Vernichtungswillen des Holocaust erreichte. Aber die Apartheidspolitik, so abscheulich sie war, war eben nicht genozidal. Die Einebnung des qualitativen Unterschieds, der in der Bemerkung zum Ausdruck kommt, der Unterschied sei einer des Kontextes und der Größenordnung, erlaubt Mbembe dann, die Existenz eines ethnisch begründeten jüdischen Staates für einen Anachronismus zu erklären (Südafrika geht ja einen anderen Weg), und die Abwehrmaßnahmen dieses Staates gegen den arabischen und muslimischen Nationalismus als irgendwie mit dem Holocaust verwandt zu erklären.

Man wirft den Mbembe-Kritikern vor, erstens Vergleiche abzulehnen und zweitens provinziell zu sein. Tatsächlich aber ist es Mbembe, der dem Vergleichen – der Feststellung qualitativer Differenz – ausweicht und die gesamte moderne Geschichte durch die provinzielle Brille der Apartheiderfahrung (‚Trennungswahn‘) erblickt.“

Es versteht sich leider von selbst, dass Aguigah bis heute seinen Vorwurf der Textverdrehung und der Taschenspielertricks nicht zurückgenommen hat. „Love means never having to say you’re sorry“ heißt es bei Erich Segal, was natürlich Unsinn ist. Anscheinend aber stimmt der Satz: „Being on the right side of history means never having to say you’re sorry.”

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

42 Gedanken zu “Über Textverdrehungen und Taschenspielertricks;”

  1. avatar

    In der Tat, ich habe den Überblick verloren, dabei ist es so einfach auf den Punkt zu bringen.

    Mbembe, als Philosoph und Denker, sollte dazu in der Lage sein.
    – Er hat sich missverständlich geäußert, dann stellt er die Unterschiede nachträglich klar.
    – Er wurde missverstanden, auch hier reicht eine einfache Klarstellung.

    In allen anderen Fällen, braucht er nichts klarzustellen, weil sein Schweigen für sich spricht.

    Alles andere ist pseudointellektuelle Selbstbefriedigung.

  2. avatar

    Kritische Anmerkungen zu den Lgen Poseners und seinem Rassismus, sowie zu seiner Begeisterung für den Kolonialismus werden nicht veröffentlicht.

    Andere diffamieren, aber Kritik an seinen Rufmordkamagnen nicht zu veröffentlichen ist einfach feige.

  3. avatar

    Nomen est Omen.
    Herr Posener Sie haben vollkommen Recht.
    Die Taschenspielertricks finden wir auch bei dem European Middle East Project https://eumep.org/people/ . Ein von der Open Society Foundation Ko-finanzierte Taschenspieler BDS Lobby Organisation https://www.ngo-monitor.org/ngos/european-middle-east-project-eumep/ . Die Mogherini Freundin/Beraterin Natalhie Tocci ist mit dabei. Tocci ist auch „zufällig“ Mullahfan. Der Eumep Leiter Martin Konecny ist „nicht für BDS“. tweeted aber Sehr gerne zu dem Thema https://twitter.com/MartinKonecny/status/1262346454917623809?s=20 .
    Er hat auch eine Analyse von 28 EU Märkten gemacht, was israelische Weine betrifft https://twitter.com/MartinKonecny/status/1194298916726022144
    Auch zu Mbembe gibt es einige Tweets https://twitter.com/MartinKonecny/status/1262440983045824513?s=20

    Generell darf man sagen, das die antiisraelische Linke nur mit Textverdrehungen und Taschenspielertricks arbeitet. Egal ob Ben White, Rashid Khalidi oder Marc Lamont Hill. Alle lügen. Der Dlf und DR sowieso. Es geht nur um das Narrativ.

  4. avatar

    Aber lieber Herr Posener… Derjenige, der im Umgang mit Texten nun wirklich ein wenig sorgfältiger sein sollte, bin von uns beiden ganz gewiß nicht ich. Daß ich den Link zu dem von Ihnen gemeinten Interview übersehen habe und damit meine Nachweise zur *anderen* Sendung, wie Sie richtig sagen, „neben der Sache“ sind, ist geschenkt und hat technische Ursachen in der miserablen Farbdarstellung meines Monitors, ändert aber rein gar nichts an der Richtigkeit der anderen Ausführungen: Man braucht als Zuhörer des Vierergesprächs nicht das Vorwissen um die Anbahnung dieser Sendung, denn es geht hier nicht um eine psychologische Herleitung Ihrer Empörung, sondern um das, was in der Sendung selber gesagt worden ist, und da bleibt es bei der Feststellung, daß Herr Aguigah Sie nicht persönlich angegangen ist, wie Sie sich beschwerten, sondern Ihnen einen unsauberen Umgang mit der fraglichen Textstelle vorgehalten hat.
    Ihr dritter Punkt soll den (im Grunde ja beleidigenden) Tweet wohl etwas abschwächen, macht aber genau den gleichen Fehler, den ich in meinem Kommentar ja schon benannt habe: Achille Mbembe *hat* damals keinen irgendwie gearteten Boykott gegen Israel oder israelische Universitäten unterstützt. Sie reden von einem Workshop im Jahre 2007; die erste Petition mit Mbembe als Unterzeichner, die man mit BDS in Verbindung bringen könnte – jene der Universität Johannesburg zur Beendigung der Kooperation mit der Ben Gurion-Universität – datiert auf 2010! Ihr Hinweis darauf, „dass er den von ihm selbst damals befürworteten akademischen Boykott Israels nicht so ernst nimmt“, bleibt also, wenn Sie keine weiteren, schon früher unterzeichneten Petitionen benennen können, gegenstandslos und dient nur der Diffamierung nach dem Motto ‚öffentlich israelische Unis boykottieren wollen, aber dann die Hand aufhalten, wenn er in Tel Aviv ist‘. Zudem ist es für jemanden, der, wie Sie, die Unterstützung der BDS-Bewegung zu einem der Hauptkritikpunkte gegen Herrn Mbembe macht, ein eigenartiger Einwand gegen ihn, daß er es mit dem BDS anscheinend *doch* nicht so ernst nimmt. Wie man’s dreht und wendet, es bleibt ein völlig unsinnger Tweet.
    Was Ihren vierten Punkt angeht, haben Sie falsch gelesen: „Sie [also ich, S. N.] behaupten, Aguigah habe ‚Herrn Mbembe möglichst klare und eindeutige Stellungnahmen zu BDS, Holocaust-Relativierung, Israel-Kritik und Antisemitismus (entlockt).'“ Nein. Ich schrieb, Herr Aguigah habe Herrn Mbembe ausführlich zu Wort kommen lassen, um ihm „möglichst klare und eindeutige Stellungnahmen zu BDS, Holocaust-Relativierung, Israel-Kritik und Antisemitismus zu entlocken.“ Das ist erkennbar etwas anderes: es ging in dem Falle ja gar nicht um Herrn Mbembes Antworten, sondern auf die von Ihnen als unterlassen beanstandeten Interventionen seitens Herrn Aguigahs. Und falls Sie („ist längst nachgewiesen worden…“) diesen gründlichen Vergleich der englischen und deutschen Fassung meinen, der gerade eventuelle redaktionelle Eingriffe Aguigahs je nach ‚Zielpublikum‘ betont – https://twitter.com/KonLex09/status/1254919532554211329 -, sehe ich nicht, inwiefern das meine Überlegung obsolet machen könnte…
    ‚Weniger ist manchmal mehr.‘ Wie wahr! Was hätte aus der Debatte werden können, wenn sich weniger Leute an ihr beteiligt hätten, die Herrn Mbembes Texte nicht gelesen haben oder das Gelesene grob mißverstehen! Es wäre mehr gewesen…
    Aber zu solchen und anderen in der Tat immer konfuseren exegetischen Manövern morgen oder übermorgen mehr. Für den Moment einen schönen Abend…

  5. avatar

    Und genau um dieses Bestreiten geht es. Ich glaube, es gibt und gab eine Reihe menschlicher Gesellschaften, die ohne Städte und „Zivilisation“ zufrieden sind bzw. waren. Sicherlich gab es auch vor der westlichen Kolonisierung Mord, Totschlag, Krieg und andere Ungerechtigkeiten. Zu behaupten, der Kolonialismus habe letztlich den Menschen mehr gebracht als geschadet, erinnert mich irgendwie an die gutmeinenden Kreuzritter.

    1. avatar

      Lieber 68er, ich empfehle dringend die Lektüre des Buches „Gewalt“ von Stephen Pinker, das mit der Mär vom edlen Wilden gründlich aufräumt und zu einem für uns durch das 20. Jahrhundert gebrannte Kinder zu einem sehr überraschenden Ergebnis kommt: Die Gewalt nimmt im Zuge der Zivilisation ab. Und genau das bestreiten Foucault -Schüler*innen aller Couleur wie z.B. Mbembe.

      1. avatar

        Lieber Herr Posener,

        ich behaupte gar nicht, dass damals (d. h. vor der Kolonialisierung) alles besser war. Ich akzeptiere nur nicht die Argumentation, der Zweck heiligt die Mittel.

        Nach meiner Kenntnis, Sie können mich da gerne belehren, waren alle kolonialen „Bewegungen“ auf Ausbeutung ausgelegt und mehr oder weniger rassistisch. Die „Christianisierung“ und die „Islamisierung“ waren bei der Frage des Rassismus in gewisser Weise etwas anders, da sie weniger auf die Rasse schauten und eher mal einen „Neger“ oder „Indianer“ als Menschen anerkannten, wenn man ihn zum Christentum „bekehren“ konnte.

        Wenn die Katholische Kirche heute ihre Tätigkeit in Südamerika so beschönigen würden, wie Sie, Gilley und Frau Zille es beim Kolonialismus tun, würden Sie auf die Barrikaden gehen.

        In Bremen gibt es ein Mahnmal gegen den deutschen Kolonialismus. Sollte es so etwas nicht auch in Portugal, Spanien und England geben?

        Herzliche Grüße

        Ihr 68er

      2. avatar

        Lieber 68er, gestehen wir einander zu, dass das Thema „Kolonialismus“ ein riesiges Feld ist. Es umspannt mindestens 500 Jahre, vielleicht mehr, wenn wir die arabisch-islamischen Eroberungen dazu nehmen; und wenn man gar die alten Imperien – Ägypten, Babylonien, Alexander, Rom – in den Blick nimmt, was ich für unerlässlich halte, dann kommt man zum Ergebnis, dass die Geschichte immer eine Geschichte von Imperien und Kolonien, Zentren und Peripherien, Ausbeutern und Ausgebeuteten, Missionaren und Missionierten, Zivilisierern und Zivilisierten (!) war, und dass unsere Epoche der Nationalstaaten, die gerade zu Ende geht, eine Anomalie ist bzw. war.
        Und da gab’s, flapsig gesagt, so’ne und so’ne. Ich kann das hier nicht abhandeln; aber ich bin auch zu stolz, mir Ruhe zu erkaufen, indem ich auf die Fragen der neuen Inquisitoren ein Bekenntnis zum neuen Glauben abgebe.
        Ein Einstieg in die Diskussion wäre, wie gesagt, mein Buch „Imperium der Zukunft“, in dem ich zu zeigen versuche, (a) dass die EU ein Imperium sei, und (b) dass das nicht nur kritisch zu sehen ist.

        Nur, weil Sie fragen: „Wenn die Katholische Kirche heute ihre Tätigkeit in Südamerika so beschönigen würden, wie Sie, Gilley und Frau Zille es beim Kolonialismus tun, würden Sie auf die Barrikaden gehen.“ In der Tat. Und in in diesem Beitrag für die „Frankfurter Rundschau“ habe ich Benedikt XVI genau deshalb kritisiert:
        https://www.fr.de/panorama/anmassende-papst-11538450.html

        Jetzt könnten Sie sagen: „Ach so, die Briten dürfen das, die Spanier nicht. Wie verlogen.“ Aber wenn ich, wie Gilley und Frau Zille, die zivilisatorischen Leistungen des Empire lobe, dann rede ich nicht von der Zeit um 1500, sondern vom 19. Jahrhundert. Und, ja, so sehr ich mich für den Sklavenhandel schäme, so stolz bin ich, dass das britische Parlament 1807 den Sklavenhandel verbot und 1833 schließlich im gesamten Empire abschaffte, also lange vor den USA; aber ich bin auch stolz darauf, dass die USA einen blutigen Bürgerkrieg focht, um die Sklaverei abzuschaffen. Das ist ja meine Überzeugung: dass Menschen lernen können. Und dass ich Menschen deshalb aus ihrer Zeit heraus beurteilen muss.
        Was Denkmäler angeht: als ich neulich in Manchester war, unternahm ich selbstverständlich eine Pilgerschaft zur Kathedrale:
        http://revealinghistories.org......ester.html

        Wenn es Orte und Menschen in Deutschland gibt, derer in dieser Weise gedacht werden sollte, wäre ich dafür, sie zu ehren. Etwa Matthias Erzberger von der Zentrumspartei, der die Gräuel gegen die Herero im Reichstag anprangerte und dafür in der „Hottentottenwahl“ 1907 als „Vaterlandsverräter“ abgestempelt wurde.
        https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag5752.html
        Für mich ist der Katholik Erzberger ebenso wie August Bebel ein Held, obwohl beide nicht prinzipiell gegen Kolonien waren und Dinge sagten, die wir heute nicht unterschreiben können.
        Herzlich
        Ihr
        apo

      3. avatar

        Lieber Herr Posener,

        bei Matthias Erzberger rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich mache seit über zehn Jahren regelmäßig Urlaub im Lautertal. Dort leben noch heute viele Erzbergers. In Buttenhausen gibt es auch ein sehr schönes kleines Matthias Erzberger Museum, sehr zu empfehlen und sogar ein kleines Jüdisches Museum.

        Eine sehr interessante Gegend, in Bichishausen, ein paar Kilometer südlich liegt die ehemalige Grenze zwischen Fürstenberg und Württemberg. Nicht nur eine politische, sondern auch auch eine religiöse Grenze, die noch bis in Ihre Generation hinein zu tragischen und auch lustigen Schicksalen geführt hat. Unsere Wirtin erzählt solche Geschichten gerne.

        Und die Lauter rauf in Grafeneck bei Gomadingen wurden mit die ersten Menschen von den Nazis im Rahmen ihres „Euthanasieprogramms“ ermordet und dabei die ersten Gaskammern – damals noch mit Kohlenmonoxyd – benutzt. Insgesamt wurden ca. 11.000 Behinderte ermordet. Das alles begann sogar noch einige Monate vor Auschwitz.

        Matthias Erzbergers Familie kam aus Gundelfingen, da heissen heute noch einige Familien so. Seine Mutter war eine geborene Flad und den Fladhof auf der Hochebene gibt es heute noch, da kann man Ferien auf dem Bauernhof machen.

        Für mich eine der schönsten Ecken in Deutschland.

        Herzliche Grüße

        Ihr 68er

      4. avatar

        Danke für die touristischen Tipps. Und für den Hinweis auf das „Euthanasie“-Programm der Nazis. Götz Aly hat darüber sehr eindringlich geschrieben. Tatsächlich versteht man den Holocaust nicht, ohne dieses Programm zu verstehen. (Weites Feld.) Und wenn ich bei Ihnen mit Erzberger offene Türen einrenne (wodurch Sie sich angenehm von 99.9% der damaligen 68er unterscheiden): Wie ist es mit ihm hier:
        https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-bischof-von-galen-euthanasie-100.html
        Einer meiner Helden, der zugleich zeigt, was möglich gewesen wäre, wenn …

      5. avatar

        APo; ‚… und dass unsere Epoche der Nationalstaaten, die gerade zu Ende geht, eine Anomalie ist bzw. war.‘

        … von Grundgesetz über das Selbstbestimmungsrecht der Völker bis hin zu Israel. Mit Ihrer Meinung, schlimmer Ihrem tun, werter APo, ist Ihr Engagement für Israel unglaubwürdig. Sorry.

      6. avatar

        Nein, lieber blonder Hans, es gibt halt Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten in der Realität, die sich auch im Denken abbilden müssen. Israel gehört nicht in die EU. Und der Nationalismus der arabischen Staaten ist dem postnationalen Islamismus vorzuziehen. Wer sagt aber, dass es in 50 Jahren nicht ganz anders aussehen könnte? So hat Schimon Peres in der Vergangenheit wiederholt eine Föderation zwischen Israel, der Westbank und Gaza vorgeschlagen.

    2. avatar

      „Ich glaube, es gibt und gab eine Reihe menschlicher Gesellschaften, die ohne Städte und “Zivilisation” zufrieden sind bzw. waren.“

      DAS Argument kannte ich bisher nur von Verteidigern der Südstaaten-Sklaverei vor dem US- amerikanischen Bürgerkrieg. Klar sind Leute immer zufrieden mit dem, was sie haben, wenn sie nichts beseres kennen bzw. die Alternative jenseits jeder menschlichen Zugriffsmöglichkeit ist.

      „Sicherlich gab es auch vor der westlichen Kolonisierung Mord, Totschlag, Krieg und andere Ungerechtigkeiten. “

      Massive Verharmlosung der Weltgeschichte …

      „Zu behaupten, der Kolonialismus habe letztlich den Menschen mehr gebracht als geschadet …“

      Den direkt davon betroffenen Generationen? Ziemlich sicher mehrheitlich eher nicht. Heutigen Generationen? Ziemlich sicher mehrheitlich deutlich.

      Mann, dass man heutzutage einem Linken Dialektik nahebringen muss :-).

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  6. avatar

    Den Kolonialismus zu loben, weil er die Schlafkrankheit vernichtete, ist genauso wie die Nazis zu loben wegen der Autobahnen.
    Soviel zu ihrer Persönlichkeit und ihrem Mitwirken an der Rufmordkamagne gegen Achille Mbembe.
    Bei der Diffamierung von dunkelhäutigen Menschen sind sie sehr schnell, aber selbst beleidigt, wenn man sie darauf hinweist, dass sie ganz bewusst Zitate verfälscht haben, um eine Rufmordkampagne zu füttern

    1. avatar

      Ja, Klaus Meier: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, erstens. Und zweitens habe ich noch nie einen „dunkelhäutigen Menschen“ diffamiert. Geschweige denn „dunkelhäutige Menschen“, Plural. Beispiele? Eben. Es gibt drittens keine „Rufmordkampagne“ gegen Mbembe. Und viertens, wie ich in diesem Beitrag umständlich nachweise, habe ich keine Zitate gefälscht.
      Aber ansonsten haben Sie natürlich Recht.

    2. avatar

      @Klaus Meier
      Kolonialismus ist nicht gleich Nationalsozialismus und schon gar nicht gleich Nationalsozialismus in Deutschland ’33-’45. Ich dachte, zu soviel Erkenntnis und Differenzierung wären wir schon gekommen. Übrigens eine uralte Argumentationslinie, anno 1960 ff:“Unsere ‚Befreier‘ (stets war das ironische Chiffre für die USA) haben ja auch die Indianer ausgerottet.“
      Ich bitte um Verständnis dafür, dass Thesen, die derartiges insinuieren, ungelesen bleiben.

  7. avatar

    Da habe ich Sie so vorbehaltlos loben können für Ihren schönen Kommentar in der ‚Welt‘ zur diskutierten Streichung des ‚Rasse‘-Begriffs im Grundgesetz – und dann kommen Sie mit einem solchen Schmarrn daher… Es ist manchmal zum Verzweifeln mit Ihnen!
    Das fängt schon damit an, daß die im DLF übertragene Diskussion, die ich mit großem Interesse verfolgt habe, doch eigentlich überraschend versöhnlich ausgeklungen ist – die Moderatorin der Runde, Susanne Führer, sogar (und wohl nur halb im Scherz) in Aussicht gestellt hat, in gleicher Besetzung in zwei Monaten erneut zu debattieren und das Gespräch da wieder aufzunehmen, wo es diesesmal geendet ist… : warum nur, lieber Alan Posener, müssen Sie nun auf eine Weise nachtreten (und dadurch die ins Auge gefaßte Fortsetzung unnötig belasten), die Herrn Aguigah im Nachhinein noch recht gibt?!?
    Alleine die faktischen Fehler, die Ihren Eintrag mehr oder weniger zu einem einzigen Desaster machen! So schreiben Sie z.B.: „pikant: Deutschlandfunk Kultur interviewt seinen eigenen Ressortleiter für Kultur und Gesellschaft, ohne ihn als solchen kenntlich zu machen, und ohne deutlich zu machen, dass er in diesem Fall Partei ist.“ – Das ist falsch: Zum einen steht es in der schriftlichen Ankündigung der Rundfunksendung eindeutig so zu lesen bei der Vorstellung der Diskutanden – „Auch René Aguigah, Ressortleiter im Deutschlandfunk Kultur, betont die Notwendigkeit des Zuhörens…“ -, die wohl jeder prospektive Hörer zumindest überfliegen wird, um zu wissen, was denn da überhaupt ausgestrahlt werden soll; zum andern wird Herr Aguigah von Frau Führer zunächst als „mein Kollege“ vorgestellt – daß er für den Deutschlandfunk arbeitet, ist also unmittelbar klar -, um, nach einem Cut und erneuter Vorstellung der Beteiligten, noch einmal als „mein Kollege René Aguigah, Leiter des Ressorts ‚Literatur, Philosophie und Religion‘ hier im Deutschlandfunk Kultur“ eingeführt zu werden (ab Min. 25.35)… Es ist eigentlich lächerlich, auf solchen völlig belanglosen Details bestehen zu müssen, aber es sind *Sie*, der Sie immer wieder mit – wie sagten Sie doch gleich (gegen Herrn Mbembe gerichtet) in Ihrem Blogeintrag ‚Vergleich ist nicht gleich Vergleich‘? – „Unterstellungen und Insinuation“ daherkommen, um Andere in ein schlechtes Licht zu rücken! – Und was soll denn überhaupt heißen, der DLF-Journalist sei ‚Partei‘ oder werfe Ihnen „in seinem eigenen Sender – also ex cathedra“ etwas vor? Ich konnte beim Zuhören nicht das geringste Anzeichen dafür entdecken, daß Frau Führer ihren Kollegen in irgendeiner Weise Ihnen oder Herrn Wildt vorgezogen hätte, im Gegenteil: über mangelnde Redezeit in dieser Sendung können gerade Sie sich doch nun wirklich nicht beschweren!
    Er hat Ihnen – auch dies für jeden mitdenkenden Zuhörer ohne Weiteres zu erkennen – auch keineswegs Unredlichkeit vorgeworfen; ich transkribiere rasch (ab ablaufender Min. 33:07; meine Transkription setzt bei Min. 32:37 ein): „Da Sie, Herr Posener, gerade darauf verwiesen haben, daß Sie mal Deutschlehrer gewesen sind: wir *alle* wissen, wo der Hauptsatz [des leidigen Mbembe-Zitats] ist; aber wir alle – Sie offenbar nicht…? – würden diesen Einschub wegzulassen [also: „in ganz anderer Größenordnung“ etc.] für unredlich halten… – also ich jedenfalls halte es für unredlich und keinen angemessenen Umgang mit diesem Satz…“ An dieser Stelle gehen Sie dazwischen und werfen Herrn Aguigah vor persönlich zu werden, und auch da muß ich nüchtern feststellen: nein, das stimmt so eben nicht, da es ausdrücklich nicht um Sie als Person, sondern um den Umgang mit Texten geht – wie er auf Ihren Einwurf hin auch erläutert (ab Min. 31:54): „Ich präzisiere das: ich habe *keine* Aussage über Sie ingesamt als Person treffen wollen, sondern worüber ich gerade gesprochen habe, das bezieht sich auf *Ihren* konkreten Umgang in dieser Situation mit diesem einen Zitat“.
    Ich muß gestehen, Ihre Neigung, sehr empfindlich auf Kritik zu reagieren, die Sie für als persönlich gemeint auffassen, will auch nicht so recht zu der irritierend leichtfertigen Art passen, mit der Sie – gerade im Falle Achille Mbembes – sich für keine Unterstellung zu schade sind (in diesem Blog beispielsweise durch Ihre nur noch abwegige Vermutung, es handele sich bei dem Einschub um „salvatorisches Blabla“; ich komme noch darauf zurück)! Erinnert sei auch an Ihren Tweet vom 29. Mai, den ich der Einfachheit halber mal zur Gänze zitiere: „Achille Mbembe attended a Workshop organized by Tel Aviv University in 2007. According to BDS, TAU is „a leading Israeli military research center“. What do you call s.o. who boycotts Israeli academics in South Africa but lets himself be invited & paid by TAU? A hypocrite?“ Mal abgesehen von dem inhaltlich völlig idiotischen Vorwurf – warum sollte Herr Mbembe denn *nicht* an dem Workshop teilgenommen haben, wo er doch zu diesem Zeitpunkt keine einzige BDS-nahe Petition unterzeichnet hatte, die ihn daran hätte hindern sollen? Jetzt machen Sie Herrn Mbembe schon zum Vorwurf, daß er sich *nicht* wie ein BDS-Anhänger verhält; es wird immer schlimmer… – und mal abgesehen davon, daß Sie keine Ahnung davon haben können, unter welchen Umständen und zu welchen Konditionen er in Tel Aviv gewesen ist, es also wieder mal eine reine Unterstellung ist, er lasse sich doppelgesichtig ‚einladen und bezahlen‘, ist die Überlegung, die Sie anregen – ‚a hypocrite?‘ – wohl schwerlich anders als persönlich gemeint zu lesen! Das ist doch völlig unter Niveau! Wenn Sie – zu Recht – Fairness erwarten, dann verhalten Sie sich bitte auch so, daß Andere nicht über mangelnde Fairness *Ihrerseits* zu klagen hätten.
    Ich verweise auch mal auf Ihre knappen, an verfälschender Interpretation schwerlich noch zu überbietenden Einlassungen auf das von mir verlinkte Mbembe-Interview (im Kommentarbereich Ihres Blogeintrags ‚Vergleich ist nicht gleich Vergleich‘, 24. Mai, 13.22 Uhr), deren letzte ausläuft in die Behauptung: „das ist purer Antisemitismus, und René Aguigah, immerhin Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur, interveniert nicht … ekelhaft.“ (Ich nehme mal zu Ihren Gunsten an, das ‚ekelhaft‘ beziehe sich auf den Antisemitismus und nicht auf Herrn Aguigah; den Sie wiederum nur auf Verdacht hin beschuldigen nicht interveniert zu haben: der transkribierte Text ist ausdrücklich als „an edited excerpt of an interview“ gekennzeichnet, wie das Interview tatsächlich verlaufen ist, nur aus dem Text also gar nicht zu erschließen. Daß Herr Aguigah denjenigen ausführlich zu Wort kommen läßt, um den es in der Debatte ja angeblich geht, ist nur sinnvoll, wie denn umgekehrt seine Fragen doch recht insistierend gestellt sind, um Herrn Mbembe möglichst klare und eindeutige Stellungnahmen zu BDS, Holocaust-Relativierung, Israel-Kritik und Antisemitismus zu entlocken.) Wer mit derartiger Freude gegen Andere schießt, will schon gar nicht mehr diskutieren und nur noch aburteilen und verletzen…

    Nun ist die Zeit schon wieder so verflogen und zu Ihren stets kruder werdenden exegetischen Manövern noch gar nichts gesagt; nun: werde ich es mir für die nächsten Tage vornehmen, denn auch in dieser Hinsicht hat mich die Lektüre einigermaßen resigniert und verärgert zurückgelassen…

    Soll mich nicht hindern, Ihnen freundliche Grüße zuzusenden, denn es bleibt natürlich dabei, daß es hier eigentlich um die Sache und nicht um Personen gehen sollte.

    1. avatar

      So viel Falsches, lieber Stefan Nottelmann, und das Meiste, weil Sie nicht sauber lesen:
      1. “Pikant: Deutschlandfunk Kultur interviewt seinen eigenen Ressortleiter für Kultur und Gesellschaft, ohne ihn als solchen kenntlich zu machen, und ohne deutlich zu machen, dass er in diesem Fall Partei ist.” Alles, was von Ihrer Seite dazu folgt, ist neben der Sache, weil ich mich nicht auf das Gespräch mit Wildt und Fuhrer beziehe, sondern, wie aus dem Link hervorgeht, auf ein Interview Aguigahs mit Ute Welty vom 20. April.
      2. Und weil es dieses Interview gegeben hatte, und weil ich mich darüber empört habe – öffentlich, auf Twitter, und inmehreren Telefongesprächen mit Aguigah – kam es zu diesem Vierer-Gespräch. Ohne diese Vorgeschichte, die ich aber in dem Beitrag hier skizziere, können Sie meine Empörung über das Adverb bzw. Adjektiv „unredlich“ nicht verstehen. Zumal ich die Diskussion mit einem Beitrag einleitete, in dem ich versuchte, die Frage der Textexegese dieser vermaledeiten Stelle im Interesse einer sachlichen Diskussion hinter uns zu lassen
      3. Mbembe unterstellte seinen Kritikern Rassismus. Der Hinweis darauf, dass er den von ihm selbst damals befürworteten akademischen Boykott Israels nicht so ernst nimmt, ist eine zugegeben billige Retourkutsche, aber mehr nicht. Was die Frage angeht, wer für die Veranstaltung bezahlt hat, so gehe ich aus eigener Erfahrung (und Sie werden das ebenso wissen, da Sie Akademiker sind) davon aus, dass die einladende Institution die Unkosten der Teilnehmer*innen begleicht und ihren Aufwand entlohnt. Mehr sage ich ja nicht.
      4. Aguigahs „Interview“ mit Mbembe wiederum ist – das ist längst nachgewiesen worden, und Sie können es bei Axel Feuerherdt oder MENA, glaube ich, finden (mir ist es zu blöd, jetzt auch noch den Link für Sie auszugraben) – im Wesentlichen ein Zusammenschnitt aus einem Artikel Mbembes, den Aguigah mit Zwischenfragen versehen hat. Wie er mir selbst sagte, hat er diese Fassung Mbembe zur Autorisierung vorgelegt, wie es guter journalistischer Brauch ist. (Allerdings versteht Mbembe kein Deutsch. Ich weiß nicht, wie der Prozess der Autorisierung verlief.) Aguigah hat aber selbst nie behauptet, andere Frage gestellt zuhaben als die, die im Interview erscheinen. Sie behaupten, Aguigah habe „Herrn Mbembe möglichst klare und eindeutige Stellungnahmen zu BDS, Holocaust-Relativierung, Israel-Kritik und Antisemitismus (entlockt).“ Sie sind weder klar noch eindeutig, und sie sind zum Teil gelogen. Das habe ich anderswo ausführlich dargelegt, und auch da muss ich Sie auffordern, Ihre Hausaufgaben zu machen, bevor Sie hier das große Wort schwingen.
      So viel also zu „stets kruder werdenden exegetischen Manövern“.
      Merke: Weniger ist manchmal mehr.
      Beste Grüße

  8. avatar

    Hallo Herr Posener,

    ich hatte Ihren Text so verstanden, als sei der Einschub mit den „Größenordnung“ Ihre Übersetzung aus dem Französischen. Mein Fehler.

    So wie ich es jetzt verstehe, steht weder im englischen noch im französischen Text etwas davon.

    Es ist also nicht Ihre Schuld.

    Der Satz:

    „Die zweite Hälfte jedoch verräterisch: ‚in einer ganz anderen Größenordnung‘. Das ist grundfalsch. Der Holocaust war nicht eine viel größere Form der Apartheid, und, was wichtiger ist, die Apartheid nicht eine kleinere Version des Holocausts. Vielmehr handelt es sich um ein nicht quantitativ, sondern qualitativ anderen Vorgang.“

    Ist allenfalls verräterisch für den Übersetzer.

    Auch wenn der Einschub in seiner deutschen Form von Aguigah eingeführt wurde, wird Ihre Arugementation aus meiner Sicht ein wenig dünn, zumal Sie die französische und englischen Textversionen kannten.

    Es hat mich übrigens mehr als eine vergebliche Stunde „gekostet“, den französischen Originaltext zu suchen. Das Vorwort habe ich irgendwann gefunden.

    Mit besten Grüßen

    Ihr 68er

    1. avatar

      Kleiner Tipp zum suchen: wenn Sie bei Google genügend Stichworte eingeben, finden Sie meistens die Stelle in Google Books.
      Es freut mich, dass wir zur Sachlichkeit zurückkehren.
      Es stimmt, dass ich mich mit der „Größenordnung“ auseinandersetze, obwohl die gar nicht von Mbembe stammt. Aber nur, weil mir vorgeworfen wurde, ihn wegzulassen, und weil behauptet wurde, dieser Einschub entkräfte meine Kritik. Vielleicht wäre es schlauer gewesen zu sagen, ich ließ ihn weg, weil es sich um eine fehlerhafte Übersetzung handelt, aber das war ja nicht der Grund, wie ich an Michael Wildt geschrieben habe.
      Im Übrigen bin ich die Exegese dieser einzigen Textstelle herzlich leid. Wäre diese Stelle die einzige kritische in Mbembes Werk, ich würde sagen. Sei’s drum, Schwamm drüber. Aber ich denke, dass mittlerweile klar ist, dass Mbembe an ziemlich vielen Stellen Israel dämonisiert; das ist eigentlich das Problematische, nicht seine Relativierung des Holocausts.

  9. avatar

    @68er
    Nein, es ist nicht alles falsch, nur weil Mbembe es geschrieben hat. Ich muss zugeben, dass ich an einigen Stellen nicht mal die Zusammenfassung verstehe, weil ich nicht nur Mbembe, sondern auch Foucault nicht wirklich gelesen habe. Meine Kritik ist oberflächlich. Ich lasse mich gerne belehren.

    „auch eine Trennung und Herabwertung sozialer Schichten und Gesellschaften kritisiert und diese im übertragen Sinn als “Nigger” der modernen Gesellschaft und Welt erkennt. Was ist daran falsch?“

    Nichts. Das ist es ja. Die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen – der Gedanke ist 150 Jahre alt. Es gibt ganze Wälzer über diese Sichtweise der Historie.
    Gehen wir noch weiter: https://www.mpg.de/13976900/1009-wisy-052382-social-inequality-in-bronze-age-households
    Auch die Trennung ist so richtig alt.
    Ich will nicht behaupten, dass da nichts ist, weil ich nichts sehe. Aber bei allen Beispielen frage ich mich ständig, was den das Neue am Kolonialismus gewesen sein soll – ich vermag einfach nichts zu entdecken. Der „Nigger“ war in Europa 1000 Jahre der Slawe, es gibt eine Forschung, die das Wort Sklave von Slawe ableitet. Die griechischen Kolonien sind 2500 Jahre alt und Athen war das Musterbeispiel einer Trennung.

    Was den Punkt Israel angeht: Die Geschichte der arabischen Welt ist eine Geschichte der Sklaverei und der sozialen Trennungen. Bald ist Fußball WM in Qatar. Auf den Philippinen gibt es Hilfsvereine für vergewaltigte Dienstmädchen aus den Golfmonarchien. Man muss überhaupt nicht in das heutige Israel etwas hineinphilosophieren, die Region ist voll von evidenten widerlichen Zuständen. Die übelsten Figuren dort sind unsere besten Freunde und Verbündeten. Nachdem Saudis in die Twins flogen, besetzten wir Afghanistan und den Irak und töteten in 6-stelliger Zahl irgendjemanden. Manche sind halt gleicher als die anderen und das hat viel mit Bimbes zu tun. Das macht die mission civilisatrice im besten Fall zum kalten Kaffee und unsere Projekte dort zu einem Witz ihrer selbst, zugegeben. Aber das alles ist weder durch den Kolonialismus entstanden, noch ist Israel die treibende Kraft der dortigen Klassenkämpfe. Alle Erklärung minus Israel, führen zum gleichen Ergebnis und sind viel plastischer und treffender. Wer braucht den argumentativen Schlenker über den Staat der Juden?

    @Haupts

    „Gegen die Tatsache, dass Subsahara-Schwarzafrika vor dem Kolonialismus keine eigene Zivilisation hervorgebracht hat, helfen auch keine postkolonialen Studien. Damit sitzen die Subsahara-Afrikaner historisch im exakt selben Boot, wie ehemals Germanen, Kelten und Slawen.“

    Nicht ganz und das fehlt mir halt. Es gab Simbabve. Es gab Zivilisationen in Subsahara und die waren das Spielfeld arabischer Sklavenhändler, was zu ihrem Niedergang führte. Bevor die ersten Europäer dort Sklaven kauften, wurde diese Gegend schon 1000 Jahre terrorisiert. Deswegen wurde es nichts mit der „Zivilisation“. Nicht weil denen das nicht eingefallen wäre, sondern weil es eine Frahe des überlebens war, keine urbanen Zentren zu bilden. Die Degradierung zum Jagdgebiet, der Rassismus gegen die Einwohner, kam mit der arabischen Hochkultur. Das entlastet niemanden, schon gar nicht die Europäer, sicher. Nur fehlt eben in der historischen Bewertung die Historie, zB die Geschichte des Königreichs Mali.
    “It is therefore correct that every European, in what he could say about the Orient, was consequently a racist, an imperialist, and almost totally ethnocentric.”
    Sowas von einem arabischen Gelehrten zu hören macht mich ehrlich lachen.

    1. avatar

      „Es gab Zivilisationen in Subsahara …“

      Das ist genau das, was ich bezweifle, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Zivilisationen in nicht nur meiner Definition können sich überhaupt nur um einen Kern grösserer, beständiger und dauerhafter Städte entwickeln, zumindest ist das eine historisch sehr plausible Schlussfolgerung aus der Entwicklung so disparater Völker wie der Mayas, der Han-Chinesen, der Sumerer oder der Harappa-Völker im heutigen Indien/Pakistan.

      Und mir ist tatsächlich keine grössere Stadt bekannt, die man in Subsahara-Afrika ausgegraben oder auch nur in mündlich tradierten Legenden gefunden hat. Die grösste Statd des Königreichs Mali war eine Ansammlung zweistöckiger Lehmbauten, das Königreich selbst ist ohne Ausseneinwirkung zugrunde gegeangen.

      Die einzige echte Zivilisation (mit Priestertum, Bürokratie, Justiz, Schriftgelehrten etc.) ausserhalb der ägyptischen, von der ich weiss, entstand im heutighen Äthiopien (Aksum) und war zumindest in Teilen das Produkt eines aus Arabien ausgewanderten Stammes.

      Wie gesagt, sofern es Belege dafür gibt, dass afrikanische Zivilisationen von arabischen oder europäischen Mächten vernichtet wurden, würde ich dafür gerne die Belege sehen (für Indien ist das unstreitig der Fall).

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      1. avatar

        Geehrter Herr Posener, danke für den Link. Meine verd* Erinnerung ist auch nicht mehr, was sie mal war – an sich kannte ich die Funde.
        Max. 18.000 Einwohner und mit harten Steinen statt mit Metallwerkzeugen behauene Stadtmauersteine (!) sprechen verglichen mit z.B. Theben oder Babylon noch immer nicht für eine entwickelte Zivilisation, aber ein Anfang war offenbar doch gemacht.
        Der Wikipedia-Artikel sagt darüberhinaus, dass es die umfangreichsten Steinbauten Subsahara-Afrikas waren, die man bis heute gefunden hat.

        Und offenbar sind weder Gross-Simbabwe noch Mali durch arabische Sklavenhändler oder europäische Kolonialmächte untergegangen. Als die Europäer anrückten, waren beide bereits Geschichte. Damit bleibt es für mich dabei – ohne Kolonialismus hätten Subsahara-Afrikaner heute weder die philosophischen noch sprachlichen noch technischen Mittel, postkoloniale Studien zu betreiben …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

      2. avatar

        Herr Posener,

        das was Flaig das sagt, passt doch hinten und vorne nicht zu Ihren Aussagen. In den Städten Nordeuropas herrschte ja gar keine Kolonialisierung. Allenfalls könnte man sagen, dass in bestimmten sozialen Konstellationen Separierung eher zur Angleichung bzw. Akzeptanz verschiedener „Rassen“ und zur Akzeptanz des Gegenüber als Gleichwertigen führt als zur Eskalation. Wobei ich auch daran nicht wirklich glaube. Ich denke eher, dass viele Systeme dann eine soziale Separierung vornehmen oder eine „Kompensation“ z. B. durch Kriege bzw. Expansion. Europa war da vielleicht in der Zeit zwischen 1957 und 2006 vielleicht eine Ausnahme. Und einige sozialdemokratisch orientierte blockfreie Länder.

        Mal so als These in den Raum gestellt.

        Beste Grüße und jetzt muss ich wirklich an die Arbeit!

        Ihr 68er

      3. avatar

        „ohne Kolonialismus hätten Subsahara-Afrikaner heute weder die philosophischen noch sprachlichen noch technischen Mittel, postkoloniale Studien zu betreiben…“ – Jein.
        Einerseits haben Sie recht; der Kolonialismus hat dazu geführt, daß diese Länder einen gewaltigen Schub an Alphabetisierung, staatlicher Verwaltung, Infrastruktur und Kenntnissen zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes erhalten haben.
        Andererseits: Das ist genau das, was heutzutage Gegenstand einer fortschrittlichen Entwicklungshilfe ist. Es ist also fraglich, ob es des Kolonialismus‘ dazu tatsächlich bedurft hätte. Das einzige, was man dem Kolonialismus zugute halten kann, ist, daß er der Sklaverei letztendlich den Garaus gemacht hat – nicht allein, weil die Sklaverei bei den Kolonialmächten selbst nicht mehr en vogue war, sondern vor allem, um einen unkontrollierten Abfluß der Arbeitskräfte zu verhindern. Andererseits ist auch das etwas, was Gesellschaften ab einem bestimmten Grad an Entwicklung von sich aus verhindern können – wenn sie es denn wollen.

      4. avatar

        Lieber Opa krempel, Sie scheinen anzunehmen, dass alle Gesellschaften sich von sich aus entwickeln, und zwar in „unsere“ Richtung. Das wird aber von der Soziologie bestritten, die sich zunehmend frage, wieso wir „WEIRD“ sind: Westernized, Educated, Industrialized, Rich, Democratic. Die Antwort des Postkolonialismus, dass wir dies auf dem Rücken der Afrikaner geworden seien, ist offenkundig falsch, denn der arabische Sklavenhandel hat den Arabern ja nicht zu dieser Entwicklung verholfen, und der Sklavenhandel stand der Industrialisierung im Weg. (Um nur zwei Gegenargument zu nennen.) Vor allem: Warum konnten die Europäer die Welt unterwerfen? Warum waren es nicht die Afrikaner oder eben die Araber, nicht die Inder oder Chinesen? Zum Teil waren es Zufälle: Die Europäer lebten mit ihrem Nutzvieh und waren gegen bestimmte Viren immun, die sie bei der „Entdeckung“ Südamerikas mitbrachten, was die indogenen Gesellschaften schwächte und zerstörte; zum Teil aber bestimmte historische Eigenarten. Zum Beispiel die strikten Ehegesetze der katholischen Kirche:
        https://www.economist.com/graphic-detail/2019/11/23/medieval-catholicism-nudged-europe-towards-democracy-and-development

        Es versteht sich von selbst, dass „postkoloniale“ Theorien von alledem nichts wissen und wissen wollen.

      5. avatar

        @Opa Krempel:

        Ich empfehle einen Blick in Ian Wests „Why the West rules – for now“ oder Niall Fergusons „Civilization“. Erhellend zu dem Thema auch David Landes, „The Wealth and Poverty of Nations: Why Some Are So Rich and Some So Poor“.

        Da werden diese Fragen umfassend und erkenntnisreich behandelt. Eine ausführliche Antwort würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, daher die Buchempfehlungen.

        Eines ist historisch jedenfalls ziemlich gut gesichert – Sklavenwirtschaft stand dem (Massen)Wohlstand eher im Wege, als dass er ihn gefördert hätte. Einer der Gründe für die Stagnation beim Aufstieg des alten Rom, das technisch schon etwa da war, wo Europa erst im grob 16. Jahrhundert wieder ankam. Es ist eine historisch völlig beleglose Legende, Europa verdanke seinen Aufstieg dem Kolonialismus und der Sklaverei. Sie ist nur in bestimmten Kreisen wirkungsmächtig.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

  10. avatar

    Hallo Herr Posener,

    ich habe jetzt mal das Vorwort von Mbembe, in dem er über Israel und Paälstina schreibt, gelesen und hätte Verständnis dafür, wenn sie ihn dafür kritisieren würden. Aber nicht alles, was er da schreibt, ist falsch, er ergreift Partei und das schießt, wie man auch bei Ihnen öfters bemerken kann, manchmal über das Ziel hinaus.

    Ich habe aber auch etwas mehr über Ihre Relativierungen des Kolonialismus gelesen und bin einigermaßen entsetzt. Als Sie darüber hier 2017 geschrieben hatten, habe ich das nicht mitbekommen. Die Bekämpfung der afrikanischen Schlafkrankheit zu loben, die soweit ich lesen konnte, durch Menschenversuche des deutschen Mediziners Werner von Raven an indigenen Einwohnern Togos erprobt wurde, finde ich mehr als grenzwertig. Wollen Sie demnächst die Nazis dafür loben, dass die Menscheit auf den Mond fliegen konnte? Sicherlich nicht.

    Sie versuchen darauh hinzuweisen, dass der Kolonialismus der anderen Staaten nicht eliminatorisch gewesen sei. Das mag grundsätzlich richtig sein, aber es gabe auch in britischen Kolonien nicht unbeachtliche eugenische Bestrebungen. Wobei diese sich z. B. nicht gegen die Ureinwohner Australiens und Neuseelands richteten, da diese nicht als Bedrohung empfunden wurden sonder gegen asiatische Einwanderer.

    Auch gab es in Afrika eugenische Bestrebungen, z. B. in Kenia.

    Das perfide dabei ist, und ich habe heute auch einiges über die Menschenversuche der Nazis gelesen, dass all die Leute den festen Glaube hatten, ihr Handeln sei wissenschaftlich in Ordnung. Das Buch des furchtbaren Mediziners Eugen Fischer „Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ war international anerkannt, wurde ins Englische übersetzt und und wurde bis in die 60er Jahre als Standardwerk der Antropologie in der Lehre genutzt.

    Dass Frau Zille die Errungenschaften der Kolonisation gelobt hat, habe ich auch gerade erst gelesen. Jetzt sollen die Menschen sich doch einmal freuen, dass man ihnen Straßen geschenkt hat, auf denen man sie früher in die Diamanten- und sonstigen Minen gebracht hat und auf denen man auch die geraubten Rohstoffe aus dem Land geschafft hat. Aber immer auf der Seite der Menschenrechte!?

    Dank ihrer kruden Thesen habe ich auch etwas mehr von Mbembe gelesen und ich muss sagen, dass ich positiv überrascht bin, dass er bei seiner Analyse und Definition von Trennungen sich nicht auf ethnische Trennungen beschränkt, sondern – wie ich schon bei Bolsonaro und Trump angemerkt habe – auch eine Trennung und Herabwertung sozialer Schichten und Gesellschaften kritisiert und diese im übertragen Sinn als „Nigger“ der modernen Gesellschaft und Welt erkennt. Was ist daran falsch?

    Falls Sie die Zeit haben, auf meine Argumente einzugehen, wundern Sie sich bitte nicht, wenn ich nicht antworte, da ich eigentlich gerade gar keine Zeit habe, mich hier an der Diskussion zu beteiligen.

    Mit freundlichem Gruß

    Ihr 68er

    1. avatar

      68er: ‚… Dass Frau Zille die Errungenschaften der Kolonisation gelobt hat, habe ich auch gerade erst gelesen. Jetzt sollen die Menschen sich doch einmal freuen,… ‚

      … das tun sie auch nicht, sie jammern. Sie wollen nach Europa, am liebsten nach Deutschland. Da gibt ’s Hartz IV für nix.

      Fakt bleibt/ist, dass Afrika vom Kolonialismus profitierte.

      ‚Schuldkomplexe sind fehl am Platz. Wie der Ökonom Lord Peter Bauer in ¬seinem Standardwerk «Equa¬lity, the Third World, and Economic Delusion» schon Ende der siebziger Jahre darlegte, ¬brachte der Einfluss der Kolonialmächte Afrika mehr Segen als Unheil.
      , … so nützt einem ärmeren Land die Beziehung zu einem reicheren Land. Wäre es nicht so, müsste man den internationalen Handel und die damit einhergehenden Verflechtungen abschaffen. Lord Bauer: «Wo immer es die Umstände in Afrika während der Kolonialzeit erlaubt haben, führten die vom Westen etablierten wirtschaftlichen Kontakte dazu, dass die schlimmsten Krankheiten beseitigt und Hungersnöte verringert oder gar ausgerottet wurden. Die Wirtschaftsbeziehungen brachten eine höhere Lebenserwartung und bessere Lebensstandards.» Herausragendes Beispiel für den Erfolg des Kolonialismus ist die einstige britische Kronkolonie Hongkong. Umgekehrt waren einige der ärmsten Regionen nie westliche Kolonien: Afghanistan, ¬Tibet oder Liberia. Europa ist nicht schuld an der Misere der Dritten Welt.

      Natürlich gab es Untaten. Doch selbst der vom belgischen König Leopold teilweise misshandelte Kongo hatte zur Zeit seiner Unabhängigkeit eine exportorientierte Landwirtschaft und einen konkurrenzfähigen Bergbau. Industriell war das Land Brasilien voraus. Noch in den sechziger Jahren wiesen Nigeria oder Burkina Faso ein höheres Pro-Kopf-Einkommen auf als China oder Südkorea.‘ … usw.

  11. avatar

    @posener

    Sie kommen von Mbembes Einschub „… und in einer ganz anderen Größenordnung …“ auf einen vermeintlichen Direktvergleich zwischen Holocaust und Apartheid, indem Sie schreiben: „Der Holocaust war nicht eine viel größere Form der Apartheid, und, was wichtiger ist, die Apartheid nicht eine kleinere Version des Holocausts.“
    Auch wenn ihr Satz ganz zweifellos zutrifft, so gibt doch Mbembes Gesamtsatz diesen Direktvergleich mAn nicht her. Die „andere Größenordnung“ ist keine (direkte) Skalierung zwischen Holocaust und Apartheid, sondern sie stellt ein Intensitätsgefälle zwischen dem dem Holocaust zugrundeliegenden „Trennungswahn“ und dem der Apartheid zugrundeliegenden „Trennungswahn“ dar. Freilich, indirekt, d.h. über das wachsweiche Vehikel des Trennungswahns, zieht er den Vergleich dann doch.
    Dass Trennungswahn etwas mit Apartheid zu tun haben könnte, mag man hinnehmen. Aber Trennungswahn zu einem grundlegenden Begriff des Holocausts zu machen, ist Mumpitz. In diesem Zusammenhang ist das Wort „emblematisch“ sehr merkwürdig, denn es sagt für mein Verständnis, dass sowohl Holocaust und Apartheid !ganz offenkundig! Verkörperungen des Trennungswahns sind. Doch offenkundig bzw. klar ist da gar nichts. Wieder einer, der mit stumpfem Werkzeug versucht, die Geschichte (s)einer Weltanschauung anzupassen, statt etwas gescheiteres mit seiner Zeit anzufangen.

  12. avatar

    Wenn Sie mir eine sehr persönliche Frage erlauben:

    Mir scheint, dass die Unredlichkeit Ihrer Opponenten Sie persönlich mitnimmt (wenn es sich um einen rhetorischen Trick handelt oder ich Sie falsch verstanden habe, vergessen Sie die Frage). Warum?

    Ich habe es mir seit meiner Zeit als Studentenpolitiker abgewöhnt, selbst von im Kern sehr anständigen Menschen beständige Redlichkeit in jeder Lage zu erwarten. Ich weiss, dass ich selbst kein vollständig redlicher Mensch bin, weil ich in öffentlichen Auseinandersetzungen der gelungenen Polemik gegenüber einer differenzierten Argumentation gewöhnlich den Vorzug gebe.

    Warum (falls zutreffend) trifft Sie also die an die Öffentlichkeit gerichtete und für diese bestimmte Polemik eines politischen oder intellektuellen Gegners? Sie haben noch einige Jahre mehr Lebenserfahrung, als ich.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    1. avatar

      Sie haben Recht, lieber Thorsten Haupts: Ich bin vielleicht zu empfindlich.
      Sagen wir es so: Für mich ist die Diskussion, auch die polemisch geführte Diskussion, eine Möglichkeit, etwas zu lernen. In der Regel modifiziere ich die Position, mit der ich in die Diskussion gegangen bin. Wenn dann aber die Diskussion nicht um die Schwäche meiner Argumente geht, sondern um meine persönlichen Schwächen, sehe ich keine Möglichkeit, zu einer Einigung zu kommen, und das frustriert mich ungemein. Wenn ich das Problem bin, nicht mein Argument, sind wir auf sehr gefährlichem Terrain.

      1. avatar

        Wenn Sie mir noch eine persönliche Anmerkung erlauben:

        Nach meiner langjährigen Erfahrung in vielen polemischen Auseinandersetzungen nehmen die meisten Menschen scharfe Angriffe auf ihre Position als Angriff auf sich selbst wahr. Praktizierende Akademiker wie Journalisten sind da mitnichten Ausnahmen, sondern das ist bei ihnen eher noch schärfer ausgeprägt (mangelnde Lebens- und mangelnde Diversitätserfahrung). Also reagieren sie mit einem persönlichen Gegenangriff, der aus ihrer Sicht auch unfair sein darf – Sie haben ja angefangen :-).

        Darüberhinaus sind unfaire Angriffe eine scharfe Waffe – nur wenige Menschen können darauf abgeklärt reagieren, die meisten bringt es aus dem Gleichgewicht, was sie als intellektuelle Gegner automatisch schwächt. Ich nutz(t)e das seit langem sehr bewusst.

        Zwei Erfahrungen, die hier eine Rolle spielen könnten. Nehmen Sie´s sportlich – allemal besser als die Nuklearwaffe vollständiger Ignoranz.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

    2. avatar

      Ich zögerte, das gleiche nach dem Hören des Audio-Beitrags auf D-Radio-Kultur anzumerken, was offensichtlich auch Thorsten Haupts aufgefallen ist, weil es sich ’nur‘ um ‚Atmosphärisches‘ handelt. Ich weiß aber von mir selber, dass hinter einer solchen persönlichen Betroffenheit oft etwas steckt, was formuliert werden will und muss: Herr Aguigah zeigte in dieser Diskussion die unangenehm überhebliche Attitude eines nichthinterfragbaren Experten bzw. Richters, was mir seit längerem bei Mitarbeitern der ARD-Anstalten auffällt, nämlich die Aufgabe des Korrespondenten als solche misszuverstehen und mit der anmaßenden Haltung des Weltenerklärers zu vermischen. Es gibt gibt da einige Passagen in der Aufnahme, an denen das deutlich wird, sei es „ich freue mich, Herr Posener, dass Sie das wenigstens auch so sehen“ oder über die „Springer-Presse“.
      Man muss den ARD-Anstalten wohl konzidieren, dass ihre (älteren, die jüngeren hören kaum DLF) Hörer das genauso auch erwarten. Möglicherweise eine sehr deutsche Eigenheit.
      Aus dem zum Zweck der Zuspitzung bzw. Verdeutlichung weggelassenen Nebensatz wird dann „Unredlichkeit“, denn merke: Nur die aus Gebührengeldern finanzierte ARD kann es sich leisten, ihre Mitarbeiter so zu bezahlen, dass sie nicht ‚anderen‘ Interessen folgen.

  13. avatar

    APo: ‚… Aber die Apartheidspolitik, so abscheulich sie war, war eben nicht genozidal … ‚

    … ja, aber die Apartheidpolitik in Afrika – soll einer schreiben, die ‚Schwarzen‘ können keine Apartheid – ist auf den ‚besten‘ Weg dorthin. Pogrome gegen Ausländer und rassistisch motivierte Morde an ‚Weiße‘ sind, u.a., in Süd-Afrika, an der Tagesordnung.

    … jambo, es gibt für Mbembe viel zu tun – in Afrika.

    … übrigens, der ‘Schwarze’, war nie Sklave der ‚weißen Menschen‘, er wurde von anderen ‚Schwarzen‘, Stammesfürsten und Dorfhäuptlinge, an ‚Weiße‘ verkauft oder von arabischen Sklavenhändlern, Mohammedaner, gefangen genommen. Der Sklavenhandel zwischen Afrika und dem mittleren Osten war viel älter als der atlantische Sklavenhandel. Der Westen begann die Sklaverei nicht, aber er beendete sie. (Wobei die ‚arabischen Sklavenhändler‘ besonders gern weiße Europäer, Christen, zu Sklaven machten.)

  14. avatar

    Hallo Herr Posener,

    am Anfang zitieren Sie Mbembe, dann kommt eine relativ lange Geschichte mit Wildt und dem Herrn vom Deutschlandfunk und man fragt sich, wozu das alles und dann, wenn man nicht noch einmal das Zitat liest, könnte man Ihnen auf dem Leim gehen, wenn Sie sagen:

    „Die zweite Hälfte jedoch verräterisch: ‚in einer ganz anderen Größenordnung‘. Das ist grundfalsch. Der Holocaust war nicht eine viel größere Form der Apartheid, und, was wichtiger ist, die Apartheid nicht eine kleinere Version des Holocausts. Vielmehr handelt es sich um ein nicht quantitativ, sondern qualitativ anderen Vorgang.

    Der Holocaust ist sicher mit dem Genozid an den Armeniern und anderen Genoziden vergleichbar in dem Sinne, dass es eben alles Genozide waren, wenn auch keiner den grotesken und zugleich kalten Vernichtungswillen des Holocaust erreichte. Aber die Apartheidspolitik, so abscheulich sie war, war eben nicht genozidal.“

    Ja, Sie haben Recht, die Apartheitspolitik in Südafrika war nicht genozidal ausgerichtet. Das behauptet Mbembe aber auch gar nicht. Und er vergleicht auch keine „Genozidalität“ miteinander sondern stellt die These auf, dass die Idee der Separation (um mal von dem Wort Phantasie wegzukommen), sowohl im Holocaust als auch im südafrikanischen Apartheitssystem zu verheerenden Unmenschlichkeiten geführt hat, wobe er ausdrücklich betont:

    “ …the latter, though, in an extreme fashion and within a quite different setting…”

    Ich kenne den Text nicht auf französisch und könnte ihn aufgrund meiner mangelhaften Französischkenntnisse auch nicht übersetzen. Aber den englischen Text kann man auch bei aller übersetzerischen Freiheit nicht so übersetzen, wie Sie es getan haben.

    Zusammengefasst:

    1. Mbembe behauptet nicht, dass die „Idee der Trennung“ zu Genoziden verschiedenen Ausmasses führen sondern nur, dass die „Idee der Trennung“ nach seiner Auffassung mit dazu beigetragen hat, dass der Holocaust und das südafrikanische Apartheitssystem sich entwickeln konnten.

    2. Der englische Text:

    „The apartheid system in South Africa and the destruction of Jews in Europe – the latter, though, in an extreme fashion and within a quite different setting – constituted two emblematic manifestations of this phantasy of separation.“

    Wäre mit:

    „Das Apartheidsystem in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der Juden in Europa, sind zwei emblematische Manifestationen der Fantasie der Ausgrenzung‘. “

    Oder wie sie auch übersetzen:
    „…eine Manifestation des Ternnungswahns.“

    zumindest unsauber übersetzt.

    Aber ich kenne, wie gesagt, den französichen Text nicht und will Ihnen hier nichts unterstellen.

    Mit bestem Gruß

    Ihr 68er

    1. avatar

      Lieber 68er, Sie haben in verschiedenen Beiträgen, die ich gerade freigeschaltet habe, viele Dinge angesprochen, gleichzeitig betont, dass Sie eigentlich keine Zeit haben, sich damit intensiv zu beschäftigen,schon gar nicht mit meinen Antworten. Und mir geht es ja auch so. Ich muss ja mit Schreiben meinen Lebensunterhalt verdienen,und für das, was ich hier tue, verdiene ich keinen Cent.
      Ich beschränke mich also auf die philologischen Fragen, die Sie aufwerfen.

      Die französische Passage, auf die ich mich bezog, lautet:
      „Le système de l’apartheid en Afrique du Sud et, sur le mode paroxystique et dans un contexte distinct, la destruction des juifs d’Europe, constituèrent deux manifestations emblematiques de ce fantasme de séparation.“ (Politiques de l’inimitié)

      Wenn Sie sagen, dass Sie kein Französisch können, oder nicht gut genug, um die Originalpassage zu übersetzen, dann verstehe ich nicht, wie Sie mir eine unsaubere Übersetzung vorwerfen können. Aber beginnen wir mit der von Ihnen aus mir unerfindlichen Gründen zur Begründung meiner angeblichen Fehlübersetzung herangezogenen englischen Übersetzung:

      „The apartheid system in South Africa and the destruction of Jews in Europe – the latter, though, in an extreme fashion and within a quite different setting – constituted two emblematic manifestations of this phantasy of separation.“

      Auch wer kein Französisch kann, wird merken, dass „sur le mode paroxystique“ mit „in an extreme manner“ kaum angemessen übersetzt ist. Ein Paroxysmus ist laut Duden ein „anfallartiges Auftreten einer Krankheitserscheinung; anfallartige starke Steigerung bestehender Beschwerden“. Mbembe spricht hier also davon, dass die Krankheit – „phantasme de séparation“ – sich bei den Nazis „anfallartig gesteigert“ habe. Davon in der englischen Übersetzung keine Spur.
      Ich merke nur noch an, dass die englische Übersetzung „destruction of Jews“ fehlerhaft ist, denn Mbembe schreibt wahrheitsgemäß „des Juifs“, was auf Englisch heißen müsste „of the Jews“. Ihr Englisch ist sicher gut genug, so dass ich Ihnen den Unterschied nicht erklären muss.

      Nun zur deutschen Übersetzung:
      „Das Apartheidregime in Südafrika und -in einer ganz anderen Größenordung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns.“ So steht es im Buch „Politik der Feindschaft“.
      „… in einer ganz anderen Größenordnung …“ ist also nicht meine Übersetzung. Es ist die offizielle deutsche Übersetzung, die von René Aguigah so zitiert wird, um mir „Textverdrehung“ zu unterstellen, weil ich das weggelassen habe. Auch das Wort „Trennungswahn“ ist nicht meine Übersetzung von „phantasmes de la séparation“, aber die, wie ich finde: gelungene, offizielle deutsche Übersetzung.

      Was also soll Ihre Unterstellung, ich hätte „zumindest unsauber übersetzt“?

      Wenn überhaupt, haben die englischen und deutschen Übersetzer sich einer unsauberen Übersetzung schuldig gemacht, vermutlich weil sie schlicht und einfach vor der Phrase „sur le mode paroxystique“ kapitulierten. Ich würde das nicht mit „in einer ganz anderen Größenordnung“ übersetzen, sondern etwa „im paroxystischen Modus“. Dann soll die Leser*in daraus machen, was sie will.
      Aber es bleibt dabei, und nur darum ging es, dass die Weglassung dieses Einschubs keine Textverdrehung war, erstens; und dass es jenseits übersetzerischer Freiheit zweitens nicht richtig ist, dass Holocaust und Apartheid sich nur in der „Größenordnung“, im Grad ihres „Extremismus“ – „extreme fashion“ – oder im „Modus“ – krampfhaft, anfallartig oder nicht anfallartig – unterscheiden.

      Da mögen Sie anderer Meinung sein übrigens, aber dann geht es um eine Interpretationsfrage und nicht darum, dass ich Texte verdrehe und mit Taschenspielertricks arbeite, wie Aguigah unterstellt.

      Ich gebe mir wirklich Mühe, lieber 68er, Ihnen die Dinge zu erklären und sie nicht „in zwei Sekunden“ abzutun. Das hier hat mich fast eine Stunde gekostet. Da darf ich auch erwarten, dass Sie fair argumentieren. Danke dafür im Voraus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top