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Tut den Briten einen Gefallen: Schmeißt sie raus!

Parlament und Regierung haben sich in Großbritannien in die Handlungsunfähigkeit hineinmanövriert. Jetzt ist es an der Europäischen Union, ihnen Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Und zwar, indem die EU eine Verlängerung der Frist bis zum Austritt ablehnt und einseitig den von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Deal in Kraft setzt.

Für Premierminister Boris Johnson sieht das ideale Szenario so aus: Irgendwann im November führt er einen Wahlkampf zusammen mit der Brexit Party des Nigel Farage. Tenor: das Volk gegen das Parlament der Eliten, das den Brexit verhindern will. Was für Donald Trump die Mauer zu Mexiko war, das ist für BoJo der No-Deal-Brexit. In diesem Szenario bekommt er – was durchaus denkbar ist – eine ausreichende Mehrheit, um alle Gesetze aufzuheben, die einen No-Deal-Brexit ausschließen. Großbritannien verlässt dann die EU, und Johnson hat in seinen Churchill-Moment, in dem er dem Volk zuruft, die Zähne zusammenzubeißen und die Sache durchzukämpfen.

Das einzige Problem für den Premier aber: Er hat versprochen, niemals um eine Verschiebung der Frist zu bitten. Lieber, sagt er, wäre er tot im Straßengraben.

Rechtspopulist gegen Linkspopulist

Für Oppositionsführer Jeremy Corbyn, der niemals ein Freund des in seinen Augen kapitalistischen Clubs EU war, sieht das ideale Szenario so aus: Das Parlament akzeptiert den von May ausgehandelten Vertrag. Dann kann er einen Wahlkampf führen mit dem Tenor: Das Volk gegen die Elite um Johnson, für einen britischen Sozialismus.

Corbyn hat aber zwei Probleme: Er hat wiederholt gegen Mays Deal gestimmt, und er hat ein zweites Referendum über den EU-Austritt versprochen. Beides aber nur aus taktischen Gründen, um die Konservativen in Bedrängnis zu bringen und den EU-freundlichen Teil seiner Partei zu befrieden.

Nehmt den Populisten die Entscheidung ab!

Würde die EU Großbritannien zum 31. Oktober aus der Mitgliedschaft entlassen und das mit May ausgehandelte Abkommen einseitig in Kraft setzen, so würde sie Johnson vor die Wahl stellen, entweder einseitig die Grenze für europäische Waren zu schließen, also einen Handelskrieg mit der EU zu beginnen, oder stillschweigend den neuen Status Quo zu akzeptieren und im Wahlkampf konkrete Vorschläge für die Ausgestaltung des künftigen Verhältnisses mit der EU zu präsentieren. Der vollendete Opportunist würde vermutlich dankbar die ausgestreckte Hand ergreifen, die ihn vor dem Dilemma rettet, entweder das Gesetz zu brechen, indem er das Parlamentsvotum gegen einen No-Deal-Brexit ignoriert, oder das Gesicht zu verlieren, indem er die EU um eine Fristverlängerung bittet.

Die EU würde auch das leidige Problem eines zweiten Referendums aus der Welt schaffen, das die EU-Freunde ohnehin wahrscheinlich wieder verlieren würden, und auch Corbyn zwingen, konkrete Vorschläge für die künftigen Beziehungen zur EU vorzulegen. Auch Corbyn würde vermutlich dankbar sein, vollendete Tatsachen zu akzeptieren, statt für einen Deal stimmen zu müssen, gegen den er mit einigem rhetorischen Aufwand wiederholt gewettert hat.

Lieber Johnson als Corbyn

Vermutlich würden unter diesen Bedingungen – Großbritannien hat die EU verlassen, aber vorerst nicht die Zollunion – die Konservativen knapp gewinnen; zwar sind sie unter der Clique unter BoJo und Jacob Rees-Mogg nicht mehr die Partei der Freiheit und der fiskalischen Vorsicht, die sie unter Maggie Thatcher waren, sondern des „freigiebigen Autoritarismus“, wie der „Economist“ schrieb. Aber sie sind immer noch besser als das, was Corbyn und sein „Momentum“-Rollkommando aus der Labour-Party Tony Blairs gemacht haben.  Leider haben nach dem britischen Wahlsystem die moderaten Liberaldemokraten keine Chance, das Geschick des Königreichs zu bestimmen.

Europe first!

Die Einzelheiten britischer Politik aber haben die EU nicht zu beschäftigen. Rat, Kommission und Parlament müssen sich fragen, was für die Union am besten ist. Und das ist nach wie vor der Deal Theresa Mays: Austritt Großbritanniens, aber Verbleib in der Zollunion bis zum Aushandeln eines Endstatus. Die Union sollte also den aus Frankreich zu hörenden Stimmen folgen, eine Fristverlängerung ablehnen und den ausgehandelten Deal einseitig in Kraft setzen. Das wäre nicht nur im Sinne der europäischen Exporteure, Importeure, Produzenten und Konsumenten. Es hätte den zusätzlichen Effekt, den britischen Politikern vor den Augen ihrer Wähler klar zu machen, dass sie – anders als sie glauben – nicht der Mittelpunkt der Welt sind, ja nicht einmal der Mittelpunkt Europas.

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85 Gedanken zu “Tut den Briten einen Gefallen: Schmeißt sie raus!;”

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    Opa, hier oben weil: ‚Art. 16a GG ist eine Kann-Bestimmung (“… kann sich nicht berufen…”), keine Muß-Bestimmung (“… darf sich nicht berufen…”).

    … nun, Opa, in Rabulistik müssen Sie sich noch üben.

    Das Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Mai 1996-2 BvR 1938/93

    ‚Art. 16a Abs. 2GG beschränkt den persönlichen Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG nach wie vor gewährleisteten Grundrechts auf Asyl. Wer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a. Abs. 2 Satz 1 GG anreist, bedarf des Schutzes der grundrechtlichen Gewährleistung des Abs. 1 in der BR Deutschland nicht, weil er in dem Drittstaat Schutz vor politischer Verfolgung hätte finden können.‘

    … aaaber, so wie Sie sich outen, Opa, da gruselt es mir. Wirklich.

    Und dass mit der Zeit jeder Katholik zum ‚fundamentalistischen Taliban‘ erklärt wird, selbst wenn er sich auf das GG beruft … her je, wie langweilig; ich werde Ihrer Behauptung wegen bestimmt nicht zu Espenlaub.

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    Die direkten Auswirkungen des Brexit werden kurzfristig nicht so katastrophal sein, wie einige Apokalyptiker vorhersagen. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden beim Import nach UK bis zu 6 Monate Fristen eingeräumt, die Güter zu verzollen. Das dürfte die Situation entschärfen, die Briten werden ihren Salat bekommen. Beim Export wird es über 100 Zollpunkte im Inland UK geben, wo sich die LKW-Fahrer ihre Papiere machen lassen können, das wird nicht in Dover stattfinden. Kurzfristig wird es nicht so schlimm. Medikamente werden eingeflogen und erste Regelungen für den Flugverkehr wurden schon getroffen. Das sind natürlich Provisorien, aber sie werden als solche funktionieren. So schlimm wird es kurzfristig nicht kommen. Auf Irland wird man vieles einfach ignorieren. Letztlich wird es Irland sein, mit dem sich UK einigen muss. Und als am überlasten betroffenem Partner, sollte auch Irland das letzte Wort in all diesen Fragen gegeben werden. Der Vorteil ist natürlich, dass die Mehrheit der Schüler in Nordirland bereits heute katholisch ist, d.h. die Uhr läuft für die Republikaner – die Notwendigkeit einer IRA besteht somit nicht wie in den 70ern. Wozu Leute umbringen, wenn das Ergebnis in ein/zwei Jahrzehnten ohnehin eintritt (oder zumindest wahrscheinlich ist). Es wird vermutlich keinen Aufstand größerer Dimension geben, vielleicht gerade so viel, um das Bewusstsein der Spaltung aufrecht zu erhalten. Das hängt natürlich auch maßgeblich von der Regierung in London ab. Sollte die Markt-Taliban sich durchsetzen, wird die Entwicklung schneller geschehen, weil die Peripherie (Schottland, Nordengland, Wales – eigentlich die ganze Insel bis auf den reichen Süden) schlicht wie Osteuropa austrocknen wird. Deswegen fürchtet Sin Fein auch nichts mehr als eine Labour-Regierung, ebenso die SNP. Wer die Union retten will, wird an Labour nicht vorbeikommen, sei es mit oder ohne Corbyn.

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      Lieber Stevanovic, Begriffe wie „Markt-Taliban“ halte ich für nicht förderlich. Zumal BoJo alles andere ist als ein Markt-Fundamentalist. Ein Großteil seiner Anti-EU-Propaganda und des Wahlkampfs, den er jetzt (statt Verhandlungen in Brüssel) führt, drehte und dreht sich um mehr Geld für den sozialistischen (und darum maroden) Gesundheitsdienst, ein Fass ohne Boden. Im Grunde genommen, und das ist das Irre, wollen BoJo und Corbyn die Unabhängigkeit von der EU, um den Staat zu stärken. Das Notstandsregime beim No-Deal ist für BoJo ein Traum, bei dem er wie sein Vorbild Churchill Blut, Schweiß und Tränen versprechen, Durchhalteparolen ausgeben und ein paternalistisches Umverteilungswerk in Gang setzen kann.
      Das ist auch das Problem für Labour. Sie will etwas Ähnliches. Jedenfalls die Momentum-Gruppe, die zurzeit die Partei beherrscht wie die ESG die Konservativen (und die Trumpistas die Republikaner). Der Populismus, ob links oder rechts, muss gegen die EU sein, weil die EU ein regelbasiertes Unternehmen ist, während die Populisten sagen, Wir sind das Volk, wir dürfen also die Regeln nach unserem Gusto ändern.

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        Corbyn wird die Wahlen nicht gewinnen und Momentum ist nicht Kompromiss fähig, Labour zerfällt deswegen gerade. Corbyn wird als der Arbeiterführer in die Geschichte eingehen, der zwar mit seinem Standpunkt von 1975 im Einklang war, aber den effektivsten Schutz der Arbeiter und Angestellten für gescheiterte Träume geopfert hat. Er wird keine Koalition zustande bekommen und Labour wieder in die Opposition führen, er wird aus der selbstgewählten Ecke nicht hinauskommen. Das dürfte nach diesem Parteitag wohl klar sein. Dennoch hat Labour einen gesunderen Kern als die Torys und dieser Kern ist mit den LibDems durchaus in der Lage eine Mehrheit zu organisieren. Ob nah der Wahl und dem Untergang mit wehenden Fahnen Corbyn Parteiführer bleibt, werden wir sehen. Zugegeben, ist alles nur geraten, kann auch alles ganz anders kommen.

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        Mag sein. Ich bin aber nicht sicher, was die „Gesundheit“ von Labour betrifft. Jemanden wie Sajid Javid haben die nicht.

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        Der Wiederstand innerhalb Labours ist erheblich. Gerade was den Antisemitismus angeht. Aber ich gebe gerne zu, dass ist meinerseits das Pfeifen im Walde. Wir werden sehen.

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      Lieber Herr Posener,
      BoJo war der einzige bei den Konservativen, der glaubhaft eine „bullishness to get things done“ vermitteln konnte und nun ja auch punktet, vor allem gegen einen Corbyn. Der Paternalismus ist bestimmt in seinem Wesen, aber, schaut man sich die Leute hinter ihm an, wird man Eindruck nicht los, dass er vorne steht, weil er eben nicht so ist, wie die Leute, die ihn tragen.
      Hier ist ein Zusammenfassung: https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/jul/07/boris-johnson-government-britannia-unchained
      Die Frage, ob die Konservativen ihren eigenen PM fallen lassen würden, ist bereits mit Ja! beantwortet. D.h. ich nehme Wetten an, dass BoJo Paternalismus Wahlgeschenke sind, die nach Erteilung des Mandates in einem Britannia unchained münden werden. Es ist einfacher, einen BoJo auszutauschen, als die komplette Führungsriege einer gleichgeschalteten Partei. May war Paternalist alter konservativer Schule und mußte gehen. Zumal die Antwort auf die Frage, wer die smartest guys in the room sind, nicht zu BoJos Gunsten ausfallen würde. Der konservative Paternalismus ist Wahlkampf, durchschaubar und außer durch seine Person durch nichts gedeckt. Geld vor einer Wahl in die Landschaft blasen, ist keine Haltung. Die, die eine solche Haltung hatten, sind nicht mehr in der Partei, sie wurden ausgeschlossen. Weil konservativen Parteimitgliedern das alles durchaus bewusst ist, gaben über 60% in der berühmten Umfrage an, eher auf Schottland, als auf den Brexit zu verzichten. Die sind auf dem Kriegspfad, es ist Klassenkampf von Oben, do or die. Und er wird die Briten ein Königreich kosten. Die Truppe ist nicht zum Heilen und Versöhnen angetreten. Markt-Taliban ist ein polemischer Begriff, zugegeben, aber so wenig die Taliban den Islam einfach nur streng befolgen, so wenig sind diese Leute einfach nur konsequente Liberale.

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        In Vielem d’accord, lieber Stevanovic. Aber es geht nicht nur um Klassenkampf von oben, ja nicht einmal hauptsächlich. Sondern um den Kulturkampf. Der Klassenkampf ist ja rational. Die Großunternehmen, die natürlich ihren Arbeitern so wenig zahlen wollen wie möglich, also Klassenkampf betreiben, sind, wie überhaupt die Finanzelite und ihre Leute in London, ja für die EU. Es handelt sich bei Rees-Mogg und Co. um Populisten, denen es um Macht und Kultur geht: die Wirtschaftspolitik wird diesen beiden Elementen unterworfen, von der natürlich die erste die entscheidende ist, auch wenn sie persönlich glauben mögen, es gehe primär um die zweite.

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        „Sondern um den Kulturkampf.“
        Wenn Sie es so beschreiben, passt das durchaus. Das meinte ich mit dem Begriff Taliban, es ist eben ein Ticken mehr, als die gesellschaftsübliche Verschiebung von Vorteilen und gesellschaftlichen Gewichtungen. Es ist bestimmt kein Klassenkampf im herkömlichen Sinne, da sich ja auch große Teile der davon profitierenden Klasse, also „ihrer Seite“, nur verwundert an den Kopf faßt. Ja, Kulturkampf beschreibt es besser und sie haben absolut Recht, wirtschaftliche Folgen werden für die bessere Gesellschaft billigend in Kauf genommen. Da ist ein starkes irrationales Element im Spiel, das nur ideologisch/kulturell begründet werden kann und das macht die Sache ja so gruselig.

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        APo: ‚Es handelt sich bei Rees-Mogg und Co. um Populisten, denen es um Macht und Kultur geht: die Wirtschaftspolitik wird diesen beiden Elementen unterworfen, von der natürlich die erste die entscheidende ist, auch wenn sie persönlich glauben mögen, es gehe primär um die zweite.‘

        … Populismus finden Sie in den Ideologien … aaaber ‚Rees-Mogg und Co.‘ und Macht: 1. Joh 4,4; ‚Ihr aber, meine Kinder, seid aus Gott und habt sie besiegt; denn Er, der in euch ist, ist größer als jener, der in der Welt ist.‘

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        In gewisser Hinsicht haben Sie recht, blonderhans – und gleichzeitig wieder nicht, denn das Zitat paßt nicht zu dem, was Johnson, Rees-Mogg und die anderen Führungsfiguren der Brexiteer-Bewegung antreibt.
        Was nicht paßt: „Er, der in euch ist, ist größer als jener, der in der Welt ist.“ – Die Brexiteers berufen sich eben nicht auf Gottes Willen, sondern gerade auf den Willen des Volkes. Und das ist sehr wohl in der Welt.
        Was paßt: Die Verabsolutierung des vermeintlichen Willens eines übergeordneten Wesens. – Was sich auch darin äußert, daß (übrigens genau entgegengesetzt zu den Prinzipien der Demokratie) die getroffene Entscheidung nicht mehr hinterfragt werden darf, und der Furor, den die Brexiteers an den Tag legen, um Gottes – pardon: des Volkes Willen umzusetzen, weist in der Tat Ähnlichkeiten mit Glaubenskriegern auf. Aus dieser Perspektive ist der Taliban-Vergleich berechtigt, nicht bezogen auf die Marktwirtschaft.

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        … Opa, das hatten wir schon. Das Volk hat keine Macht. In keinem Gesellschaftssystem ist das ‚Volk‘ der Souverän. Weder in GB noch sonst wo. Auch nicht in der ‚BRD‘, trotz Art 20(2). Sonst säßen die Ex und Genossen schon längst auf der Anklagebank. Ich erinnere, u.a., an Dublin III und Art. 16a GG. Das ist nix anderes als eine bis heute andauernde – es wird niemand zurückgewiesen – rechtswidrige Grenzöffnung mit all seinen katastrophalen Folgen für das Volk. Einschließlich der illegalen Einreise mohammedanischer Attentäter.

        … aaaber, die Brexiteers berufen sich auf ein Referendum. Mir geht es um Populismus, Macht und Kultur. So wie APo es geschrieben hat. Keine Diktatur, auch keine vergangene, ist Wille des Volkes.

        Opa, wenn Sie, oder sonst wer, sich über das ‚1. Gebot‘ dünkt … ist ganz schnell in einer Diktatur. Aktuell bei einer ‚Hinterzimmerpolitik‘ und den rot-grünen Taliban … ‚Niemand sollte sich täuschen lassen; die Grünen sind nur eine Bande sozialistischer Ideologen und maßloser Umwelt-Irrer, die ein Verbotsregime und eine Diktatur durch die Klima-Hintertür einführen wollen. Das Ergebnis wird Faschismus sein, wieder einmal in neuer Gestalt, aber mit ebenso vollen Gefängnissen wie immer schon. Eine kaputte Wirtschaft, Mobilitäts- und Reiseverbote, irrsinnige Steuern, Enteignungen und die Abkehr von Wissenschaft und Forschung sind nur Nebengeräusche einer Ideologie, die ins tiefste Mittelalter zurück führt.‘

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        Ach, blonderhans, der Kappes von der vermeintlichen illegalen „Grenzöffnung“ wird auch nicht dadurch wahrer, daß Sie ihn dauernd wiederkäuen, und wer lesen (und vor allem den Text verstehen) kann, ist auch heute noch im Vorteil: Art. 16a GG ist eine Kann-Bestimmung („… kann sich nicht berufen…“), keine Muß-Bestimmung („… darf sich nicht berufen…“).
        Und je mehr ich Ihre Kommentare lese, umso mehr glaube ich, daß für Leute wie Sie der Begriff der Katholiban aus der Taufe gehoben wurde, da Sie eine totalitäre Ideologie („Du sollst keine anderen x neben mir haben“) predigen und obendrein beim Zitieren vermeintlich passender Aussagen weglassen, woher Sie das haben, um kritisches Hinterfragen, die Grundlage der Aufklärung, zu verhindern. Das besagte von Ihnen zitierte „Fundstück“, das Sie (ohne Referenz) wiedergeben, ist unbelegt – und auch auf mehrfache Nachfrage geblieben.

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    Bin da ganz Ihrer Auffassung! Verhandlungen sind gut, endlose Verhandlungen – Verzeihung – sind scheisse. Ich würde es zwar nicht unbedingt auf der Grundlage des Verhandlungsergebnisses von Theresa May tun, unterstütze aber den Grundgedanken:

    Die EU sollte einmal (einmal!) beweisen, dass sie wirklich handlungsfähig ist, einen Schlusstrich ziehen und „tschüss“ sagen. Einer der Gründe für ihre Unbeliebtheit bei den europäischen Völkern ist ihre extreme Handlungsfähigeit beim bürokratischen Klein-Klein und ihre ebenso extreme Handlungsunfähigkeit in allen Fragen, die über Krümmungsgrade oder Reifenbreiten hinausgehen. Leute wollen Führung sehen und erleben.

    Der Rausschmiss der Briten würde dann auch allen anderen vor Augen führen, was ein Austritt für Konsequenzen hat. Ich habe – anders als viele Linke – kein Problem mit dem Votum eines europäischen Volkes, nicht mehr mitzuspielen. Aber Entscheidungen haben Konsequenzen – und der Brexit wäre DIE Gelegenheit, sie einmal öffentlich durchzudeklinieren.

    Yup, schmeisst sie raus :-).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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      https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/sep/14/to-see-how-extremism-has-taken-root-in-britain-look-at-islington-north

      …und wegen denen sollen wir einen demokratischen Europäer erschießen, um 27 zu erziehen?

      Leider bin ich beruflich zu eingespannt, um ausführlicher zu antworten, was mir gerade sehr leid tut. Die EU ist ein zivilisatorisches Projekt, dass, nach meinen Vorstellungen, nicht auf Schauprozesse, abschreckende Hinrichtungen oder denn ganzen John-Wayne-Müll, Putins Oberkörperkult oder staatliche Betonplattenverlege-Kompetenz zugreifen sollte. Wir Europäer sollten die zweifelnden, zögernden Stuhlkreis-Warmduscher bleiben. Wir überzeugen, wir statuieren keine Exempel.

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        Wie kann man als deutscher Steuerzahler die EU toll finden?
        Der unfähige Schulz wurde Multimillionär in Straßburg, weil er sich die Taschen voll gemacht hat, genauso wie zehntausend andere EUrokraten. Die unfähige Von der Leyen stand nicht zur Wahl und ist jetzt Cheffe. Sie wurde übrigens von Macron ausgewählt, weil sie eine weltfremde Schwätzerin ist, die nicht die Interessen der Steuerzahler vertritt, also eine Negativauslese. Sie wird sich auch die Taschen vollstopfen und ansonsten nur Phrasen absondern.

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        Können Sie beweisen, dass Schulz Multimillionär ist? Und dass „zehntausend andere Eurokraten“ ebenfalls Multimillionäre wurden? Die Wirklichkeit, fürchte ich, wäre für Sie, falls Sie in Brüssel reich werfen wollten, ernüchternd. Nigel Farage wurde dort ebenso wenig Multimillionär wie Beatrix von Storch; wie es wirklich dort zugeht, beschreibt dieser Herr:
        https://www.kiwi-verlag.de/buecher/videos-und-buchtrailer/buchtrailer-martin-sonneborn-herr-sonneborn-geht-nach-bruessel.html

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      Die Battle of Britain ist kein Kampf um die Größe einer Handelszone, die Lieferkette oder bürokratische Effizienz. Es ist ein Kampf um die Seele, die Verfasstheit, Europas und wenn das liberale Europa einen umkämpften Graben einfach aufgibt, dann haben die Leute was gesehen, aber das nennt man Müdigkeit, Feigheit und Selbstaufgabe. Die Demokratie, die offene Gesellschaft selbst, wird angegriffen, UK ist nur eines der Schlachtfelder. Die Rechte ist auf dem Vormarsch und das ist ein transnationales Projekt.

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    Die EU kann den Souverän eines Mitgliedsstaates – das britische Parlament – nicht ignorieren. Wenn dieser Souverän sich gegen den May-Deal entschieden hat, kann die EU schlecht sagen, wir machen ihn trotzdem. So wie die Dinge liegen, muss die EU abwarten, bis eine Entscheidung gefunden wurde. Wenn eine Verschiebung gerwünscht wird, sollte die EU dem zustimmen. Die EU profitiert nicht von einem Ausscheiden, genauso wenig wie die Briten, also sollten die Briten entweder gar nicht oder so spät wie möglich ausscheiden.

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      Im übrigen sehe ich überhaupt kein Problem darin, eine offenkundig falsche, überstürzte und auf Falschdarstellungen beruhende Entscheidung im Nachhinein zu revidieren. Alles andere wäre die reinste Dummheit, nur um des Prinzips willen, was als sture Prinzipienreiterei eine weitere Dummeit darstellt und das dumme Ergebnis nicht schlauer macht. Wenn das britische Parlament dafür die Zustimmung der Bevölkerung braucht, sollte es sie einholen. Wenn die Bevölkerung dann abermals für einen Austritt stimmt, dann kann man nicht mehr helfen, dann ist es eben so.

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        Die Bevölkerung ist nach wie vor etwa 50:50 gespalten. Ein Referendum würde vermutlich äußert knapp ausgehen. Das Ergebnis wäre – bei der nächsten Wahl – der Sieg der hart-rechten Brexit Party und der Versuch, die EU zu sabotieren. Unter diesen Bedingungen kann Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU bleiben.

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        Wenn das wirklich so kommt, hätten Sie recht. Aber das kann man nicht wissen. Es ist durchaus vorstellbar, dass sowohl bei einem zweiten Referendum als auch bei der Folgewahl die besseren Argumente sich durchsetzen. Vielleicht kann man ja bei der Folgewahl auch die eine oder andere innenpolitische Kurs- oder Personalienkorrektur anbringen, um dem etwas auf die Sprünge zu helfen. Hier sollte die Hoffnung nicht vorschnell begraben.

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        Die Frage ist doch, unterstützt die EU einen Plan von Sektierern, die über ein Referendum die grundlegende Abkehr des Königreichs von gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb Europas wollen, oder eben nicht. Solange das britische Parlament Wiederstand leistet, sollte es auch die EU. Wird das Parlament in der Neuwahl aber mit diesen Leiten besetzt, stehen die Frontlinien fest. Sollte sich das Britische Volk für das Modell eines Piraten-Freistaates vor europäischer Küste entscheiden, wird die EU nicht zusehen können und dann wird passieren, was passieren muss. Das wäre der worst-worst case. Den strebt die European Research Group an und wir sollten jeden unterstützen, der dies verhindern will. Die EU verhandelt Freihandelsabkommen und führt Beitrittsgespräche manchmal über Dekaden. Ich glaube schon, dass die Zeit vorhanden ist.

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        Sowohl Labour als auch die Konservativen sind von Populisten gekapert worden. Weder Corbyns Vision (Viertagewoche, Abschaffung aller Privatschulen, Wiederverstaatlichung der Bahnen und anderer Unternehmen) noch der autoritäre Paternalismus von Johnson haben für mich auch nur die geringste Attraktivität. Anscheinend aber geht es den Briten wie den Amerikanern: Sie haben eine geradezu unheimliche Lust auf die Polarisierung und die damit einhergehende Selbstzerstörung. Brexit ist nur der Auslöser, nicht die Ursache.

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        Lieber Herr Posener,

        ich denke, es wäre an der Zeit auch im UK darüber nachzudenken, ob das Mehrheitswahlrecht in seiner „reinen“ Form das Gelbe vom Ei ist.

        Sollten die LibDems wirklich eine Mehrheit bei einer GE erringen, was zwar eher unwahrscheinlich aber sicherlich nicht ganz unwahrscheinlich ist, denken sie darüber nach, einfach Article 50 zu „revoken“ ohne ein weiteres Referendums:

        „Ed Davey, the deputy leader of the Liberal Democrats, has defended his party’s proposal to cancel Brexit if it wins a majority in a general election, saying the party would have a democratic mandate to do so without another referendum.“

        Das ist quasi Boris Johnsons approach nur andersherum. Er glaubt, bei einer GE zu gewinnen, scheut aber – wie May – ein zweites Referendum wie der Teufel das Weihwasser.

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        Lieber 68er, ich sage es ungern, aber ich stimme Ihnen zu, dass das Mehrheitswahlrecht auf den Prüfstand gehört. Es soll ja verhindern, dass radikale Parteien einen ungehörigen Einfluss bekommen, indem sie ins Parlament gelangen (siehe die AfD bei uns; in Großbritannien hätte sie vermutlich keine Chance). Aber das Mehrheitswahlrecht kann nicht verhindern, dass radikale Demagogen eine der großen Parteien (im Falle der USA) oder beide (wie in GB) übernehmen.
        Ich stimme übrigens den LibDems zu. Nichts wäre schlimmer als ein zweites Referendum. Das erste war schon nicht bindend. Die Wahl sollte ein Referendum sein. Ich glaube aber nicht, dass die LibDems gewinnen. Da sei Labour vor. Aber toll wäre es.

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        So richtig kommt mir eine Gleichsetzung von Labour und Torys nicht über die Lippen. Weit davon entfernt Corbyn auch nur persönlich sympathisch zu finden, muss ich dennoch zugeben, dass sich Labour einige Dinge leistet, die man halt so schwätzt, wenn man in der Opposition ist. Jahre in der Opposition fachen die Fantasie an (auch die von der widerlichen Sorte), die Regierungsmöglichkeiten norden solche Dinge in der Regel wieder ein. Corbyn hat sich seinen Shot nicht weniger verdient als andere, zumindest verantwortet er im Gegensatz zu den Blairisten nicht das Irak Fiasko und dessen Folgen, vom IS bis zur heutigen Machtstellung des Iran. Das gleiche galt auch für Trump, wer nicht Clintons „weiter so“ wählen wollte, konnte sich Hoffnungen machen und die übelsten Ausschläge sind ausgeblieben (bei aller Unzufriedenheit). Die Torys und BoJo haben sich dagegen in Regierungsverantwortung radikalisiert. Das Amt hat Spinnereien nicht gezähmt, die Macht die Fantasie angestachelt und die Torys korrumpiert. Eine Dekade Austerität auf Kosten des ärmsten Teils der Bevölkerung (zum Wohle der Nation) haben sich im Interesse einer Ideologie als Witz erwiesen – das gesparte Geld wird nun mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen. Wenn die Rasselbande die nächste Wahl gewinnt, nun, the sky is the limit. Und das passiert gerade in Echtzeit, nachgewiesen. Dagegen hält Corbyn Schwätzchen, die Rücknahme misslungener Privatisierungen könnte sogar sinnvoll sein. Es sind also nicht alle irgendwie gleich schlimm. Von dem einen vermuten wir es (wahrscheinlich zum Teil sogar zu Recht), von dem anderen wissen wir es zu 100%. Deswegen drücke ich diesmal Corbyn die Daumen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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        APo: ‚Nichts wäre schlimmer als ein zweites Referendum. Das erste war schon nicht bindend.‘

        … doch, doch, nicht erforderlich aber bindend. Das brit. Parlament hat sich mit einem Referendum, die Arroganz wollte sich selbst bestätigen, ins eigene Knie geschossen. Hochmut kommt vor dem Fall.

        Im Übrigen in der ‚BRD‘, so sieht es das GG vor, s.h. Art 20(2), geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Hier muss es in schwierigen polit. Fragen, die das Volk betreffen, ein Referendum geben.

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        APo: ‚Nein, kein Referendum kann den Souverän binden.‘

        … meinetwegen, wer braucht eine Demokratie die keine ist? Der Souverän gibt sich in einer Demokratie eine Verfassung. Christen haben das Evangelium; das steht (bei mir) nicht zur Disposition.

        … also; ich brauche weder das GG – dem ‚wir sind alle gleich, nur die Schweinchen sind ein bisschen gleicher Grundgesetz‘ – noch eine Verfassung.

        ABER wenn das Recht nicht gilt, dazu zitierte Benedikt XVI. im September 2011 den hl. Aurelius Augustinus im ‚Deutschen Bundestag‘: ‘Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande’. … die Autisten im BT haben alle gejubelt.

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        Verstehe ich nicht, dbh: Das Recht in Großbritannien lautet: niemand kann dem Parlament vorschreiben, was es zu tun hat. Es ist souverän. Sie können das ablehnen (in Deutschland ist es anders, weil wir eine Verfassung haben), aber es ist geltendes Recht. Und natürlich – das leugnet doch niemand – entstanden die Staaten aus Räuberbanden. Wie sonst?

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        … werter APo, vielleicht missverständlich von mir geschrieben, und ich hab‘ nix dagegen – wie auch – wenn ‚in Großbritannien lautet: niemand kann dem Parlament vorschreiben, was es zu tun hat.‘ Wenn die parlamentarische Monarchie in GB als Souverän ein Referendum beschließt – ist das Gesetz.

        Volksherrschaft ist nach heutigem Empfinden im Idealfall die gleichberechtigte Mitbestimmung aller an den Entscheidungen einer Gemeinschaft. So wird Demokratie allerdings nirgendwo praktiziert.

        Übrigens, der Gedanke der Gleichheit der Menschenwürde beruht auf dem Christentum.

        Die Demokratie geht von der Gleichheit aller Bürger aus, heißt, dass das Volk – souverän ist. Das ist allerdings nicht meine Nummer. In der ‚Kirche Christi‘ ist Christus der Souverän.

        Mehr wollte ich eigentlich nicht schreiben.

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        Nein, dbh. das Parlament hat ein nicht-bindendes Referendum beschlossen. Lesen Sie nach.

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        … werter APo, wenn die parlamentarische Monarchie in GB als Souverän ein Referendum beschließt sollte es Gesetz sein. Sei denn die Politik in GB sinkt auf die Ebene eines Versicherungsvertreters oder Politikers der ‚BRD‘; versprochen ist nicht garantiert oder die Ex: ‚Man kann sich nicht darauf verlassen, daß das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt. Und wir müssen damit rechnen, daß das in verschiedenen Weisen sich wiederholen kann.‘

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      Das stimmt so nicht, lieber Roland Ziegler. Die Regeln für das Ausscheiden sind klar. Großbritannien hat bereits die Fristen überzogen. Die EU ist nicht gezwungen, sie noch einmal zu verlängern. Die Frage ist: wie behandelt die EU britische Exporte, Dienstleistungen, Bestellungen usw.? Wie jene aus einem Drittland, mit dem die EU keine Verträge hat, also nach WTO-Regeln, oder wie Exporte usw. etwa aus der Schweiz oder Norwegen oder anderen Mitgliedern des Binnenmarktes und der Zollunion? Ich schlage Letzteres vor, was Johnson zwingt, entweder einseitig Zölle zu erheben, oder stillschweigend die Zollunion zu akzeptieren.

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        Natürlich ist die EU nicht dazu gezwungen, die Fristen noch einmal zu verlängern. Aber es ist in ihrem Interesse. Denn die Aufrechterhaltung des Ist-Zustandes ist für die EU besser.

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    Das Grundproblem im Verhältnis von EU und Großbritannien ist doch, daß die heutige EU sich schon sehr unterscheidet von der EWG, in die die Briten einst eingetreten sind.
    Die Premierminister Wilson, Callaghan, Thatcher und Major haben nach dem Beitritt dafür gesorgt, daß die Pläne kontinentaleuropäischer Eurokraten vom Schlage eines Kohl, Delors oder Mitterrand nicht in den Himmel gewachsen sind.
    Das Verhängnis fing an mit Tony Blair, der, sei es aus Überzeugung oder aus Opportunismus, den britischen Widerstand gegen Erweiterung und Vertiefung der EU und die damit einsetzende Entwicklung zu immer mehr Kompetenzen in Brüssel aufzugeben.
    Das zweite Verhängnis war der unselige Herr Cameron, der aus taktischen innenpolitischen Gründen das Referendum ansetzte und sich vom Acker machte, als es nicht so ausging wie von ihm geplant.
    Das dritte Verhängnis war dann die bedauernswerte Frau May, die als Brexit-Gegnerin und Europa-Freundin dann genau diesen Brexit organisieren sollte. Das konnte doch nur in die Hose gehen.
    Bei Johnson wußte man wenigstens von Anfang an, wo er steht. Ich weiß nicht, ob er den Karren aus dem Dreck ziehen kann. Aber er hat ihn definitiv nicht rein gefahren.

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      Lieber Gerald Wissler, Boris Johnson war als Bürgermeister von London ein pro-europäischer Kosmopolit vom Schlage David Camerons. Er wandelte sich zum Brexiteer, als er begriff, dass er auf diese Weise seine Karriere fördern könnte. Er betrieb die Kampagne mit Lügen (etwa über die Höhe der Zahlungen der Briten an Brüssel) und falschen Versprechungen (etwa dass die deutschen Autobauer Merkel zwingen würden, jeden Deal zu akzeptieren). Er ist einer der Hauptverantwortlichen für den Schlamassel.

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        Liber Alan Posener,
        mag sein, daß ich mit meiner Einschätzung von BoJo falsch lag, als Lokalpolitiker stand er natürlich nicht so im Fokus.
        Ihn aber zum Hauptverantwortlich zu machen ist Zuviel der Ehre, dafür war er einfach zu lange gar nicht wichtig genug.
        Ich bin nach wie vor der Meinung, daß der derzeitige Zustand die Folge einer langen Kette von Fehlentwicklungen ist.

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        Es gab in der Geschichte durchaus schon Figuren, die haben es ganz allein geschafft, die Welt deutlich schlechter zu hinterlassen als sie sie vorgefunden haben.

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    Johnson will den Willen des Volkes ausführen und raus aus der EU-Mafia, Corbyn hat Angst vor dem Volk, deshalb scheut er Neuwahlen. Die deutsche Lügenpresse stellt es mal wieder verfälscht dar, wie immer. You cant hide forever – Ein geiler Satz von Boris, der übrigens auch für die deutschen Volksverächter gilt.

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      Sehnse, Gert Weller, das ist das Problem: Der „Volkswille“ ist ein Rousseau’scher Begriff, der regelmäßig in den Terreur führt. Dagegen haben kluge Denker – übrigens vor allem Konservative wie Edmund Burke – die Parlamentarische Demokratie errichtet. Hier ist ein schöner Spruch von Burke: “Men are qualified for civil liberty in exact proportion to their disposition to put moral chains upon their own appetites…in proportion as they are more disposed to listen to the counsels of the wise and good, in preference to the flattery of knaves. Society cannot exist, unless a controlling power upon will and appetite be placed somewhere; and the less of it there is within, the more there must be without. It is ordained in the eternal constitution of things, that men of intemperate minds cannot be free. Their passions forge their fetters.”
      Sie sind ein Beispiel für ein „intemperate mind“, wie auch Farage, Johnson und all jene Schwätzer vom „Volkswillen“. Das Volk hat keinen Willen, es hat „passions“, und genau deshalb braucht es „fetters“.

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        Was sagt der Herr Burke denn zu Volksabstimmungen? Das Parlament ist ja nicht dazu da, das Volk zu fesseln, wenn es anders abstimmt als erhofft, und wenn es das doch macht, wie May und Corbyn, dann wird es bei der nächsten Wahl dafür abgestraft. Sie können sich nicht für immer verstecken, die Abstrafung in Form von Wahlen wird kommen.

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        Ich weiß nicht, ob sich Burke zu Volksabstimmungen geäußert hat. Aber ich vermute, dass er dagegen war oder dagegen wäre. Siehe hier:
        https://teara.govt.nz/en/photograph/36943/edmund-burke
        Denn natürlich ist das Parlament dazu da, das Volk zu fesseln, wie Sie sich ausdrücken. Ja, in Großbritannien ist das Parlament – und nicht das Volk! – der Souverän. Sie können das nachschlagen, wenn Sie mir nicht glauben.
        Nicht zufällig gibt es auch bei uns kein imperatives Mandat, und letztlich sind die Abgeordneten laut Verfassung nur „ihrem Gewissen“, und nicht dem Wahlvolk verantwortlich. Sie mögen von „Abstrafung“ raunen, aber wie gesagt: das ist nicht die Sprache eines „besorgten Bürgers“, als der Sie sich zuweilen ausgegeben haben, das ist nicht die Stimme eines Konservativen; das ist die Stimme eines Rousseau’schen Revolutionärs.

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    Was wir hier sehen, IST eine Sternstunde der Demokratie. Ein Parlament wehrt sich gegen die Exekutive. Es will Zeit für Beratungen, es lässt sich nicht unter Druck setzen und das alles über Parteigrenzen hinweg. Es verlangt mehr Diskurs. Es will quasseln. Wir haben und an marktkonforme Demokratien ohne Alternative gewöhnt, deswegen erscheint das als etwas Schlimmes. Aber es geht eben seinen demokratischen Weg und der macht nicht immer eine Bela Figura. Was ein Kenneth Clarke gemacht hat, ist eines der mutigsten Dinge, die ich von einem Parlamentarier seit langer Zeit gesehen habe. Soll die EU diesen Leuten den Dolch in den Rücken stoßen? Appeasement mit konservativen Revolutionären, deren erklärter Feind, nun ja, eben die EU ist?
    Statt den May-Vertrag einseitig in Kraft zu setzen (wie auch immer das politisch gehen soll), könnte die EU auch einer Verlängerung um 100 Jahre zustimmen. Dann wäre der Zeitdruck, der nur durch die Aktivierung des Artikel 50 durch die Rechte entstanden ist, mit einmal mal weg und das Vereinigte Königreich hätte alle Zeit der Welt sich eine Meinung zu bilden.

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      Es will quasseln – So ist es, deshalb hat Rees-Mogg sich schlafen gelegt, denn – der Worte sind genug gewechselt, allein fehlt mir der Glaube, dass der Volkswille noch umgesetzt wird, nach 3 Jahren Gequassel.

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        „Quasselbude“ vs. „Volkswille“, das ist Goebbel’scher Sprachgebrauch, lieber Gerd Weller. Googeln sie mal „Schwatzbude“. Ich unterstelle Ihnen nicht, wie Goebbels zu denken, aber eine grobe Sprache kann auch das Denken korrumpieren.

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        Den Begriff Quasselbude habe ich ironisch benutzt, um auf die Geringschätzung des Parlamentes hinzuweisen. Der Punkt ist nicht der Brexit, der ist durch das Referendum beschlossen. Der Punkt ist, dass das Parlament Zeit für eine Entscheidung Zeit braucht, auch wenn es manche in UK und auch in der EU nicht abwarten können.

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      Stevanovic: ‚Was ein Kenneth Clarke gemacht hat, ist eines der mutigsten Dinge, die ich von einem Parlamentarier seit langer Zeit gesehen habe. Soll die EU diesen Leuten den Dolch in den Rücken stoßen? Appeasement mit konservativen Revolutionären, deren erklärter Feind, nun ja, eben die EU ist?‘

      … klar, beim Verrat lacht das (ehemalige) ‚linke Herz‘. Beileibe kein ‚Alleinstellungsmerkelmal‘ deutscher Sozialdemokratie, … to radically change the country and „rub the Right’s nose in diversity“

      … no comment

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        Verrat, kleinkariertester Allerwertester, ist nicht, einen Verein zu verlassen, der Grundsatzpositionen verlassen hat, für die er vor kurzer Zeit noch anzutreten vorgab. Nibelungentreue ist die Denkfaulheit des Kleinkarierten, die Zwangsjacke des Autoritären und die Passion der ekelhaftesten Staatsführer gegenüber den ihnen anvertrauten Völkern.
        Für Feudalisten macht Ihre Wertung natürlich Sinn. Aber im Feudalismus wären Sie auch nur Hofschranze …

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        … zunächst, werter T.H., für Treue brauch ich keine Nibelungensage. Mir gilt der Dekalog.

        Verrat geht einher mit Opportunismus, Gefallsucht, Schmeichelei und Heuchelei. Intrigantentum, Demütigungen, Verleumdung, üble Nachrede – all das finden Sie in den Ideologien. Hatten wir, u.a., hier schon.

        Übrigens – Hochverrat ist in Deutschland, wie der Friedensverrat, womit wir wieder bei der Deutschen Sozialdemokratie sind, ich erinnere nur an den völkerrechtswidrigen Angriff der Genossen auf Jugoslawien, ein Straftatbestand.

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        Aha.
        Parteiwechsel in der Demokratie = Friedensverrat oder Hochverrat. Danke für den interessanten Einblick …

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      Sie haben fast alles angesprochen, was notwendig ist und ich stimme Ihnen fast ausnahmslos zu. Das waren Sternstunden der Demokratie, die mich in den letzen Wochen viele Stunden gebannt von der Arbeit abgehalten haben. Die Debatte am 9. habe ich bis zum Schluss geschaut.

      Der Vorschlag von Posener ist unausgegoren und wäre eine Kapitulation vor den rechten Populisten. Selbst wenn der Supreme Court die Progogation hält, hat Johnson in den letzen Wochen so viele Niederlagen eingefahren und so viele Einflussreiche Leute gegen sich aufgebracht, und vor allem so viele Fehler gemacht, dass er als einer der unfähigsten PM in die Geschichte eingehen wird, wenn die Gegenseite jetzt nicht ähnlich dumme Fehler macht.

      Die beste Strategie ist wohl abwarten und Tee trinken und darauf warten, dass BOJO weitere Fehler macht. Eine Zeit lang lachen die Leute gerne über den Klassenclown, aber irgendwann geht er einfach nur noch auf die Nerven. Sein größter Fehler war es, sich Grieve, Clarke und Gauke zu Feinden zu machen. Alles exzellente Juristen mit unendlicher parlamentarischer und Regierungserfahrung, die in der Partei sehr beliebt sind. Mit großer Bestimmtheit, Geschick und Weitsicht spinnen Sie gerade ein Netz, mit dem Sie Johnson früher oder später zu Fall bringen werden. Durch die letzten Gesetzesinitiativen wurde die Regierung dazu gezwungen entweder ihre Lügen aufzudecken, was sie natürlich nicht wollte, weiterhin zu lügen, oder aber gegen die Gesetze zu verstoßen. Mir kann niemand erklären, wieso nicht wenigstens die offiziellen Korrespondenz über die Diensthandys zur Progogation veröffentlicht worden sind, wenn es darin nur darum geht, Zeit für die Vorbereitung einer Queens-Speech zu erlangen. Die Rebellen sind ja noch durch diverse Parteifreunde mit Downingstreet verbunden und wissen daher schon im Groben, was dort gespielt wird. Als erfahrener Jurist hätte Grieve sich niemanls so weit aus dem Fenster gewagt, wenn er keine stichhaltigen Beweise dafür hätte, dass BOJO in dieser Sache lügt. Sein Problem ist lediglich, dass er damit nicht rauskommen kann, da er sonst seine Whistleblower verraten würde. Aber früher oder später wird sein Kartenhaus zusammenbrechen.

      Dominic Cummings mag ein guter Campaigner und Stratege für Wahlkämpfe sein und er schafft es derzeit ja auch noch ganz gut, die Stimmung aufrecht zu halten. Von den britischen Regierungsgeschäften und vor allem den juristischen Fallstricken hat er aber recht wenig Ahnung, so dass er seinen Boss immer mehr in Richtung Gefängnis manövriert. Im Gegensatz zur BRD sind die britischen Committees die Regierungsfehlverhalten aufklären relativ penibel und akkurat.

      Wenn die EU klar bei ihrer Linie bleibt, wird Johnson entweder versuchen einen leicht veränderten May-Deal auszuhandeln oder, wenn er dies nicht schafft, wird er wahrscheinlich kurz vor dem 31. durch Clarke oder Corbyn abgelöst. Wenn Labour schlau wäre, würden sie Clarke vorschieben, denn der wurde ja mit den Torys von den Wählern gewählt. Dann wäre es am besten, wenn Clarke Artikel 50 widerrufen würde und direkt einen neuen Antrag nach Artikel 50 stellen würde. Das wäre die sauberste Lösung und man hätte 2 Jahre Zeit in Ruhe zu einer Lösung zu kommen ggf. mit einer neuen Regierung.

      Wenn es dann einen Deal gibt, sollte der durch ein zweistufiges Referendum vom Volk abgesegnet werden.

      Erste Frage
      Soll GB aus der EU austreten oder nicht?

      Zweite Frage:
      Wenn die Mehrheit für einen Austritt ist, soll dieser mit dem gefundenen Deal geschehen oder ohne Vertrag.

      Gleichzeitig sollte den Schotten, Walisern und Nordiren für den Fall eines Austritts das Recht eingeräumt werden, über ihre Unabhängikeit abzustimmen.

      Leider wird es schwer sein, gegen BOJO und Cummings, und den „interessengeleiteten Medien“ von Murdoch und den Barclay-Twins einen Widerruf von Art. 50 so zu verkaufen, dass es die Bevölkerung versteht. Wahrscheinlich wird es daher wieder eine unsägliche Verlängerung bis Januar geben, wo dann aber auch noch nichts entschieden sein wird, da bis dahin erst einmal gewählt, eine neue Regierung gebildet werden muss etc. pp.

      Das traurige an der ganzen Sache ist allerdings, dass die letzten Wochen gezeigt haben, dass sowohl der Lissabonner Vertrag hinsichtlich der Austrittsmodalitäten verändert werden müsste. Am besten wäre es, feste Termine z. B. jeweils ein halbes Jahr vor einer Europawahl als möglichen Austrittstermin festzulegen mit einer Vorlaufzeit von zwei Jahren und wenn innerhalb dieser Zeit keine Einigung zustande kommt, gibt es entweder automatisch eine Verlängerung um ein weiteres Jahr oder die Möglichkeit eines Austritts ohne Abkommen. Das jetzige Prozedere ist einfach unwürdig und sinnlos. Eine Änderung des Vertrages von Lissabon wird es aber nicht geben, da dann im Moment wohl die EU zu einer Rumpf-EU zusammenschrumpfen würde.

      Weiter hat sich aber auch gezeigt, dass GB sich Gedanken machen sollte, ob wenigstens Teile der Verfassung schriftlich besser geregelt werden sollten. Auch hier habe ich wenig Hoffnung, dass das passiert. Gleiches gilt für eine Modifizierung des Mehrheitswahlrechts, dass bei der nächsten Wahl dazu führen könnte, dass das Lager trotz größerem Rückhalt in der Bevölkerung das Nachsehen hat, das es nicht schafft bei der Aufstellung von Kandidaten so abzustimmen, dass man sich gegenseitig nicht die Stimmen abnimmt.

      Und letztlich hat sich gezeigt, dass auch die politische Verfasstheit der Tories wenig demokratisch und rechtsstaatlich zu sein scheint. Ein ähnlicher Coup in der CDU wäre aufgrund der föderalen Struktur der Partei gar nicht möglich gewesen. Falls sich die Tories wieder zusammenraufen sollten, werden Grieve und Co. solch eine Reform sicherlich versuchen.

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        Lieber 68er, ich gebe Ihnen Recht, dass ein Referendum, sollte es stattfinden, mindestens zweistufig sein muss etwa in der Art, wie sie skizzieren. Aber wie gesagt: ich bin gegen Volksabstimmungen.

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      Gerade höre ich, dass die „Mehrheitsopposition“ plant, vor einer General Election ein zweites Referendum zu beschließen. Das würde, nach meiner Einschätzung zu einer REMAIN-Entscheidung führen und Johnsons Ende bedeuten. Selbst mit einer Absprache mit Farage würde er bei einer Neuwahl wenig Chancen haben, da er dann im Zweifel hinter Farage liegen wird, wie bei der Europawahl. Gewinner wären in diesem Fall wohl die Liberal Democrats. Fraglich ist allerdings, ob die SNP dafür stimmen, da sie dann im Zweifel ihre Unabhängigkeitsbestrebungen vergessen können. Labour wird in diesem Fall weiter lavieren und erheblich an die kleineren Parteien verlieren, wenn sie sich nicht für ein klares REMAIN entscheiden können. Die Gefahr einer Farage-Regierung mit einem Juniorpartner Johnson könnte sie aber möglicherweise zur Vernunft bringen. Wenn dann alle gemäßigten Parteien mit all ihren Wahlhelfern sich auf den Nordosten-England konzentriert und den Leuten von Tür zu Tür erklärt, welche Folgen ein No-Deal-Brexit nach sich ziehen würde, hätten sie gute Chancen nach der GE eine Koalitionsregierung zu stellen.

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        Ich glaube nicht, das Remain bei einem zweiten Referendum gewinnt. Woher nehmen Sie Ihre Gewissheit?
        Und Sie berücksichtigen bei Ihren Wahlprognosen nicht das britische Wahlsystem.

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        Wenn Boris einen Deal aushandelt, wird Labour nicht anders können, als ihn schlecht zu finden.

        Also werden sie bei einem Referendum mehr oder weniger widerwillig für Remain kämpfen. In den Social Medias und vor Ort werden die Grassroot-Campaigner aber ziemlich erfolgreich sein und die Wahlbeteiligung der Remainer wird auch besser sein als beim letzten Mal. Dass eine Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile für Remain ist, steht für mich ausser Zweifel, es kommt aber darauf an, die Leute zu den Urnen zu tragen.

        https://www.independent.co.uk/voices/final-say-remain-leave-second-referendum-brexit-no-deal-crossover-day-a8541576.html

        Und was die GE betrifft, habe ich mich vielleicht nicht klar genug ausgedrückt, Labour, LibDem und OneNation-Kandidaten würden vielleicht eine Mehrheit bekommen, wenn sie sich bei der Aufstellung der Kandidaten in den Consituencies ansprechen würden. Da Frau Swindon aber davon träumt, stärkste Kraft auf Kosten von Labour um den Tories zu werden und daher schon heute selbst eine Minderheitsregierung unter Corbyn abgelehnt hat, Könnte es sein, dass letztlich Farage und BoJo mit ca. 40 Prozent der absoluten Stimmen die Regierung bilden. Und in zwei Jahren wird dann noch einmal ein Referendum abgehalten.

        Da Capo al Fine!

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        Farages Partei hatte mal einen Abgeordneten, jetzt hat sie glaub ich, null.
        Das zweite Referendum wird natürlich wieder ein Sieg für die Brexiteers bringen, genauso wie Johnson gewinnen wird und ebenso Trump in den USA.
        Man sollte die BRD-Lügenmedien nicht so ernst nehmen, die bringen nur Desinformation.
        Einer der Höhepunkte war eine Phönixrunde, in der Markus Feldenkirchen vom Spiegel, der ja immer noch als Experte gilt, behauptete:
        Trump hat keine Chance Kandidat zu werden !!! ( Präsidentschaftskandidat der Republicans).

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        Lieber Gert Weller, Sie finden auch Artikel von mir, in denen ich sage, dass Trump ganz amüsant sei, weil er denen da oben die Leviten liest, dass er aber, der Verfassung der USA sei Dank, keine Chance habe. Fast alle Beobachter irrten, nicht, weil wir ahnungslos wären und schon gar nicht, weil wir lügen wollten (oder dafür bezahlt worden wäre, schön wär’s ja), sondern weil Trump ein „Schwarzer Schwan“ ist (siehe das Buch von Nasim Taleb), also ein Ereignis, bei dem die Experten fast alle falsch liegen, weil sie nur das Bekannte kennen können, nicht das Unbekannte. Würden Sie an Erkenntnis interessiert sein, würden Sie weniger krähen und sich eher fragen, wo selbst Sie irren könnten.
        Hier eines meiner Irrtümer:
        https://www.welt.de/debatte/kommentare/article152088084/Amerikas-Populisten-machen-verdammt-viel-Spass.html

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    Sollte die EU, aus striktem Eigennutz (ich sehe ihn genau an der Stelle nicht, aber for the sake of argument) A sagen und UK quasi entlassen, wird sie auch B sagen müssen und aus Eigennutz die Teile des Vereinigten Königreiches, die wegen der EU-Frage nicht mehr vereinigt sein wollen, aus dem Königreich herauslösen, zumindest ihnen nicht weniger hilfreich sein, als den konservativen Revolutionären heute. Die Franzosen wissen, dass sie mit einem Ausscheiden am 31.Oktober einen europäischen Konflikt, der seit 1000 Jahren tobt, für sich entscheiden können. Und wissen, dass sie in Schottland und Nordirland hervorragende Chancen haben, je deutlicher die Protofaschisten in England Fuß fassen. Die EU, Deutschland, sollte in der Frage auf jeden hören, aber nicht auf die Franzosen. Die nehmen kurzfristig Schaden, profitieren aber am meisten durch die Verschiebung der Balance in Europa.
    Über 60% der Konservativen Parteimitglieder würden eher den Verlust Schottlands hinnehmen, als auf den Brexit zu verzichten. Das ist ein höherer Anteil als der der Schotten, die für das Königreich gestimmt haben. Immerhin führt die Ukraine einen Krieg für das Recht, in die EU zu können. Die EU wird auf Dauer die Schotten und Iren nicht ignorieren können, sollte es um Eigennutz gehen.

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      Die Nordiren werden nie gegen die Union mit England stimmen. Jedenfalls nicht in den nächsten 25 Jahren. Und wenn sie es tun, gibt es wieder Bürgerkrieg, diesmal in ganz Irland. Ob die Schotten wirklich für eine Zollgrenze zwischen Edinburgh und Newcastle stimmen? Das ist keineswegs sicher. Ich denke: nein, zumal sie nach dem Brexit London mit eben dieser Drohung erpressen können, das Land noch mehr zu subventionieren als jetzt schon. Und wenn, wie Sie sagen, „Protofaschisten“ England regieren, sollte sich Deutschland vielleicht doch dem liberalen Macron anschließen, um den Trumpistas in Westminster eine Lektion zu erteilen.

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        Die Trumpistas bekommen keine Lektion, es wird die Bevölkerung sein, die sie bekommt. Es ist ein Merkmal autoritärer Staaten, solche Lektionen zu erteilen und auch in Kauf nehmen zu können. Wenn Europa eine Wertegemeinschaft sein will, werden wir Lektionen gegen Mitbürger unterlassen. Das sollte unsere Grenze sein und die Kostet uns eben etwas. Sei es Zeit und Nerven.

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        Mit dem May-Deal wird in Großbritannien niemand bestraft. Es ist die Blaupause für einen geordneten Rückzug aus der Union. Für den Rückzug hat eine Mehrheit gestimmt, und Mays Deal ist der Weg. Das der Bevölkerung nicht klar gemacht zu haben, sondern die Regierung May mitgestürzt zu haben – das hat Labour zu verantworten, genauer: Corbyn. Gegen Tom Watson als Premier hätte ich wenig einzuwenden. Besser als Johnson wäre er allemal.

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    Den coup de grace für die Checks and Balances der britischen Quasselbude soll die EU führen? Und damit den konservativen Revolutionären zu Spiel, Satz und Sieg verhelfen, weil, Gott sei bei uns, ein Sozialist Premierminister werden könnte? Lieber UK an die Protofaschisten verlieren, als einen linken Regierungschef mit Gewicht im Europarat? We agree to disagree.

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      Meinen Sie wirklich den Europarat, lieber Stevanovic? Da hat niemand Gewicht, der ist tatsächlich eine „Quasselbude“. Oder meinen Sie den Europäischen Rat, das Oberhaus der Europäischen Union? Da hätte Großbritannien natürlich Gewicht, bliebe es in der EU, aber das ist völlig ausgeschlossen und wäre, so wie das Land jetzt verfasst ist, nicht einmal wünschenswert.

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        Eben, das Parlament versucht an der Regierung vorbei eine überparteiliche Lösung zu finden. Eine Ablehnung der Verlängerung würde den Druck erhöhen, gewiss, aber wäre auch ein Vabanquespiel. Denn es ist zum einem schwer zu erklären, warum der Übergangs-Premier aus der Fraktion kommen soll, die das ganze verursacht hat, obwohl es einen Oppositionsführer Ihrer Majestät ja durchaus gibt, auch wenn er nicht allen gefällt. Das wird (zurecht) nicht allen bei Labour einleuchten. Zumal durch die Regierung zwischen dem EU-Gipfel und dem 31.Oktober wenig Sitzungstage bleiben, um so eine Aktion durchzuführen. Denn sollte dies nicht klappen, hat eine Gruppe innerhalb der Konservativen das Land gekapert. Und die EU hat es mit der Ablehnung abgesegnet, gegen den Willen eines Parlamentes. Das mag alles taktisch geschickt klingen, aber sauber ist es nicht. Das Parlament braucht Zeit, es soll Zeit bekommen. Wir sind nicht der Kreml.

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    „Parlament und Regierung haben sich in Großbritannien in die Handlungsunfähigkeit hineinmanövriert.“
    Genau dies ist der fundamentale Tatbestand des gesamten Austrittprozesses. Und da gibt es auch keine Möglichkeit, der EU den Schwarzen Peter zuzuschieben. So groß die Versuchung auch sein mag, Häme über den Lügner Johnson auszugießen, der sich nun im Amt des PM als lame duck erweist: Es sollte nicht vergessen werden, dass seine Lügen geglaubt und er von den Briten gewählt worden ist und dass es das Parlament war, das seiner Vorgängerin Theresa May die Zustimmung zu Ihrem Verhandlungsergebnis mit der EU verweigerte und das jetzt nicht etwa auf dieses Ergebnis als Lösungsmöglichkeit zurückkommt, sondern aus dem Brexit offenbar eine Never-Ending-Story machen will. Nach der Devise: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Wie Ignorant muss man eigentlich sein, nicht wahrhaben zu wollen, dass ein EU-Austritt ohne Zollunion eine Außengrenze in Irland nach sich zieht?
    Was wir hier erleben, ist keine Sternstunde der Demokratie. Es ist das Komplettversagen der politischen Klasse und des Wahlvolks in Großbritannien. Und das seit 2016. Sie haben recht, Herr Posener, ein Austritt am 31.10. ist für alle Seiten das Beste. So ergibt sich die Chance, zur Besinnung zu kommen und das Verhältnis zur EU neu zu definieren. Im Idealfall ohne Johnson und Corbyn.

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      “Parlament und Regierung haben sich in Großbritannien in die Handlungsunfähigkeit hineinmanövriert.”

      Nein, das haben sie nicht. Es war nicht „das“ Parlament, es war ein Teil der Konservativen und die Regierung ist handlungsfähig, weil sie auf Biegen und Brechen, do or die, ein bestimmtes Ergebnis haben will, gegen den Willen des Parlamentes.
      Das sind Checks und Balances in einer wichtigen Stunde für das Land. Es macht keinen Sinn diese über Bord zu werfen, wenn es mal Schwierig wird.

      Der Zeitdruck entsteht durch Artikel 50 und dem no-deal als Default. Dessen Aktivierung ist so von den konservativen Revolutionären durchgesetzt worden, wohl wissend, dass dem Publikum irgendwann die Puste ausgeht und Rufe nach einem raschen Ende laut werden.

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        Doch, es war auch das Parlament. Die Opposition hat aus durchsichtigem Kalkül – die Regierung in die Enge treiben – den vernünftigen Deal abgelehnt, den Theresa May ausgehandelt hat: Verbleib in der Zollunion bis zu einer Einigung über einen endgültigen Status, der aber eine harte Grenze in Nordirland vermeiden muss. Nun hat die Opposition zusammen mit den Tory-Rebellen die Mehrheit, sie könnte die Regierung zwingen, diesen Deal anzunehmen (und damit einen harten Brexit zu vermeiden), kann es aber nicht, weil sie mehrfach gegen den May-Deal gestimmt hat, ohne einen Plan zu haben, was sie stattdessen vorschlägt. Corbyn wollte über einen Parlamentsputsch Premierminister werden, aber da machen die Liberalen und die Rebellen nicht mit, und eine Wahl kann und wird Labour mit ihm nicht gewinnen.

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        Nun, das Referendum wurde von Cameron anberaumt, der nicht mal persönlich einen Plan B hatte, geschweige denn eine Mehrheit innerhalb seiner Fraktion. May hat einen Vertrag vorgelegt, der keine Mehrheit in ihrer Fraktion hatte, Johnson hat seine Fraktion dann dezimiert, um zumindest da Einigkeit herzustellen. Das ganze Theater wäre allen erspart geblieben, wenn die Konservativen einen Plan gehabt hätten. Mir fällt es schwer selbst einem Corbyn die Schuld zu geben, wenn seine Fraktion macht, was eine Opposition so zu tun pflegt: dagegen sein. Der Fehler liegt nicht im Parlament, sondern ausschließlich in der konservativen Partei. Der Parlamentsputsch geisterte ganze zwei Tage durch die Presse und am Ende macht Corbyn etwas, wozu die Torys nicht mal innerhalb ihrer Partei fähig sind, er führte überparteiliche Gespräche. Auch sehe ich keinen Fehler bei den LibDems, deren Standpunkt von Anfang an klar war. Es sind nicht irgendwie alle schuld, sondern ein ganz bestimmter Teil der Konservativen, der zielgerichtet auf den No-Deal hinarbeitete.

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      Ihr Kommentar provoziert ein paar Gedanken (darum soll‘ s doch gehen):
      „So groß die Versuchung auch sein mag, Häme über den Lügner Johnson auszugießen, der sich nun im Amt des PM als lame duck erweist: Es sollte nicht vergessen werden, dass seine Lügen geglaubt und er von den Briten gewählt worden ist..“
      Die zentrale Frage: Was lässt „Lügen“, Märchen, ‚Narrative‘, Theorien (Verschwörungstheorien usw.) usw. glauben – Naturwissenschaftler ‚probieren‘ selbstverständlich neue Theorien, wenn alte nicht mehr funktionieren. Es gibt offensichtlich – ähem- Dysfunktionaltäten in EU.. ja, man vergibt Chancen für Erkenntnis, wenn man sich, wie unsere ‚Öffentlich-Rechtlichen‘ (oder die ‚Heute Show‘) in Entsetzen und Häme suhlt. Wohltuend jede (Ihre) sensible Kritik an Schenkelklopfen, meist die eigene Verblödung anzeigend.
      „Was wir hier erleben, ist keine Sternstunde der Demokratie.“
      Eine verbreitete Anmerkung. Churchill sagte: „Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ich kenne aber keine bessere“ oder so ähnlich. Wahrscheinlich stimmt das aus geschichtsphilosophisch beschreibbaren Gründen. Wer also von der Demokratie „Sternstunden“ erwartet, präferiert eher ein anderes Regierungsmodell, was ich Ihnen jetzt nicht unterstellen möchte, aber den Haltungsjournalisten unserer öffenlich-rechtlichen Berichterstattung und Satire nicht klar zu sein scheint. Wenig Nachdenken hilft bisweilen.
      „Es ist das Komplettversagen der politischen Klasse..“ Jo. Und das darf die auch und muss sich dann mit der Abwahl abfinden. ich denke, den Briten darf man die Zeit dafür geben, weil ihre Regierung (z.B.) nicht in ihrem Programm irgendwas von ‚innerem Feind‘ stehen hat, der zwar zum Volk gehört aber eliminiert werden muss. Will sagen: Kirche -> Dorf. „.. und [das Versagen] des Wahlvolks in Großbritannien.“ .. das sollten wir als Demokraten, dem jeweiligen ‚Wahlvolk‘ überlassen – oder?
      Zu Alan Poseners These: Sicher, das britische Demokratiesystem braucht eine verlässliche und klare Rückmeldung der EU, um sich zu finden. Trennung ist aber noch keine Scheidung, um diesen Vergleich aus der Moderne, der Beziehungen mal zu bemühen.

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        Lieber Klaus,
        In der Tat halte ich jegliche Häme beim Brexit für unangebracht; ich bin vielmehr traurig, dass ein Land, dessen Gastfreundschaft ich über einen längeren Zeitraum genießen durfte, nun die EU verlässt. Gleichwohl bin ich erstaunt darüber, wie wenig ganz offensichtlich die Folgen der Austrittsentscheidung dort bedacht worden sind, zumindest von jenen, die dafür gestimmt hatten. Über die Wortwahl „Versagen“ kann man streiten, erstaunlich bleibt es trotzdem. Ihr Vergleich (im Sinne von Gleichsetzung) von „Lügen“ oder “ Narrativen“ mit der Theoriebildung in der Naturwissenschaft führt da nur begrenzt weiter, da die dikordanten Züge hier doch sehr ins Auge springen. In der Naturwissenschaft wird eine Theorie verworfen, wenn sie beobachtete Phänomene nicht erklären kann oder etwas vorhersagt, dass nicht eintritt. „Narrativen“ (um die mildeste Form Ihrer Reihung zu nennen) wohnt meiner Ansicht nach ein manipulativer Aspekt inne, da sie darauf abzielen, innerhalb von Kollektiven ein bestimmtes Bild, eine bestimmte Interpretation der Realität zu kreieren.

        Dass das Brexitverfahren keine „Sternstunde der Demokratie“ sei, war eher polemisch gegen all jene gerichtet, die, wie H.M. Broder auf der Achse, Johnson in Stellung bringen, nur um Merkel und Europa eins auszuwischen. Auch so ein Narrativ: Britische Demokratie versus Diktatur in Deutsch-Europa (verwiesen sei hier auch auf die Rede von Alice Weidel heute in der Generaldebatte).

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    … anders werter APo; Dexit sofort! Nix käme den Briten und den Europäern besser. Ich bin für ein Referendum zum Austritt oder Verbleib Deutschlands in der EU. Die Sozialisten haben fertig – und das ist auch gut so.

    The world is upside downEverybody lunatics and clowns
    No one speaks the truth

    We gotta get a grip

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